Bundesarbeitsgericht
Rechtsweg – Geschäftsführer-Anstellungsverhältnis
BAG, Beschluss vom 3. 2. 2009 – 5 AZB 100/08 (lexetius.com/2009,591)
[1] 1. Die Rechtsbeschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 19. November 2008 – 4 Ta 20/08 – wird zurückgewiesen.
[2] 2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.
[3] 3. Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 10.470,00 Euro festgesetzt.
[4] Gründe: I. Die Parteien streiten noch über die Beendigung eines Anstellungsverhältnisses sowie vorab über die Zulässigkeit des Rechtswegs.
[5] Der im Jahre 1964 geborene Kläger war aufgrund eines Arbeitsvertrags seit 1995 bei der Beklagten beschäftigt. Ab dem 1. Januar 1997 wechselte er zu einer Tochtergesellschaft der Beklagten. Dort wurde er im Jahre 2002 alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer. Außerdem war er seit dem 1. April 2002 wieder bei der Beklagten angestellt. Mit Beschluss vom 24. April 2002 bestellte ihn die Gesellschafterversammlung der Beklagten mit Wirkung zum 1. Juli 2002 zum Geschäftsführer. Am 12. Juni 2002 schlossen die Parteien einen entsprechenden Geschäftsführer-Anstellungsvertrag für die Dauer von fünf Jahren mit anschließender Kündigungsmöglichkeit. Hierbei war die Beklagte durch den Vorsitzenden des entsprechend dem Gesellschaftsvertrag bestellten Aufsichtsrats vertreten. Im Jahre 2003 wurde die genannte Tochtergesellschaft auf die Beklagte als übernehmende Rechtsträgerin im Wege der Aufnahme verschmolzen.
[6] Durch Beschlüsse des Aufsichtsrats und der Gesellschafterversammlung vom 12. bzw. 15. Oktober 2007 wurde der Kläger mit sofortiger Wirkung als Geschäftsführer der Beklagten abberufen und der Aufsichtsratsvorsitzende ermächtigt, die Kündigung im Namen der Gesellschafter und der Gesellschaft auszusprechen.
[7] Gegen die mit Schreiben des Aufsichtsratsvorsitzenden vom 16. Oktober 2007 zum 30. April 2008 ausgesprochene Kündigung des Anstellungsvertrags richtet sich die am 26. Oktober 2007 beim Arbeitsgericht erhobene Klage. Der Kläger hat den Feststellungsantrag angekündigt, dass das Anstellungsverhältnis weder durch die Kündigung noch anderweitig ende.
[8] Das Arbeitsgericht hat den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht Hamburg, Kammer für Handelssachen, verwiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die sofortige Beschwerde des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde hält der Kläger an dem eingeschlagenen Rechtsweg fest.
[9] II. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig. Der Kläger hat zwar die einmonatige Frist des gem. § 78 ArbGG anwendbaren § 575 Abs. 2 ZPO versäumt. Sein Fristverlängerungsantrag ist erst nach Ablauf dieser Frist beim Bundesarbeitsgericht eingegangen. Eine Fristverlängerung ist deshalb ausgeschlossen. Dem Kläger ist aber auf seinen rechtzeitig gestellten, insgesamt zulässigen Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, § 233 ZPO. Er durfte auf die unzutreffende Belehrung des Landesarbeitsgerichts über die Begründung der Rechtsbeschwerde vertrauen (vgl. Senat 25. Januar 2007 – 5 AZB 49/06 – Rn. 8, 9, AP SGB II § 16 Nr. 1 = EzA ZPO 2002 § 233 Nr. 6).
[10] III. Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet. Die Vorinstanzen haben die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen zu Recht verneint.
