Bundesverwaltungsgericht
Gerichtsverfahrensrecht; Verwaltungsverfahrensrecht; Schienenwegerecht
Anfechtungsklage gegen Nebenbestimmungen eines Verwaltungsakts; Auflagenvorbehalt im Planfeststellungsbeschluss; Entscheidungsvorbehalt; Schallschutzgarantie; Schutzauflagen; nicht voraussehbare Wirkungen des Vorhabens; Prognoserisiko; Liberalisierung des Zugangs zum Schienennetz
VwGO §§ 42, 113 Abs. 1; VwVfG § 36 Abs. 2 Nr. 5, § 72 Abs. 1, § 74 Abs. 3, § 75 Abs. 2 Satz 2; AEG § 18 Abs. 1
Gegen belastende Nebenbestimmungen eines Verwaltungsakts ist die Anfechtungsklage gegeben. Ob diese zur isolierten Aufhebung der Nebenbestimmung führen kann, ist eine Frage der Begründetheit und nicht der Zulässigkeit des Anfechtungsbegehrens, sofern nicht eine isolierte Aufhebbarkeit offenkundig von vornherein ausscheidet.
Ein Auflagenvorbehalt ist im Planfeststellungsrecht nur zulässig, wenn er den Voraussetzungen des § 74 Abs. 3 VwVfG genügt.
Nur dann, wenn sich im Zeitpunkt des Planfeststellungsbeschlusses nachteilige Wirkungen weder mit der für eine Anordnung nach § 74 Abs. 2 Sätze 2 und 3 VwVfG hinreichenden Zuverlässigkeit voraussagen noch dem Bereich nicht voraussehbarer Wirkungen nach § 75 Abs. 2 Sätze 2 bis 4 VwVfG zuordnen lassen, kann gemäß § 74 Abs. 3 VwVfG die Frage eines Ausgleichs einer späteren abschließenden Prüfung und Entscheidung vorbehalten bleiben. Diese Voraussetzungen liegen vor, wenn sich aufgrund besonderer Anhaltspunkte die konkrete Möglichkeit abzeichnet, dass nachteilige Wirkungen in absehbarer Zeit eintreten werden, ihr Ausmaß sich jedoch noch nicht abschätzen lässt.
Demgemäß kann die jeder Prognose (hier: der künftigen Verkehrsentwicklung) anhaftende Unsicherheit ("Prognoserisiko") nicht durch einen Auflagenvorbehalt aufgefangen werden.
BVerwG, Urteil vom 22. 11. 2000 – 11 C 2.00; OVG Rheinland-Pfalz (lexetius.com/2000,2715)
[1] In der Verwaltungsstreitsache hat der 11. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 22. November 2000 durch den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Hien und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Storost, Kipp, Vallendar und Prof. Dr. Rubel für Recht erkannt:
[2] 1. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 15. Dezember 1999 wird geändert: Die Regelung im Planfeststellungsbeschluss vom 9. Dezember 1997 unter A 2.9 letzter Absatz wird aufgehoben. Von den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens trägt die Klägerin 1/10 und die Beklagte 9/10.
[3] 2. Die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme etwaiger außergerichtlicher Kosten der Beigeladenen trägt die Beklagte.
[4] Gründe: I. Die Klägerin, die DB Netz AG, wendet sich gegen eine Nebenbestimmung eines eisenbahnrechtlichen Planfeststellungsbeschlusses.
