Bundesarbeitsgericht
Elektronisches Leserecht der Dateien und E-Mail-Korrespondenz des Betriebsrats
Jedes Mitglied des Betriebsrats verfügt nach § 34 Abs. 3 BetrVG über ein unabdingbares Recht, auf Datenträgern gespeicherte Dateien und E-Mails des Betriebsrats auf elektronischem Wege zu lesen.
BAG, Beschluss vom 12. 8. 2009 – 7 ABR 15/08 (lexetius.com/2009,2990)
[1] Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 17. Dezember 2007 – 12 TaBV 86/07 – wird mit der klarstellenden Maßgabe zurückgewiesen, dass der Betriebsrat verpflichtet wird, den Beteiligten zu 1. bis 4. die Möglichkeit zu geben, jederzeit auf elektronischem Weg die unter "\\ Stnt01\ g_br" abgespeicherten Daten sowie in die unter seinem E-Mail-Konto (E-Mail-Adresse) eingehenden und ausgehenden E-Mails Einsicht nehmen zu können.
[2] Gründe: A. Die Beteiligten streiten über das Recht einzelner Betriebsratsmitglieder, jederzeit auf elektronischem Wege die Dateien des Betriebsrats lesen zu können.
[3] Die Antragsteller und Beteiligten zu 1. bis 4. sind Mitglieder des zu 5. beteiligten Betriebsrats, der für das Werk S der zu 6. beteiligten Arbeitgeberin gewählt worden ist und aus 17 Mitgliedern besteht. Die Antragsteller wurden durch die Liste "Belegschaftsallianz" in den Betriebsrat gewählt. Die weiteren Betriebsratsmitglieder gehören der Liste der IG BCE an. Der Antragsteller zu 1. ist eines von vier freigestellten Mitgliedern des Betriebsrats.
[4] Die Arbeitgeberin stellt dem Betriebsrat in ihrem EDV-System einen geschützten Datenbereich unter dem Pfad\\ Stnt01\ g_br zur Verfügung. Dort legte der Betriebsrat durch seine Sekretärin mehrere Ordner ("Folder") und Unterordner an, in denen er die mit seiner Tätigkeit im Zusammenhang stehenden Daten abspeichert. Die Ordner enthalten ua. Arbeitsdateien der Betriebsratssekretärin und das E-Mail-Konto des Betriebsrats.
[5] Am 19. September 2006 fasste der Betriebsrat unter dem Tagesordnungspunkt "Beschlussfassung über die Zugriffsrechte aller Betriebsräte auf den BR-Folder" einstimmig folgenden Beschluss:
"1) Alle ordentlichen Ausschussmitglieder haben für den, ihren Ausschuss betreffenden Folder, Lese- und Schreibrechte.
2) Alle Ersatzmitglieder des jeweiligen Ausschusses haben Leserechte auf den entsprechenden Folder."
[6] Ausdrucke der gespeicherten Dokumente werden in Akten abgelegt und sind dort für alle Betriebsratsmitglieder im Büro der Betriebsratssekretärin einzusehen. Über einen unbeschränkten Zugriff zu allen Ordnern im Datenbereich\\ Stnt01\ g_br verfügen nur der Vorsitzende, dessen Stellvertreter sowie die Systemadministratorin.
[7] Die Antragsteller haben die Ansicht vertreten, sie müssten jederzeit in die Datenbestände des Betriebsrats Einsicht nehmen können.
[8] Sie haben – soweit in der Rechtsbeschwerdeinstanz noch von Bedeutung – beantragt,
1. den Beteiligten zu 5. zu verpflichten, ihnen die Möglichkeit zu geben, jederzeit auf elektronischem Wege in die unter\\ Stnt01\ g_br und dem E-Mail-Account des Beteiligten zu 5. (Betr@D. com) elektronisch abgespeicherten Daten des Beteiligten zu 5. Einsicht nehmen zu können;
2. hilfsweise, den Beteiligten zu 5. zu verpflichten, ihnen die Möglichkeit zu geben, auf elektronischem Wege in die unter\\ Stnt01\ g_br und dem E-Mail-Account des Beteiligten zu 5. (Betr@D. com) elektronisch abgespeicherten Daten des Beteiligten zu 5., soweit es sich nicht um Dokumente und Daten handelt, die sich im Entwurfsstadium befinden und von den jeweiligen Autoren als Betriebsratsunterlagen noch nicht freigegeben worden sind, Einsicht nehmen zu können.
