Bundesgerichtshof
UrhG § 5 Abs. 1, Abs. 2
Teil C der VOB gehört nicht zu den gemäß § 5 UrhG vom Urheberrechtsschutz freigestellten amtlichen Werken.
BGH, Urteil vom 30. 6. 1983 – I ZR 129/81 – VOB/C; KG Berlin (lexetius.com/1983,3)
[1] Die Revision gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des Kammergerichts vom 6. März 1981 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
[2] Tatbestand: Die Parteien sind Verlagsgesellschaften. Sie streiten darüber, ob die Verdingungsordnung für Bauleistungen (VOB) ein amtliches Werk i. S. des § 5 UrhG ist. Die Beklagte nimmt das alleinige Verlagsrecht an der VOB Teil C in Anspruch; die Klägerin ist am Vertrieb beteiligt.
[3] Die VOB ist in den Jahren 1921 bis 1926 entstanden. Sie ist vom Reichsverdingungsausschuß geschaffen worden, der sich auf Ersuchen des Reichstags unter der geschäftsführenden Leitung der Reichsbauverwaltung gebildet hatte und sich aus Vertretern der Reichsverwaltungen, der Länderregierungen, der Städte, der Wirtschaft und der Gewerkschaften zusammensetzte. Nach der Gründung der Bundesrepublik Deutschland bildete sich der Deutsche Verdingungsausschuß für Bauleistungen (DVA), dessen Aufgabe in der laufenden Überarbeitung und Fortentwicklung der VOB besteht. Als Mitglieder gehören ihm nach dem Stand vom Herbst 1975 26 Vertreter von Bundesbehörden, Landesbehörden und gemeindlichen Spitzenverbänden sowie 22 Vertreter von Auftraggeberverbänden (Berufsverbänden der Wirtschaft und sonstigen Körperschaften) an, wobei zwei Berufsverbände weitere Fachverbände vertreten. Im Hauptausschuß Allgemeines des DVA stehen 13 Vertreter des öffentlichen Bereichs 15 Vertretern der Wirtschaft gegenüber. Die im DVA erarbeiteten Ergebnisse wurden dem Deutschen Institut für Normung e. V. (DIN) zwecks Übernahme in das Deutsche Normenwerk und Herausgabe als DIN-Normen übergeben. Die drei Teile der VOB (A: Verfahren bei der Vergabe von Bauleistungen; B: Allgemeine Vertragsbedingungen für die Ausführung von Bauleistungen; C: Allgemeine technische Vorschriften für die Ausführung von Bauleistungen) werden dementsprechend als DIN-Normen herausgegeben. Die Ausgabe 1979 der VOB wurde in ihren Teilen A und B im Bundesanzeiger Nr. 208 vom 6. November 1979 veröffentlicht. Der Teil C, der den weitaus größten Umfang hat, wurde mehrfach durch Rundschreiben von Behörden in Bezug genommen, so z. B. in einem Rundschreiben des Bundesministers für Verkehr (Allgemeines Rundschreiben Straßenbau Nr. 22/1979), nach dem die VOB, Ausgabe 1979, für den Bereich des Bundesfernstraßenbaus mit Wirkung vom 1. Januar 1980 eingeführt wird und allen entsprechenden Bauverträgen zugrundezulegen ist. In dem Rundschreiben wird weiter ausgeführt, daß der Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau sowie der Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen die Neufassung in gleicher Weise einführen würden.
