Bundesarbeitsgericht
Mitbestimmung bei Prämienlohn
1. Eine Leistungsprämie, bei der allein die in einem Beurteilungszeitraum von drei Monaten erbrachte Leistung die Höhe der Vergütung in den folgenden zwölf Monaten bestimmt, ist kein vergleichbares leistungsbezogenes Entgelt iSd § 87 Abs 1 Nr 11 BetrVG.
2. Die Einigungsstelle kann Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nicht ohne dessen Zustimmung erweitern.
BAG, Beschluss vom 15. 5. 2001 – 1 ABR 39/00 (lexetius.com/2001,1529)
[1] Auf die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats wird der Beschluß des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 24. Mai 2000 – 2 TaBV 14/00 – aufgehoben.
[2] Auf die Beschwerde des Betriebsrats wird der Beschluß des Arbeitsgerichts Kiel vom 2. Dezember 1999 – 2 BV 37a/99 – abgeändert.
[3] Es wird festgestellt, daß der Spruch der Einigungsstelle vom 12. Juli 1999 über eine "Betriebsvereinbarung für die S GmbH in Eckernförde zur Regelung einer Prämienentlohnung" unwirksam ist.
[4] Gründe: A. Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit eines Einigungsstellenspruchs zur Änderung einer Prämienregelung.
[5] Die Arbeitgeberin betreibt einen metallverarbeitenden Betrieb. Der Antragsteller ist der bei ihr gebildete Betriebsrat. Die Arbeitgeberin wandte seit 1980 bei ihren gewerblichen Arbeitnehmern ein Prämienentlohnungssystem an, nach dessen Maßgaben etwa 140 Arbeitnehmer entlohnt wurden. Weitere 145 gewerbliche Arbeitnehmer erhielten Zeitlohn.
[6] Auf Grund wirtschaftlicher Schwierigkeiten verhandelte die Arbeitgeberin mit dem Betriebsrat über die Einführung eines Zeitlohnsystems für alle gewerblichen Arbeitnehmer. Nach Scheitern der Verhandlungen wurde durch arbeitsgerichtlichen Beschluß vom 3. Juni 1998 eine Einigungsstelle gebildet. Das Einigungsstellenverfahren wurde durch Spruch der Einigungsstelle vom 12. Juli 1999 gegen die Stimmen der vom Betriebsrat bestellten Mitglieder beendet.
[7] Nach ihrer Präambel hat die Betriebsvereinbarung die Schaffung einer neuen Berechnungsgrundlage für leistungsbezogene Prämienentlohnung zum Ziel. Darüber hinaus soll eine Gleichbehandlung aller gewerblichen Arbeitnehmer erreicht werden. Die Betriebsvereinbarung enthält zudem folgende Regelungen:
[8] "3. Entlohnungsgrundsatz Prämienlohn. Im gesamten gewerblichen Bereich wird im Prämienlohn gearbeitet. 4. Zusammensetzung des Prämienlohns. Der Prämienlohn setzt sich zusammen – aus den Prämienausgangslohn in Höhe der jeweiligen tariflichen Lohngruppe gemäß § 3 Lohnrahmentarifvertrag Metallindustrie Schleswig-Holstein, – aus der Grundprämie von 15 % des Prämienausgangslohns, – aus der Leistungsprämie in Höhe von 15 % des Prämienausgangslohns im Betriebsdurchschnitt. Die individuelle Leistungsprämie wird gemäß Anlage 1 ermittelt. Bei der Grundprämie und der Leistungsprämie handelt es sich um leistungsbezogene Entgelte im Sinne von § 87 Abs. 1 Nr. 11 BetrVG. – Die Arbeitnehmer erhalten zusätzlich für den Fall, daß das budgetierte Betriebsergebnis überschritten wird, 50 % des überschreitenden Betrages inklusive Arbeitgeberanteil zur Sozialversicherung, höchstens jedoch 5 % als Prämie; die Prämie wird in gleichen Anteilen ausgezahlt. Unberührt bleiben bestehende Erschwerniszulagen gemäß Sonderregelung."