[9] Der Betriebsrat hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, bei den elektronisch gespeicherten Daten handele es sich nicht um Unterlagen, die vom Einsichtsrecht der Betriebsratsmitglieder umfasst seien. Aus datenschutzrechtlichen Gründen sei die Einräumung allgemeiner Zugriffsrechte für alle Betriebsratsmitglieder nicht zulässig. Das Einsichtsrecht werde dadurch gewährleistet, dass die im Büro der Sekretärin des Betriebsrats verwahrten Ausdrucke eingesehen werden könnten.
[10] Das Arbeitsgericht hat unter Zurückweisung im Übrigen dem Antrag teilweise stattgegeben und abweichend von der Antragsfassung wie folgt tenoriert: "Der Beteiligte zu 5. wird verpflichtet, den Beteiligten zu 1. bis 4. die Möglichkeit zu geben, jederzeit auf elektronischem Weg in die unter '\\ Stnt01\ g\ br' und 'betriebsrat@d. com' elektronisch abgespeicherten Dokumente und Daten des Beteiligten zu 5. Einsicht nehmen zu können". Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde des Betriebsrats zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt der Betriebsrat die vollständige Zurückweisung des Antrags.
[11] B. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist unbegründet und war nach einer Auslegung des Hauptantrags mit klarstellendem Tenor zurückzuweisen. Zu Recht sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, dass auch auf Datenträgern gespeicherte elektronische Dateien Unterlagen iSd. § 34 Abs. 3 BetrVG sind und dass die Mitglieder des Betriebsrats deshalb das Recht haben, jederzeit die Unterlagen einzusehen. Das Einsichtsrecht umfasst die Möglichkeit zur Einsichtnahme auf elektronischem Weg. Es kann nicht – auch nicht durch Beschluss des Betriebsrats – unter Berufung auf die Notwendigkeit des Datenschutzes ganz oder teilweise ausgeschlossen oder beschränkt werden.
[12] I. Der Hauptantrag ist zulässig, er ist insbesondere hinreichend bestimmt. Er bedarf jedoch der Auslegung.
[13] 1. Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss ein Antrag auch im Beschlussverfahren so bestimmt sein, dass die eigentliche Streitfrage mit Rechtskraftwirkung zwischen den Beteiligten entschieden werden kann. Im Falle einer dem Antrag stattgebenden Entscheidung muss für den in Anspruch genommenen Beteiligten eindeutig erkennbar sein, was von ihm verlangt wird. Dazu ist es ausreichend, wenn der Antrag in einer dem Bestimmtheitserfordernis genügenden Weise ausgelegt werden kann. Das Gericht ist daher gehalten, eine entsprechende Auslegung des Antrags vorzunehmen, wenn hierdurch eine vom Antragsteller erkennbar erstrebte Sachentscheidung ermöglicht wird. Die Prüfung, welche Maßnahmen der Schuldner vorzunehmen oder zu unterlassen hat, darf dadurch grundsätzlich nicht in das Vollstreckungsverfahren verlagert werden (BAG 10. März 2009 – 1 ABR 87/07 – Rn. 11; 18. März 2008 – 1 ABR 3/07 – Rn. 23, AP BetrVG 1972 § 3 Nr. 6 = EzA BetrVG 2001 § 3 Nr. 2; 3. Juni 2003 – 1 ABR 19/02 – zu B I 1 der Gründe, BAGE 106, 188 = AP BetrVG 1972 § 89 Nr. 1 = EzA BetrVG 2001 § 89 Nr. 1).
