Bundesarbeitsgericht
Bauliche Leistungen – Rohrleitungsbau
BAG, Urteil vom 17. 11. 2010 – 10 AZR 845/09 (lexetius.com/2010,5513)
[1] 1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 4. November 2009 – 18 Sa 1609/08 – aufgehoben.
[2] 2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
[3] Tatbestand: Die Parteien streiten über Urlaubskassenbeiträge.
[4] Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien und erbrachte im streitgegenständlichen Zeitraum Leistungen im Urlaubs-, Lohnausgleichs- und Berufsbildungsverfahren nach den allgemeinverbindlichen tariflichen Regelungen im Baugewerbe. Er war Einzugsstelle für die entsprechenden Beiträge von Unternehmen mit Sitz im Ausland.
[5] Der Kläger nimmt die Beklagte auf Urlaubskassenbeiträge für deren im Kalenderjahr 2002 in Deutschland beschäftigte Arbeitnehmer in Anspruch.
[6] Im Jahr 2002 war der Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe (BRTV) zunächst in der Fassung vom 20. Dezember 1999 für allgemeinverbindlich erklärt, ab 1. September 2002 in der Fassung vom 4. Juli 2002. Ebenso galt kraft Allgemeinverbindlicherklärung der Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 20. Dezember 1999 (VTV) in den Fassungen vom 14. Dezember 2001, 27. Februar 2002 und zuletzt vom 4. Juli 2002.
[7] Im VTV hieß es auszugsweise:
"§ 1. Geltungsbereich
(1) Räumlicher Geltungsbereich:
Das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland.
(2) Betrieblicher Geltungsbereich:
Betriebe des Baugewerbes. Das sind alle Betriebe, die unter einen der nachfolgenden Abschnitte I bis IV fallen. …
Abschnitt V
Zu den in den Abschnitten I – III genannten Betrieben gehören z. B. diejenigen, in denen Arbeiten der nachstehend aufgeführten Art ausgeführt werden: …
25. Rohrleitungsbau-, Rohrleitungstiefbau-, Kabelleitungstiefbauarbeiten und Bodendurchpressungen; …"
[8] Die Allgemeinverbindlichkeit des VTV war gemäß dem Ersten Teil der Maßgaben in der Bekanntmachung über die Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifvertragswerken für das Baugewerbe (AVE-Bekanntmachung) vom 17. Januar 2000 (BAnz. Nr. 20 vom 29. Januar 2000 S. 1385) eingeschränkt. Dort hieß es ua.:
"Erster Teil. Einschränkungen der Allgemeinverbindlicherklärung auf Antrag
I. 1. Die Allgemeinverbindlicherklärung erstreckt sich nicht auf Betriebe und selbständige Betriebsabteilungen von Arbeitgebern mit Sitz im Inland oder Ausland, die unter einen der im Anhang abgedruckten fachlichen Geltungsbereiche der am 1. Juli 1999 (Stichtag) geltenden Tarifverträge … der Metall- und Elektroindustrie fallen. …
Anhang
Die maßgebenden fachlichen Geltungsbereiche von Tarifverträgen lauten wie folgt: …
Metall- und Elektroindustrie
Für alle Betriebe der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie; darunter fallen – ohne Rücksicht auf die verarbeiteten Grundstoffe – insbesondere folgende Fachzweige:
1. … Schweißerei, … Stahl- und Leichtmetallbau, …
3. Verwaltungen, Niederlassungen, Forschungs- und Entwicklungsbetriebe, Konstruktionsbüros, Montagestellen sowie alle Hilfs- und Nebenbetriebe vorgenannter Fachzweige und Betriebe, die über keine eigene Produktionsstätte verfügen, jedoch Montagen ausführen, die dem fachlichen Geltungsbereich entsprechen.
Für alle außerbetrieblichen Arbeitsstellen (Montagen) der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie einschließlich des Fahrleitungs-, Freileitungs-, Ortsnetz- und Kabelbaues mit Ausnahme des Zentralheizungs- und Lüftungsbaues sowie der Arbeitsstellen auf Schiffen auf Fahrt."