[5] Auf Antrag der Deutschen Bahn AG, der Rechtsvorgängerin der Klägerin, stellte das Eisenbahn-Bundesamt mit Beschluss vom 9. Dezember 1997 den Plan für den Ausbau der Bahnstrecke Mainz-Mannheim im Planfeststellungsabschnitt 4. 0 – Guntersblum – fest. Gegenstand der Planfeststellung ist im Wesentlichen eine Gleisverschiebung zum Zwecke der Linienverbesserung und der Neubau bzw. die Verlängerung von Überholungsgleisen. Die vorgesehenen Änderungen ermöglichen eine Erhöhung der Zuggeschwindigkeiten und der Zugzahlen, die nach dem Ergebnis der schalltechnischen Untersuchung an der überwiegenden Zahl der untersuchten Immissionsorte zu einer Lärmerhöhung von tags 4, 8 dB (A) und nachts 1, 5 dB (A) führen wird. Als aktive Lärmschutzmaßnahme ist der Bau einer Schallschutzwand vorgesehen. Ergänzend enthält der Planfeststellungsbeschluss Anordnungen zum passiven Lärmschutz und eine Entschädigungsregelung. Außerdem hat das Eisenbahn-Bundesamt angeordnet (Abschnitt A 2.9, letzter Absatz):
[6] "Zur Absicherung der Einhaltung der Immissionsgrenzwerte nach Inbetriebnahme der Strecke wird festgesetzt, dass bei berechtigtem Zweifel Nachberechnungen zu Lasten des Vorhabenträgers erfolgen und auf Grund dieser Kontrollmaßnahme die erforderlichen Nachbesserungen hinsichtlich des Lärmschutzes vom Vorhabenträger zu leisten sind."
[7] Am 9. Januar 1998 hat die Rechtsvorgängerin der Klägerin gegen den Planfeststellungsbeschluss Klage erhoben und – neben einer Reihe im Revisionsverfahren nicht mehr streitgegenständlicher Regelungen – auch die zitierte Nebenbestimmung angegriffen. Hierzu haben die Rechtsvorgängerin der Klägerin und die Klägerin, die das Verfahren als deren partielle Rechtsnachfolgerin fortgesetzt hat, zur Klagebegründung im Wesentlichen vorgetragen, der Vorhabenträger könne beanspruchen, dass über Schutzvorkehrungen in der Planfeststellung abschließend entschieden werde. Insoweit bestehe kein Ermessen der Planfeststellungsbehörde. Diese sei vielmehr verpflichtet, die nachteiligen Wirkungen des Vorhabens auf Rechte anderer festzustellen und durch die Anordnung von Schutzmaßnahmen im Planfeststellungsbeschluss selbst auszugleichen. Nach der angefochtenen Klausel könnten die im Planfeststellungsbeschluss getroffenen Anordnungen aufgrund "berechtigter Zweifel" jederzeit zu Lasten der Klägerin korrigiert werden. Dies lasse das Gesetz aber gerade nicht zu. § 75 Abs. 2 VwVfG begründe Änderungsansprüche nach Unanfechtbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses nur beim Eintritt nicht voraussehbarer Wirkungen und berücksichtige deshalb das Risiko prognostischer Fehleinschätzungen nur für atypische Folgen, mit denen die Beteiligten nicht hätten rechnen können. Die in Rede stehende Auflage lasse auch nicht erkennen, auf welche Gebiete sie sich beziehe und wie diese hinsichtlich der Immissionsgrenzwerte einzustufen seien. Außerdem setze sich die angefochtene Auflage darüber hinweg, dass nachträgliche Schutzmaßnahmen nur bei objektiv erheblichen Lärmsteigerungen beansprucht werden könnten, die durch die wesentliche Änderung des Verkehrswegs verursacht worden seien. Schließlich seien nachträgliche Schutzanordnungen nach § 75 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 VwVfG nur auf fristgebundenen schriftlichen Antrag des Betroffenen und innerhalb einer Ausschlussfrist zulässig.