[9] Zum Beurteilungszeitpunkt für die Ermittlung der individuellen Leistungsprämie bestimmt Nr. 2. 1 der Anlage 1 zur Betriebsvereinbarung:
[10] "Die Beurteilung der Prämienlöhner erfolgt innerhalb des I. Quartals eines jeden Jahres mit Wirkung vom 01. 04. bis zum 31. 03. des Folgejahres."
[11] Mit seinem Antrag wendet sich der Betriebsrat gegen die Wirksamkeit des Einigungsstellenspruchs. Er macht geltend, die Betriebsvereinbarung regele keinen Prämienlohn. Die einzelnen Prämienarten würden nicht nach dem Verhältnis einer individuellen Leistung in einem miteinander korrespondierenden Bezugs- und Beurteilungszeitraum ermittelt.
[12] Der Betriebsrat hat beantragt festzustellen, daß der Beschluß der Einigungsstelle vom 12. Juli 1999 zum Thema "Betriebsvereinbarung für die Firma S GmbH in Eckernförde zur Regelung einer Prämienentlohnung" rechtsunwirksam ist.
[13] Die Arbeitgeberin hat beantragt, den Antrag abzuweisen.
[14] Sie hat die Auffassung vertreten, die Einigungsstelle habe eine zumindest nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG mitbestimmungspflichtige Angelegenheit geregelt. Zwar habe sie, die Arbeitgeberin, einen Dotierungsrahmen für die Prämien nicht ausdrücklich vorgegeben. Doch habe sie diese Entscheidung den von ihr benannten Beisitzern der Einigungsstelle überlassen können, zu denen auch ihr damaliger Geschäftsführer gehört habe.
[15] Das Arbeitsgericht hat den Antrag abgewiesen. Die Beschwerde des Betriebsrats hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Mit seiner Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat sein bisheriges Antragsziel. Die Arbeitgeberin beantragt die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde.
[16] B. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist begründet. Die Vorinstanzen haben seinen Antrag zu Unrecht abgewiesen.
[17] I. Der Feststellungsantrag des Betriebsrats ist zulässig. Das nach § 256 ZPO erforderliche Rechtsschutzinteresse liegt vor. Es entfällt nicht deshalb, weil sich der Betriebsrat zur Begründung der Unwirksamkeit des Einigungsstellenspruchs vor allem auf das Fehlen eines Mitbestimmungsrechts beruft. In den Fällen der zwingenden Mitbestimmung ersetzt der Spruch der Einigungsstelle die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat. Daher muß der Betriebsrat klären lassen können, ob der Spruch der Einigungsstelle diese Grenze wahrt und wegen seiner zwingenden Wirkung eine frühere Betriebsvereinbarung über eine Prämienentlohnung auch ablöst (vgl. BAG 20. Juli 1999 – 1 ABR 66/98 – AP BetrVG 1972 § 76 Einigungsstelle Nr. 8 = EzA BetrVG 1972 § 87 Betriebliche Lohngestaltung Nr. 67, zu B I der Gründe).
[18] II. Der Antrag des Betriebsrats ist begründet. Der Spruch der Einigungsstelle ist unwirksam. Für die darin getroffenen Regelungen besteht kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats. Zu Unrecht hat das Landesarbeitsgericht eine Erweiterung der Mitbestimmungsbefugnisse des Betriebsrats durch Spruch der Einigungsstelle angenommen.
[19] 1. Die Einigungsstelle hat keine Prämienregelung getroffen, für die ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 11 BetrVG gegeben wäre. Bei den geregelten Prämienarten handelt es sich weder um Prämien noch um vergleichbare leistungsbezogene Entgelte im Sinne dieses Mitbestimmungsrechts.
[20] a) Nach § 87 Abs. 1 Nr. 11 BetrVG hat der Betriebsrat mitzubestimmen bei der Festsetzung der Akkord- und Prämiensätze sowie bei vergleichbaren leistungsbezogenen Entgelten, einschließlich des Geldfaktors. Akkord- und Prämienlöhne sind nach der Rechtsprechung des Senats dadurch gekennzeichnet, daß ihre Höhe proportional der Leistung des Arbeitnehmers ist und sich deshalb jede Änderung der Arbeitsleistung unmittelbar auf die Höhe des gezahlten Entgelts auswirkt. Dazu bedarf es aber der Ermittlung einer Normalleistung, die zur tatsächlichem Leistung des Arbeitnehmers in Bezug gesetzt wird.