[14] 2. a) Wie die Antragsbegründung der Antragsteller zeigt, verfolgen sie mit ihrem Antrag zunächst das Ziel, den Betriebsrat zu verpflichten, ihnen die jederzeitige Einsichtsmöglichkeit auf elektronischem Weg in die unter "\\ Stnt01\ g_br" abgespeicherten Daten zu eröffnen und die Einsichtnahme in die eingehenden und ausgehenden E-Mails des Betriebsrats zu ermöglichen. Es geht den Antragstellern um eine vollständige Einsicht in sämtliche Datenbestände des Betriebsrats "auf elektronischen Weg". So verstanden genügt der zu 1. gestellte Leistungsantrag den Anforderungen an das Bestimmtheitserfordernis. Die vom Arbeitsgericht im Tenor der angefochtenen Entscheidung getroffene Unterscheidung zwischen "elektronisch abgespeicherten Dokumenten und Daten" ist für die Bestimmung des Streitgegenstandes nicht erforderlich. Nicht notwendig ist es ferner, dass die Betriebsratsmitglieder im Antrag näher bestimmen, wie dieser elektronische Weg auszusehen hat und welche technischen Maßnahmen der Betriebsrat vornehmen soll. Die Ausgestaltung der Art und Weise der Einsichtsmöglichkeit hat der Betriebsrat unter Beachtung der Datenschutzbestimmungen und des technisch Möglichen vorzunehmen. Ob die notwendigen technischen Vorkehrungen getroffen wurden, um die Einsichtnahme aller Betriebsratsmitglieder zu ermöglichen, ist ggf. im Vollstreckungsverfahren zu prüfen.
[15] b) Soweit die Antragsteller die Einsichtnahme in die eingehenden und ausgehenden E-Mails des Betriebsrats beantragt haben, hat der Senat den Antrag einschränkend ausgelegt. Es geht den Antragstellern um die jederzeitige uneingeschränkte Einsichtnahme in die Nachrichten nebst Anlagen, die der Betriebsrat mittels E-Mail empfängt und versendet, nicht um die Einsicht in die Daten, die unter einer bestimmten (jederzeit abänderbaren) E-Mail-Adresse gesammelt sind. Eine bestimmte E-Mail-Adresse des Betriebsrats muss daher im Antrag nicht benannt werden. Außerdem besteht insoweit über den Streitgegenstand zwischen den Beteiligten keine Unklarheit. Deshalb haben die Beteiligten wohl auch nicht gerügt, dass im Tenor des Arbeitsgerichts (betriebsrat@d. com) und im Antrag (Betr@d. com) unterschiedliche E-Mail-Adressen genannt worden sind.
[16] II. Der Hauptantrag ist begründet. Der Betriebsrat ist gemäß § 34 Abs. 3 BetrVG verpflichtet, den Antragstellern zu 1. bis 4. die Möglichkeit einzuräumen, jederzeit auf elektronischem Weg in die unter "\\ Stnt01\ g_br" elektronisch gespeicherten Daten und in die eingehenden und ausgehenden E-Mails des Betriebsrats Einsicht zu nehmen.
[17] 1. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die unter "\\ Stnt01\ g_br" und im E-Mail-Account des Betriebsrats abgespeicherten Dateien Unterlagen im Sinne des § 34 Abs. 3 BetrVG darstellen. Zu den Unterlagen des Betriebsrats gehören nach dem Wortlaut und dem Zweck des Gesetzes nicht nur die Sitzungsniederschriften, sondern sämtliche Aufzeichnungen und Materialien, die der Betriebsrat oder ein Ausschuss angefertigt hat und die ständig zur Verfügung stehen. Das gilt unabhängig davon, ob diese Aufzeichnungen in Papierform verkörpert oder in Dateiform elektronisch auf Datenträgern gespeichert sind. Es ist nicht ersichtlich, dass das BetrVG dem Begriff der Unterlagen in § 34 Abs. 3 einen anderen Bedeutungsgehalt zumisst als in § 80 Abs. 2 Satz 2. Für diese Vorschrift ist anerkannt, dass sich dass Auskunftsrecht des Betriebsrats auch auf Informationen bezieht, die der Arbeitgeber auf Datenträgern abgespeichert hat (BAG 17. März 1983 – 6 ABR 33/80 – zu II 2 der Gründe, BAGE 42, 113 = AP BetrVG 1972 § 80 Nr. 18 = EzA BetrVG 1972 § 80 Nr. 24). Zu den Unterlagen zählt insbesondere auch das E-Mail-Konto des Betriebsrats, unter dem er seine Korrespondenz führt.
