Bundesarbeitsgericht
Kosten für einheitliche Personalkleidung
Eine Einigungsstelle kann nicht regeln, wer die Kosten einer einheitlichen Personalkleidung zu tragen hat. Regelungen über die Kostentragung betreffen nicht die Ordnung des Betriebs und das Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb.

BAG, Beschluss vom 13. 2. 2007 – 1 ABR 18/06 (lexetius.com/2007,800)

[1] Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 20. September 2005 – 3 TaBV 1069/05 – wird zurückgewiesen.
[2] Gründe: A. Die Beteiligten streiten darüber, ob durch den Spruch einer Einigungsstelle die betriebliche Kleiderordnung wirksam geregelt wurde.
[3] Die Arbeitgeberin betreibt ein staatlich konzessioniertes Spielcasino. Am 30. Januar 1997 schloss sie mit dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung über eine Kleiderordnung (BV 1997). Diese schrieb für das gesamte Personal während des Dienstes das Tragen einer bestimmten, nach Funktionsgruppen differenzierten Kleidung vor. Sie enthielt außerdem Regelungen über die Gestellung der Erstausstattung und die Kostentragung. Der Betriebsrat kündigte die BV 1997 zum 31. Dezember 2004, um neue Regelungen über die Kostentragung durchzusetzen. Nachdem sich Arbeitgeberin und Betriebsrat nicht einigen konnten, kam es zu einem Verfahren vor der Einigungsstelle. Diese nahm in ihrer Sitzung vom 10./11. Dezember 2004 mit der Stimme ihres Vorsitzenden den von der Arbeitgeberin zur Abstimmung gestellten Entwurf einer neuen Kleiderordnung (BV 2004) an. Die BV 2004 enthält im Wesentlichen folgende Bestimmungen:
"1. Präambel. Die Unternehmensphilosophie der Gesellschaft, Dienstleistungen auf höchstem Niveau anzubieten, wirkt sich auf die Kleiderordnung der Mitarbeiter/-innen der Gesellschaft aus. Insbesondere gilt dies für die, die unmittelbaren Kontakt zum Gast haben.
Die Kleidung soll dezent elegant sein. Um dem entsprechenden Erscheinungsbild Rechnung zu tragen, müssen Sitz und Zustand der Kleidung stets passend und gepflegt sein.
Der Mitarbeiter und die Mitarbeiterin sollen aus Sicht des Gastes schnell und sicher als Angehörige der N Spielcasino GmbH & Co. KG erkennbar sein.
2. Berufskleidung. Für Mitarbeiter und die Mitarbeiterinnen der N Spielcasino GmbH & Co. KG gilt nach Funktionsgruppen folgende Kleiderordnung:
A2: Saalchef/Saalchefin
Anthrazitfarbener Anzug bzw. Kostüm, weißes Hemd bzw. Bluse mit Normalkragen, passende Krawatte, schwarze oder dunkelgraue Socken bzw. farblich passende Nylonstrümpfe, glatte und elegante schwarze Schuhe.
A3-A8: Tischchef, Croupier (männlich)
Mitternachtsblauer oder schwarzer Anzug (Außentasche zugenäht), weißes Hemd mit Normalkragen, W-Krawatte, schwarze Socken, glatte und elegante schwarze Schuhe.
A3-A8: Tischchefin, Croupier (weiblich)
Mitternachtsblauer oder blauer Anzug (Außentasche zugenäht), wahlweise mit gleichfarbigem Rock, weiße Bluse mit Normalkragen, W-Krawatte, farblich passende Nylonstrümpfe, glatte und elegante schwarze Schuhe.
A9: Kassierer
Mitternachtsblauer oder schwarzer Anzug, weißes Hemd, W-Krawatte, dunkle Socken, glatte und elegante Schuhe.
A9: Kassiererin
Mitternachtsblaues oder schwarzes Kostüm, wahlweise mit gleichfarbiger Hose, weiße Bluse, W-Krawatte, farblich passende Nylonstrümpfe, glatte und elegante schwarze Schuhe.
A10: Receptionist
Mitternachtsblauer oder schwarzer Anzug, weißes Hemd mit Normalkragen, W-Krawatte, schwarze oder dunkelgraue Socken, glatte und elegante schwarze Schuhe.