[9] Die Beklagte war im Kalenderjahr 2002 mit ca. 80 % der Arbeitszeit der in Deutschland eingesetzten Arbeitnehmer als Auftragnehmerin der R GmbH (R GmbH) auf dem Werksgelände der B AG in L tätig. Bei der R GmbH handelte es sich um ein Unternehmen der industriellen Stahlkonstruktions- und Apparatefertigung. Die Beklagte führte an Produktionsanlagen der B AG Wartungs-, Reparatur- und Revisionsarbeiten aus. Die Bescheide über die Zusicherung von Arbeitserlaubnissen für die Aufträge der R GmbH benennen schlagwortartig folgende Tätigkeiten: Rohrleitungsmontage bzw. Montage von Rohrleitungen, Behältern, Rührkesseln, Wärmetauschern; nicht näher spezifizierte Schlosser- und Schweißarbeiten, Schlosser- und Schweißarbeiten an Halterungen, Stahlunterstützungskonstruktionen, Behältern, Pumpen, Blechabdeckungen usw. Die Beklagte montierte keine Rohrleitungen für neue, erst zu erstellende Rohrleitungssysteme.
[10] Der Auftrag der Beklagten für eine Firma H umfasste Maler-, Anstreicher- und Bodenbeschichtungsarbeiten. Außerdem wurden im Jahr 2002 für eine Schlosserei S Schlosserarbeiten und Reparaturen an Stahlpaletten durchgeführt.
[11] Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei im Zeitraum von Januar 2002 bis Dezember 2002 zur Teilnahme am Sozialkassenverfahren verpflichtet. Die Beklagte habe im Kalenderjahr 2002 in Deutschland – aber auch unter Einschluss der nicht in Deutschland beschäftigten Arbeitnehmer – arbeitszeitlich überwiegend Rohrleitungsbauarbeiten ausgeführt. Darunter falle auch die Montage von Steuerungselementen, Pumpen, Maschinen, Filtern, Behältern und Ausrüstungen. Der Vortrag der Beklagten lasse nicht erkennen, welche mit dem Oberbegriff Schlosserarbeiten bezeichneten Tätigkeiten vom Rohrleitungsbau auszunehmen seien. Bei den Arbeiten auf dem Gelände der B AG handele es sich nicht um industriell ausgeführten Rohrleitungsbau, so dass diese Tätigkeiten nicht unter die Einschränkung der Allgemeinverbindlicherklärung des VTV fielen. Die Beklagte sei handwerklich organisiert, sie habe im Durchschnitt mit 25 Arbeitnehmern monatlich für nicht mehr als drei Auftraggeber gearbeitet. Das Montieren von Rohren durch Rohrschweißer sei eine handwerkliche Tätigkeit, bei der manuell mit einfachen Werkzeugen wie Schweißgeräten, Schraubenziehern usw. gearbeitet werde. Soweit die Beklagte neben der Montage auch Metallteile gefertigt habe, sei dies aufgrund spezieller Kundenwünsche individuell geschehen.
[12] Die Maler- und Anstreichertätigkeiten zählten zu den Bautätigkeiten, solange nicht dargetan sei, dass § 1 Abs. 2 Abschn. VII Nr. 6 VTV eingreife. Die Beklagte habe nicht vorgetragen, dass sie zu mehr als 50 % ihrer betrieblichen Gesamtarbeitszeit Tätigkeiten des Ausnahmetatbestandes ausgeführt habe.
[13] Der Kläger hat zuletzt beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 74.696,48 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz in bestimmter Staffelung zu zahlen.