[8] Die Klägerin hat beantragt, den Planfeststellungsbeschluss vom 9. Dezember 1997 hinsichtlich der Regelung in A 2.9 (S. 17 f.) aufzuheben, hilfsweise, die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses zu verpflichten, den Planfeststellungsantrag hinsichtlich des Schallschutzes erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
[9] Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
[10] Sie hat zur Begründung geltend gemacht, die Klägerin habe die streitgegenständliche Auflage in anderen Fällen bereits mehrfach akzeptiert und sei auch an entsprechende Zusagen ihrer Rechtsvorgängerin gebunden. Die Auflage sei gerechtfertigt, da die Planfestellungsbehörde nach der Verkehrslärmschutzverordnung und nach § 41 BImSchG die Geltung der dort normierten Grenzwerte dauerhaft sicherzustellen habe. Als Alternative wäre nur in Betracht gekommen, das Betriebsprogramm verbindlich festzuschreiben. Eine ersatzlose Streichung der angegriffenen Auflage würde dagegen die Abwägung insgesamt in Frage stellen. Die Auflage beziehe sich im Übrigen nur auf die dauerhafte Einhaltung der für den festgesetzten Gebietstypus geltenden Grenzwerte. In der mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht hat die Beklagte die Gründe für die Aufnahme der "Schallschutzgarantie" damit erläutert, dass die der Lärmprognose zugrunde liegenden Ausgangsparameter wegen der Privatisierung der Eisenbahn und insbesondere der Liberalisierung im Zugang zur Eisenbahninfrastruktur unsicher geworden seien, ohne dass man ihnen hinreichend verlässliche Alternativdaten entgegensetzen könne. Weiter hat sie zu Protokoll erklärt, mit dem Abstellen auf "berechtigte Zweifel" habe die Planfeststellungsbehörde gemeint, dass sich die Grundlagen der Prognoseberechnung objektiv nachvollziehbar geändert haben müssten.
[11] Das Oberverwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 15. Dezember 1999 hinsichtlich der im Revisionsverfahren noch streitigen Nebenbestimmung abgewiesen.
[12] Der als Hauptantrag gestellte Anfechtungsantrag sei unzulässig, da es sich bei den Regelungen zum Lärmschutz nicht um isoliert anfechtbare Auflagen, sondern um Teile einer einheitlich zu beurteilenden Gesamtregelung der Lärmproblematik handele. Das Verpflichtungsbegehren sei jedoch zulässig. Die Klägerin habe ihre Klagebefugnis durch das Verhalten ihrer Rechtsvorgängerin in anderen Planfeststellungsverfahren nicht verwirkt. Soweit sie die "Schallschutzgarantie" angreife, sei die Klage unbegründet. Diese Nebenbestimmung sei mit höherrangigem Recht vereinbar. Es handele sich um eine Auflage, verbunden mit dem Vorbehalt der weiteren Ergänzung der getroffenen Schallschutzregelung. Inhaltlich werde festgesetzt, dass die Klägerin die Kosten einer wegen "berechtigter Zweifel" erfolgten Nachberechnung zu tragen habe. Sodann werde die Klägerin dem Grunde nach zur Vornahme der danach erforderlichen Nachbesserungen des Lärmschutzes verpflichtet. Die Bestimmung der konkreten Schutzmaßnahmen habe sich die Beklagte vorbehalten. Diese Nebenbestimmung sei hinreichend bestimmt und halte sich innerhalb der gesetzlichen Grenzen des der Planfestellungsbehörde eingeräumten Planungsermessens.
[13] § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG begründe unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch auf Planergänzung. Damit sei ein nachträgliches Einschreiten der Behörde von Amts wegen oder gar das Auferlegen von Nachsorgepflichten bei der Planfeststellung nicht ausgeschlossen. Sollte der Fristenregelung in § 75 Abs. 3 Satz 2 VwVfG eine allgemeine Grenze für das dem Vorhabenträger auszubürdende Prognoserisiko zu entnehmen sein, so schränke dies nur den Vollzug der angegriffenen "Schallschutzgarantie" ein. Ebenso konkretisiere auch § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG nur das, was von der Planfeststellungsbehörde an Problembewältigung zwingend verlangt werde. Damit seien aber ihre Befugnisse nicht erschöpft. Hinzu komme, dass der Begriff der "Vorkehrungen" weit auszulegen sei und das gesamte Spektrum sachdienlicher Maßnahmen erfasse.
