Bundesarbeitsgericht
Wechselschichtzulage bei Teilzeitbeschäftigung

BAG, Urteil vom 19. 3. 2014 – 10 AZR 744/13 (lexetius.com/2014,1441)

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 31. Mai 2013 – 8 Sa 192/13, 8 Sa 310/13 – wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
[1] Tatbestand: Die Parteien streiten über die Höhe einer Wechselschichtzulage.
[2] Der Kläger ist seit 1978 für den Rechtsvorgänger der Beklagten und nach einem Betriebsübergang im Jahr 2004 für die Beklagte, einem Unternehmen des HELIOS-Konzerns, tätig. Nach dem Arbeitsvertrag vom 1. April 1978 richtet sich das Arbeitsverhältnis nach dem BAT. In einer "Anlage zum Arbeitsvertrag" vom 6. Oktober 2008 haben die Parteien vereinbart:
"Im Übrigen bestimmt sich das Arbeitsverhältnis, wie bisher, nach den jeweils für die Arbeitgeberin einschlägigen Tarifverträgen. Das ist derzeit der TV-HELIOS in der jeweiligen Fassung nebst den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen bzw. im Tarifvertrag in Bezug genommenen Tarifverträgen. Diese Bezugnahme erfasst auch den künftigen Wechsel zu einem anderen Tarifwerk, insbesondere einer anderen Branche, aber auch einer anderen Gewerkschaft. Die Arbeitgeberin wird entsprechend dem Nachweisgesetz auf jeden Wechsel hinweisen."
[3] Die HELIOS Kliniken GmbH und die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver. di schlossen am 16. Januar 2007 den Manteltarifvertrag für Unternehmen des HELIOS Konzerns (TV HELIOS), den Entgelt- und Zuwendungstarifvertrag für die Unternehmen des HELIOS Konzerns (TV Entgelt HELIOS) und den Tarifvertrag zur Umsetzung von Tarifverträgen für Unternehmen des HELIOS Konzerns (TV Umsetzung HELIOS).
[4] Der TV Entgelt HELIOS regelt auszugsweise:
"§ 1. Entgelt …
(4) Die in diesem Entgelttarifvertrag genannten und seinen Anlagen ausgewiesenen Entgelt- oder Zuwendungsbeträge beziehen sich jeweils auf vollzeitbeschäftigte Beschäftigte. Ein teilzeitbeschäftigter Beschäftigter erhält ein anteiliges Entgelt entsprechend dem bei Anspruchserwerb jeweils maßgeblichen Verhältnis seiner vertraglich vereinbarten Arbeitszeit zur Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Beschäftigten, soweit in diesem Entgelttarifvertrag nicht anders vereinbart.
Protokollnotiz zu § 1 Abs. 4:
Im Hinblick auf die Auslegung des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst (nachfolgend: TVöD) besteht Streit zu der Frage, ob und wann mit §§ 3, 6 und 7 vergleichbare Entgelte bei Teilzeitbeschäftigten abweichend von dem Grundsatz in diesem § 1 Abs. 4 Satz 2 unabhängig vom Beschäftigungsgrad voll gewährt werden müssen. Die Tarifpartner sind sich einig, dass in den Fällen der §§ 3, 6 und 7 zunächst eine Orientierung an der zum Bundes-Angestelltentarifvertrag ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung erfolgt, wonach eine anteilige Bemessung des Entgelts nach Beschäftigungsgrad aus Rechtsgründen dann nicht möglich ist, wenn der Teilzeitbeschäftigte die tariflichen Voraussetzungen für die Gewährung des Entgelts in genau dem gleichen Umfang erfüllt wie ein Vollzeitbeschäftigter. Für den Fall, dass für den TVöD eine davon abweichende letztinstanzliche Rechtsprechung ergeht, sind sich die Tarifpartner einig, dass diese unverzüglich auf diesen Entgelttarifvertrag übertragen wird. …
§ 7. Wechselschicht- und Schichtzulage
(1) Beschäftigte, die ständig Wechselschichtarbeit leisten, erhalten eine Wechselschichtzulage von 105,00 Euro monatlich. Beschäftigte, die nicht ständig Wechselschichtarbeit leisten, erhalten eine Wechselschichtzulage von 0,63 Euro pro Stunde."
