Bundesarbeitsgericht
Rechtsweg – Nutzungsentgelt im Nebentätigkeitsbereich

BAG, Beschluss vom 24. 9. 2004 – 5 AZB 46/04 (lexetius.com/2004,2278)

[1] 1. Die Rechtsbeschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 16. Juli 2004 – 3 Ta 129/04 – wird zurückgewiesen.
[2] 2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.
[3] 3. Der Wert des Beschwerdegegenstands wird auf 116.010,00 Euro festgesetzt.
[4] Gründe: I. Die Parteien streiten vorab über die Zulässigkeit des Rechtswegs. In der Hauptsache geht es um eine vertraglich vorgesehene Erstattung von Kosten im Nebentätigkeitsbereich. Der Kläger verlangt für die Jahre 1993 bis 2001 weitere Zahlungen in Höhe von 348.029,92 Euro.
[5] Der Beklagte ist seit dem 1. Februar 1986 als leitender Arzt im Kreiskrankenhaus des Klägers beschäftigt. Dem Arbeitsverhältnis liegt der schriftliche Arbeitsvertrag (AV) vom 19. November 1985 zugrunde. Nach dessen § 17 Abs. 1 wird dem Beklagten die Erlaubnis erteilt, folgende Tätigkeiten, soweit sie nicht zu den Dienstaufgaben gehören, als Nebentätigkeit auszuüben: "1. ambulante Beratung und Behandlung (Sprechstundentätigkeit); 2. nichtstationäre Gutachtertätigkeit; 3. konsiliarische Beratung anderer Ärzte (Konsilium i. S. der Ziff. 10 der GOÄ 83); 4. Ausübung der Lehrtätigkeit an der Universität im Rahmen der Verpflichtungen."
[6] Ferner heißt es: "Der Krankenhausträger kann verlangen, daß die Tätigkeiten nach den Nrn. 1 bis 2 – soweit möglich – im Krankenhaus ausgeübt und mit dessen Geräten und Einrichtungen bewirkt werden."
[7] Ebenfalls am 19. November 1985 schlossen die Parteien einen "Miet- und Dienstverschaffungsvertrag" (MDV), wonach der Kläger dem Beklagten für die Nebentätigkeiten nach § 17 Abs. 1 AV Räume, Einrichtungen, Material und Personal im Rahmen der jeweiligen Möglichkeiten des Krankenhauses zur Verfügung stellt. Nach § 3 MDV hat der Beklagte dem Kläger die dem Krankenhaus durch seine Nebentätigkeit entstehenden Kosten zu erstatten. Es handelt sich "bei allen Leistungsarten (rein ärztliche Leistungen, ärztliche Sachleistungen)" um "1. die anteiligen Personalkosten des nachgeordneten ärztlichen Dienstes (Ärzte und Arztschreibkräfte), 2. die Personalkosten des ärztlichen Vertreters während des Urlaubs oder bei Arbeitsunfähigkeit, 3. die Sachkosten (Allgemeine und Besondere Kosten) i. S. des § 2 Abs. 1, § 3 Abs. 1 und § 4 der "Allgemeinen Tarifbestimmungen" (ATB) zum DKG-NT und 4. die Kosten der Verbrauchsmaterialien, die mit den Sätzen der Spalten 4 bis 6 des DKG-NT nicht abgegolten werden."
[8] Solange die Kosten nicht mit Hilfe einer wirklichkeitsnahen Schätzung oder einer Kostenstellenrechnung (§ 18 Abs. 5 BPflV) ermittelt werden, hat der Beklagte pauschal 40 % der Bruttohonorareinnahmen zu erstatten (§ 3 Abs. 2 MDV).
[9] Der Kläger hat die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen gerügt und insbesondere ausgeführt, die geltend gemachten Ansprüche auf Nutzungsentgelt stünden mit dem Arbeitsverhältnis nicht in rechtlichem oder unmittelbar wirtschaftlichem Zusammenhang. Das Nutzungsentgelt beruhe nicht auf dem Arbeitsverhältnis, sei nicht durch dieses bedingt und finde hierin auch nicht seine Grundlage. Arbeitstätigkeit und Nebentätigkeit seien klar voneinander abgeschichtet. Der Beklagte stehe in seinem Nebentätigkeitsbereich dem Kläger wie ein Dritter gegenüber, der mit dem Krankenhaus kooperiere und die zur Verfügung gestellten Leistungen bezahlen müsse. Daran ändere der gleichzeitige Abschluss der Verträge nichts. Die Einnahmen des Beklagten aus der Nebentätigkeit hätten keinen Vergütungscharakter im Verhältnis zum Kläger. Demgegenüber meint der Beklagte, der unmittelbare wirtschaftliche Zusammenhang ergebe sich schon daraus, dass durch die Regelung der Nebentätigkeit für beide Parteien eine zusätzliche Einnahmequelle geschaffen werden sollte. Eine genaue Abgrenzung der Tätigkeiten als Angestellter und selbständiger Arzt in der privaten Ambulanz sei gar nicht möglich.
[10] Das Arbeitsgericht hat den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen als unzulässig erachtet und den Rechtsstreit an das Landgericht E verwiesen. Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht den Beschluss des Arbeitsgerichts aufgehoben und den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für zulässig erklärt. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt der Kläger die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.
[11] II. Die nach § 17a Abs. 4 Satz 4 und 5 GVG iVm. § 575 ZPO zulässige Rechtsbeschwerde des Klägers ist nicht begründet. Die Gerichte für Arbeitssachen sind nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a ArbGG ausschließlich zuständig. Das hat das Landesarbeitsgericht mit im Wesentlichen zutreffender Begründung richtig erkannt. Die Rügen der Rechtsbeschwerde hiergegen greifen nicht durch.
