Bundesarbeitsgericht
Arbeitsvergütung – Arbeitszeitkonto

BAG, Urteil vom 13. 3. 2002 – 5 AZR 43/01 (lexetius.com/2002,1495)

[1] 1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 19. Dezember 2000 – 6 Sa 506/99 – aufgehoben.
[2] 2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
[3] Tatbestand: Die Parteien streiten über rückständige Vergütung für geleistete Mehrarbeit und für Feiertage.
[4] Der Kläger war als Koch in der Gaststätte des Beklagten bis zum 30. November 1997 zu einem monatlichen Bruttolohn von zuletzt 3.860,00 DM beschäftigt.
[5] Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Beklagte habe in einer schriftlichen Arbeitszeitaufstellung die bis Ende 1996 geleistete Feiertagsarbeit und die angefallenen Mehrarbeitsstunden anerkannt. Für 1997 liege zwar eine entsprechende Aufstellung nicht vor, doch habe der seinerzeitige Betriebsleiter ihm anläßlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mitgeteilt, es seien noch neun Feiertage sowie Mehrarbeitszeit für 43 Tage vermerkt. Den geltend gemachten Ansprüchen stehe nicht die Ausschlußfrist des § 22 des Manteltarifvertrags für das Hotel- und Gaststättengewerbe in Bayern entgegen. Die viermonatige Ausschlußfrist beginne erst ab Fälligkeit der Ansprüche. Da der Beklagte die Feiertagsarbeit und Mehrarbeitsstunden in einem Stundenkonto fortgeschrieben habe, um ein Abfeiern des Zeitguthabens zu ermöglichen, seien die Ansprüche auf Abgeltung dieser Arbeitsstunden erst mit dem Ausscheiden aus dem Betrieb fällig geworden.
[6] Der Kläger hat – soweit für die Revision noch von Bedeutung – beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 35.545,83 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit 2. März 1998 zu zahlen.
[7] Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, der Kläger habe den erhobenen Anspruch nicht schlüssig dargetan. Die geltend gemachten Ansprüche des Klägers seien auf Grund der tarifvertraglichen Ausschlußfrist verfallen. Ein Schuldanerkenntnis liege nicht vor.
[8] Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Beklagten die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
[9] Entscheidungsgründe: Die zulässige Revision des Klägers ist begründet. Ob dem Kläger die geltend gemachten Vergütungsansprüche zustehen, kann auf Grund der getroffenen Feststellungen nicht entschieden werden. Die Sache ist daher an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen.
[10] I. Die Klage ist zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Kläger bezeichnet zwar nicht im einzelnen die Tage und Uhrzeiten, an denen er über die vereinbarte Arbeitszeit hinaus tätig geworden sei, doch ist seine Klage nicht auf die Vergütung einzelner Arbeits- und Feiertagsstunden, sondern auf den Ausgleich des auf einem Arbeitszeitkonto ermittelten Guthabens gerichtet. Hierfür brauchen die dem Guthaben zugrunde liegenden Arbeitsstunden nicht näher bezeichnet zu werden. Der Kläger hat vorgetragen, der Beklagte habe für ihn ein Arbeitszeitkonto geführt, in welchem über mehrere Jahre hinweg tatsächlich geleistete Arbeitszeit gutgeschrieben und mit Freizeitausgleich saldiert worden sei. Mit seiner Klage verlangt er damit vom Beklagten die Auszahlung des auf dem Arbeitszeitkonto beim Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis entstandenen Saldos. Diesen hat er konkret beziffert.
[11] II. Der Kläger hat seine Vergütungsansprüche schlüssig dargelegt.
