Bundesarbeitsgericht
Tarifliches 13. Monatseinkommen

BAG, Urteil vom 23. 2. 2000 – 10 AZR 197/99 (lexetius.com/2000,4694)

[1] 1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 3. Februar 1999 – 2 Sa 534/98 – wird zurückgewiesen.
[2] 2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
[3] Tatbestand: Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger für das Kalenderjahr 1997 ein Anspruch auf ein 13. Monatseinkommen zusteht.
[4] Der am 12. November 1939 geborene Kläger war seit dem 1. April 1955 bei der Beklagten als Modellbauer beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fand aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit der Tarifvertrag über ein 13. Monatseinkommen für das Modellbauerhandwerk (Tarifgruppe Nord) vom 16. November 1989/13. Juli 1995 (TV-13. Monatseinkommen) Anwendung.
[5] Mit Schreiben vom 9. Januar 1996 kündigte der Kläger sein Arbeitsverhältnis zum 30. November 1997 und teilte der Beklagten ferner mit, er möchte um das Angebot der Frührentenregelung in Anspruch nehmen zu können, mit 58 Jahren in die Arbeitslosigkeit entlassen werden, um mit 60 Jahren in den Genuß der Rente zu kommen. Für das Jahr 1997 zahlte die Beklagte dem Kläger kein 13. Monatseinkommen.
[6] Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe ein Anspruch auf das tarifliche 13. Monatseinkommen für das Kalenderjahr 1997 zu. Zwar habe er sein Arbeitsverhältnis zum 30. November 1997 und damit vor dem Fälligkeitszeitpunkt am 1. Dezember 1997 gekündigt. Die tariflichen Bestimmungen seien jedoch dahin auszulegen, daß ihm der volle Anspruch erhalten bleibe, weil er aufgrund der Kündigung zwecks Inanspruchnahme eines vorgezogenen Altersruhegeldes aus dem Beruf ausgeschieden sei.
[7] Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 3.942,43 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit dem 1. April 1998 zu zahlen.
[8] Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
[9] Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dem Kläger stehe der Anspruch nicht zu. Voraussetzung für den Anspruch sei der Bestand des Arbeitsverhältnisses am Fälligkeitstag, dem 1. Dezember 1997. Diese Voraussetzung habe der Kläger nicht erfüllt, da er zum 30. November 1997 aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden sei. Er sei auch nicht aufgrund einer Kündigung zwecks Inanspruchnahme eines vorgezogenen Altersruhegeldes aus dem Beruf ausgeschieden.
[10] Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
[11] Entscheidungsgründe: Die Revision ist unbegründet.
[12] I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Kläger erfülle für das Kalenderjahr 1997 nicht die tariflichen Anspruchsvoraussetzungen für ein 13. Monatseinkommen. Nach § 2 Ziff. 1 TV-13. Monatseinkommen sei anspruchsberechtigt, wer am Fälligkeitstag in einem Arbeitsverhältnis stehe. Diese Voraussetzung habe im Jahre 1997 nicht vorgelegen, da der Kläger sein Arbeitsverhältnis zum 30. November 1997 gekündigt hatte.
[13] Auch die Regelung des § 2 Ziff. 6 Satz 2 TV-13. Monatseinkommen über das Ausscheiden aus dem Beruf zwecks Inanspruchnahme eines vorgezogenen Altersruhegeldes begründe im vorliegenden Fall keinen Anspruch. Sie gelte nur für "anspruchsberechtigte Arbeitnehmer" und damit für Arbeitnehmer, die in dem betreffenden Kalenderjahr am 1. Dezember in einem Arbeitsverhältnis stünden.
[14] Diesen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts ist zuzustimmen.
[15] II. Die Klage ist nicht begründet. Dem Kläger steht für das Kalenderjahr 1997 kein Anspruch auf das 13. Monatseinkommen zu.
[16] 1. Auf das Arbeitsverhältnis findet aufgrund beiderseitiger Tarifbindung der Tarifvertrag über ein 13. Monatseinkommen für das Modellbauerhandwerk Anwendung, der ua. lautet:
[17] "§ 2. 1. Arbeitnehmer, die jeweils am Fälligkeitstag in einem Arbeitsverhältnis stehen, haben je Kalenderjahr Anspruch auf betriebliche Sonderzahlungen. … 6. Anspruchsberechtigte Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis im Kalenderjahr kraft Gesetzes oder Vereinbarung ruht, erhalten keine Leistung, ruht das Arbeitsverhältnis im Kalenderjahr teilweise, so erhalten sie eine anteilige Leistung. Anspruchsberechtigte Arbeitnehmer, die wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit, wegen Erreichens der Altersgrenze oder aufgrund Kündigung zwecks Inanspruchnahme eines vorgezogenen Altersruhegeldes aus dem Beruf ausscheiden, erhalten die volle Leistung. § 3. 1. Die Leistung ist jeweils am 1. Dezember fällig. …"
[18] 2. Nach dem Wortlaut des § 2 Ziff. 1 TV-13. Monatseinkommen ist Voraussetzung für den Anspruch auf Sonderzahlung, daß das Arbeitsverhältnis jeweils am Fälligkeitstag besteht. Fälligkeitstag ist gemäß § 3 Ziff. 1 TV-13. Monatseinkommen der 1. Dezember des jeweiligen Kalenderjahres. Diese Voraussetzung erfüllte der Kläger am 1. Dezember 1997 nicht. Sein Arbeitsverhältnis war zum 30. November 1997 gekündigt.
[19] 3. Auch die Regelung des § 2 Ziff. 6 Satz 2 TV-13. Monatseinkommen begründet keinen Anspruch für den Kläger. Nach ihrem Wortlaut gilt sie nur für "anspruchsberechtigte Arbeitnehmer" und damit nur für Arbeitnehmer, die am 1. Dezember in einem Arbeitsverhältnis stehen. Dies traf für den Kläger am 1. Dezember 1997 nicht mehr zu.
[20] Entgegen der Ansicht der Revision folgt aus dem tariflichen Gesamtzusammenhang kein anderes Ergebnis. Die tarifliche Bestimmung enthält keine allgemeine Regelung über eine anteilige Sonderzahlung für das Jahr des Ausscheidens aufgrund einer Kündigung des Arbeitnehmers zwecks Inanspruchnahme eines vorgezogenen Altersruhegeldes. Dies wäre zwar sinnvoll. Der eindeutige Wortlaut der Tarifnorm, der ausdrücklich nur auf "anspruchsberechtigte Arbeitnehmer" und damit auf Arbeitnehmer, die am 1. Dezember des jeweiligen Kalenderjahres in einem Arbeitsverhältnis stehen, abstellt, verbietet jedoch eine solche Auslegung.
[21] 4. Steht dem Kläger der Anspruch nach § 2 Ziff. 1 TV-13. Monatseinkommen nicht zu, kann dahingestellt bleiben, ob es sich bei seiner Kündigung, um Arbeitslosigkeit als Vorstufe für eine vorgezogene Altersrente ab dem 60. Lebensjahr herbeizuführen, um eine Kündigung im Sinne von § 2 Ziff. 6 Satz 2 TV-13. Monatseinkommen handelt.
[22] III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.