[14] Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
[15] Sie hat behauptet, sie habe als Auftragnehmerin der R GmbH die bestehenden Industrieanlagen kontrolliert und instand gehalten. Bezogen auf ihre Tätigkeit für die R GmbH seien allenfalls zu 10 % der Gesamtarbeitszeit Schweiß- und Reparaturarbeiten an bereits vorhandenen Rohrleitungen angefallen. Auf dem Gelände der B AG seien andere Firmen mit Arbeiten an Rohrleitungen beauftragt gewesen. Ca. 90 % ihrer dortigen Gesamtarbeitszeit sei darauf entfallen, Reparatur- und Revisionsarbeiten an Gitterrosten, Halterungen, Unterstützungen, Abwurfkästen, Blechabdeckungen, auszutauschenden Behältern, Pumpen, Wärmetauschern, Steuerungen, Ventilen und Weichen auszuführen. Die Wartung dieser Bestandteile habe das Ausmessen, Austauschen, die Montage durch Schweißen sowie Druckproben eingeschlossen. Es habe sich ganz überwiegend nicht um Arbeiten an Rohren, sondern um Arbeiten an Teilen technischer Anlagen gehandelt. Die vorgelegten Teilleistungsverzeichnisse und -verträge zum Rahmenvertrag der Beklagten mit der R GmbH vom 16. November 1998 gäben die geleisteten Arbeiten exakt wieder. Darüber hinaus bestehe eine Mitgliedschaft im Metallverband und die Betriebsabteilung sei inzwischen Mitglied in der Metallinnung L.
[16] Ihre Tätigkeit habe sich ausschließlich auf Industrieanlagen bezogen. Daraus folge der industrielle Charakter ihrer Tätigkeit, so dass der fachliche Geltungsbereich der Tarifverträge der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie eröffnet sei. Für die Schweißarbeiten seien keine handwerklichen Kenntnisse erforderlich. Sie habe teilweise 40 Arbeitnehmer gleichzeitig eingesetzt, dies entspreche nicht dem typischen Handwerksbetrieb.
[17] Allenfalls zu 15 % der gesamten Malerarbeiten für die Firma H habe sie Bodenbeschichtungsarbeiten ausgeführt. Die Maler- und Anstreicherarbeiten seien nicht dem Baugewerbe zuzuordnen.
[18] Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Entscheidung abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Beitragsanspruch weiter.
[19] Entscheidungsgründe: Die zulässige Revision ist begründet. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung kann die Klage nicht abgewiesen werden. Der Senat kann in der Sache mangels entsprechender Feststellungen nicht abschließend entscheiden. Die Revision führt daher zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
[20] I. Es ist nach dem Vorbringen der Parteien nicht ausgeschlossen, dass der Betrieb der Beklagten unter den betrieblichen Geltungsbereich des VTV fällt und die Beklagte damit gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 und 2 AEntG in der für das Jahr 2002 geltenden Fassung iVm. § 8 Nr. 15. 1 BRTV und § 18 VTV verpflichtet ist, dem Kläger Beiträge zu leisten.
[21] 1. § 1 Abs. 3 Satz 2 aF AEntG verpflichtet einen Arbeitgeber mit Sitz im Ausland, einer gemeinsamen Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes, der nach für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträgen die Einziehung von Urlaubskassenbeiträgen übertragen ist, diese Beiträge zu leisten, soweit der Betrieb überwiegend Bauleistungen iSv. § 211 Abs. 1 SGB III aF erbringt. Die gesetzliche Erstreckung von tarifvertraglichen Normen, die aufgrund einer Allgemeinverbindlicherklärung für inländische Arbeitgeber und Arbeitnehmer gelten, auf Arbeitgeber mit Sitz im Ausland und ihre im räumlichen Geltungsbereich des Tarifvertrages beschäftigten Arbeitnehmer erfasst aber nur solche Arbeitgeber mit Sitz im Ausland, deren Betrieb von einem für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag des Baugewerbes erfasst wird (st. Rspr., zB Senat 26. September 2007 – 10 AZR 415/06 – Rn. 13, NZA 2007, 1442).