[4] Die Beklagte ist die Vertriebsgesellschaft des DIN und mit ihm auch organisatorisch eng verbunden; der Direktor des DIN ist zugleich einer der beiden Geschäftsführer der Beklagten. Im Januar/Februar 1953 schlossen die Klägerin sowie die Rechtsvorgängerin der Beklagten und zwei andere Verlage mit dem Deutschen Normenausschuß – dem Rechtsvorgänger des DIN – eine schriftliche Vereinbarung, nach der der Deutsche Normenausschuß den vier Verlagen das ausschließliche Verlagsrecht an der Buchausgabe der VOB übertrug, ohne daß hierfür Lizenzzahlungen gefordert wurden. Diese Vereinbarung wurde im Mai 1965 durch einen schriftlichen Vertrag der Parteien ersetzt, nach dem die Klägerin die VOB nicht mehr selbst drucken durfte, sondern mit einem Rabatt von 45 % auf den Endverkaufspreis bei der Beklagten beziehen mußte. Für die Ausgabe 1973 der VOB wurde diese Vereinbarung durch schriftlichen Vertrag vom September 1974 dahin geändert, daß der Rabatt nunmehr 60 % betrug. Für die Ausgabe 1979 der VOB nahm die Klägerin das Angebot der Beklagten, "40 % + Partiestücke" mit Schreiben vom 17. August 1979 an. In diesem Schreiben führte sie zugleich aus, sie vertrete, wie der Beklagten bekannt sei, hinsichtlich des Urheberrechts einen abweichenden Rechtsstandpunkt und behalte sich vor, diesen "zu gegebener Zeit" zu klären. Mit Schreiben vom 4. Dezember 1979 teilte das DIN den Prozeßbevollmächtigten der Klägerin mit, daß über die Teile A und B der VOB "zwischen uns" kein Dissens mehr bestehe, vorausgesetzt, daß das Bundesministerium die entsprechenden DIN-Normen Ausgabe 1979 öffentlich bekannt mache, wie es das bei den vorausgegangenen Ausgaben getan habe; eine unterschiedliche Rechtsauffassung vertrete das DIN aber zum Teil C.
[5] Die Klägerin hat daraufhin Feststellungsklage erhoben. Sie hat die Ansicht vertreten, die VOB sei in allen drei Teilen ein amtliches Werk i. S. des Urheberrechts; und zwar bereits nach § 5 Abs. 1 UrhG ein amtlicher Erlaß, jedenfalls aber ein sonstiges amtliches Werk i. S. von § 5 Abs. 2 UrhG. Daher bestünden an der VOB keine Urheberrechtsansprüche.
[6] Die Klägerin hat beantragt, festzustellen, daß sie die Rechte der Beklagten nicht verletzt, wenn sie die "Verdingungsordnung für Bauleistungen (VOB)", Fassung 1979, ohne Erlaubnis der Beklagten vervielfältigt und verbreitet.
[7] Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Sie hat das Feststellungsinteresse geleugnet, soweit sich die Klage auf die Teile A und B der VOB bezieht. Sie hält ferner den Klagantrag für zu weitgehend, weil er schlechthin alle Rechte an der VOB betreffe. Im übrigen hat sie hinsichtlich des Teils C die Auffassung vertreten, daß er kein amtliches Werk sei. Die Beklagte hat sich weiter darauf berufen, daß sich die Klägerin selbst in vertraglichen Vereinbarungen mit dem DIN und ihr verpflichtet habe, die VOB nur abredegemäß zu veröffentlichen und zu verbreiten.
[8] Die Beklagte hat weiter angeführt, durch die wirtschaftliche Verwertung der vom DIN erarbeiteten Normen werde ein wesentlicher Teil (ca. 50 bis 60 %) der finanziellen Mittel aufgebracht, die die unabhängige Existenz und Arbeit des DIN sicherten. Wären die DIN-Normen gemeinfrei, so würde der eintretende Einnahmeausfall die finanzielle Grundlage der Normungsarbeit in Frage stellen.
[9] Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und die Auffassung vertreten, die VOB sei mit ihren Teilen A, B und C ein amtliches Werk i. S. des § 5 Abs. 2 UrhG.
[10] Die Berufung der Beklagten führte zur Klagabweisung. Mit ihrer dagegen gerichteten Revision verfolgt die Klägerin ihr Feststellungsbegehren weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
[11] Entscheidungsgründe: I. Das Berufungsgericht hat die Klage, soweit sie sich auf die VOB Teil A und B bezieht, mangels Feststellungsinteresses (§ 256 Abs. 1 ZPO) als unzulässig abgewiesen. Dazu hat es ausgeführt: Das Deutsche Institut für Normung e. V. (DIN) habe mit Schreiben vom 4. Dezember 1979 hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, daß es für die Teile A und B der VOB keine Urheberrechte in Anspruch nehme. Angesichts der engen organisatorischen Beziehungen zwischen dem DIN und der Beklagten sei es unerheblich, daß diese Erklärung weder von der Beklagten selbst noch vom DIN in ihrem Namen abgegeben worden sei. Die Erklärung sei für die Beklagte maßgebend, da dem DIN die Urheberrechte unstreitig zur Nutzung übertragen worden seien und es sich der Beklagten lediglich für den Vertrieb bediene. Im übrigen sei auch schon vorher der Schriftwechsel mit der Klägerin teils auf Briefbögen des DIN, teils auf solchen der Beklagten geführt worden.