[12] 1. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a ArbGG sind die Gerichte für Arbeitssachen ausschließlich zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern über Ansprüche, die mit dem Arbeitsverhältnis in rechtlichem oder unmittelbar wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Ein unmittelbar wirtschaftlicher Zusammenhang ist anzunehmen, wenn der Anspruch auf demselben wirtschaftlichen Verhältnis beruht oder wirtschaftliche Folge desselben Tatbestands ist. Die Ansprüche müssen innerlich eng zusammengehören, also einem einheitlichen Lebenssachverhalt entspringen (vgl. BAG 11. September 2002 – 5 AZB 3/02BAGE 102, 343, 345, zu II 2 b bb der Gründe; 23. August 2001 – 5 AZB 20/01AP ArbGG 1979 § 2 Nr. 76 = EzA ArbGG 1979 § 2 Nr. 54, zu II 2 a der Gründe). Diese Voraussetzungen liegen regelmäßig vor, wenn eine nicht aus dem Arbeitsverhältnis resultierende Leistung im Hinblick auf das Arbeitsverhältnis erbracht wird oder beansprucht werden kann. Der Zusammenhang kommt besonders deutlich dann zum Ausdruck, wenn die Leistung auch eine Bindung des Arbeitnehmers an den Betrieb bezweckt (vgl. GK-ArbGG/Wenzel § 2 Rn. 152 f.).
[13] 2. Danach ist der unmittelbar wirtschaftliche Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis im Streitfalle zu bejahen.
[14] a) Der Anspruch des Klägers resultiert aus einer im Arbeitsvertrag genehmigten Nebentätigkeit des Beklagten. Dabei handelt es sich ebenso wie bei der arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeit um die medizinische Versorgung von kranken Menschen und damit zusammenhängende Tätigkeiten. Die Durchführung der Ambulanz und die sonstigen Nebentätigkeiten ergänzen die Dienstaufgabe im Bereich der Krankenbehandlung. Das Krankenhaus erweitert damit sein medizinisches Angebot unabhängig davon, ob dem eine unselbständige oder eine freiberufliche Tätigkeit zugrunde liegt. Ein enger Zusammenhang mit der medizinischen Versorgung in der Abteilung im Sinne eines einheitlichen Lebenssachverhalts ergibt sich insbesondere daraus, dass der Beklagte ebenso wie bei seinen Dienstaufgaben in den Räumen sowie mit den Einrichtungen und mit dem Personal seines Arbeitgebers tätig wird. Aus der Sicht der Patienten handelt es sich insgesamt um eine Einheit.
[15] b) Die entsprechenden Verpflichtungen der Parteien sind in § 17 Abs. 5 und 6 AV sowie in den §§ 1, 2 MDV enthalten. Die mit den Nebentätigkeiten zusammenhängenden ärztlichen Leistungen und ärztlichen Sachleistungen sind regelmäßig ausschließlich im Krankenhaus und mit dessen Geräten und Einrichtungen zu bewirken. Die Verpflichtung zur Verfügungstellung von ärztlichem und nichtärztlichem Personal endet mit Ablauf der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall gemäß § 14 AV. Die Nebentätigkeitserlaubnis nach § 17 Abs. 1 AV kann ua. dann widerrufen oder beschränkt werden, wenn die Dienstaufgaben des Arztes oder der allgemeine Dienstbetrieb im Krankenhaus beeinträchtigt werden.
[16] c) Der Miet- und Dienstverschaffungsvertrag endet, ohne dass es einer Kündigung bedarf, wenn der Arbeitsvertrag endet (§ 4 Abs. 3 MDV). Diese Abhängigkeit verstärkt den wirtschaftlichen Zusammenhang beider Verträge. Wenn die Rechtsbeschwerde die zeitliche Parallelität einleuchtend damit rechtfertigt, Beendigungsgründe für das Arbeitsverhältnis schlügen auf das weitere Vertragsverhältnis durch, so spricht das gerade für einen einheitlichen Lebenssachverhalt und engen wirtschaftlichen Zusammenhang.
[17] d) Der Rechtsbeschwerde ist zuzugeben, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien kein ergänzungsbedürftiges Rechtsverhältnis ist. Darauf kommt es aber nicht an. Es reicht aus, dass die Parteien beide Verträge in den aufgezeigten Zusammenhang gestellt haben. Insofern erhält der Beklagte zusätzlich zu der Vergütung nach den §§ 7 ff. AV die Möglichkeit, Einkommen auf Grund von Nebentätigkeiten im Krankenhaus zu erzielen. Das geschieht auch dann im Hinblick auf das Arbeitsverhältnis der Parteien, wenn der Kläger Miet- und Dienstverschaffungsverträge im Übrigen auch mit niedergelassenen, nicht bei ihm angestellten Ärzten abschließt. Das Landesarbeitsgericht führt zu Recht aus, dass der Krankenhausträger den Arzt durch eine solche Gewährung der Gelegenheit zu Nebeneinkünften an sich bindet, sofern diese Vereinbarung nicht geradezu Voraussetzung für den Abschluss des Arbeitsvertrags war. Für beide Seiten können sich Vorteile ergeben, wenn der leitende Arzt auch die genannten Nebentätigkeiten verantwortlich durchführt.
[18] III. Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Rechtsbeschwerde zu tragen.
[19] IV. Die Festsetzung des Beschwerdewerts beruht auf § 63 Abs. 2 GKG.