[22] 2. Der betriebliche Geltungsbereich des VTV hängt davon ab, ob in dem Betrieb arbeitszeitlich überwiegend Tätigkeiten ausgeführt werden, die unter die Abschnitte I bis V des § 1 Abs. 2 VTV fallen. Werden baugewerbliche Tätigkeiten in diesem Sinne erbracht, sind ihnen diejenigen Nebenarbeiten ebenfalls zuzuordnen, die zu einer sachgerechten Ausführung der baulichen Leistungen notwendig sind und deshalb mit ihnen im Zusammenhang stehen (Senat 28. April 2004 – 10 AZR 370/03 – zu II 1 b der Gründe, AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 264; 20. März 2002 – 10 AZR 507/01 – zu II 2 der Gründe). Auf wirtschaftliche Gesichtspunkte wie Umsatz und Verdienst und auf handels- oder gewerberechtliche Kriterien kommt es dabei nicht an (st. Rspr., zB Senat 1. April 2009 – 10 AZR 593/08 – Rn. 16). Ebenfalls unerheblich ist, ob im Hinblick auf den Betrieb die gesetzlichen Vorschriften zur Teilnahme an der Winterbeschäftigungs-Umlage (§§ 175a, 354 SGB III iVm. WinterbeschV) zur Anwendung kommen. Etwaige von der Bundesagentur für Arbeit in diesem Zusammenhang vorgenommene Einschätzungen sind für die Anwendbarkeit des VTV nicht maßgeblich (vgl. Senat 2. Juli 2008 – 10 AZR 305/07 – Rn. 22, NZA-RR 2009, 426; 20. März 2002 – 10 AZR 507/01 – zu II 1 der Gründe).
[23] Für den Anwendungsbereich des VTV reicht es aus, wenn in dem Betrieb überwiegend eine oder mehrere der in den Beispielen des § 1 Abs. 2 Abschn. V VTV genannten Tätigkeiten ausgeübt werden. Der Betrieb wird dann stets von dem betrieblichen Geltungsbereich des VTV erfasst, ohne dass die allgemeinen Merkmale der Abschnitte I bis III zusätzlich geprüft werden müssen (st. Rspr., zB Senat 1. April 2009 – 10 AZR 593/08 – Rn. 16). Nur wenn in dem Betrieb arbeitszeitlich überwiegend nicht die in den Abschnitten IV und V genannten Beispielstätigkeiten ausgeführt werden, muss darüber hinaus geprüft werden, ob die ausgeführten Tätigkeiten die allgemeinen Merkmale der Abschnitte I bis III erfüllen (BAG 15. November 2000 – 10 AZR 621/99 – zu II 2 der Gründe).
[24] Selbständige Betriebsabteilungen sind Betriebe im Sinne des Tarifvertrages (§ 1 Abs. 2 Abschn. VI Satz 2 VTV; zum Begriff zuletzt Senat 24. Februar 2010 – 10 AZR 759/08 – Rn. 14 mwN).
[25] 3. Für die Bestimmung, ob ein Betrieb oder eine selbständige Betriebsabteilung im Tarifsinne vorliegt, sind auch im Anwendungsbereich des AEntG die allgemeinen Regelungen des VTV maßgebend. § 1 Abs. 4 AEntG in der im Jahre 2002 noch gültigen Fassung kann keine Anwendung finden. Diese Vorschrift ist vom Europäischen Gerichtshof (25. Oktober 2001 – C-49/98 ua. – Finalarte ua. – EuGHE I 2001, 7884) als gemeinschaftsrechtlich unzulässige Beeinträchtigung der Dienstleistungsfreiheit beanstandet worden. Der Gesetzgeber hat sie deshalb zum 1. Januar 2004 durch das Dritte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2003 (BGBl. I S. 2848) aufgehoben und auf einen eigenständigen Betriebsbegriff in Bezug auf Arbeitgeber mit Sitz in einem Mitgliedstaat der EG verzichtet (BT-Drucks. 15/1515 S. 131). Er hat dabei auch von einer Sonderregelung für Arbeitgeber mit Sitz außerhalb der EG abgesehen. Die Anwendung des aufgehobenen § 1 Abs. 4 AEntG durch Organe – auch Gerichte – der Mitgliedstaaten ist nach dem Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelung unzulässig. Dies gilt auch, wenn es sich um Zeiträume vor dem Inkrafttreten der Änderung handelt und der Arbeitgeber seinen Sitz nicht in einem EG-Mitgliedstaat hatte (vgl. Senat 21. November 2007 – 10 AZR 782/06 – Rn. 27, AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 297 = EzA AEntG § 1 Nr. 11; BAG 25. Januar 2005 – 9 AZR 44/04 – zu B II 2 b aa der Gründe, BAGE 113, 247).