[21] Vergleichbare leistungsbezogene Entgelte sind deshalb nach der ständigen Rechtsprechung des Senats solche Vergütungen, bei denen die Leistung des Arbeitnehmers gemessen und mit einer Bezugsleistung verglichen wird, und bei denen sich die Höhe der Vergütung unmittelbar nach dem Verhältnis beider Leistungen zueinander bestimmt (BAG 26. Juli 1988 – 1 AZR 54/87 – AP BetrVG 1972 § 87 Provision Nr. 6 = EzA BetrVG 1972 § 87 Leistungslohn Nr. 16, zu I der Gründe; zuletzt 29. Februar 2000 – 1 ABR 4/99 – AP BetrVG 1972 § 87 Lohngestaltung Nr. 105 = EzA BetrVG 1972 § 87 Betriebliche Lohngestaltung Nr. 69, zu B II 1 a der Gründe). Das entspricht dem Zweck des Mitbestimmungsrechts. Die Beteiligung des Betriebsrats in einer Angelegenheit des § 87 Abs. 1 Nr. 11 BetrVG soll gewährleisten, daß die von den Arbeitnehmern erwartete Zusatzleistung sachgerecht bewertet wird und in einem angemessenen Verhältnis zu dem erzielbaren Mehrverdienst steht. Darüber hinaus soll vermieden werden, daß Leistungsanreize geschaffen werden, die zu einer Überforderung der Arbeitnehmer führen. Deshalb erstreckt sich dieses Mitbestimmungsrecht auch auf den Geldfaktor (BAG 13. September 1983 – 1 ABR 32/81 – BAGE 43, 278, zu B II 4 der Gründe). Danach fehlt es an der Vergleichbarkeit einer leistungsbezogenen Vergütungsform mit Akkord- und Prämienlohn, wenn eine in der Vergangenheit kurzfristig gezeigte Mehrleistung später unabhängig von der dann jeweils aktuellen Arbeitsleistung die Höhe des Entgelts bestimmt. In diesen Fällen fehlt eine kontinuierliche Messung der Arbeitsleistung und ein darauf bezogener Leistungsanreiz und Leistungsdruck, über dessen Angemessenheit der Betriebsrat zum Schutz des Arbeitnehmers vor Überlastung mitbestimmen soll (Fitting/Kaiser/Heither/Engels BetrVG 20. Aufl. § 87 Rn. 486 ff.; Wiese GK-BetrVG 6. Aufl. § 87 Rn. 965 f.; aA DKK-Klebe BetrVG 6. Aufl. § 87 Rn. 281).
[22] b) Nach diesen Grundsätzen hat die Einigungsstelle keine Prämien oder vergleichbaren leistungsbezogenen Entgelte geregelt, über die der Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 11 BetrVG mitzubestimmen hätte.
[23] Die "Grundprämie" von 15 % der jeweiligen Tariflohngruppe steht mit einer besonderen Leistung des Arbeitnehmers in keinem Zusammenhang. Die Grundprämie erhält jeder gewerbliche Arbeitnehmer zusätzlich zu seinem Tariflohn unabhängig davon, ob er überhaupt eine Arbeitsleistung erbringt. Es fehlt jeder Vergleich zwischen einer Normalleistung und einer durch die Prämie zu honorierenden zusätzlichen individuellen Leistung.
[24] Für die "Budgetprämie" gilt nichts anderes. Für sie ist das Erreichen eines bestimmten Betriebsergebnisses durch sämtliche betriebszugehörigen Arbeitnehmer maßgebend. Sie wird einheitlich bezahlt unabhängig davon, ob und in welchem Umfang der einzelne Arbeitnehmer zum Erreichen des Prämienziels beigetragen hat.