[18] 2. Das Recht, die elektronisch gespeicherten Unterlagen des Betriebsrats einzusehen, umfasst das Leserecht auf elektronischem Weg. Das ergibt die Auslegung des Gesetzes.
[19] a) § 34 Abs. 3 BetrVG sieht vor, dass die Einsichtnahme "jederzeit" erfolgen kann. Das ist nicht gewährleistet, wenn Betriebsratsmitglieder auf ausgedruckte und abgeheftete Dateien verwiesen werden, die bereits zuvor in elektronischer Form vorliegen und auf elektronischem Weg eingesehen werden können, ihnen der Zugriff zu dieser Zeit aber nicht ermöglicht wird. Ein Ausdrucken der Dateien und Abheften in Ordnern stellt einen mit dem Wortlaut des Gesetzes nicht zu vereinbarenden Zwischenschritt dar, der technisch nicht erforderlich ist. Ein jederzeitiges elektronisches Einsichtsrecht kann sämtlichen Mitgliedern ohne großen Aufwand gewährt werden. Im Gegensatz zu einer Kommunikation in Papierform müssen eingehende Poststücke nicht erst geöffnet, in einem Eingangsfach gesammelt oder nach einem System abgelegt werden, damit sie dort eingesehen werden können. Sie können vielmehr auf elektronischem Weg sofort zur Verfügung gestellt werden. Den Betriebsratsmitgliedern muss lediglich der Zugang zu dem Server des Betriebsrats gewährt werden, zB in gleicher Weise wie dies für den Vorsitzenden des Betriebsrats, dessen Stellvertreter oder die Systemadministratorin geschehen ist.
[20] b) Die durch das Erstellen von Ausdrucken unvermeidbaren Verzögerungen der Einsichtnahmemöglichkeit, die ua. von den Anwesenheitszeiten der Sekretärin, von der Büroorganisation und dem täglichen Arbeitsanfall abhängen, sind nicht mit dem Sinn und Zweck des Gesetzes in Einklang zu bringen. § 34 Abs. 3 BetrVG soll sicherstellen, dass sich jedes Betriebsratsmitglied ohne zeitliche Verzögerung über die Vorgänge im Betriebsrat informieren kann (vgl. BT-Drucks. VI/2729 S. 23). Durch den damit zum Ausdruck gebrachten Grundsatz der gleichen Informationsmöglichkeiten will das Gesetz ausschließen, dass Mitglieder aufgrund ihres Status oder aufgrund übertragener Sonderaufgaben (zB als Vorsitzender oder dessen Stellvertreter, als Ausschussmitglied, Systemadministrator oder aufgrund einer Freistellung) gegenüber Betriebsratsmitgliedern ohne besondere Funktionen über einen Informationsvorsprung verfügen. Deshalb ordnet das Gesetz ausdrücklich an, dass sich alle Betriebsratsmitglieder selbst dann einen Überblick über die Gesamttätigkeit des Betriebsrats verschaffen können, wenn der Betriebsrat von der Möglichkeit der Delegation von Aufgaben auf Ausschüsse Gebrauch macht. Es liegt in der Natur der Sache, dass Mitglieder, die nach § 38 BetrVG von ihrer beruflichen Tätigkeit freigestellt sind, durch die Kontinuität ihrer Arbeit im Betriebsrat regelmäßig über ein aktuelleres Wissen der betriebsratsrelevanten Themen verfügen. Umso deutlicher wird der Zweck des § 34 Abs. 3 BetrVG, dass alle übrigen Mitglieder des Betriebsrats zumindest die Möglichkeit haben müssen, sich "jederzeit" zu informieren.