[12] Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.
[13] Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei festgestellt, daß das DIN mit Schreiben vom 4. Dezember 1979 in eindeutiger Weise erklärt habe, an der VOB Teil A und B keine urheberrechtlichen Nutzungsrechte zu beanspruchen. Die Revision beanstandet zu Unrecht, daß das Berufungsgericht diese Erklärung auch der Beklagten zugerechnet hat. Zwar sind das DIN und die Beklagte zwei selbständige juristische Personen, so daß die Erklärung des DIN nur dann für die Beklagte wirkt, wenn sie erkennbar (auch) in ihrem Namen abgegeben worden ist (§ 164 Abs. 1 und 2 BGB). Diese Voraussetzung ist im Streitfall aber erfüllt. Nach § 164 Abs. 1 Satz 2 BGB braucht eine Erklärung nicht ausdrücklich im Namen des Vertretenen zu erfolgen; es reicht vielmehr aus, daß sich diese aus den Umständen ergibt. Das ist nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen hier der Fall. Danach ist die Beklagte als Vertriebsgesellschaft des DIN tätig und mit dieser organisatorisch eng verbunden; einer ihrer beiden Geschäftsführer ist der Direktor des DIN. Diese enge Verflechtung führte dazu, daß schon die Vorkorrespondenz mit der Klägerin teils auf Briefbögen des DIN und teils auf solchen der Beklagten geführt worden ist. Dem vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Schriftwechsel, auf den sich die Beklagte insoweit zu Recht beruft, ist zu entnehmen, daß schon das den Vertriebsrabatt betreffende Fernschreiben vom 13. August 1979 an die Klägerin vom Mitgeschäftsführer der Beklagten H Pl mit der Absenderangabe "DIN B" unterzeichnet worden ist. Die Klägerin hat dies als eine Mitteilung der Beklagten verstanden, wie ihr Antwortschreiben vom 17. August 1979 zeigt, das sie an die Beklagte "zu Händen Herrn H Pl" gerichtet hat. Darauf erwiderte nunmehr die Beklagte mit dem von dem Geschäftsführer P unterzeichneten Schreiben vom 21. August 1979. Daß die Klägerin das Schreiben des DIN vom 4. Dezember 1979 zumindest auch als Erklärung der Beklagten aufgefaßt hat, folgert das Berufungsgericht schließlich auch rechtsfehlerfrei aus der Tatsache, daß der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin sein Antwortschreiben vom 13. Dezember 1979 wiederum an die Beklagte "z. Hd. Herrn Dr. H R" – den Direktor des DIN und Mitgeschäftsführer der Beklagten – gerichtet hatte; ferner auch daraus, daß in dem Schreiben vom 4. Dezember 1979 ausdrücklich auf den vorab übersandten Entwurf der Klageschrift Bezug genommen wird. Auf die weitere Erwägung des Berufungsgerichts, daß das DIN Inhaber der urheberrechtlichen Nutzungsrechte sei und sich der Beklagten lediglich für den Vertrieb bediene, kommt es unter den gegebenen Umständen nicht an. Die Annahme des Berufungsgerichts ist zudem mißverständlich und bedarf einer Richtigstellung dahin, daß das DIN, das seine urheberrechtlichen Nutzungsrechte selbst vom DVA herleitet, der Beklagten nicht lediglich das Vertriebsrecht übertragen hat, sondern – wie auch das Berufungsgericht an anderer Stelle annimmt und wie sich aus dem Impressum des von der im Verlag der Beklagten erschienenen VOB, Ausgabe 1979, ergibt – das alleinige Verlagsrecht, d. h. das Recht zur ausschließlichen Vervielfältigung und Verbreitung.