[26] 4. Ausgehend von diesen Grundsätzen kommt in Betracht, dass im Betrieb der Beklagten arbeitszeitlich überwiegend Rohrleitungsbauarbeiten gemäß § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 25 VTV erbracht wurden. Das Landesarbeitsgericht hat den Begriff des Rohrleitungsbaus nicht zutreffend bestimmt.
[27] a) Zu den Rohrleitungsbauarbeiten im Sinne von § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 25 VTV gehört das Verlegen und Montieren von Rohren, wobei nicht maßgeblich ist, in welchem Verfahren diese Arbeiten durchgeführt werden (zB grabenlose Verlegung: Senat 13. März 1996 – 10 AZR 721/95 – zu II b der Gründe, AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 194 = EzA TVG § 4 Bauindustrie Nr. 80). Ebenso wenig kommt es auf das Material an, soweit es sich noch um Rohrleitungen handelt (zB Rohrsonden aus Kunststoff: Senat 21. Oktober 2009 – 10 AZR 90/09 – Rn. 23). Soweit die Arbeiten zum Beispiel in Rohrschächten ausgeführt werden, handelt es sich um Rohrleitungstiefbauarbeiten, während Arbeiten an der Oberfläche und bis zu Hausanschlüssen Rohrleitungsbauarbeiten sind. Die Tarifvertragsparteien wollten bezüglich der Rohrleitungen sicherstellen, dass sowohl die oberirdische als auch die unterirdische Rohrverlegung mit und ohne dazugehörende Erdarbeiten erfasst wird (Senat 21. Oktober 2009 – 10 AZR 90/09 – Rn. 22; 26. September 2001 – 10 AZR 669/00 – zu II 2 c der Gründe, AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 244 = EzA TVG § 4 Bauindustrie Nr. 110). Werden derartige Tätigkeiten des Rohrleitungsbaus ausgeführt, sind ihnen diejenigen Tätigkeiten hinzuzurechnen, die zur sachgerechten Ausführung der baulichen Leistung "Rohrleitungsbau" notwendig sind und daher mit dieser Tätigkeit in Zusammenhang stehen. Dabei kann es sich beispielsweise um Fuhrleistungen, die Vorbereitung der Baustelle oder Blech-, Schlosser- und Installationsarbeiten handeln, soweit sie die Reparatur und Vorbereitung der Arbeitsgeräte betreffen (vgl. BAG 13. März 1996 – 10 AZR 721/95 – aaO).
[28] Unter den Begriff des Rohrleitungsbaus ist auch die Instandhaltung (Reparatur und Sanierung) von Rohrleitungen zu fassen. Nach § 1 Abs. 2 Abschn. II VTV erbringen Baubetriebe Leistungen, die der Erstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen. Diese Begriffsbestimmung liegt grundsätzlich auch den in Abschnitt V genannten Beispielen zugrunde. Obwohl etwa in Nr. 5 die Betonsanierung gesondert erwähnt wird, können Sanierungsarbeiten auch im Übrigen zum Tätigkeitsbild der in Abschnitt V genannten Beispiele gehören. Die Tarifvertragsparteien haben einer besonders häufig vorkommende bauliche Tätigkeiten erfasst, um damit zu gewährleisten, dass alle anderen Voraussetzungen, die in den Abschnitten I – III genannt sind, nicht nochmals gesondert geprüft werden müssen. So sind zB Maurer- und Fassadenbauarbeiten, die der Sanierung dienen, Arbeiten, die ebenfalls § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 23 und Nr. 12 VTV unterfallen (vgl. BAG 3. Dezember 2003 – 10 AZR 107/03 – zu II 3 e der Gründe).
