Bundesarbeitsgericht
Befristung aus haushaltsrechtlichen Gründen
Haushaltsrechtliche Gründe können die Befristung eines Arbeitsvertrags rechtfertigen, wenn der öffentliche Arbeitgeber zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses auf Grund konkreter Tatsachen die Prognose erstellen kann, daß für die Beschäftigung des Arbeitnehmers Haushaltsmittel nur vorübergehend zur Verfügung stehen.

BAG, Urteil vom 24. 10. 2001 – 7 AZR 542/00 (lexetius.com/2001,2264)

[1] Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 18. Mai 2000 – 10 Sa 454/99 – wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht auf Grund der Befristung vom 15. Juni 1995 zum 30. Juni 1998 beendet ist.
[2] Der Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
[3] Tatbestand: Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Befristung. Die Klägerin war auf Grund des mit dem Beklagten am 15. Juni 1995 geschlossenen Arbeitsvertrags vom 1. Juli 1995 bis zum 30. Juni 1998 beim Regierungspräsidium Dresden als Angestellte in der Vergütungsgruppe VII BAT-O beschäftigt. Nach dem Arbeitsvertrag war das Arbeitsverhältnis bis zum 30. Juni 1998 befristet zur Abarbeitung der Sonderaufgaben im Altlastenfreistellungsverfahren.
[4] Mit Bescheid vom 27. März 1995 hatte das Sächsische Staatsministerium des Innern dem Regierungspräsidium Dresden folgendes mitgeteilt: "Zur Durchführung der Altlastenfreistellungsverfahren gem. Umweltrahmengesetz und des Ersten Gesetzes zur Abfallwirtschaft und zum Bodenschutz im Freistaat Sachsen in den Regierungspräsidien erfolgt eine zusätzliche Unterstützung durch externe Kräfte, die mittels Verträgen mit Firmen noch bis 30. 06. 1995 gebunden sind. Ab 01. 07. 1995 soll die Weiterführung dieser Aufgaben durch Zeitangestellte gesichert werden; davon werden drei Juristen und acht Sachbearbeiter bei den Regierungspräsidien für drei Jahre beschäftigt. Für 1995 erfolgt die finanzielle Deckung der erforderlichen Personalkosten aus Sachmitteln des SMU. Vorbehaltlich der endgültigen Zustimmung des Staatsministeriums der Finanzen weisen wir hiermit zum Zwecke der internen Ausschreibung (…) dem Regierungspräsidium Dresden zwei Stellen der Vergütungsgruppe IV b BAT-O, jeweils kw 30. 06. 1998, zu. (…) Sobald uns die Zustimmung des SMF vorliegt, werden Sie umgehend informiert, damit die Arbeitsverträge abgeschlossen werden können."
[5] Das Staatsministerium der Finanzen erteilte am 26. Juni 1995 die bei außerplanmäßigen Verpflichtungen erforderliche Zustimmung. Mit Bescheid vom 13. Juli 1995 wies das Staatsministerium des Innern dem Regierungspräsidium Dresden für die Zeit vom 1. Juli 1995 bis 30. Juni 1998 zwei Sachmittelstellen der Vergütungsgruppe IV a BAT-O zur Bewirtschaftung zu. Am 15. Dezember 1995 beschloß der Sächsische Landtag das Haushaltsgesetz 1996. In den Haushaltsplänen 1996, 1997 und 1998 wurden dem Regierungspräsidium Dresden unter dem Titel 42511 im Kapitel 0304 zwei Stellen der Vergütungsgruppe IV a BAT-O mit dem Vermerk "kw 30. 06. 1998" zugewiesen. Im Haushaltsplan 1995 war die Stelle der Klägerin nicht aufgeführt. Für 1995 wurden die Personalkosten für die Klägerin aus Sachmitteln des Sächsischen Ministeriums für Umwelt und Landesentwicklung bestritten. Mit Schreiben vom 15. März 1996 beantragte das Staatsministerium der Finanzen beim Sächsischen Landtag die nachträgliche Genehmigung der beiden bereits außerplanmäßig eingerichteten Stellen. Der Landtag beanstandete die außerplanmäßige Verpflichtung nicht.
[6] Mit der am 17. Juli 1998 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat die Klägerin die Unwirksamkeit der Befristung geltend gemacht. Der Haushaltsgesetzgeber habe sich mit ihrer Stelle nicht konkret befaßt. Auch seien die später in den Haushaltsplänen ausgewiesenen Stellen mit ihrer nicht identisch gewesen.
[7] Die Klägerin hat beantragt festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Befristung des Arbeitsvertrages vom 15. Juni 1995 zum 30. Juni 1998 nicht aufgelöst wurde, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 30. Juni 1998 hinaus fortbesteht.