[14] Der Umstand, daß sich der Hinweis auf das alleinige Verlagsrecht der Beklagten auf die Gesamtausgabe der VOB einschließlich der Teile A und B bezieht, begründet entgegen der Ansicht der Revision kein Feststellungsinteresse der Klägerin. Denn die im Schreiben des DIN vom 4. Dezember 1979 enthaltene Erklärung, an den Teilen A und B der VOB keine Urheberrechte zu beanspruchen, ist unter der Bedingung abgegeben worden, daß das Bundesbauministerium auch die DIN- Normen der Ausgabe 1979 öffentlich bekannt macht. Zum Zeitpunkt des Druckes der Gesamtausgabe der VOB sind aber – worauf das Berufungsgericht mit Recht hinweist – die Teile A und B noch nicht veröffentlicht gewesen; dies ist erst im Bundesanzeiger Nr. 208 vom 6. November 1979 geschehen. Bei Drucklegung bestand daher noch keine Veranlassung, den urheberrechtlichen Vermerk auf Teil C zu beschränken. Entsprechendes gilt für die in dem Schreiben vom 21. August 1979 enthaltene Erklärung der Beklagten, daß sie an ihren Lieferungsbedingungen festhalte. Zutreffend führt das Berufungsgericht auch an, daß diese Bedingungen lediglich den Mitvertrieb der Klägerin an der Gesamtausgabe der VOB behandeln; die Berühmung eines alleinigen Verlagsrechts auch an den Teilen A und B der VOB läßt sich den Vertriebsbedingungen nicht entnehmen.
[15] Letztlich greift auch der Einwand der Revision nicht durch, daß hinsichtlich der Urheberrechtsschutzfähigkeit der Teile A und B der VOB einerseits und des Teils C andererseits kein Unterschied bestehe; die Auffassung der Beklagten, daß die VOB nicht von einem Amt herrühre, erfasse die gesamte VOB; schon deshalb bestehe eine das Feststellungsinteresse der Klägerin rechtfertigende Ungewißheit. Es kann für die Frage des Feststellungsinteresses dahingestellt bleiben, ob die Beklagte einen relevanten Unterschied zu Recht darin sehen konnte, daß die Teile A und B in ihrem vollen Wortlaut veröffentlicht worden sind, Teil C hingegen nicht. Es kommt vielmehr maßgebend darauf an, ob die Beklagte sich des alleinigen Verlagsrechts auch an den Teilen A und B der VOB berühmt. Daß dies nicht der Fall ist, ergibt sich zum einen aus der in dem Schreiben des DIN vom 4. Dezember 1979 enthaltenen Erklärung, die der Beklagten zuzurechnen ist. Sodann hat die Beklagte aber auch im Prozeß von vornherein das Bestehen von Urheberrechten an den Teilen A und B in Abrede gestellt. Die Klägerin hat keine Umstände dargetan, die Anlaß zu der Besorgnis geben könnten, die Beklagte werde ihren Standpunkt ändern. Auch das Berufungsgericht hat im übrigen nicht darauf abgestellt, ob die Beklagte zu Recht davon ausgegangen ist, daß die VOB mit ihren Teilen A und B von der Urheberrechtsschutzfähigkeit ausgeschlossen ist.
[16] II. Soweit sich der Feststellungsantrag auf Teil C der VOB bezieht, hat das Berufungsgericht die Klage als unbegründet abgewiesen, weil dieser Teil kein amtliches Werk im Sinne von § 5 UrhG sei. Auch dagegen wendet sich die Revision ohne Erfolg.
[17] 1. Ohne Rechtsverstoß hat das Berufungsgericht eine Freistellung vom Urheberrechtsschutz nach § 5 Abs. 1 UrhG verneint.
[18] a) Das Berufungsgericht ist zutreffend und von der Revision unbeanstandet davon ausgegangen, daß die VOB weder ein Gesetz noch eine Rechtsverordnung ist (vgl. auch BGH, Urt. v. 24. 2. 1954 – II ZR 74/53). Es fehlt ihr die für die Annahme einer Rechtsnorm notwendige Allgemeinverbindlichkeit; die VOB wird grundsätzlich nur kraft Parteivereinbarung Vertragsbestandteil (vgl. BGH, Urt. v. 29. 10. 1956 – VII ZR 6/56 = LM VOB Teil B § 13 Nr. 1).