[25] Schließlich ist auch auf die "Leistungsprämie" von 15 % der Tarifentgelte im Betriebsdurchschnitt § 87 Abs. 1 Nr. 11 BetrVG nicht anwendbar. Zwar handelt es sich insoweit um ein leistungsbezogenes Entgelt, denn die zu honorierende individuelle Leistung des Arbeitnehmers wird an einer Normalleistung gemessen. Dieses Entgelt ist aber mit Akkord und Prämie nicht vergleichbar (vgl. BAG 22. Oktober 1985 – 1 ABR 67/83 – BAGE 50, 43). Die gezeigte und bewertete Leistung im Beurteilungszeitraum ist ohne Einfluß auf die Entgelthöhe in diesem Zeitraum. Nach dem Anhang 1 zur Betriebsvereinbarung und deren Erläuterungen bestimmt sich die Prämie zum einen nach dem Ergebnis und der Qualität der Arbeit von Gruppen und zum anderen nach dem individuellen Arbeitseinsatz und der individuellen Arbeitssorgfalt entsprechend den in den Erläuterungen benannten Kriterien. Die Beurteilungsmerkmale werden jeweils im ersten Quartal eines jeden Kalenderjahres bewertet und nach einem vorgegebenen Schlüssel in die individuelle Leistungsprämie umgerechnet. Dieses Ergebnis legt die Prämienhöhe mit Wirkung bis zum Ende des ersten Quartals des Folgejahres fest (Nr. 2. 1 Anhang 1 der Betriebsvereinbarung). Damit bestimmt sich die Höhe des Entgelts im Bezugszeitraum nicht nach dem Verhältnis der erbrachten zu einer Normalleistung. Vielmehr erhält der einzelne Arbeitnehmer entsprechend seinen Leistungen im ersten Quartal eine Prämie in den Folgequartalen unabhängig davon, ob die in diesen Zeiträumen erbrachte Leistung der im Beurteilungszeitraum gezeigten Leistung entspricht oder sie unter- oder überschreitet. Die Leistungsprämie steht ihm auf Grund der im Beurteilungszeitraum gezeigten Leistung sogar dann zu, wenn er im eigentlichen Bezugszeitraum zwar nicht tätig ist, aber Anspruch auf Lohn hat. Im Gegensatz dazu wirkt sich eine im Beurteilungszeitraum gezeigte Leistung überhaupt nicht aus, wenn das Arbeitsverhältnis unmittelbar nach Ablauf des Erhebungszeitraums endet.
[26] 2. Der Spruch der Einigungsstelle kann auch nicht auf das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG gestützt werden. Er regelt über einen Geldfaktor zugleich die Höhe des Entgelts, auf den sich das Mitbestimmungsrecht nach dieser Vorschrift jedoch nicht erstreckt. Die Arbeitgeberin konnte durch die von ihr benannten Beisitzer der Einigungsstelle den von ihr vorzugebenden Dotierungsrahmen nicht festlegen lassen.
[27] a) Der Betriebsrat hat nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG mitzubestimmen bei Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere der Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und der Einführung und der Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung. Das Mitbestimmungsrecht dient dazu, eine transparente Lohnordnung für den Betrieb zu schaffen und zur innerbetrieblichen Lohngerechtigkeit beizutragen. Die Arbeitnehmer sollen danach vor einer einseitigen, ausschließlich an den Interessen des Unternehmens ausgerichteten Lohnpolitik geschützt werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts betrifft die Ausgestaltung von Entlohnungsgrundsätzen das Aufstellen eines detaillierten Entgeltsystems sowie die Bildung von Entgeltgruppen nach abstrakten Kriterien einschließlich der abstrakten Festsetzung der Wertunterschiede nach Prozentsätzen oder anderen Bezugsgrößen. Das Mitbestimmungsrecht erfaßt aber nicht die Entgelthöhe (BAG 20. Juli 1999 – 1 ABR 66/98 – AP BetrVG 1972 § 76 Einigungsstelle Nr. 8 = EzA BetrVG 1972 Betriebliche Lohngestaltung Nr. 67, zu B II 1 der Gründe mwN).