[8] Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
[9] Die Befristung sei wegen zeitlich begrenzter Haushaltsmittel sachlich gerechtfertigt. Der Haushaltsgesetzgeber habe die Bewilligung der Mittel durch das Haushaltsgesetz 1995, spätestens jedoch durch sein Schweigen auf das Schreiben des Staatsministeriums der Finanzen vom 15. März 1996 genehmigt.
[10] Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht der Klage stattgegeben. Mit der Revision begehrt der Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Der Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.
[11] Entscheidungsgründe: Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage zu Recht entsprochen. Die im Arbeitsvertrag der Parteien vom 15. Juni 1995 vereinbarte Befristung hat das Arbeitsverhältnis nicht zum 30. Juni 1998 beendet.
[12] A. Die Klage ist zulässig. Die Klägerin erstrebt die in § 1 Abs. 5 Satz 1 BeschFG (in der Fassung des Arbeitsrechtlichen Beschäftigungsförderungsgesetzes vom 25. September 1996, BGBl. I S 1476; seit 1. Januar 2001: § 17 Satz 1 TzBfG) vorgesehene gerichtliche Feststellung, daß ihr Arbeitsverhältnis nicht auf Grund der Befristung vom 15. Juni 1995 zum 30. Juni 1998 geendet hat. Dem Zusatz im Klageantrag – "sondern unverändert über den 30. Juni 1998 hinaus fortbesteht" – kommt, wie die gebotene Auslegung ergibt, keine eigenständige Bedeutung zu. Der Senat hat dies durch eine entsprechende Maßgabe beim Urteilstenor berücksichtigt.
[13] B. Die Klage ist begründet. Die im Vertrag vom 15. Juni 1995 zum 30. Juni 1998 vereinbarte Befristung ist unwirksam.
[14] I. Das Landesarbeitsgericht hat die Befristung vor allem deshalb für unwirksam erachtet, weil der Beklagte nicht ausreichend dargelegt habe, daß für die Beschäftigung der Klägerin Haushaltsmittel nur zeitlich begrenzt zur Verfügung gestanden hätten und zu dem maßgeblichen Zeitpunkt des Vertragsabschlusses mit dem Wegfall der Haushaltsmittel zu rechnen gewesen sei. Die maßgeblichen haushaltsrechtlichen Entscheidungen seien vielmehr erst zu einem späteren Zeitpunkt gefallen.
[15] II. Diese Begründung hält der revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
[16] 1. Nach der Senatsrechtsprechung können haushaltsrechtliche Gründe die Befristung eines Arbeitsvertrags rechtfertigen, wenn der öffentliche Arbeitgeber zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses auf Grund konkreter Tatsachen die Prognose erstellen kann, daß für die Beschäftigung des Arbeitnehmers Haushaltsmittel nur vorübergehend zur Verfügung stehen (BAG 24. Januar 1996 – 7 AZR 496/95BAGE 82, 101 = AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 179, zu III 3 d der Gründe; 7. Juli 1999 – 7 AZR 609/97AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 215 = EzA BGB § 620 Nr. 167, zu II 1 der Gründe; 24. Januar 2001 – 7 AZR 208/99 – nv., zu B II 3 b aa der Gründe). Die Ungewißheit über die künftige haushaltsrechtliche Entwicklung genügt hierfür nicht (BAG 27. Januar 1988 – 7 AZR 292/87AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 116 = EzA BGB § 620 Nr. 97, zu I 3 b aa der Gründe; 24. Januar 2001 – 7 AZR 208/99 – nv., zu B II 3 b aa der Gründe). Ausreichend für die Prognose des öffentlichen Arbeitgebers ist aber grundsätzlich, wenn die Vergütung des befristet eingestellten Arbeitnehmers aus einer konkreten Haushaltsstelle erfolgt, die von vornherein nur für eine bestimmte Zeitdauer bewilligt worden ist und anschließend fortfallen soll (BAG 7. Juli 1999 – 7 AZR 609/97 – aaO, zu II 1 der Gründe). Zum einen kann in diesen Fällen regelmäßig davon ausgegangen werden, daß sich der Haushaltsgesetzgeber mit den Verhältnissen gerade dieser Stelle befaßt und festgestellt hat, daß für die Beschäftigung eines Arbeitnehmers auf dieser Stelle nur ein vorübergehender Bedarf besteht (BAG 22. März 2000 – 7 AZR 758/98BAGE 94, 130 = AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 221, zu II 3 b der Gründe mwN; 3. November 1999 – 7 AZR 579/98 – nv., zu I 1 der Gründe mwN). Zum andern ist der öffentliche Arbeitgeber gehalten, keine Verpflichtungen einzugehen, die haushaltsrechtlich nicht gedeckt sind (BAG 7. Juli 1999 – 7 AZR 609/97 – aaO, zu II 1 der Gründe; 24. Januar 2001 – 7 AZR 208/99 – nv., zu B II 3 b aa der Gründe). Die ausdrückliche Zuordnung des befristet eingestellten Arbeitnehmers zu einer konkreten vorübergehend freien Planstelle hat der Senat nicht verlangt, sofern nur sichergestellt ist, daß die Vergütung des Arbeitnehmers aus den Mitteln dieser Stelle erfolgt (BAG 3. November 1999 – 7 AZR 579/98 – nv., zu I 1 der Gründe; 24. September 1997 – 7 AZR 654/96 – nv., zu I 2 b der Gründe mit zahlreichen Nachweisen).