A10: Receptionistin
Mitternachtsblaues oder schwarzes Kostüm, wahlweise mit gleichfarbiger Hose, weiße Bluse, farblich passende Nylonstrümpfe, glatte und elegante schwarze Schuhe.
A11: Page (männlich/weiblich)
Mitternachtsblauer oder schwarzer Anzug, weißes Hemd mit Normalkragen, W-Krawatte, schwarze oder dunkelgraue Socken, glatte und elegante schwarze Schuhe.
B1: Leiter/in Automatensaal
Anthrazitfarbener Anzug bzw. Kostüm, weißes Hemd bzw. Bluse mit Normalkragen, passende Krawatte, schwarze oder dunkelgraue Socken bzw. farblich passende Nylonstrümpfe, glatte und elegante schwarze Schuhe.
B2: Mitarbeiter/innen Automatensaal
Mitternachtsblauer oder schwarzer Anzug bzw. Kostüm, wahlweise mit gleichfarbiger Hose, weißes Hemd bzw. Bluse mit Normalkragen, W-Krawatte, schwarze oder dunkelgraue Socken bzw. farblich passende Nylonstrümpfe, glatte und elegante schwarze Schuhe.
3. Erkennbarkeit der Mitarbeiter
Die Gesellschaft stellt den Mitarbeitern/-innen je eine W-Krawatte und einen Anstecker (für das Revers des Jacketts bzw. des Kostüms) mit dem W-Logo zur Verfügung sowie ein Schild mit der Funktionsgruppe entsprechend der Ziff. 2 dieser BV, welche von den Mitarbeitern/-innen im Dienst zu tragen sind. …"
[4] Anders als die BV 1997 enthält die BV 2004 keine ausdrücklichen Regelungen über die Kostentragung. Der Spruch der Einigungsstelle wurde dem Bevollmächtigten des Betriebsrats am 30. Dezember 2004 zugeleitet.
[5] Mit einem am 12. Januar 2005 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz hat der Betriebsrat den Spruch der Einigungsstelle angefochten. Er hat geltend gemacht, die Einigungsstelle habe zu Unrecht keine Regelung über die Kostentragung getroffen. Auch hierüber habe er gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG mitzubestimmen. Mangels Kostenregelung sei der Spruch unvollständig und damit unwirksam. Außerdem habe die Einigungsstelle ihr Ermessen überschritten. Jedenfalls ohne eine Kostenregelung könne den Mitarbeitern nicht das Tragen mitternachtsblauer oder schwarzer Anzüge oder Kostüme vorgeschrieben werden.
[6] Der Betriebsrat hat beantragt festzustellen, dass der Spruch der im Betrieb der Arbeitgeberin eingerichteten Einigungsstelle vom 11. Dezember 2004 mit dem Regelungsgegenstand Kleiderordnung unwirksam ist.
[7] Das Arbeitsgericht hat entsprechend dem Antrag der Arbeitgeberin den Antrag des Betriebsrats abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat dessen Beschwerde zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat seinen Antrag weiter. Die Arbeitgeberin beantragt die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde.
[8] B. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben seinen Antrag zu Recht abgewiesen. Der zutreffend als Feststellungsbegehren verfolgte (vgl. etwa BAG 22. Juli 2003 – 1 ABR 28/02BAGE 107, 78 = AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 108 = EzA BetrVG 2001 Arbeitszeit Nr. 4, zu B II 1 der Gründe mwN) und auch im Übrigen zulässige Antrag ist unbegründet. Der angefochtene Einigungsstellenspruch ist wirksam. Die Einigungsstelle besaß die erforderliche Regelungskompetenz. Ihr Spruch verstößt nicht gegen zwingendes höherrangiges Recht. Er ist weder unvollständig noch ermessensfehlerhaft.
[9] I. Der Spruch über eine Kleiderordnung lag in der Regelungskompetenz der Einigungsstelle. Diese entscheidet nach § 87 Abs. 2 Satz 1 BetrVG, wenn über eine nach § 87 Abs. 1 BetrVG mitbestimmungspflichtige Angelegenheit eine Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat nicht zustande kommt. Die Anordnung des Arbeitgebers an die Mitarbeiter, in dem von ihm betriebenen Spielcasino während ihres Dienstes eine bestimmte Kleidung zu tragen, fällt jedenfalls dann unter das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, wenn dadurch für ein einheitliches Erscheinungsbild gesorgt werden soll.