[28] Danach gehen die von der Einigungsstelle getroffenen Entgeltregelungen über das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats hinaus. Bei der Grundprämie wird unmittelbar die Höhe des Entgelts durch die Festlegung eines konkreten Prozentsatzes gemessen an dem individuellen Tarifausgangslohn bestimmt. Das gilt auch für die Budgetprämie. Sie bemißt sich anteilig nach einer konkreten Prozentspanne, die sich nach den dort im einzelnen geregelten Bezugsgrößen bestimmt. Der Geldfaktor ist auch bei der Leistungsprämie geregelt. Über die Festlegung des Prämienvolumens von 15 % der betrieblichen Tarifentgelte wird zugleich der Geldwert für jeden Beurteilungswertpunkt bestimmt, aus dem sich die individuelle Leistungsprämie errechnet.
[29] b) Die Einigungsstelle konnte die Entgelthöhe nicht festlegen, auch nicht mit den Stimmen der von der Arbeitgeberin benannten Beisitzer. Die Arbeitgeberin konnte die ihr vorbehaltene Bestimmung des Geldfaktors nicht diesen Beisitzern überlassen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind die Beisitzer einer Einigungsstelle keine Vertreter der sie benennenden Betriebsparteien. Sie sind deshalb nicht an deren Weisungen gebunden und können sie umgekehrt auch nicht außerhalb ihrer Befugnisse nach § 76 BetrVG verpflichten. Das gibt die Schlichtungsfunktion der Einigungsstelle vor. Die Einigungsstelle soll einen von den Betriebsparteien selbst nicht lösbaren Konflikt in einer Angelegenheit der paritätischen Mitbestimmung klären. Das setzt voraus, daß die jeweiligen Regelungsfragen unabhängig von den umstrittenen Festlegungen der Betriebsparteien und mit einem inneren Abstand dazu behandelt werden. Dementsprechend verpflichtet § 76 Abs. 5 Satz 3 BetrVG die Mitglieder der Einigungsstelle auch dazu, ihre Entscheidung unter angemessener Berücksichtigung der betrieblichen Belange und der Interessen der betroffenen Arbeitnehmer nach billigem Ermessen zu treffen (BAG 18. Januar 1994 – 1 ABR 43/93 – BAGE 75, 261; 27. Juni 1995 – 1 ABR 3/95 – BAGE 80, 222; 14. Februar 1996 – 7 ABR 25/95 – AP BetrVG 1972 § 76 Nr. 5 = EzA BetrVG 1972 § 40 Nr. 76).
[30] Es genügt daher nicht, daß die von der Arbeitgeberin benannten Beisitzer den zur Abstimmung gestellten Vorschlag des unparteiischen Vorsitzenden gebilligt haben. Eine von ihr zu verantwortende und sie verpflichtende Entscheidung über den Dotierungsrahmen war damit nicht verbunden. Auch wenn der damalige Geschäftsführer der Arbeitgeberin der Einigungsstelle angehörte, handelte er in der Einigungsstelle als unabhängiger Beisitzer. Diese Personalunion führt aber nicht dazu, daß sein Abstimmungsverhalten die von der Arbeitgeberin selbst zu treffende Entscheidung ersetzt hätte.
[31] 3. Die Einigungsstelle konnte das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nicht gegen dessen Willen erweitern. Die gegenteilige Auffassung des Landesarbeitsgerichts widerspricht der gesetzlichen Konzeption des § 87 Abs. 2 iVm. § 76 Abs. 5 BetrVG sowie des § 88 iVm. § 76 Abs. 6 BetrVG. Sie mißachtet außerdem die Bindungswirkungen eines arbeitsgerichtlichen Beschlusses nach § 98 ArbGG.
[32] a) Nach § 87 Abs. 2 BetrVG kann der Arbeitgeber eine nach § 87 Abs. 1 BetrVG mitbestimmungspflichtige Maßnahme nur mit Zustimmung des Betriebsrats durchführen. Können sich die Betriebsparteien nicht einigen, entscheidet eine Einigungsstelle. Ihre Entscheidung ersetzt die Einigung zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber (§ 87 Abs. 2 Satz 2 BetrVG). Mit normativer Wirkung kann danach die Einigungsstelle nur innerhalb der durch § 87 Abs. 1 BetrVG gezogenen Grenzen tätig werden.