[29] Berufsrechtlich ordnet die Verordnung über die Berufsausbildung in der Bauwirtschaft vom 2. Juni 1999 (BGBl. I S. 1102) den Ausbildungsberuf des Rohrleitungsbauers/der Rohrleitungsbauerin dem Baugewerbe zu. Zu den zu vermittelnden Kenntnissen und Fertigkeiten gehören dabei nicht nur das Einbauen (Nr. 10), sondern auch das Sanieren und Instandsetzen von Druckrohrleitungen (Nr. 11). Dabei wird nicht darauf abgestellt, welche Arbeitsmethoden angewandt werden. Der Ausbildungsplan für die Berufsausbildung zum Rohrleitungsbauer/zur Rohrleitungsbauerin (Anlage 14 zu § 74 der Verordnung vom 2. Juni 1999 über die Berufsausbildung in der Bauwirtschaft) nennt ua. folgende Fertigkeiten und Kenntnisse: Druckrohrleitungen mit Armaturen und Formstücken für den Transport von flüssigen und gasförmigen Medien aus unterschiedlichen Kunststoffen und Stahl herstellen, einbauen und ausrichten, Druckrohrleitungen nach unterschiedlichen Verfahren in grabenloser Weise herstellen. Aufgabe eines Rohrleitungsbauers ist es, Druckrohrleitungen zu bauen, die Wasser, Öl, Gase oder andere Medien dorthin leiten, wo sie benötigt werden. Ein Rohrleitungsbauer muss Druckrohrleitungen unterschiedlicher Abmessungen und aus verschiedenen Materialien verlegen können (Blätter zur Berufskunde 1 – II A 506 S. 5). Ihm müssen die Verlege- und Verbindungstechniken der verschiedenen Werkstoffe für die Rohre und damit auch das Verschweißen von Rohrleitungen aus Metall vertraut sein. Er hat die Aufgabe, Druckrohrleitungen nach unterschiedlichen Verfahren vor Korrosion und chemischen Einflüssen zu schützen, Schäden festzustellen, Ursachen zu ermitteln, Maßnahmen zur Schadensbegrenzung zu ergreifen und Sanierungsverfahren zu unterscheiden. Es besteht die Möglichkeit der Spezialisierung als Rohrschweißer (Blätter zur Berufskunde 1 – II A 506 S. 11).
[30] Dementsprechend ist auch das Verschweißen von Rohrleitungen aus Metall in Raffinerien und industriellen Anlagen als Rohrleitungsbau im Tarifsinn anzusehen (Senat 21. Januar 2009 – 10 AZR 325/08 – Rn. 11 ff., AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 307; offen gelassen noch in Senat 22. September 1993 – 10 AZR 535/91 – zu III 3 und 4 der Gründe, AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 168 = EzA ArbGG 1979 § 97 Nr. 1). Das Verschweißen ist eine typische Methode der Montage von Bauteilen. Die dazu benutzten Arbeitsmittel können nach Herkommen und Üblichkeit dem Baugewerbe zugerechnet werden. Wenn die Methode des Verschweißens von Rohrleitungen aus Metall auch außerhalb des Baugewerbes angewandt wird, zB in der Metallindustrie, und dabei dieselben Arbeitsmittel benutzt werden, schließt dies nicht aus, dass es sich um eine typische Arbeitsmethode des Baugewerbes handelt.
[31] b) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts kann bei der Bestimmung des Begriffs des Rohrleitungsbaus nicht zwischen dem Bau oder der Instandhaltung von Versorgungsrohrleitungen einerseits und dem Bau oder der Instandhaltung von Rohrleitungen innerhalb industrieller Anlagen andererseits unterschieden werden.