[21] Mitglieder des Organs mit unbeschränktem elektronischen Leserecht verfügen gegenüber Betriebsratsmitgliedern, denen dieses Recht verwehrt wird, über einen erheblichen Informationsvorsprung, der mit dem Gesetzeszweck nicht zu vereinbaren ist. Sie können die aktuellen Inhalte einer Datei zeitnah zur Kenntnis nehmen und haben so die Möglichkeit der Erörterung von Sachthemen auf dem aktuellen Stand, während alle anderen Betriebsratsmitglieder erst abwarten müssen, bis die Arbeitsschritte abgeschlossen und die Texte bzw. Daten freigegeben und in Papierform abgelegt werden. Sie können dadurch nicht in gleicher Weise Themen jederzeit im Betriebsrat aufgreifen und inhaltlich beeinflussen. Zudem bietet die elektronische Datenverarbeitung eine schnellere Orientierung, da das Suchen und Auffinden von bestimmten Dokumenten auf elektronischem Weg mit Hilfe von Suchfunktionen wesentlich erleichtert bzw. bei umfangreichen Datenmengen häufig erst ermöglicht wird. Auch wenn die schriftlichen Akten sorgfältig geführt werden, lässt sich die Suche nach bestimmten Dokumenten regelmäßig nicht gleich effektiv gestalten. Besonders zum Tragen kommt der Informationsvorsprung, wenn nur bestimmte Mitglieder des Betriebsrats das jederzeitige Leserecht des E-Mail-Kontos haben, weil sich die Korrespondenz über E-Mails durch ihre Unmittelbarkeit auszeichnet.
[22] Schließlich bezweckt das Recht auf jederzeitige Information, dass das einzelne Mitglied jederzeit die Aufgabenwahrnehmung der anderen Betriebsratsmitglieder kontrollieren kann. Verwaltet der Betriebsrat seine Dokumente in elektronischer Form, lässt sich dieses Kontrollrecht nur bei einer elektronischen Einsichtnahme effektiv ausüben. Elektronisch gespeicherte Daten sind leicht abzuändern. Ob der Ausdruck einer Datei vollständig ist und ihren aktuellen Stand wiedergibt, kann nur durch einen Abgleich mit dem Inhalt der Datei selbst festgestellt werden. Das Kontrollrecht erstreckt sich auch auf die Tätigkeiten des Vorsitzenden, der den Betriebsrat nach § 26 Abs. 2 Satz 1 BetrVG im Rahmen der gefassten Beschlüsse nach außen vertritt. Mit dieser Zielrichtung dient § 34 Abs. 3 BetrVG automatisch auch dem Minderheitenschutz.
[23] c) Der Einsichtnahme in gespeicherte Daten auf elektronischem Weg steht nicht die Rechtsprechung entgegen, nach der dem einzelnen Betriebsratsmitglied im Rahmen der Einsichtnahme nach § 34 Abs. 3 BetrVG das Erstellen von Fotokopien untersagt werden kann (BAG 27. Mai 1982 – 6 ABR 66/79 – zu II 2 der Gründe, AP BetrVG 1972 § 34 Nr. 1 = EzA BetrVG 1972 § 34 Nr. 1). Sie stellt im Wesentlichen darauf ab, dass es zur Erstellung der Ablichtung einer Übergabe der Unterlagen an das Betriebsratsmitglied bedürfe. Dieser Gesichtspunkt ist bei einem elektronischen (Lese-) Zugriff nicht von Bedeutung. Bei dem elektronischen Lesezugriff wird das Dokument nicht von seinem Platz auf dem Server entfernt. Die Unterlagen des Betriebsrats bleiben damit zu jedem Zeitpunkt vollständig. Entgegen der Rechtsansicht des Betriebsrats kommt es in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob bei einem elektronischen Datenzugriff auf dem Arbeitsplatzrechner des Betriebsratsmitglieds eine Kopie des Dokuments erstellt werden kann. Dem kann durch angemessene technische Maßnahmen zum Schutz von Daten, wie Sperrung von Druck- und Kopierfunktion bestimmter Bereiche, begegnet werden.