[14] Im Übrigen ergäben sich die Grenzen des Planungsermessens eher aus § 41 Abs. 1 BImSchG, da § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG durch das in §§ 41 ff. BImSchG normierte Lärmschutzsystem verdrängt werde. § 41 Abs. 1 BImSchG schränke das Ermessen der Planfestellungsbehörde nicht auf die Anordnung physisch-realer Schutzvorkehrungen ein, die während der Errichtung des Verkehrsweges realisiert werden könnten. Zwar bestehe grundsätzlich eine Pflicht zur physisch-realen Problembewältigung unter Berücksichtigung der zum Zeitpunkt der Planfeststellung voraussichtlichen Verkehrsentwicklung. Damit sei aber nicht gesagt, dass die Planfeststellungsbehörde nicht die Befugnis habe, im Rahmen ihres Planungsermessens über diese Minimalanforderungen hinauszugehen. Dass dem Eisenbahn-Bundesamt insoweit ein Entscheidungsspielraum zukomme, folge aus der Rechtsnatur der Planfeststellung. Danach dürfe die Planfeststellungsbehörde auch unterhalb der durch die 16. BImSchV konkretisierten Schwelle der Unzumutbarkeit (und damit unterhalb der Schwelle eines Schutzanspruchs) Lärmschutzanforderungen stellen, wenn sie dies aufgrund der Abwägung der gegenseitigen Interessen für geboten erachte. Entsprechendes habe für die Einschätzung der zukünftigen Verkehrsentwicklung zu gelten. Mit der Erwägung, dass die der Lärmprognose zugrunde liegenden Ausgangsparameter wegen der Privatisierung der Bahn und insbesondere der Liberalisierung im Zugang zur Eisenbahnstruktur unsicher geworden seien, ohne dass man ihnen hinreichend verlässliche Alternativdaten entgegensetzen könne, habe die Beklagte ermessensfehlerfrei begründet, weshalb sie über das von § 41 Abs. 1 BImSchG zwingend verlangte Lärmschutzsystem hinausgegangen sei.
[15] Die angefochtene "Schallschutzgarantie" halte sich im Rahmen des mit § 41 BImSchG verfolgten gesetzgeberischen Zweckes. Sie begründe insbesondere keine allgemeine Pflicht zur Lärmsanierung wegen schleichender Steigerung des Verkehrslärms, sondern beschränke sich auf diejenigen Bereiche, für die sich die planfestgestellte Baumaßnahme als wesentliche Änderung des Verkehrswegs dargestellt habe.
[16] Schließlich trage die "Schallschutzgarantie" auch den schutzwürdigen Interessen der Klägerin an Planungssicherheit hinreichend Rechnung. Die Beklagte sei ihrer Pflicht nachgekommen, das Lärmproblem bereits für den Zeitpunkt der Inbetriebnahme so umfassend wie vernünftigerweise geboten zu bewältigen. Die Nebenbestimmung diene nicht dazu, Fehler in diesem Bereich zu kompensieren. Vielmehr werde mit ihr auf eine besondere Unsicherheit in der Beurteilung der zukünftigen Lärmentwicklung reagiert. Bei der nachträglichen Änderung ursprünglicher Prognosedaten müsse die Klägerin ohnehin mit der Möglichkeit eines (teilweisen) Widerrufs und bei nicht vorhersehbaren Wirkungen mit der Geltendmachung von Planergänzungsansprüchen rechnen. Die "Schallschutzgarantie" erleichtere es dem Eisenbahn-Bundesamt nur, innerhalb des vorbehaltenen Bereichs von Amts wegen eine Planergänzung zu verlangen.