[32] Die tariflich geforderten Tätigkeiten lassen sich nicht danach einteilen, ob eine bestimmte Rohrleitungskonstruktion mit dazugehörigen Pumpen, Armaturen oä. sich innerhalb einer industriellen Anlage befindet oder ob es sich um Versorgungsrohrleitungen außerhalb einer solchen Anlage handelt. Gerade bei größeren industriellen Anlagen würde eine solche Unterscheidung zu zufälligen Ergebnissen führen und bei identischen Tätigkeiten würde es vom Ort ihrer Erbringung abhängen, ob sie dem Anwendungsbereich des VTV unterfielen. Anhaltspunkte dafür, dass die Tarifvertragsparteien den Begriff des Rohrleitungsbaus so einschränken und Rohrleitungen in industriellen Anlagen ausnehmen wollten, bietet der VTV nicht (so auch Hessisches Landesarbeitsgericht 17. Mai 2004 – 16/10 Sa 2019/99 – EzAÜG AEntG § 1 Nr. 25). Allerdings muss es sich um Arbeiten an Rohrleitungen oder Rohrleitungssystemen handeln, Arbeiten an anderen Teilen industrieller Anlagen erfüllen die tariflichen Tatbestandsvoraussetzungen nicht. Um bauliche Leistungen iSd. § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 25 VTV handelt es sich dann, wenn die ausgeübten Tätigkeiten prägend an Rohrleitungen und den zu diesen gehörenden Aggregaten (wie zB Pumpen) stattfinden und die Arbeiten an sonstigen Anlagenteilen lediglich notwendige Vorbereitungs-, Anschluss- oder sonstige Zusammenhangstätigkeiten darstellen, ohne die die Rohrleitungsbauarbeiten nicht ausgeführt werden können. Rohrleitungsbauarbeiten liegen hingegen nicht vor, wenn die Arbeiten an anderen Anlagenteilen prägend sind und die Tätigkeiten an Rohrleitungen lediglich im Zusammenhang mit dieser prägenden Tätigkeit stehen (zB notwendige Anschlussarbeiten). Um diese Abgrenzung vorzunehmen, bedarf es zunächst der Feststellung, welche Tätigkeiten im Einzelnen in welchem Umfang ausgeübt wurden. Dies hat der Arbeitgeber im Rahmen eines substantiierten Bestreitens darzulegen. Sodann ist eine wertende Betrachtung vorzunehmen, ob die im Zusammenhang mit Rohrleitungen ausgeübten Arbeiten die Tätigkeit prägen oder ob sie nur Zusammenhangstätigkeiten zu anderen, nicht baulichen Tätigkeiten darstellen. Bei im Einzelfall auftretenden Abgrenzungsschwierigkeiten kann es insbesondere von Bedeutung sein, ob die Tätigkeiten schwerpunktmäßig Qualifikationen eines Berufsbildes aus dem Bereich der industriellen Metallberufe (zB Anlagenmechaniker/in) oder aus dem Bereich der Bauwirtschaft (zB Rohrleitungsbauer/in) erfordern. Ergibt sich, dass Rohrleitungsbauarbeiten im Sinne des § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 25 VTV durchgeführt wurden, so ist in einem weiteren Schritt zu ermitteln, ob dies arbeitszeitlich überwiegend der Fall war.
[33] Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist es möglich, hinsichtlich der Tätigkeiten zu differenzieren. Wie sich aus den vorgelegten Leistungsverzeichnissen ergibt, hat die Beklagte als Subunternehmerin Aufträge erhalten, die ein breites Spektrum von Tätigkeiten abdecken. Darunter sind unstreitig auch Arbeiten an Rohrleitungen. Schon aus Gründen der Abrechnung gegenüber dem jeweiligen Auftraggeber ist es regelmäßig erforderlich, dass betrieblich dokumentiert wird, welche Arbeiten in welchem Umfang ausgeübt wurden. Damit kann die Beklagte ihren Vortrag entsprechend konkretisieren.
[34] II. Das Landesarbeitsgericht wird daher festzustellen haben, ob während des streitgegenständlichen Zeitraums im Betrieb der Beklagten arbeitszeitlich überwiegend Rohrleitungsbauarbeiten ausgeführt wurden. Sollte dies zu bejahen sein, wird das Landesarbeitsgericht weiter prüfen müssen, ob die Beklagte einen vom fachlichen Geltungsbereich der Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie erfassten Industriebetrieb unterhalten hat (vgl. dazu Senat 21. Januar 2009 – 10 AZR 325/08 – Rn. 14 ff., AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 307) und von der Einschränkung der Allgemeinverbindlicherklärung erfasst war. Schließlich wird ggf. die streitige Höhe der Sozialkassenbeiträge zu klären sein.