[10] 1. Nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG hat der Betriebsrat mitzubestimmen bei Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Gegenstand des Mitbestimmungsrechts ist das betriebliche Zusammenleben und Zusammenwirken der Arbeitnehmer. Dieses kann der Arbeitgeber kraft seiner Leitungsmacht durch das Aufstellen von Verhaltensregeln oder durch sonstige Maßnahmen beeinflussen und koordinieren. Zweck des Mitbestimmungsrechts ist demzufolge, die Arbeitnehmer gleichberechtigt an der Gestaltung der betrieblichen Ordnung teilhaben zu lassen. Zur Gestaltung der Ordnung des Betriebs gehört auch die Anordnung des Tragens einer einheitlichen Arbeitskleidung, die lediglich dazu dient, das äußere Erscheinungsbild des Unternehmens zu fördern (BAG 11. Juni 2002 – 1 ABR 46/01BAGE 101, 285 = AP BetrVG 1972 § 87 Ordnung des Betriebes Nr. 38 = EzA BetrVG 1972 § 87 Betriebliche Ordnung Nr. 28, zu B I der Gründe mwN). Mitbestimmungsfrei sind Anordnungen, die das sog. Arbeitsverhalten betreffen und mit denen die Arbeitspflicht unmittelbar konkretisiert und abgefordert wird. Wirkt sich eine Maßnahme zugleich auf das Ordnungs- und das Arbeitsverhalten aus, so kommt es darauf an, welcher Regelungszweck überwiegt (BAG 11. Juni 2002 – 1 ABR 46/01 – aaO, zu B I der Gründe; vgl. auch 13. Februar 2003 – 6 AZR 536/01BAGE 104, 348 = AP AVR Caritasverband § 21 Nr. 1 = EzA BGB 2002 § 618 Nr. 1, zu 2 b der Gründe).
[11] 2. Hiernach unterfällt die in der BV 2004 geregelte Kleiderordnung der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Der Spruch der Einigungsstelle bewegt sich innerhalb der ihr zustehenden Kompetenz. Das gilt sowohl für die in der BV 2004 geregelte Anweisung an die Arbeitnehmer, im Dienst eine bestimmte Kleidung zu tragen, als auch für deren Verpflichtung, die Kleidung selbst zu beschaffen. Eine – die Kompetenz der Einigungsstelle überschreitende – Regelung der Kostentragung enthält die BV 2004 nicht.
[12] a) Die in der BV 2004 vorgesehenen Regelungen über die während des Dienstes zu tragende Kleidung fallen unter § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Allerdings kann die Anordnung, bei der Arbeit eine bestimmte Kleidung zu tragen, auch zu dem nicht von § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG erfassten Arbeitsverhalten gehören. Dies gilt aber nur, wenn sie sich darauf beschränkt oder ihr Schwerpunkt darin liegt, eine Kleidung vorzuschreiben, die zur vertragsgemäßen Erfüllung der Arbeitsleistung geboten ist. Hier ging es der Arbeitgeberin jedenfalls in erster Linie nicht darum, die Arbeitnehmer zu einer von den Besuchern des Spielcasinos erwarteten, dezenten Kleidung anzuhalten. Zweck der Kleiderordnung ist vielmehr vor allem die Gewährleistung eines einheitlichen Erscheinungsbildes des im Spielcasino beschäftigten Personals. Dementsprechend heißt es in der Präambel der BV 2004, der Mitarbeiter und die Mitarbeiterin sollten aus Sicht des Gastes schnell und sicher als Angehörige der N Spielcasino GmbH & Co. KG erkennbar sein. Auch die Ausgestaltung der Kleiderordnung dient ersichtlich der Herstellung eines einheitlichen Erscheinungsbildes. Art und Farbe der Bekleidung sind recht genau bestimmt. Die Farbe des Anzugs oder des Kostüms (mitternachtsblau oder schwarz), des Hemdes (weiß), der Socken (schwarz bzw. dunkel) sowie der Schuhe (schwarz) sind festgelegt. Schließlich sorgen die nach Nr. 3 der BV 2004 zu tragende W-Krawatte, der Anstecker am Revers und das Schild mit der Funktionsgruppe für "Uniformität".