[17] Mit ihrer vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision führt die Klägerin aus, die streitgegenständliche Nebenbestimmung verstoße gegen die gesetzliche Vorgabe, mit dem Planfeststellungsbeschluss eine abschließende verbindliche Entscheidung über das Vorhaben und die erforderlichen Schutzvorkehrungen zu treffen, und gegen die gesetzliche Systematik, wonach mit Unanfechtbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses Änderungsansprüche ausgeschlossen (§ 75 Abs. 2 Satz 1 VwVfG) und Abweichungen hiervon nur bei Vorliegen der in § 75 Abs. 2 Sätze 2 bis 5 und Abs. 3 VwVfG genannten Voraussetzungen vorgesehen seien. Das Oberverwaltungsgericht verkenne, dass die Regelungen der §§ 74, 75 VwVfG zugleich dem Schutz des Vorhabenträgers vor der weiteren Inanspruchnahme durch die Planbetroffenen dienten. Die Planfeststellungsbehörde dürfe keine über das in §§ 41 f. BImSchG i. V. m. der 16. BImSchV normierte Schutzniveau hinausgehenden Schutzanordnungen treffen. Sie sei nicht befugt, dem Vorhabenträger vorsorglich Auflagen für den keineswegs erkennbaren Fall einer künftigen Überschreitung der Prognosewerte aufzuerlegen.
[18] Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 15. Dezember 1999 den Planfeststellungsbeschluss vom 9. Dezember 1997 hinsichtlich der Regelung in A 2.9, letzter Absatz, aufzuheben, hilfsweise, die Beklagte unter Abänderung des angefochtenen Urteils zu verpflichten, den Planfeststellungsantrag hinsichtlich des Schallschutzes erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
[19] Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
[20] Sie verteidigt das angefochtene Urteil und führt ergänzend aus, mit der angegriffenen Nebenbestimmung werde in angemessener Weise auf Unsicherheiten in der Beurteilung der zukünftigen Lärmentwicklung reagiert, da sich die künftige Streckenbelastung nicht hinreichend verlässlich bestimmen lasse und daher jede Prognose die Gefahr der Willkürlichkeit in sich berge. Die Schallschutzgarantie erleichtere der Beklagten nur die Möglichkeit, von Amts wegen eine Planergänzung entsprechend § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 bzw. § 36 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG vorzunehmen. Es erscheine wenig realistisch, die von der Klägerin erarbeiteten Prognosen umfassend zu überprüfen und eventuell durch eigene Daten zu ersetzen. Angesichts der Trennung von Fahrweg und Verkehrsabwicklung, der Liberalisierung im Zugang zur Eisenbahninfrastruktur und der Überführung des öffentlichen Personennahverkehrs in die regionale Verantwortung dürfte es der Klägerin auch kaum mehr möglich sein, eine vorausschätzbare Durchschnittsbelastung für einen Prognosezeitraum von 10 bis 20 Jahren zu ermitteln. Bei dieser Sachlage sei es nicht vertretbar und möglicherweise auch nicht mit der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG vereinbar, den Planbetroffenen einseitig das Risiko der Prognoseunsicherheit aufzubürden. Hinzu komme, dass durch den zu erwartenden Einsatz internationaler Eisenbahnverkehrsunternehmen verstärkt Wagenmaterial zum Einsatz kommen werde, das unter Schallgesichtspunkten von geringerer Qualität und nicht in die Berechnungsregeln der 16. BImSchV eingegangen sei. Außerdem werde es auf der in Rede stehenden Strecke auch durch die Verlagerung von anderen Strecken zu einer Zunahme schallintensiven Güterverkehrs kommen. In welchen Dimensionen diese Zunahme stattfinden werde, sei allerdings derzeit nicht vorhersehbar.
[21] Die Beigeladenen haben sich in dem Verfahren nicht geäußert. Sie stellen keine Anträge.
[22] II. Die Revision ist zulässig und begründet. Das angefochtene Urteil beruht auf der Verletzung von Bundesrecht, soweit es die Klage auf Aufhebung der im Revisionsverfahren noch streitigen Nebenbestimmung als unzulässig abgewiesen hat (1.). Die Abweisung dieses mit dem Hauptantrag verfolgten Klagebegehrens stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar. Vielmehr ist der Klage auf der Grundlage der in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen insoweit stattzugeben (2.).