[19] b) Ebenfalls frei von Rechtsfehlern hat das Berufungsgericht angenommen, daß die VOB/C auch weder ein amtlicher Erlaß noch eine amtliche Bekanntmachung ist. Denn sie stammt nicht aus einem Amt. Unter einem Amt hat das Berufungsgericht zu Recht jede mit Verwaltungskompetenzen und Hoheitsbefugnissen betraute Behörde oder beliehene Institution verstanden. Nach den vom Berufungsgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen fällt darunter nicht der DVA, dessen Mitglieder die VOB geschaffen haben. Dazu hat das Berufungsgericht ausgeführt, daß der DVA nicht zur Wahrnehmung hoheitlicher Befugnisse berufen ist; es handele sich bei ihm auch nicht um einen beliehenen Verband oder ein Unternehmen einer insoweit hoheitlichen Auftragsverwaltung. Dabei ist das Berufungsgericht zutreffend davon ausgegangen, daß die Übertragung von Verwaltungskompetenzen und Hoheitsbefugnissen an einen beliehenen Unternehmer der gesetzlichen Grundlage bedarf. Diese kann in einem formellen Gesetz oder in einer auf gesetzlicher Ermächtigung beruhenden Rechtsverordnung bestehen; die Übertragung kann aber auch durch einen Verwaltungsakt vorgenommen werden, der auf eine entsprechende gesetzliche Ermächtigung gestützt ist (E. R. Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, 2. Aufl., Band I, S. 537; vgl. auch Wolff-Bachof, VerwR II, 4. Aufl., § 104 II a). An einer derartigen Übertragung hoheitlicher Befugnisse auf den DVA fehlt es aber nach den von der Revision insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts; die Revision hält selbst nicht mehr daran fest, daß es sich bei dem DVA um einen beliehenen Unternehmer handele. Eine Übertragung hoheitlicher Befugnisse war – worauf das Berufungsgericht zu Recht hinweist – nach der Erläuterung zum Vertrag vom 5. Juni 1975 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem DIN, dem die urheberrechtlichen Nutzungsrechte vom DVA übertragen worden sind, auch gar nicht beabsichtigt. Unter "I Allgemeines" der Erläuterungen heißt es:
"Die traditionell von privaten Gemeinschaftseinrichtungen übernommenen Normungsarbeiten erhalten weder durch die einzelnen Regelungen des vorliegenden Vertrages den Charakter hoheitlicher Aufgaben, noch führt die Mitwirkung von Vertretern der Bundesregierung und von Behörden oder sonstige Regelungen des Vertrages zu einer Beleihung."
[20] Diese Erläuterung steht auch der Annahme der Revision entgegen, daß der DVA seine Regelungskompetenz letztlich von einem Amt herleite, weil er als historischer Rechtsnachfolger des Reichsverdingungsausschusses zu verstehen sei, der unter der geschäftsführenden Leitung der Reichsbauverwaltung auf Ersuchen des Reichstages gebildet worden sei. Auch der von der Revision hervorgehobene Umstand, daß die Erarbeitung technischer Normen und ihre ungehinderte Publizierung im Allgemeininteresse liegt, ist nicht geeignet, den fehlenden Übertragungsakt zu ersetzen.