[13] b) Die BV 2004 regelt ferner, dass die Arbeitnehmer die im Dienst zu tragende Kleidung selbst zu beschaffen haben. Auch diese Regelung bewegt sich innerhalb der Kompetenz, die der Einigungsstelle durch § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG eröffnet ist.
[14] aa) Die Auslegung des Spruchs der Einigungsstelle ergibt, dass die Arbeitnehmer die vorgeschriebene Kleidung weitgehend selbst beschaffen müssen. Die BV 2004 regelt dies zwar nicht ausdrücklich. Aus ihrem Gesamtzusammenhang und ihrem Sinn und Zweck folgt jedoch, dass die entsprechende Beschaffungspflicht den Arbeitnehmern auferlegt worden ist. Das Tragen der Kleidung im Dienst setzt notwendig voraus, dass entweder die Arbeitnehmer sich diese zuvor beschaffen oder die Arbeitgeberin sie zur Verfügung stellt. Eine Gestellung der Kleidung durch die Arbeitgeberin ist in der BV 2004 nicht vorgesehen. Das folgt im Umkehrschluss bereits aus Nr. 3 BV 2004. Danach stellt die Arbeitgeberin den Mitarbeitern die W-Krawatte, einen Anstecker mit dem W-Logo sowie ein Schild mit der Funktionsgruppe zur Verfügung. Diese Gestellungspflicht erstreckt sich ersichtlich nicht auf die in Nr. 2 BV 2004 beschriebene Kleidung. Gegen eine Verpflichtung der Arbeitgeberin, die betreffenden Kleidungsstücke zu beschaffen, spricht ferner, dass diese den individuellen Maßen der Arbeitnehmer angepasst sein müssen und in der BV 2004 weder Material noch Schnitt noch Hersteller festgelegt sind. Deren Festlegung und Auswahl sollen erkennbar die Arbeitnehmer vornehmen können. Das hat zugleich zur Folge, dass sie die Kleidung beschaffen dürfen und müssen. In diesem Sinne verstehen auch beide Beteiligten den Spruch der Einigungsstelle. Über die Frage, wer letztlich die Kosten zu tragen hat, ist damit nichts gesagt.
[15] bb) Die Festlegung der Beschaffungspflicht ist von der aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG folgenden Regelungskompetenz der Betriebsparteien und der Einigungsstelle gedeckt. Ohne entsprechende Regelungen ließe sich eine Kleiderordnung nicht sinnvoll umsetzen. Die Frage, wer für die Beschaffung der Kleidung und etwaiger weiterer Accessoires zu sorgen hat, muss zum Zeitpunkt des Inkrafttretens einer Kleiderordnung geregelt sein. Streitigkeiten über die Beschaffungspflicht würden die Durchführung der Kleiderordnung erheblich erschweren oder gar unmöglich machen. Müsste zunächst individualrechtlich geklärt werden, wer Kleider, Schuhe, Krawatten, Anstecker, Namensschilder etc. zu besorgen hat, wäre am Tage des Inkrafttretens einer Kleiderordnung das mit ihr verfolgte Ziel eines einheitlichen Erscheinungsbildes des gesamten Personals nicht zu verwirklichen. Jedenfalls wegen dieses notwendigen und engen Zusammenhangs gehören Regelungen darüber, wer die in einer Kleiderordnung vorgeschriebene Kleidung zu beschaffen hat, noch zu den von § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG erfassten Gegenständen.
[16] c) Die Einigungsstelle hat ihre Kompetenz nicht durch eine Regelung über die Kostentragung überschritten. Zu einer Kostentragungsregelung wäre sie nicht befugt gewesen. Sie hat eine solche aber auch nicht getroffen.
[17] aa) Die durch § 87 Abs. 2 Satz 1 BetrVG iVm. § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG vorgegebene Regelungskompetenz einer Einigungsstelle erstreckt sich nicht auf Regelungen darüber, wer die durch eine Kleiderordnung entstehenden Kosten zu tragen hat.