[23] 1. Das Oberverwaltungsgericht hat die mit dem Hauptantrag verfolgte Anfechtungsklage hinsichtlich der allein noch streitigen "Schallschutzgarantie" in Punkt A 2.9 letzter Absatz des Planfeststellungsbeschlusses als unzulässig abgewiesen, weil diese Einzelregelung keine selbständig angreifbare Auflage, sondern nur Teil einer einheitlich zu beurteilenden Gesamtregelung der mit der Planung aufgeworfenen Lärmproblematik darstelle. Diese Auffassung verletzt Bundesrecht. Nach der inzwischen gefestigten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist gegen belastende Nebenbestimmungen eines Verwaltungsakts die Anfechtungsklage gegeben (vgl. BVerwGE 60, 269 [274]). Dies gilt insbesondere für einem begünstigenden Verwaltungsakt beigefügte Auflagen oder Auflagenvorbehalte. Wird – wie hier – geltend gemacht, eine solche Nebenbestimmung finde im Gesetz keine Grundlage, so kann dies mit der Klage auf Aufhebung der Nebenbestimmung geltend gemacht werden. Ob diese Klage zur isolierten Aufhebung der Nebenbestimmung führen kann, hängt davon ab, ob der begünstigende Verwaltungsakt ohne die Nebenbestimmung sinnvoller- und rechtmäßigerweise bestehen bleiben kann; dies ist eine Frage der Begründetheit und nicht der Zulässigkeit des Anfechtungsbegehrens, sofern nicht eine isolierte Aufhebbarkeit offenkundig von vornherein ausscheidet (vgl. BVerwGE 81, 185 [186]; Urteil vom 17. Februar 1984 – BVerwG 4 C 70.80 – Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 137 S. 29 f.; Beschluss vom 17. Juli 1995 – BVerwG 1 B 23.95 – Buchholz 451. 20 § 33 i GewO Nr. 19 S. 5 f.). Ein derartiger Ausnahmefall liegt hier nicht vor.
[24] 2. Die Klage ist mit dem Hauptantrag auf Aufhebung der genannten Nebenbestimmung auch begründet. Die Beklagte war gegenüber der Klägerin nicht befugt, dem Planfeststellungsbeschluss diese Nebenbestimmung beizufügen. Vielmehr entspricht ihre ersatzlose Aufhebung der Rechtslage.
[25] In der angefochtenen Nebenbestimmung hat sich die Planfeststellungsbehörde vorbehalten, der Klägerin "Nachbesserungen" hinsichtlich des Lärmschutzes aufzuerlegen, wenn eine wegen "berechtigter Zweifel" erfolgende Nachberechnung solche "Nachbesserungen" erforderlich macht. Ein solcher Auflagenvorbehalt ist im Planfeststellungsrecht wegen des dort geltenden Grundsatzes umfassender Problembewältigung (vgl. BVerwGE 61, 307 [311]) nur zulässig, wenn er den Voraussetzungen des § 74 Abs. 3 VwVfG genügt. Mit dieser Vorschrift hat der Gesetzgeber die von der Klägerin aufgeworfene Frage, ob der Planfeststellungsbeschluss eine abschließende verbindliche Entscheidung über das Vorhaben und die erforderlichen Schutzvorkehrungen treffen muss, dahingehend beantwortet, dass Einzelfragen einer nachträglichen Regelung nur vorbehalten bleiben dürfen, soweit eine abschließende Entscheidung noch nicht möglich ist. Diese spezielle Regelung der Zulässigkeit – auch – eines Auflagenvorbehalts schließt gemäß § 72 Abs. 1 VwVfG den vom Oberverwaltungsgericht im Rahmen der Behandlung des Hilfsantrags der Klägerin vorgenommenen Rückgriff auf § 36 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG aus (vgl. Bonk in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 5. Aufl. 1998, § 74 Rn. 109).