[33] Sonstige Angelegenheiten, die nicht der zwingenden Mitbestimmung unterliegen, können die Betriebsparteien nur einvernehmlich und auf freiwilliger Grundlage regeln (§ 88 BetrVG). Soweit sie auch in diesen Angelegenheiten die Einigungsstelle anrufen, ist deren Entscheidung nur verbindlich, soweit sich beide Betriebsparteien im Voraus dem Spruch unterwerfen oder ihn nachträglich annehmen. Das wahrt das durch § 88 BetrVG vorgegebene Prinzip der Freiwilligkeit. Diese Konzeption schließt es aus, daß durch eine Mehrheitsentscheidung der Einigungsstelle dem Betriebsrat oder dem Arbeitgeber ein gesetzlich nicht vorgesehenes Mitbestimmungsrecht aufgezwungen wird (BAG 30. August 1995 – 1 ABR 4/95 – BAGE 80, 366, zu B II 1 a der Gründe; Wiese GK-BetrVG 6. Aufl. § 87 Rn. 10 mwN).
[34] b) Eine Erweiterung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats wäre vorliegend auch nicht durch den arbeitsgerichtlichen Bestellungsbeschluß vom 3. Juni 1998 gedeckt, nach dem die Einigungsstelle nur in einer Angelegenheit nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 und Nr. 11 BetrVG tätig werden konnte. Nach § 98 ArbGG hat das Gericht, soweit sich die Betriebsparteien über die Bildung einer Einigungsstelle nicht einigen können, durch Beschluß über die Errichtung und Zusammensetzung einer Einigungsstelle zu entscheiden. Darin ist neben der Person des Vorsitzenden und der Zahl der Beisitzer auch zu bestimmen, für welchen Regelungsstreit die Einigungsstelle gebildet wird (vgl. Germelmann/Matthes/Prütting ArbGG 3. Aufl. § 98 Rn. 24). An diesen Kompetenzrahmen ist die Einigungsstelle gebunden. Sie kann darüber hinaus zwar weitere Angelegenheiten verhandeln. Das setzt jedoch eine darauf gerichtete Verständigung der Betriebsparteien voraus (vgl. BAG 6. Dezember 1983 – 1 ABR 43/81 – BAGE 44, 285, zu B II 3 der Gründe). Eine solche liegt nicht vor.
[35] 4. Fehlte der Einigungsstelle die Kompetenz, die Höhe der "Prämien" festzulegen, so kann der Spruch auch nicht hinsichtlich der in ihm enthaltenen mitbestimmungspflichtigen Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen Bestand haben. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats hat zwar die Teilunwirksamkeit einer Betriebsvereinbarung nicht die Unwirksamkeit der gesamten Betriebsvereinbarung zur Folge, wenn der verbleibende Teil auch ohne die unwirksame Bestimmung eine sinnvolle und in sich geschlossene Regelung enthält (BAG 20. Juli 1999 – 1 ABR 66/98 – AP BetrVG 1972 § 76 Einigungsstelle Nr. 8 = EzA BetrVG 1972 § 87 Betriebliche Lohngestaltung Nr. 67, zu B III der Gründe mwN). Das setzt aber voraus, daß die verbleibende Regelung innerhalb des bisherigen Regelungsgehalts der Betriebsvereinbarung bleibt. Ziel der Einigungsstelle war jedoch nicht das Aufstellen von Entlohnungsgrundsätzen für einen von der Arbeitgeberin zu bestimmenden Leistungslohn, sondern die Fortführung eines Prämienlohnsystems nach einer Änderung der bisherigen Prämiensätze. Wie aus der Präambel der Betriebsvereinbarung folgt, sollte für die bisherige Prämienentlohnung lediglich eine neue Berechnungsgrundlage geschaffen, das bisherige Prämienlohnsystem aber nicht aufgegeben werden. Dazu stellt Nr. 3 der Betriebsvereinbarung auch ausdrücklich den Entlohnungsgrundsatz Prämienlohn auf. Das Aufstellen von Entlohnungsgrundsätzen für einen reinen Leistungslohn hätte aber gerade nicht dem erkennbaren Ziel der Einigungsstelle entsprochen.