Bundesgerichtshof
Dem Rechtsanwalt steht für seine Tätigkeit im Verfahren über eine von Gesetzes wegen statthafte Insolvenzrechtsbeschwerde eine Gebühr von 20/10 zu (Fortführung von BGH, Beschl. v. 30. Januar 2004 – IXa ZB 153/03, WM 2004, 494).
BGH, Beschluss vom 16. 12. 2004 – IX ZB 463/02; LG Aachen (lexetius.com/2004,3336)
[1] Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. Fischer, die Richter Raebel, Vill, Cierniak und die Richterin Lohmann am 16. Dezember 2004 beschlossen:
[2] Auf die Erinnerung des Verfahrensbevollmächtigten des Schuldners wird die seine Vergütung betreffende "Festsetzung der PKH-Kosten" der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 2. September 2004 geändert.
[3] Die dem Verfahrensbevollmächtigten des Schuldners aus der Bundeskasse zu erstattende Vergütung wird auf 496,48 € festgesetzt.
[4] Gründe: I. Der im Wege der Prozeßkostenhilfe am 16. Oktober 2003 beigeordnete Verfahrensbevollmächtigte des Schuldners hat die Erstattung einer Vergütung von insgesamt 496,48 € beantragt und dabei eine 20/10-Rechtsbeschwerdegebühr aus einem Gegenstandswert von 4.000 € geltend gemacht. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat die zu erstattende Vergütung unter Berücksichtigung einer 13/10-Gebühr gemäß § 66 i. V. m. § 11 Abs. 1 Satz 4 BRAGO auf insgesamt 330,84 € festgesetzt und den weitergehenden Vergütungsantrag zurückgewiesen.
[5] Hiergegen richtet sich die Erinnerung des Verfahrensbevollmächtigten des Schuldners. Er hält eine entsprechende Anwendung des § 11 Abs. 1 Satz 5 BRAGO für geboten und eine Gebühr von 20/10 für angemessen. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat der Erinnerung nicht abgeholfen.
[6] II. Die nach § 128 Abs. 3 BRAGO zulässige Erinnerung hat Erfolg.
[7] 1. Auf die Festsetzung der PKH-Kosten und die eingelegte Erinnerung sind die Vorschriften der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung anwendbar, weil der Verfahrensbevollmächtigte des Schuldners diesem vor dem 1. Juli 2004 beigeordnet worden ist, § 61 Abs. 1 Satz 1 RVG.
[8] 2. Im Rechtsbeschwerdeverfahren nach §§ 574 ff ZPO sind in den Fällen des § 7 InsO, § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO die Gebühren eines Rechtsanwalts nach § 2 BRAGO in sinngemäßer Anwendung von § 61a Abs. 3 i. V. m. § 11 Abs. 1 Satz 5 BRAGO festzusetzen.
[9] a) Im Beschluß vom 30. Januar 2004 (IXa ZB 153/03, WM 2004, 494) hat der IXa-Zivilsenat im einzelnen dargelegt, daß das durch das Zivilprozeßreformgesetz vom 27. Juli 2001 (BGBl I S. 1887) neu eingeführte Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde von keinem der Gebührentatbestände der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung erfaßt wird. Diese planwidrige Regelungslücke sei gemäß § 2 BRAGO für die Fälle der zugelassenen Rechtsbeschwerde in Zwangsvollstreckungssachen durch eine entsprechende Anwendung des § 66 Abs. 3 i. V. m. § 11 Abs. 1 Satz 4 BRAGO zu schließen. Danach steht dem Rechtsanwalt für die zugelassene Rechtsbeschwerde in Zwangsvollstrekkungssachen vor dem BGH, für die eine eigene Gebührenvorschrift in der BRAGO fehlt, eine 13/10-Gebühr zu. Dem hat sich der VIII. Zivilsenat für andere zugelassene Rechtsbeschwerden angeschlossen (BGH, Beschl. v. 27. April 2004 – VIII ZB 103/02, BGH Report 2004, 1130). Der Senat tritt dieser Auffassung aus den in den genannten Beschlüssen ausgeführten Gründen bei.
[10] b) In den Fällen des § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, in denen die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde im Gesetz bestimmt ist, muß dagegen entsprechend § 61a Abs. 3 BRAGO die Vorschrift des § 11 Abs. 1 Satz 5 BRAGO (Gebühr 20/10) angewendet werden.
[11] Rechtsbeschwerden nach § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO sind nur unter den Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO zulässig. Die Begründung der Rechtsbeschwerde muß in diesen Fällen gemäß § 575 Abs. 3 Nr. 2 ZPO eine Darlegung der Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO enthalten.
[12] Außerdem ist die Rechtsbeschwerde gemäß § 575 Abs. 3 Nr. 1 und 3 ZPO in ähnlicher Weise wie die Revision gemäß § 551 Abs. 3 ZPO zu begründen.
[13] Die Rechtsbeschwerde nach §§ 574 ff ZPO ist bewußt revisionsähnlich ausgestaltet worden und kann wirksam nur durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt eingelegt werden (BGH, Beschl. v. 30. Januar 2004 – IXa ZB 153/03 aaO S. 495; v. 21. März 2002 – IX ZB 18/02, NJW 2002, 2181).
[14] Für die Nichtzulassungsbeschwerde ist gemäß § 61a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3, § 11 Abs. 1 Satz 5 BRAGO eine 20/10-Gebühr anzusetzen. Dasselbe gilt für die Revision gemäß § 11 Abs. 1 Satz 5 BRAGO. Die Prozeßgebühr im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision wird allerdings auf die Prozeßgebühr angerechnet, die der Rechtsanwalt in einem nachfolgenden Revisionsverfahren erhält, § 61a Abs. 4 BRAGO.
[15] Bei einer Gesamtbetrachtung von Verfahrensgegenstand und Begründungsaufwand ist es im Falle der Rechtsbeschwerde nach § 7 InsO, § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO angemessen und geboten, sie gebührenrechtlich wie eine Nichtzulassungsbeschwerde zu behandeln und folglich § 61a, § 11 Abs. 1 Satz 5 BRAGO entsprechend anzuwenden und eine 20/10-Gebühr anzusetzen.
[16] 2. Demzufolge ist die Vergütung des Verfahrensbevollmächtigten des Schuldners nach dem Gegenstandswert von 4.000 € wie folgt festzusetzen:
[17] 20/10-Gebühr gemäß §§ 2, 31 Abs. 1 Nr. 1, 61a Abs. 3, § 11 Abs. 1 Satz 5, § 123 BRAGO 408,00 € Pauschale gemäß § 26 Satz 2 BRAGO 20,00 € 428,00 € 16 % Umsatzsteuer 68,48 € Gesamtsumme 496,48 €.