[26] Auf der Grundlage der in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen lagen die Voraussetzungen des § 74 Abs. 3 VwVfG für den in Rede stehenden Auflagenvorbehalt nicht vor. Das Oberverwaltungsgericht hat diesen Vorbehalt so ausgelegt, dass er sich räumlich nur auf diejenigen Bereiche bezieht, für die sich die planfestgestellte Baumaßnahme als wesentliche Änderung des Verkehrswegs auswirkt, und dass die vorbehaltenen Nachbesserungsauflagen auch im Schutzniveau und inhaltlich nicht über die Regelungen der §§ 41 ff. BImSchG hinausgehen sollen (UA S. 12). Diese Auslegung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
[27] Entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts (UA S. 18) verbietet es sich, die Anordnung der "Lärmschutzgarantie" mit dem planerischen Ermessen zu rechtfertigen, über das nach § 41 Abs. 1 BImSchG zwingend verlangte Lärmschutzniveau hinauszughen. Wenn sich die Planungsbehörde auf das Lärmschutzniveau der genannten Vorschriften festgelegt hat, ist eine darüber hinausgehende Anordnung nach § 74 Abs. 2 Sätze 2 und 3 VwVfG i. V. m. §§ 41 ff. BImSchG im Zeitpunkt des Planfeststellungsbeschlusses gegenüber der Klägerin nicht gerechtfertigt gewesen. Denn eine Anordnung nach diesen Vorschriften kann die Planfeststellungsbehörde nur zum Ausgleich für solche Beeinträchtigungen treffen, deren Eintritt im Zeitpunkt der Entscheidung gewiss ist oder sich prognostisch abschätzen lässt (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Mai 1992 – BVerwG 4 C 9.89 – Buchholz 407. 4 § 17 FStrG Nr. 88 S. 84). Mit der "Lärmschutzgarantie" wollte die Planungsbehörde nicht Beeinträchtigungen entgegentreten, die sie in diesem Sinne erwarten musste. Ihr Ziel war es vielmehr – wie der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat eingeräumt hat – einer der Verkehrsentwicklung allgemein anhaftenden Unsicherheit Rechnung zu tragen. Infolge der Liberalisierung des Zugangs zur Eisenbahninfrastruktur sei nämlich insbesondere ein stärkerer Güterverkehr "denkbar". Mit dieser Zielrichtung ist ein Entscheidungsvorbehalt nach § 74 Abs. 3 VwVfG nicht zulässig. Das allgemeine Prognoserisiko, dass es anders kommen kann als prognostiziert, ist kein Fall der Unmöglichkeit einer abschließenden Entscheidung.
[28] Die Planfeststellungsbehörde kann und muss solchen nachteiligen Wirkungen des Vorhabens nicht Rechnung tragen, die sich erst später zeigen und mit denen die Beteiligten verständigerweise nicht rechnen können, weil sich ihr Eintritt im Zeitpunkt des Planfeststellungsbeschlusses noch nicht einmal als möglich abzeichnet (vgl. BVerwGE 80, 7 [13]; Urteile vom 14. Mai 1992, a. a. O., S. 85, und vom 23. April 1997 – BVerwG 11 A 17.96 – Buchholz 316 § 75 VwVfG Nr. 13 S. 7). Für den Schutz gegen derartige, nicht voraussehbare Wirkungen müssen sich die davon Betroffenen auf die Ansprüche verweisen lassen, die ihnen § 75 Abs. 2 Sätze 2 bis 4 VwVfG gewährt. Dazu gehören auch solche nachteiligen Wirkungen, deren zukünftiger Eintritt zwar theoretisch denkbar ist, sich aber mangels besonderer Anhaltspunkte noch nicht konkret absehen lässt. Denn verständigerweise ist nur mit solchen Wirkungen zu rechnen, deren Eintritt sich nicht nur als abstrakte, sondern als konkrete Möglichkeit abzeichnet. Anderenfalls bliebe für die Anwendung des § 75 Abs. 2 Sätze 2 bis 4 VwVfG praktisch kein Raum.