[11] 1. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b ArbGG sind die Gerichte für Arbeitssachen zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern über das Bestehen oder das Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses. Wer Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsgerichtsgesetzes ist, bestimmt § 5 ArbGG. Nach § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG gelten in Betrieben einer juristischen Person oder Personengesamtheit Personen nicht als Arbeitnehmer, die kraft Gesetzes, Satzung oder Gesellschaftsvertrags allein oder als Mitglieder des Vertretungsorgans zur Vertretung der juristischen Person oder der Personengesamtheit berufen sind. Die Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG gilt unabhängig davon, ob das der Organstellung zugrundeliegende Rechtsverhältnis materiellrechtlich ein freies Dienstverhältnis oder ein Arbeitsverhältnis ist. Auch wenn das Anstellungsverhältnis zwischen juristischer Person und Vertretungsorgan wegen starker interner Weisungsabhängigkeit als Arbeitsverhältnis anzusehen ist und deshalb dem materiellen Arbeitsrecht unterliegt, sind zur Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten aus dieser Rechtsbeziehung die ordentlichen Gerichte berufen. Nur dann, wenn die Rechtsstreitigkeit zwischen dem Mitglied des Vertretungsorgans und der juristischen Person nicht das der Organstellung zugrundeliegende Rechtsverhältnis, sondern eine weitere Rechtsbeziehung betrifft, greift die Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG nicht ein (Senat 20. August 2003 – 5 AZB 79/02 – BAGE 107, 165, 166 f. mwN). Eine solche weitere Rechtsbeziehung in einem während der Bestellung als Geschäftsführer ruhenden und mit der Abberufung als Geschäftsführer wieder auflebenden Arbeitsverhältnis zu sehen, ist in der Regel nicht möglich. Vielmehr liegt in dem Abschluss eines Geschäftsführer-Dienstvertrags durch einen angestellten Mitarbeiter im Zweifel die konkludente Aufhebung des bisherigen Arbeitsverhältnisses. Nach dem Willen der vertragschließenden Parteien soll regelmäßig neben dem Dienstverhältnis nicht noch ein Arbeitsverhältnis ruhend fortbestehen. Dem Arbeitnehmer muss im Regelfall klar sein, dass er, wenn nicht anderes vereinbart wird, mit dem Abschluss eines Geschäftsführer-Dienstvertrags seinen Status als Arbeitnehmer aufgibt. Die vertraglichen Beziehungen werden auf eine neue Grundlage gestellt, die bisherige Grundlage verliert ihre Bedeutung. Eine andere Auslegung kommt nur in Ausnahmefällen in Betracht, für die zumindest deutliche Anhaltspunkte vorliegen müssen (Senat 14. Juni 2006 – 5 AZR 592/05 – BAGE 118, 278, 282 f. mwN). Ein Wiederaufleben des Arbeitsverhältnisses kommt dann nicht in Betracht (BAG 5. Juni 2008 – 2 AZR 754/06 – Rn. 23, NZA 2008, 1002). Das Schriftformerfordernis des § 623 BGB für den Auflösungsvertrag wird durch den schriftlichen Geschäftsführer-Dienstvertrag gewahrt; denn aus diesem ergibt sich die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinreichend deutlich, soweit nicht etwas anderes vereinbart wird (BAG 19. Juli 2007 – 6 AZR 774/06 – Rn. 23, AP GmbHG § 35 Nr. 18 = EzA BGB 2002 § 623 Nr. 7).
[12] 2. Bei Anwendung dieser Maßstäbe kommt es auf die rechtliche Beurteilung des Anstellungsvertrags vom 12. Juni 2002 nicht an. Für ein ruhendes Arbeitsverhältnis bestehen keine Anhaltspunkte. Die von der Rechtsbeschwerde ins Feld geführte Gehaltserhöhung im Mai 2002 und die Dauer des Arbeitsverhältnisses sind ohne Aussagewert. Der Kläger hat als Geschäftsführer eine deutlich höhere Vergütung als zuvor bezogen. Er war bei der Beklagten länger Geschäftsführer als Arbeitnehmer. Der Geschäftsführer-Dienstvertrag wurde im Jahre 2002 für die Beklagte zutreffend durch den Vorsitzenden des Aufsichtsrats und nicht durch den weiteren Geschäftsführer der Beklagten abgeschlossen, § 52 GmbHG iVm. § 112 AktG (vgl. schon BGH 13. Januar 1958 – II ZR 212/56 – BGHZ 26, 236, 238; ebenso Drygala in K. Schmidt/Lutter AktG § 112 Rn. 6, 7; Hopt/Roth in Großkomm AktG § 112 Rn. 47, 49; Hüffer AktG 7. Aufl. § 112 Rn. 2; MünchKomm AktG/Semler 2. Aufl. § 112 Rn. 19). Die Verfahrensrüge des Klägers ist unbehelflich. Es kommt nicht darauf an, ob der Kläger weiterhin bei der Tochterfirma der Beklagten gearbeitet hat, denn er war auch dort Geschäftsführer.
[14] V. Die Wertfestsetzung beruht auf § 63 GKG. Festzusetzen ist ein Drittel des Hauptsachestreitwerts. Dieser beträgt entsprechend § 42 Abs. 4 Satz 1 GKG 31.410,00 Euro (Vierteljahresverdienst des Klägers). Der Leistungsantrag auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses ist nicht mehr Gegenstand des Verfahrens.