[5] Der TV Umsetzung HELIOS regelt auszugsweise:
"§ 11. Umsetzung des TV Entgelt HELIOS …
(2) Für Beschäftigte nach Anlage 1 – Teil B gilt der TV Entgelt HELIOS mit Ausnahme dessen §§ 1 bis 3 und §§ 5 bis 9. …
§ 12. Eingruppierung, Entgeltordnung
(1) Für die Beschäftigten finden alle zum Zeitpunkt der Überleitung jeweils geltenden Eingruppierungs-/Einreihungsbestimmungen, Entgelttabellen sowie bislang jeweils geltende Regelungen zu Zeit- oder Erschwerniszuschlägen bis zur Einigung der neuen Entgeltordnung und der Überleitung (§ 11) weiter Anwendung; …"
[6] Der Kläger ist Beschäftigter iSv. § 11 Abs. 2 TV Umsetzung HELIOS.
[7] Der Änderungstarifvertrag Nr. 2 zum TV Umsetzung HELIOS vom 1. Juli 2011 (Änderungs-TV Nr. 2) regelt auszugsweise:
"§ 1. Änderungen des TV Umsetzung HELIOS …
(7) § 11 Abs. 2 Satz 1 wird wie folgt geändert:
Für Beschäftigte nach Anlage 1 – Teil B-West, mit Ausnahme der HELIOS Klinik Volkach, der HELIOS St. Elisabeth Klinik Hünfeld sowie nach Anlage 1 – Teil B-Ost, mit Ausnahme der Kreiskrankenhaus Gotha/Ohrdruf GmbH, gilt der TV Entgelt HELIOS mit Ausnahme dessen §§ 1 bis 3, 5 und 6 sowie 8 und 9."
[8] Der BAT regelt auszugsweise:
"§ 33a. Wechselschicht- und Schichtzulagen
(1) Der Angestellte, der ständig nach einem Schichtplan (Dienstplan) eingesetzt ist, der einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Wechselschichten (§ 15 Abs. 8 Unterabs. 6 Satz 2) vorsieht, und der dabei in je fünf Wochen durchschnittlich mindestens 40 Arbeitsstunden in der dienstplanmäßigen oder betriebsüblichen Nachtschicht leistet, erhält eine Wechselschichtzulage von 102,26 Euro monatlich. …
§ 34. Vergütung Nichtvollbeschäftigter
(1) Nichtvollbeschäftigte Angestellte erhalten von der Vergütung (§ 26), die für entsprechende vollbeschäftigte Angestellte festgelegt ist, den Teil, der dem Maß der mit ihnen vereinbarten durchschnittlichen Arbeitszeit entspricht. …
(2) Absatz 1 gilt entsprechend für die in Monatsbeträgen festgelegten Zulagen, soweit diese nicht nur für vollbeschäftigte Angestellte vorgesehen sind."
[9] Der mit 19, 25 Wochenstunden teilzeitbeschäftigte Kläger arbeitet in Wechselschicht. Er hat bis Juli 2011 monatlich die volle Wechselschichtzulage in Höhe von 102,26 Euro brutto nach § 33a BAT erhalten, seit August 2011 zahlt die Beklagte monatlich 52,50 Euro brutto, die Hälfte der Wechselschichtzulage nach § 7 TV Entgelt HELIOS.
[10] Der Kläger begehrt Weiterzahlung der ungekürzten Wechselschichtzulage. Er hat zuletzt beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 790,24 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 2,74 Euro seit dem 1. August 2011, aus je 52,50 Euro seit dem 1. September 2011, 1. Oktober 2011, 1. November 2011, 1. Dezember 2011, 1. Januar 2012, 1. Februar 2012, 1. März 2012, 1. April 2012, 1. Mai 2012, 1. Juni 2012, 1. Juli 2012, 1. August 2012, 1. September 2012, 1. Oktober 2012 sowie 1. November 2012 zu zahlen;
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Wechselschichtzulage gemäß § 7 TV Entgelt HELIOS ohne Kürzung gemäß § 1 Abs. 4 TV Entgelt HELIOS an ihn zu zahlen.
[11] Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
[12] Das Arbeitsgericht hat dem Zahlungsantrag stattgegeben und den Feststellungsantrag abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Klageanträge weiter.
[13] Entscheidungsgründe: Die Revision ist unbegründet. Der teilzeitbeschäftigte Kläger hat nach § 7 Abs. 1 TV Entgelt HELIOS, § 1 Abs. 7 Änderungs-TV Nr. 2, § 12 Abs. 1 TV Umsetzung HELIOS, § 34 Abs. 2, Abs. 1 BAT Anspruch auf Zahlung nur der anteiligen Wechselschichtzulage. Diesen Anspruch hat die Beklagte erfüllt (§ 362 Abs. 1 BGB). Weiter gehende Ansprüche bestehen nicht.