[18] Die Frage der Kostentragung und Kostenverteilung betrifft nach der Rechtsprechung des Senats weder die Ordnung im Betrieb noch das (Ordnungs-) Verhalten der Arbeitnehmer (1. Dezember 1992 – 1 AZR 260/92BAGE 72, 40 = AP BetrVG 1972 § 87 Ordnung des Betriebes Nr. 20 = EzA BetrVG 1972 § 87 Betriebliche Ordnung Nr. 20, zu II 2 a der Gründe). Durch sie wird das betriebliche Zusammenleben und Zusammenwirken der Arbeitnehmer weder unmittelbar noch mittelbar geregelt. Es besteht insoweit auch keine sog. Annexkompetenz (1. Dezember 1992 – 1 AZR 260/92 – aaO, zu II 1 b der Gründe). Dabei kann dahinstehen, ob überhaupt und ggf. in welchen Fallgestaltungen bei den Mitbestimmungstatbeständen des § 87 Abs. 1 BetrVG eine über die unmittelbare Regelungskompetenz hinausgehende Annexkompetenz besteht. Eine solche kommt allenfalls in Betracht, wenn die zu regelnde mitbestimmte Angelegenheit ohne die ergänzende Regelung nicht sinnvoll ausgestaltet werden kann (vgl. dazu auch BAG 8. März 1977 – 1 ABR 33/75BAGE 29, 40 = AP BetrVG 1972 § 87 Auszahlung Nr. 1 = EzA BetrVG 1972 § 87 Lohn und Arbeitsentgelt Nr. 6, zu II 2 der Gründe). An einem derart engen Zusammenhang fehlt es im Verhältnis zwischen einer Kleiderordnung und einer Regelung über die dadurch entstehenden Kosten. Allerdings muss eine Einigungsstelle bei ihrer Ermessensentscheidung über eine Kleiderordnung auch die Kosten im Auge behalten, die auf diese Weise den Arbeitnehmern, dem Arbeitgeber oder möglicherweise beiden entstehen, und damit verbundene unangemessene Kostenbelastungen vermeiden. Gleichwohl setzt die Einführung einer bestimmten Kleiderordnung nicht notwendig eine von den Betriebsparteien zu treffende Regelung über die Kostentragung voraus. Eine Kleiderordnung kann auch dann sinnvoll eingeführt und umgesetzt werden, wenn die Betriebsparteien keine Regelung über die Kostentragung treffen.
[19] Die Frage, wer in welchem Umfang welche durch die Kleiderordnung entstehenden Kosten zu tragen hat, ist eine (Rechts-) Frage, die nach den maßgeblichen einzelvertraglichen, tarifvertraglichen, gesetzlichen oder ggf. in einer freiwilligen Betriebsvereinbarung enthaltenen Bestimmungen zu beantworten ist (vgl. dazu BAG 19. Mai 1998 – 9 AZR 307/96BAGE 89, 26 = AP BGB § 670 Nr. 31 = EzA BGB § 670 Nr. 28, zu I 2 der Gründe; vgl. auch 13. Februar 2003 – 6 AZR 536/01BAGE 104, 348 = AP AVR Caritasverband § 21 Nr. 1 = EzA BGB 2002 § 618 Nr. 1, zu 2 c der Gründe). Dabei kann die Ausgestaltung der Kleiderordnung Auswirkungen auch auf die Kostentragungspflicht haben. So kann die Anwendbarkeit tariflicher oder vergleichbarer Erstattungsregelungen davon abhängen, welche Regelungen Betriebsparteien oder Einigungsstelle über die zu tragende Kleidung getroffen haben (vgl. zu § 21 Abs. 2 AVR-Caritas 13. Februar 2003 – 6 AZR 536/01 – aaO, zu 2 a, b der Gründe). Auch ist es nicht ausgeschlossen, dass ein Aufwendungsersatzanspruch des Arbeitnehmers nach § 670 BGB dadurch entsteht, dass eine Kleiderordnung für ihn zu Aufwendungen führt, die höher sind als diejenigen, die er zur ordnungsgemäßen Erbringung seiner arbeitsvertraglich versprochenen Dienste ohnehin hätte (vgl. BAG 19. Mai 1998 – 9 AZR 307/96 – aaO, zu I 2 b der Gründe). Schließlich ist es den Betriebsparteien nicht verwehrt, in einer freiwilligen Betriebsvereinbarung nach § 88 BetrVG unter Beachtung der ihnen hierbei gesetzten Binnenschranken (vgl. dazu BAG 12. Dezember 2006 – 1 AZR 96/06 –, zur Veröffentlichung vorgesehen [zVv.], zu A I 2 c bb (2) der Gründe) einvernehmlich auch Regelungen über die Tragung der Kosten einer einheitlichen Personalkleidung zu treffen.