[24] 3. Das Einsichtsrecht einzelner Mitglieder des Betriebsrats ist unabdingbar. Es kann weder durch die Geschäftsordnung noch durch einen Beschluss des Betriebsrats eingeschränkt werden (Fitting BetrVG 24. Aufl. § 34 Rn. 33; GK-BetrVG/Raab 8. Aufl. § 34 Rn. 30; Richardi/Thüsing BetrVG 11. Aufl. § 34 Rn. 27). Es kommt danach nicht auf den Streit der Beteiligten an, ob der Betriebsrat das elektronische Einsichtsrecht nach § 34 Abs. 3 BetrVG überhaupt beschränkt hat und ob seine tatsächliche Handhabung auf einer Rechtsgrundlage beruht.
[25] 4. Entgegen der Rechtsansicht des Betriebsrats ist der Antrag auch nicht als Globalantrag unbegründet.
[26] a) Ein Antrag im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren, mit dem ein Mitbestimmungsrecht global für eine uneingeschränkte Vielzahl von Fallgestaltungen in Anspruch genommen oder für sämtliche Fallgestaltungen geleugnet wird, ist dann insgesamt unbegründet, wenn es auch nur eine Fallgestaltung gibt, bei der den Antragstellern aus Gründen des Datenschutzes ein unbeschränktes Einsichtsrecht zu versagen wäre (zum Globalantrag allg. BAG 10. März 2009 – 1 ABR 87/07 – Rn. 21; 3. Juni 2003 – 1 ABR 19/02 – zu B II 2 a der Gründe mwN, BAGE 106, 188 = AP BetrVG 1972 § 89 Nr. 1 = EzA BetrVG 2001 § 89 Nr. 1).
[27] b) Eine solche Fallgestaltung ist aber nicht denkbar. Das jederzeitige, nicht an das Vorliegen eines besonderen Interesses gebundene Einsichtsrecht der Betriebsratsmitglieder kann nicht durch Maßnahmen nach § 9 Satz 1 BDSG iVm. der dazu geltenden Anlage in Bezug auf personenbezogene Daten (§ 3 Abs. 1 BDSG) beschränkt werden. Das folgt aus der gesetzlich angeordneten Subsidiarität des BDSG (zur Subsidiarität des BDSG gegenüber betriebsverfassungsrechtlichen Regelungen BAG 11. November 1997 – 1 ABR 21/97 – zu B III 2 c cc der Gründe, BAGE 87, 64 = AP BDSG § 36 Nr. 1 = EzA BDSG §§ 36—37 Nr. 1). Rechtsvorschriften des Bundes, die auf personenbezogene Daten einschließlich deren Veröffentlichung anzuwenden sind, gehen nach § 1 Abs. 3 Satz 1 BDSG den Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes vor. Das BetrVG enthält entsprechende Vorschriften über den Umgang mit personenbezogenen Daten innerhalb des Betriebsrats. Die Mitglieder des Betriebsrats sind gemäß § 99 Abs. 1 Satz 3, § 102 Abs. 2 Satz 5 BetrVG verpflichtet, über die ihnen im Rahmen der personellen Maßnahmen bekanntgewordenen persönlichen Verhältnisse und Angelegenheiten der Arbeitnehmer, die ihrer Bedeutung oder ihrem Inhalt nach einer vertraulichen Behandlung bedürfen, Stillschweigen zu bewahren; § 79 Abs. 1 Satz 2 bis 4 BetrVG ist entsprechend anwendbar. Für die Abgrenzung der persönlichen Verhältnisse und Angelegenheiten, die danach der Schweigepflicht unterliegen, gelten die zum BDSG entwickelten Grundsätze. Durch die Verweisung in § 99 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 BetrVG auf § 79 Abs. 1 Satz 3 BetrVG wird klargestellt, dass die Schweigepflicht im Verhältnis der Mitglieder des Betriebsrats keine Anwendung findet. Damit ist das Einsichtsrecht aller Betriebsratsmitglieder nach § 34 Abs. 3 BetrVG unter dem Gesichtspunkt des Datenschutzes nicht einschränkbar.