[14] I. Bis zum Inkrafttreten der Tarifverträge für die Unternehmen des HELIOS-Konzerns am 1. Januar 2007 beruhte der Anspruch auf Zahlung der vollen Wechselschichtzulage auf § 33a Abs. 1 BAT. Eine Kürzung nach § 34 Abs. 2 BAT wegen der Teilzeitbeschäftigung unterblieb; die Norm war wegen Verstoßes gegen § 2 Abs. 1 BeschFG insoweit unwirksam (BAG 23. Juni 1993 – 10 AZR 127/92BAGE 73, 307).
[15] II. Auch nach Inkrafttreten der Tarifverträge für den HELIOS-Konzern bestand zunächst der volle Anspruch auf eine Wechselschichtzulage nach § 33a BAT. Nach § 11 Abs. 2 TV Umsetzung HELIOS war die Geltung der §§ 1, 7 TV Entgelt HELIOS (Wechselschicht- und Schichtzulage) ausgeschlossen, nach § 12 Abs. 1 TV Umsetzung HELIOS fanden die bisherigen Regelungen zu Zeit- oder Erschwerniszulagen weiter Anwendung.
[16] III. Seit Inkrafttreten des Änderungs-TV Nr. 2 beruht der Anspruch auf Zahlung einer Wechselschichtzulage auf § 7 Abs. 1 TV Entgelt HELIOS; gemäß § 1 Abs. 7 Änderungs-TV Nr. 2 ist die Anwendung dieser Norm nicht mehr ausgeschlossen. Der Kläger erfüllt die Voraussetzungen für die Zahlung einer Wechselschichtzulage auch nach § 7 Abs. 1 TV Entgelt HELIOS.
[17] IV. Der Anspruch ist aber, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat, nach § 12 Abs. 1 TV Umsetzung HELIOS in Verbindung mit § 34 BAT wegen der Teilzeitbeschäftigung des Klägers anteilig zu kürzen.
[18] 1. § 12 Abs. 1 TV Umsetzung HELIOS ist durch den Änderungs-TV Nr. 2 nicht abgeändert worden. Auch die Wechselschichtzulage nach § 7 Abs. 1 TV Entgelt HELIOS ist eine Erschwerniszulage iSv. § 12 Abs. 1 TV Umsetzung HELIOS; sie gewährt einen finanziellen Ausgleich dafür, dass Wechselschichtarbeit erheblich auf den Lebensrhythmus einwirkt und ihr Beginn und Ende außerhalb der üblichen Arbeits- und Geschäftszeiten liegt. Die damit verbundenen Belastungen und Erschwernisse sollen ausgeglichen werden (vgl. BAG 24. September 2008 – 10 AZR 634/07 – Rn. 19, BAGE 128, 21; 25. September 2013 – 10 AZR 4/12 – Rn. 17). § 34 BAT kommt deshalb auf den Anspruch nach § 7 Abs. 1 TV Entgelt HELIOS zur Anwendung.
[19] 2. Unerheblich ist, dass § 1 Abs. 4 TV Entgelt HELIOS auf das Arbeitsverhältnis des Klägers nach wie vor nicht zur Anwendung kommt; daraus folgt entgegen der Auffassung der Revision nicht, dass eine anteilige Kürzung des Anspruchs ausgeschlossen ist. Die Kürzungsregelung des § 1 Abs. 4 TV Entgelt HELIOS ist zwar nicht in Kraft, die Kürzungsregelung des § 34 BAT aber auch nicht außer Kraft gesetzt worden. Nach dem in der Protokollnotiz zu § 1 Abs. 4 TV Entgelt HELIOS zum Ausdruck kommenden gemeinsamen Tarifverständnis wollten die Tarifvertragsparteien sich an der Tarifsituation des TVöD und der dazu ergangenen Rechtsprechung orientieren. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu § 7 TVöD steht die Wechselschichtzulage Teilzeitbeschäftigten nur anteilig entsprechend dem Verhältnis zwischen vereinbarter und regelmäßiger tariflicher Arbeitszeit zu (BAG 24. September 2008 – 10 AZR 634/07BAGE 128, 21; zu einer vergleichbaren Regelung in AVR: BAG 25. September 2013 – 10 AZR 4/12 -). Dies hat auch im Rahmen von § 7 TV Entgelt HELIOS zu gelten.
[20] V. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.