[20] bb) Die Einigungsstelle hat im Streitfall keine Regelung zur Kostentragung getroffen. Die BV 2004 verhält sich an keiner Stelle ausdrücklich zu der Frage, wer die durch die Kleiderordnung entstehenden Kosten zu tragen hat. Sie regelt weder eine Kostentragung der Arbeitnehmer noch eine solche des Arbeitgebers. Auch die Regelungen darüber, wer die nach Nr. 2 BV 2004 zu tragende Kleidung und die nach Nr. 3 BV 2004 zur Verfügung zu stellenden Gegenstände zu beschaffen hat, bedeuten nicht notwendig, dass die zur Beschaffung Verpflichteten endgültig die Kosten zu tragen hätten. Zwar folgt aus der Beschaffungspflicht regelmäßig die Notwendigkeit, mit den Kosten zunächst in Vorlage zu treten. Dadurch wird die Regelung über die Beschaffungspflicht aber noch nicht zu einer solchen über die endgültige Kostentragung. Ein anderes Verständnis des Spruchs der Einigungsstelle widerspräche dem Grundsatz der möglichst gesetzeskonformen Auslegung von Betriebsvereinbarungen (vgl. dazu BAG 12. November 2002 – 1 AZR 632/01BAGE 103, 312 = AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 155 = EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 2, zu A II 2 der Gründe; 1. Juli 2003 – 1 ABR 22/02BAGE 107, 9 = AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 103 = EzA BetrVG 2001 § 87 Arbeitszeit Nr. 2, zu B II 2 a der Gründe).
[21] II. Der Spruch der Einigungsstelle verstößt weder ganz noch teilweise gegen § 75 BetrVG.
[22] 1. Die Einigungsstelle ist – ebenso wie die Betriebsparteien – gemäß § 75 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BetrVG zur Wahrung der grundrechtlich gewährleisteten Freiheitsrechte verpflichtet. Sie hat damit auch die durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Handlungsfreiheit zu beachten. Zwar wird diese, soweit sie über den Kernbereich der Persönlichkeit hinausgeht, ihrerseits durch die verfassungsmäßige Ordnung beschränkt, zu der auch die von den Betriebsparteien im Rahmen ihrer Regelungskompetenz geschlossenen Betriebsvereinbarungen gehören. Zugleich sind jedoch die einzelnen Grundrechtsträger vor unverhältnismäßigen Grundrechtsbeschränkungen durch privatautonome Regelungen zu schützen. Das zulässige Ausmaß einer Beschränkung der allgemeinen Handlungsfreiheit bestimmt sich nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die getroffene Regelung muss geeignet, erforderlich und unter Berücksichtigung der gewährleisteten Freiheitsrechte angemessen sein, um den erstrebten Zweck zu erreichen. Geeignet ist die Regelung dann, wenn mit ihrer Hilfe der erstrebte Erfolg gefördert werden kann. Erforderlich ist sie, wenn kein anderes, gleich wirksames, aber die Handlungsfreiheit weniger einschränkendes Mittel zur Verfügung steht. Angemessen ist sie, wenn sie verhältnismäßig im engeren Sinn erscheint. Es bedarf hier einer Gesamtabwägung zwischen der Intensität des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe; die Grenze der Zumutbarkeit darf nicht überschritten werden (vgl. BAG 29. Juni 2004 – 1 ABR 21/03BAGE 111, 173 = AP BetrVG 1972 § 87 Überwachung Nr. 41 = EzA BGB 2002 § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 2, zu B I 2 der Gründe; 12. Dezember 2006 – 1 AZR 96/06 – zVv., zu A I 2 c bb (2) der Gründe mwN).