[21] c) Ohne Erfolg wendet sich die Revision weiter gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die VOB/C sei auch nicht durch Bezugnahme in amtlichen Verlautbarungen zu einem amtlichen Erlaß oder einer amtlichen Bekanntmachung geworden. Insoweit ist zwar nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen davon auszugehen, daß in zahlreichen Erlassen, Bekanntmachungen und Rundschreiben von Bundes- und Länderministerien, Kommunen und Einrichtungen der öffentlichen Hand auf die VOB/C Bezug genommen wird. So heißt es z. B. in der "Bekanntmachung über die Neuausgabe der Verdingungsordnung für Bauleistungen (VOB), Ausgabe 1979" des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau vom 25. Oktober 1979 (BAnz. Nr. 208 vom 6. November 1979):
"Im Auftrag des Deutschen Verdingungsausschusses für Bauleistungen (DVA) gibt das Deutsche Institut für Normung e. V. (DIN) eine neue Ausgabe der Verdingungsordnung für Bauleistungen (VOB) – Ausgabe 1979 – mit den Teilen A, B und C heraus. … Die öffentlichen Auftraggeber werden die VOB – Ausgabe 1979 – für ihren Bereich einführen und festlegen, ab welchem Zeitpunkt diese anzuwenden ist."
[22] Die Frage, ob derartige Bezugnahmen in amtlichen Bekanntmachungen und Erlassen zu einem Ausschluß der Urheberrechtsschutzfähigkeit des Werkes führen, auf das verwiesen wird, läßt sich jedoch nicht generell, sondern nur anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls beantworten. Es müssen Umstände vorliegen, die es rechtfertigen, das in Bezug genommene Werk der Behörde, die darauf verweist, in einer zur Urheberrechtsfreistellung führenden Weise zuzurechnen. Daran fehlt es im Streitfall. Den von der Klägerin angeführten Erlassen u. ä. läßt sich nicht entnehmen, daß sich die jeweiligen Behörden den Teil C der VOB, um den es hier nur geht, in irgendeiner Weise inhaltlich zu eigen machen wollen; die in Bezug genommenen technischen Normen stellen keine Willensäußerung der Behörde dar und werden auch nicht zum Inhalt hoheitlicher Erklärungen gemacht. Auch die Klägerin hat dies nicht dargetan. Die in Betracht kommenden amtlichen Verlautbarungen haben vielmehr eine bloße Hinweiskraft, indem sie auf die Neuausgabe der VOB/C hinweisen und – in aller Regel – die nachgeordneten Behörden anweisen, die VOB/C in ihrem Bereich anzuwenden.
[23] Für diese Beurteilung spricht auch der bereits oben auszugsweise wiedergegebene Inhalt der Erläuterungen zum Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem DIN vom 5. Juni 1975. Danach bleibt die Normung in der Bundesrepublik trotz der Beteiligung staatlicher Stellen eine private Aufgabe der Selbstverwaltung der Wirtschaft (vgl. Erläuterungen unter I. Allgemeines). Darüberhinaus wird klargestellt, daß die in § 9 des Vertrages vorgesehene Veröffentlichung der Liste der neu erschienenen DIN-Normen im Staatsanzeiger lediglich "der Verbreitung der Normung auch in der Verwaltung und der Hervorhebung ihrer Bedeutung im Wirtschaftsleben" dient; aus dem Abdruck der Normfundstellen soll sich keine irgendwie geartete Verbindlichkeit von DIN-Normen ergeben (vgl. Erläuterungen unter II zu § 9). Diese Erläuterungen rechtfertigen es danach nicht, die bloße Bezugnahme auf die VOB/C den Behörden in einer den Urheberrechtsschutz ausschließenden Weise zuzurechnen.
[24] Für die urheberrechtliche Beurteilung ist es unerheblich, ob – wie die Revision vorträgt – die Verweisung auf technische Normen in Rechts- und Verwaltungsvorschriften verfassungs- und verwaltungsrechtlich zulässig ist. Bei Rechtsvorschriften ist in aller Regel schon aufgrund ihrer Allgemeinverbindlichkeit das die Ausnahmevorschrift des § 5 Abs. 1 UrhG rechtfertigende öffentliche Interesse an der Gemeinfreiheit wiedergegebener oder in Bezug genommener Werke zu bejahen. Aus diesem Grunde ist auch – wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat – die im Streitfall vorliegende Verweisung auf die Anwendung der VOB Teil C nicht der Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen vergleichbar.
[25] Die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 UrhG sind danach im Streitfall nicht erfüllt. Zu Recht hat das Berufungsgericht aber auch eine analoge Anwendung dieser Bestimmung abgelehnt. Sie kommt angesichts der abschließenden Aufzählung und des Ausnahmecharakters der Bestimmung nicht in Betracht.