[17] 2. Hiernach läßt sich die vorliegende Befristung aus haushaltsrechtlichen Gründen nicht rechtfertigen. Der Beklagte hat nicht ausreichend dargetan, daß er zum maßgeblichen Zeitpunkt des Vertragsabschlusses die auf konkrete Tatsachen gestützte Prognose abgeben konnte, daß für die Beschäftigung der Klägerin Haushaltsmittel nur bis zum 30. Juni 1998 zur Verfügung stehen werden.
[18] a) Zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses am 15. Juni 1995 lag keine Entscheidung des sächsischen Haushaltsgesetzgebers vor, die Haushaltsstelle, aus der die Klägerin vergütet wurde, nur befristet zu bewilligen. Im Haushaltsplan für das bei Vertragsabschluß laufende Haushaltsjahr 1995 war vielmehr eine Stelle, aus der die Vergütung der Klägerin hätte erfolgen können, nicht vorgesehen. Auch wenn mit dem Beklagten davon ausgegangen wird, die Entscheidung des Sächsischen Landtags über das Haushaltsgesetz 1996 bzw. das Schweigen auf das Schreiben des Staatsministeriums für Finanzen vom 15. März 1996 seien als Genehmigung des Haushaltsgesetzgebers anzusehen, vermag dies die am 15. Juni 1995 zwischen den Parteien vereinbarte Befristung nicht nachträglich zu rechtfertigen. Denn maßgeblich für die Beurteilung der Wirksamkeit der Befristungsabrede sind die bei Vertragsabschluß vorliegenden Umstände.
[19] b) Die Befristung läßt sich auch nicht mit der Erwägung rechtfertigen, der Beklagte habe bei Vertragsabschluß trotz Fehlens einer Entscheidung des Haushaltsgesetzgebers zuverlässig davon ausgehen dürfen, daß dieser entsprechende Entscheidungen noch treffen werde. Die bisherige Rechtsprechung des Senats hatte Fallgestaltungen zum Gegenstand, in denen der Haushaltsgesetzgeber konkrete Stellen bereits bewilligt hatte. Dagegen hat der Senat bisher nicht entschieden, ob schon die Erwartung des öffentlichen Arbeitgebers, der Haushaltsgesetzgeber werde zeitlich befristete Stellen schaffen, zur Rechtfertigung der Befristung von Arbeitsverträgen ausreichen kann. Die Frage kann vorliegend offen bleiben. Denn der Beklagte hat nicht hinreichend dargetan, daß er bei Abschluß des Arbeitsvertrags mit der Klägerin am 15. Juni 1995 die begründete Prognose treffen durfte, der sächsische Haushaltsgesetzgeber werde Ende des Jahres 1995 eine entsprechende, bis zum 30. Juni 1998 befristete Stelle schaffen und darüber hinausgehende Haushaltsmittel nicht zur Verfügung stellen. Vielmehr hat das für den Beklagten handelnde Regierungspräsidium Dresden bei Abschluß des Arbeitsvertrags mit der Klägerin nicht einmal die Vorgaben des Sächsischen Staatsministeriums des Innern beachtet. Dieses hatte nämlich dem Regierungspräsidium mit Bescheid vom 27. März 1995 lediglich mitgeteilt, "vorbehaltlich der endgültigen Zustimmung des Staatsministeriums der Finanzen" würden dem Regierungspräsidium zwei Stellen "zum Zwecke der internen Ausschreibung" zugewiesen; sobald die Zustimmung des Sächsischen Staatsministeriums der Finanzen vorliege, werde das Regierungspräsidium informiert, damit die Arbeitsverträge abgeschlossen werden können. Gleichwohl wartete das Regierungspräsidium Dresden weder die Zustimmung des Sächsischen Staatsministeriums der Finanzen – diese erfolgte am 26. Juni 1995 – noch die endgültige Stellenzuweisung durch das Sächsische Staatsministerium des Innern – diese erfolgte am 13. Juli 1995 – ab, sondern schloß am 15. Juni 1995 den befristeten Arbeitsvertrag mit der Klägerin. Jedenfalls zu diesem Zeitpunkt konnte eine zuverlässige Prognose, für die Beschäftigung der Klägerin stünden Haushaltsmittel zur Verfügung, die nur eine befristete Beschäftigung bis zum 30. Juni 1998 zulassen, nicht gestellt werden.
[20] C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.