[23] 2. Der angefochtene Einigungsstellenspruch hält dieser Prüfung stand. Allerdings wird sowohl durch das Gebot, während des Dienstes eine bestimmte Kleidung zu tragen, als auch durch die Verpflichtung, sich diese Kleidung zu beschaffen, in die allgemeine Handlungsfreiheit der Arbeitnehmer eingegriffen. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist jedoch nicht verletzt.
[24] a) Die Kleiderordnung greift zum einen in die Freiheit der Arbeitnehmer ein, sich während der Arbeit so zu kleiden, wie es den persönlichen Wünschen und Bedürfnissen entspricht.
[25] aa) Diese Einschränkung der persönlichen Handlungsfreiheit ist zur Erreichung des mit der BV 2004 verfolgten Zwecks geeignet. Die BV 2004 dient in erster Linie der Gewährleistung eines einheitlichen Erscheinungsbildes sowie der Möglichkeit einer raschen Identifizierung des im Spielcasino beschäftigten Personals. Dieser Zweck wird gefördert, wenn die Beschäftigten eine nach Art und Farbe weitgehend einheitliche Kleidung tragen.
[26] bb) Die Kleiderordnung ist zur Erreichung des mit ihr verfolgten Ziels erforderlich. Ein die Handlungsfreiheit der Arbeitnehmer weniger einschränkendes Mittel steht nicht zur Verfügung. Erst durch die Vorgabe von Art und Farbe der Kleidung lässt sich ein einheitliches Erscheinungsbild erreichen. Die ausschließliche Anordnung, bestimmte Krawatten, Anstecker und Schilder zu tragen, wäre hierfür nicht in gleicher Weise ausreichend.
[27] cc) Die Beschränkung der freien Entscheidung, bei der Arbeit die Kleidung der persönlichen Wahl zu tragen, ist verhältnismäßig im engeren Sinn. Das betriebliche Interesse der Arbeitgeberin an einem einheitlichen Erscheinungsbild der im Spielcasino beschäftigten Angestellten überwiegt deren mögliches individuelles Interesse, während des Dienstes eine andere, persönlich gewünschte Kleidung zu tragen. Für ein Spielcasino mit gehobenen Ansprüchen ist das Erscheinungsbild des Personals von wesentlicher Bedeutung. Die Gäste eines solchen Spielcasinos erwarten auch heute noch ein in der äußeren Erscheinung gepflegt, elegant und dezent auftretendes Personal sowie dessen rasche Unterscheidbarkeit von den Casinobesuchern. Auch muss den in einem Spielcasino Beschäftigten, die mit Gästen Kontakt haben, bereits bei Eingehung des Arbeitsverhältnisses klar sein, dass gehobene Ansprüche an ihr äußeres Erscheinungsbild gestellt werden und damit auch die Verpflichtung verbunden sein kann, während des Dienstes eine angemessene einheitliche Kleidung zu tragen. Die Anordnung, im Spielcasino einen mitternachtsblauen oder schwarzen Anzug oder ein entsprechendes Kostüm, weiße Hemden und schwarze Schuhe zu tragen, hält sich im Rahmen dieser freiwillig von den Beschäftigten eingegangenen Verpflichtung. Das Gebot der Verhältnismäßigkeit ist entgegen der Auffassung des Betriebsrats auch nicht dadurch verletzt, dass den ua. für die Tischreinigung zuständigen Pagen und den im Automatensaal mit Service- und Technikerleistungen befassten Mitarbeitern ebenfalls das Tragen eines Anzugs vorgeschrieben wird. Auch diese Mitarbeiter halten sich in den Räumlichkeiten auf, in denen sie ständig mit den Gästen in Kontakt kommen.
[28] b) Die BV 2004 greift zudem insoweit in die Handlungsfreiheit der Arbeitnehmer ein, als diese verpflichtet werden, sich die in der Betriebsvereinbarung vorgeschriebene Kleidung selbst zu beschaffen. Auch dieser Eingriff hält einer Verhältnismäßigkeitsprüfung stand.