[28] c) Das bedeutet nicht, dass der Betriebsrat im internen Umgang mit personenbezogenen Daten frei wäre. Datenverarbeitende Stellen und damit Adressaten des BDSG sind nicht öffentliche Stellen, soweit sie Daten unter Einsatz von Datenverarbeitungsanlagen verarbeiten, nutzen oder dafür erheben. Nicht öffentliche Stellen müssen zwar nach § 2 Abs. 4 BDSG natürliche und juristische Personen sein. Deshalb ist aufgrund seiner fehlenden Rechtsfähigkeit nicht der Betriebsrat Adressat des BDSG, sondern der Arbeitgeber. Als Teil der verantwortlichen Stelle iSv. § 3 Abs. 7 BDSG ist der Betriebsrat aber ebenfalls dem Datenschutz verpflichtet (BAG 3. Juni 2003 – 1 ABR 19/02 – zu B II 2 a bb (3) (a) der Gründe mwN, BAGE 106, 188 = AP BetrVG 1972 § 89 Nr. 1 = EzA BetrVG 2001 § 89 Nr. 1; zum BDSG in der bis zum 22. Mai 2001 geltenden Fassung vom 20. Dezember 1990 BAG 11. November 1997 – 1 ABR 21/97 – zu B III 2 a der Gründe, BAGE 87, 64 = AP BDSG § 36 Nr. 1 = EzA BDSG §§ 36—37 Nr. 1). Er hat unter Beachtung des Strukturprinzips der Unabhängigkeit in der Betriebsverfassung eigenständig über Maßnahmen zu beschließen, um einem Missbrauch der Daten innerhalb seines Verantwortungsbereichs zu begegnen. Außerdem muss der Betriebsrat die jeweils geltenden betrieblichen Datenschutzbestimmungen einhalten und diese soweit wie möglich ergänzen (vgl. Simitis BDSG 6. Aufl. § 28 Rn. 55). Inwieweit er dazu durch den Arbeitgeber nach Maßgabe der Anlage zu § 9 Satz 1 BDSG angemessene technische Vorkehrungen einrichten oder organisatorische Vorkehrungen treffen lässt, um gespeicherte Daten vor unbefugtem Lesen, Kopieren, Verändern oder Entfernen zu schützen bzw. wie er eine wirksame Weitergabekontrolle sicherstellt, obliegt seinem pflichtgemäßen Ermessen. Der Senat sieht es dabei keineswegs als zwangsläufig an, dass Betriebsratsmitgliedern von ihren eigenen Rechnern aus Zugang zu allen Daten des Betriebsrats eröffnet wird oder an den Betriebsrat gerichtete E-Mails an die persönlichen Betriebsadressen seiner Mitglieder weitergeleitet werden müssen. Entscheidend ist, dass jedes Mitglied von bestimmten Geräten aus jederzeit mit zumutbarem Aufwand den vollständigen Datenbestand einschließlich des E-Mail-Kontos einsehen kann. Diese Maßnahmen, über die der Betriebsrat durch entsprechende Beschlüsse zu entscheiden hat, dürfen allerdings nicht wie im vorliegenden Fall dazu führen, dass das Leserecht für einzelne Mitglieder inhaltlich beschränkt wird.