[26] 2. Das Berufungsgericht hat schließlich auch ohne Rechtsverstoß angenommen, daß die VOB/C nicht nach § 5 Abs. 2 UrhG urheberrechtsfrei ist. Nach dieser Vorschrift sind solche amtlichen Werke vom Urheberrechtsschutz ausgeschlossen, die im amtlichen Interesse zur allgemeinen Kenntnisnahme veröffentlicht werden.
[27] a) Eine unmittelbare Anwendung dieser Bestimmung scheitert bereits daran, daß die VOB/C kein amtliches Werk ist (ebenso Lukes, Urheberrechtsfragen bei überbetrieblichen technischen Normen, 1967, S. 25; D. Reimer GRUR 1977, 774, 776). Amtliche Werke sind die aus einem Amt herrührenden Werke (BGH GRUR 1972, 713, 714 – Im Rhythmus der Jahrhunderte; GRUR 1982, 37, 40 – WK-Dokumentation). Wie vorstehend unter II 1 b ausgeführt, handelt es sich bei dem DVA, dessen Mitglieder die VOB geschaffen haben, um kein Amt.
[28] Darüberhinaus fehlt es aber auch an einer Veröffentlichung zur allgemeinen Kenntnisnahme. Denn durch die Bezugnahme in amtlichen Erlassen und Bekanntmachungen wird das Werk angesichts des – wie ausgeführt – hier festgestellten bloßen Hinweischarakters der Bezugnahme (vgl. oben unter II 1 c) noch nicht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht (vgl. § 6 Abs. 1 UrhG).
[29] b) Es ist aber auch nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht eine analoge Anwendung des § 5 Abs. 2 UrhG abgelehnt hat (im Ergebnis ebenso Lukes a. a. O. S. 26 ff; a. A. Reichel GRUR 1977, 774, 776). Dabei kann auf sich beruhen, ob – wie das Berufungsgericht annimmt – § 5 Abs. 2 UrhG als eine den eigentumsgleichen Rechtsschutz des Urhebers einschränkende Ausnahmebestimmung generell einer analogen Anwendung nicht zugänglich ist. Im vorliegenden Fall überwiegen jedenfalls die berechtigten Urheberinteressen das Interesse der Allgemeinheit an einer urheberrechtsfreien Verbreitung.
[30] Die Ausnahmevorschrift des § 5 UrhG beruht nach der amtlichen Begründung darauf, daß das öffentliche Interesse die möglichst weite Verbreitung der genannten amtlichen Werke erfordere, und daß die kraft ihres Amtes zur Schaffung solcher Werke berufenen Verfasser entweder überhaupt kein Interesse an der Verwertung ihrer Leistungen hätten oder ihre Interessen hinter denen der Allgemeinheit zurücktreten müßten (vgl. Begr. zu § 5 des Regierungsentwurfs BT-Drucks. IV/270 S. 39). Vorausgesetzt wird also ein amtliches Interesse daran, daß angesichts der Art und Bedeutung der Information der Nachdruck oder eine sonstige Verwertung des Werkes, die die Information vermittelt, jedermann freigegeben wird (E. Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht, 3. Aufl. 1980, S. 170; vgl. auch Lukes a. a. O. S. 30; Katzenberger GRUR 1972, 686, 690 ff). Vorliegend wird dem amtlichen Interesse durch die vom DIN veranlaßte Vervielfältigung und Verbreitung, die eine allgemeine Kenntnisnahme ermöglicht, genügt. Durch die Herausgabe der VOB durch das DIN, dessen Aufgabenstellung und Zweckverfolgung u. a. in der Verbreitung seiner Normen liegt, wird eine Verbreitung von genügender Reichweite ermöglicht. Dies kommt schon darin zum Ausdruck, daß die öffentliche Hand angesichts der bereits erfolgten Publikation von einer eigenen Vervielfältigung und Verbreitung abgesehen und sich mit einer Bezugnahme begnügt hat; wobei in aller Regel auch die Bezugsquelle angeführt wird, wie im Rundschreiben des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau vom 28. Oktober 1974 (MinBlFin 1974, 677):
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