[29] Nur dann, wenn sich im Zeitpunkt des Planfeststellungsbeschlusses nachteilige Wirkungen weder mit der für eine Anordnung nach § 74 Abs. 2 Sätze 2 und 3 VwVfG hinreichenden Zuverlässigkeit voraussagen noch dem Bereich nicht voraussehbarer Wirkungen nach § 75 Abs. 2 Sätze 2 bis 4 VwVfG zuordnen lassen, kann gemäß § 74 Abs. 3 VwVfG die Frage eines Ausgleichs einer späteren abschließenden Prüfung und Entscheidung vorbehalten bleiben (vgl. Urteile vom 11. November 1988 – BVerwG 4 C 11.87 – Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 6 S. 9, und vom 14. Mai 1992, a. a. O., S. 84 f.). Diese Voraussetzungen liegen, wie auch § 74 Abs. 3 Halbsatz 2 VwVfG erkennen lässt, vor, wenn sich aufgrund besonderer Anhaltspunkte die konkrete Möglichkeit abzeichnet, dass nachteilige Wirkungen in absehbarer Zeit eintreten werden, ihr Ausmaß sich jedoch noch nicht abschätzen lässt. Das allgemein jeder Prognose innewohnende Risiko, die spätere Entwicklung könne von der Prognose abweichen, reicht dafür nicht aus. Auch für einen Ermessensspielraum der Behörde ist insoweit nichts ersichtlich (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. November 1988, a. a. O.). Vielmehr unterliegt die Zuordnung eines Sachverhalts zu einem der genannten drei Bereiche uneingeschränkter gerichtlicher Überprüfung.
[30] Diese Überprüfung führt im vorliegenden Fall zu dem Ergebnis, dass die von der Beklagten zur Begründung des in Rede stehenden Auflagenvorbehalts herangezogenen Unsicherheiten der der Lärmprognose zugrunde liegenden Ausgangsparameter dem Bereich zwar theoretisch denkbarer, aber nicht voraussehbarer Wirkungen des Vorhabens nach § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG zuzuordnen sind. Eine gewisse Unwägbarkeit der Prognosedaten wegen der Liberalisierung des Zugangs zum Schienennetz gibt es seit langem, ohne dass dies in der Rechtsprechung bisher zum Anlass genommen wurde, die Prognosedaten als nicht hinreichend zuverlässig anzusehen. Konkretisierungen jener dem allgemeinen Risiko von Verkehrsprognosen zuzurechnenden Unwägbarkeit haben sich im vorliegenden Fall nicht ergeben. Weder ist ersichtlich, dass überhaupt Fremdnutzungen auf dem in Rede stehenden Streckenabschnitt angestrebt werden, noch zeichnet sich ab, dass daraus – im Sinne des Schallschutzes – eine Verschlechterung der Parameter folgen würde. Sollten derartige Entwicklungen, was sich nicht ausschließen lässt, in Zukunft eintreten, handelt es sich um nicht vorhersehbare Beeinträchtigungen im Sinne des § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG.
[31] Der danach gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO gebotenen Aufhebung unterliegt die gesamte von der Klägerin angefochtene Nebenbestimmung einschließlich der hierin enthaltenen, von der Existenz des Auflagenvorbehalts abhängigen Nachbesserungspflicht. Dagegen besteht kein Anlass, der Rechtswidrigkeit des Auflagenvorbehalts weitere Folgen für den Bestand des Planfeststellungsbeschlusses insgesamt beizumessen. Da dem mit der aufzuhebenden Nebenbestimmung verfolgten Schutzzweck nach dem bestehenden Recht im Rahmen des § 75 Abs. 2 Sätze 2 bis 4 VwVfG Rechnung zu tragen ist, kann der Planfeststellungsbeschluss im Übrigen sinnvoller- und rechtmäßigerweise bestehen bleiben, ohne dass es einer neuen Entscheidung der Beklagten über den Planfeststellungsantrag bedarf.