[12] 1. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts mußte der Kläger nicht einzelne Tage und Tageszeiten, für die er weitere Arbeitsvergütung fordert, bezeichnen. Das Landesarbeitsgericht hat insoweit nicht genügend berücksichtigt, daß der Kläger keine Ansprüche auf Vergütung einzelner Überstunden geltend macht, sondern die Auszahlung des Zeitguthabens auf einem für ihn geführten Arbeitszeitkonto verlangt. Da dieses Zeitguthaben nur in anderer Form den Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers ausdrückt (Senat 13. Februar 2002 – 5 AZR 470/00 – zVv.), genügt für die Schlüssigkeit einer Klage, die auf Ausgleich des Guthabens auf einem Arbeitszeitkonto gerichtet ist, daß der Kläger die Vereinbarung eines Arbeitszeitkontos und das Guthaben zum vereinbarten Auszahlungszeitpunkt darlegt. Dies ist hier erfolgt. Da sich der Beklagte bislang zu dem Arbeitszeitguthaben auf dem Arbeitszeitkonto nicht substantiiert erklärt hat (§ 138 Abs. 2 ZPO), kann nicht beurteilt werden, ob die geltend gemachten Vergütungsansprüche bestehen.
[13] 2. Der Beklagte hat entgegen der Auffassung des Klägers die geltend gemachten Mehrarbeitsansprüche nicht durch ein Schuldanerkenntnis anerkannt. Die vom Kläger im ersten Rechtszug vorgelegte Aufstellung über sog. Guttage und Feiertagsarbeit bis Ende 1996 stellt kein Schuldanerkenntnis dar.
[14] a) Ein abstraktes, schuldbegründendes Schuldanerkenntnis iSv. § 781 BGB liegt nicht vor. Der Kläger hat nicht behauptet, der Beklagte habe einen vom Grundverhältnis gelösten neuen Schuldgrund schaffen wollen. Es liegt auch kein sog. deklaratorisches (kausales) Schuldanerkenntnis vor. Ein solches ist in Rechtsprechung und Schrifttum seit langem anerkannt (vgl. BAG 22. Oktober 1998 – 8 AZR 457/97 – AP BGB § 781 Nr. 5 = EzA BGB § 781 Nr. 5; 15. März 2000 – 10 AZR 101/99BAGE 94, 73; BGH 24. März 1976 – IV ZR 222/74BGHZ 66, 250). Das kausale Schuldanerkenntnis erfordert den Abschluß eines Vertrags (§ 305 BGB). Es bezweckt, das Schuldverhältnis insgesamt oder in einzelnen Punkten dem Streit oder der Ungewißheit der Parteien zu entziehen und es insoweit endgültig festzulegen (BAG 10. März 2000 aaO; BGH 24. März 1976 aaO). Ob ein Schuldanerkenntnis vorliegt, ist durch Auslegung zu ermitteln.
[15] b) In der vom Kläger vorgelegten Aufstellung kann kein Schuldanerkenntnis gesehen werden. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, der Beklagte habe mit der Übergabe der Aufstellung und der abgegebenen Erklärung über die Guttage und Feiertagsarbeit für 1996 und 1997 lediglich auf ein Auskunftsverlangen des Klägers geantwortet. Nach unbestrittenem Vortrag des Beklagten herrschte zwischen den Parteien in der Vergangenheit kein Streit über den Inhalt der Mehrarbeits- bzw. Feiertagsvergütung. Der Beklagte hatte damit keine Veranlassung, durch die Übergabe dieser Aufstellung eine bestehende Schuld zu bestätigen.
[16] 3. Ob die geltend gemachten Ansprüche nach der in § 22 des für allgemeinverbindlich erklärten MTV für das Hotel- und Gaststättengewerbe in Bayern enthaltenen viermonatigen Ausschlußfrist verfallen sind, kann auf Grund der vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen gleichfalls nicht abschließend beurteilt werden. Der Beklagte hat sich noch nicht substantiiert zu dem Vortrag des Klägers geäußert, die Ansprüche sollten erst zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig werden.
[17] 4. Bei der neuen Verhandlung wird das Landesarbeitsgericht dem Beklagten Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem vom Kläger behaupteten Arbeitszeitkonto zu geben haben. Hierbei hat sich der Beklagte im einzelnen zum Vortrag des Klägers zur Fortschreibung und Auszahlung von Zeitguthaben sowie Anrechnung von Freizeitausgleich zu erklären. Weiterhin wird die Berechnung der Klageforderung zu überprüfen sein.