[29] aa) Die Regelung, wonach die Arbeitnehmer sich die vorgeschriebene Kleidung selbst zu beschaffen haben, ist mittelbar geeignet, den bezweckten Erfolg der Herbeiführung eines einheitlichen Erscheinungsbildes des Casinopersonals zu fördern.
[30] bb) Die Regelung ist auch erforderlich. Zwar belastet sie verglichen mit einer Beschaffung der Kleidung durch die Arbeitgeberin den einzelnen Arbeitnehmer insofern stärker, als mit ihr ein gewisser zeitlicher Aufwand und die Notwendigkeit verbunden ist, finanziell in Vorlage zu treten. Gleichwohl handelt es sich bei der gebotenen Gesamtbetrachtung gegenüber einer Beschaffung der Kleidung durch die Arbeitgeberin um die für die Arbeitnehmer mildere Maßnahme. Den Arbeitnehmern wird dadurch die Möglichkeit eröffnet, die ihren individuellen Vorstellungen am meisten zusagende Oberbekleidung auszuwählen und insbesondere Hersteller, Schnitt, Material, Verkaufsgeschäft – und damit in maßgeblichem Umfang auch den Preis – selbst zu bestimmen. Zugleich haben sie die Möglichkeit, sich Kleidungsstücke zu besorgen, die sie auch zur außerdienstlichen Nutzung für geeignet halten. Die mit der Selbstbeschaffung verbundene Notwendigkeit, zumindest zunächst finanziell in Vorlage zu treten, stellt keine schwerwiegende Belastung der Arbeitnehmer dar. Ergibt sich aus den maßgeblichen gesetzlichen oder arbeits- und tarifvertraglichen Regelungen, dass der Arbeitnehmer die Kosten zu tragen hat, belastet ihn die Pflicht zur sofortigen Finanzierung ohnehin nicht zusätzlich. Hat die Arbeitgeberin letztlich die Kosten zu tragen, erschöpft sich die Belastung der Arbeitnehmer in der Vorfinanzierung.
[31] cc) Die Verpflichtung zur Selbstbeschaffung ist unter Berücksichtigung des Regelungsziels verhältnismäßig im engeren Sinn. Sie entspricht den wohlverstandenen Interessen der Arbeitnehmer. Insbesondere belässt sie diesen – anders als eine vom Arbeitgeber gestellte Uniform – wesentliche Gestaltungsmöglichkeiten bei der Auswahl der konkreten, während des Dienstes zu tragenden Kleidungsstücke.
[32] III. Der Einigungsstellenspruch ist nicht etwa deshalb unwirksam, weil er unvollständig wäre. Insbesondere war die Einigungsstelle entgegen der Auffassung des Betriebsrats nicht verpflichtet, eine Regelung über die Kostentragung zu treffen. Wie ausgeführt liegt eine solche nicht in ihrer Kompetenz.
[33] IV. Die Einigungsstelle hat das ihr zustehende Ermessen iSv. § 76 Abs. 5 Satz 4 BetrVG nicht überschritten. Der Überprüfung durch die Gerichte für Arbeitssachen unterliegt allein das Ergebnis der Tätigkeit der Einigungsstelle. Zu beurteilen ist nur ihr Spruch. Dagegen kommt es nicht darauf an, welche Überlegungen sie bei der Entscheidungsfindung angestellt hat und ob diese bekanntgegeben oder sonst erkennbar geworden sind (vgl. etwa BAG 24. August 2004 – 1 ABR 23/03BAGE 111, 335 = AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 174 = EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 12, zu B III 2 b der Gründe). Vorliegend ist nicht ersichtlich, wodurch die Einigungsstelle ihr Ermessen überschritten haben soll. Ihre Regelungen lassen nicht erkennen, dass anzuerkennende Interessen der Arbeitnehmer oder der Arbeitgeberin unberücksichtigt geblieben wären. Insbesondere hat sie durch die BV 2004 keine Kleiderordnung vorgeschrieben, die mit einer unangemessenen Kostenbelastung – sei es für die Arbeitnehmer, sei es für die Arbeitgeberin – verbunden ist.