Bundesverwaltungsgericht
BVerwG, Beschluss vom 16. 2. 2012 – 4 C 2.10; Hessischer VGH (lexetius.com/2012,414)
In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 16. Februar 2012 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Gatz und Petz beschlossen:
Die Anträge 1. der Gemeinde E., …, 2. der Stadt G., …, 3. der Gemeinde Gr., …, 4. der Gemeinde R., …, 5. der Stadt W., …, 6. der Frau Dr. Ursula F., …, 7. der Frau Pamela B., …, 8. des Herrn Dr. Stefan G., …, 9. der Frau Elli K., …, 10. des Herrn Michael M., …, 11. des Herrn Dr. Georg N., …, 12. des Herrn Dr. Burkhart R., …, 13. der Frau Barbara S., …, 14. der Frau Kristine von L., …, 15. des Herrn Michael W., …, 16. der Frau Dr. Ingrid S., …, 17. des Herrn Dr. Timm-Peter S., … auf Beiladung werden abgelehnt.
[1] Gründe: I. Die Kläger haben neben einer Vielzahl anderer klagender Kommunen, Unternehmen und Privatpersonen Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung vom 18. Dezember 2007 für den Ausbau des Flughafens Frankfurt Main erhoben. Von diesen Verfahren hat der Verwaltungsgerichtshof insgesamt zwölf Verfahren – unter anderem dasjenige der Kläger – als Musterverfahren vorab durchgeführt und die restlichen Klageverfahren gemäß § 93a Abs. 1 Satz 1 VwGO bis zum rechtskräftigen Abschluss der Musterverfahren ausgesetzt. Soweit die Kläger mit ihrer Klage in erster Instanz unterlegen sind, haben sie neben anderen Musterklägern Revision eingelegt.
[2] Mit Schriftsatz vom 14. Februar 2012 haben Kläger, deren Verfahren ausgesetzt worden sind, beantragt, im vorliegenden Revisionsverfahren beigeladen zu werden. Hilfsweise wollen sie sichergestellt wissen, dass sie die Möglichkeit erhalten, von ihrem Recht auf "passive" Teilnahme an der mündlichen Verhandlung im Revisionsverfahren Gebrauch zu machen, indem ein entsprechend großer Verhandlungsraum gewählt oder die Verhandlung audiovisuell in einen oder mehrere geeignete Räume übertragen wird. II
[3] Die Anträge auf Beiladung sind abzulehnen.
[4] Offen bleiben kann, ob einer Beiladung der Kläger in den ausgesetzten Verfahren bereits der Zweck des § 93a VwGO entgegensteht. Die Beiladung ist jedenfalls gemäß § 142 Abs. 1 Satz 1 VwGO unzulässig. Ein Fall der notwendigen Beiladung (§ 65 Abs. 2 VwGO), die gemäß § 142 Abs. 1 Satz 2 VwGO auch in der Revisionsinstanz beschlossen werden kann, liegt nicht vor.
[5] Grundrechtliche Positionen der Kläger in den ausgesetzten Verfahren wie insbesondere deren Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) oder das Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) zwingen nicht zu einer einschränkenden Auslegung des § 142 Abs. 1 Satz 2 VwGO. Ob der Anspruch der Kläger in den ausgesetzten Verfahren auf rechtliches Gehör und auf effektiven Rechtsschutz gewahrt wird, hängt insbesondere von der konkreten Gestaltung der sich an die Musterverfahren anschließenden Nachverfahren ab (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Dezember 2010 – 1 BvR 1188/10 – NVwZ 2011, 611 Rn. 11, m. w. N.). Es unterliegt der Entscheidungskompetenz des Gerichts, ob es in den Nachverfahren zum "normalen" Urteilsverfahren oder zum vereinfachten Beschlussverfahren des § 93a Abs. 2 VwGO übergeht. Im vereinfachten Beschlussverfahren hat es darüber zu entscheiden, ob und gegebenenfalls in welchem Maße es von den in § 93a Abs. 2 Satz 2 und 3 VwGO ermöglichten Erleichterungen bei der Beweisaufnahme Gebrauch macht. Im Rahmen dieser Möglichkeiten zur Verfahrensgestaltung hat das Gericht auch den verfassungsrechtlichen Ansprüchen auf rechtliches Gehör und auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes Rechnung zu tragen. Verkürzt es diese Ansprüche, kann dies im Rahmen der gegen die Entscheidung im Nachverfahren eröffneten Rechtsmittel gerügt werden. Einer Beiladung der Kläger in den ausgesetzten Verfahren in den Musterverfahren bedarf es nicht.
[6] Nur ergänzend weist der Senat darauf hin, dass er keine Veranlassung sieht, den als Anregungen zur Verfahrensgestaltung auszulegenden "Hilfsanträgen" näherzutreten, den Klägern der ausgesetzten Verfahren die Möglichkeit auf "passive" Teilnahme an der mündlichen Verhandlung in den Muster-Revisionsverfahren durch Bereitstellung eines noch größeren Verhandlungsraums oder eine audiovisuelle Übertragung der Verhandlung zu ermöglichen.