Bundesarbeitsgericht
BetrVG § 111, § 113 Abs. 1, Abs. 3; KVfSPlG § 1, § 4; KO § 3 Abs. 1, § 59 Abs. 1 Nr. 1, § 61 Abs. 1 Nr. 1, § 138, § 145, § 147; BGB § 781; ZPO § 561 Abs. 2, § 267
1. Der Rechtskraft nach § 145 Abs. 2 KO fähig ist nur die Eintragung einer Konkursforderung.
2. Die spätere Geltendmachung eines Masseanspruchs, der unrichtigerweise als Konkursforderung angemeldet und festgestellt worden ist, ist nicht ausgeschlossen.
3. Die Nachteilsausgleichsforderung, die während des Konkursverfahrens entsteht, ist eine Masseforderung (Vergleiche BAG Urteil vom 9. 7. 1985, 1 AZR 323/83 = BAGE 49, 160 = AP Nr. 13 zu § 113 BetrVG 1972).
4. Die nachträgliche Vereinbarung eines Sozialplans beseitigt nicht einen Anspruch auf Nachteilsausgleich. Die Abfindungsleistungen, die der Arbeitnehmer aufgrund des Sozialplans erhalten hat, sind aber auf die Nachteilsausgleichsforderung anzurechnen.

BAG, Urteil vom 13. 6. 1989 – 1 AZR 819/87; LAG Köln (lexetius.com/1989,148)

[1] Tatbestand: Der 1940 geborene und schwerbehinderte (MdE 50 %) Kläger war seit 21. Februar 1962 im Betrieb Frechen der Firma W Baumaschinen und Stahlbau GmbH als Angestellter gegen ein Gehalt von 3. 762, – DM beschäftigt. In diesem Betrieb waren ca. 100 Arbeitnehmer tätig. Am 30. März 1984 wurde über das Vermögen des Unternehmens das Konkursverfahren eröffnet und der Beklagte zum Konkursverwalter bestellt. Dieser entschloß sich noch Ende März zur Stillegung des Betriebs und kündigte allen Arbeitnehmern, ohne zuvor einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat versucht zu haben. Dem Kläger wurde nach Zustimmung der Hauptfürsorgestelle mit Schreiben vom 9. Mai 1984 zum 31. Dezember 1984 gekündigt. Er hat am 1. Oktober 1984 bei einem anderen Arbeitgeber gegen ein Anfangsgehalt von 3.834,72 DM brutto eine Arbeitsstelle aufgenommen. Am 9. November 1984 schlossen Betriebsrat und Beklagter folgenden Interessenausgleich:
[2] "1. Es besteht Einigkeit, daß die Kündigungen der Arbeitsverhältnisse durch den Konkursverwal- ter im Zusammenhang mit der Konkurseröffnung betrieblich erforderlich waren. 2. Die Kündigungen sind nur unter Einhaltung der ordentlichen Frist wirksam und werden bis zu diesem Zeitpunkt abgewickelt. 3. Zwischen Betriebsrat und Konkursverwalter wird ein Sozialplan noch vereinbart."
[3] Am 17. Januar 1986 hat der Kläger einen Anspruch auf Abfindung in Höhe von 38. 870, – DM zur Konkurstabelle unter Berufung auf § 113 Abs. 3 BetrVG angemeldet. Dieser Betrag entspricht ungefähr zehn Monatsgehältern. Am 21./24. Februar 1986 haben Betriebsrat und Beklagter einen Sozialplan geschlossen. Für den Kläger ergab sich daraus ein Anspruch auf Abfindung in Höhe von 11.245,36 DM, den er ebenfalls zur Konkurstabelle anmeldete. Der Beklagte anerkannte diese Forderung. Nachdem der Beklagte die Forderung auf Nachteilsausgleich zunächst bestritten hatte, hat er mit Schreiben vom 4. Juli 1986 gegenüber dem jetzigen Prozeßbevollmächtigten des Klägers mitgeteilt, er sei nunmehr bereit, auch diese Forderung anzuerkennen, falls "die Anmeldung in der Rangklasse des § 61 Nr. 6 KO" erfolge. Zwischen den Parteien ist unstreitig, daß anschließend der Anspruch auf Nachteilsausgleich tatsächlich als einfache Konkursforderung zur Konkurstabelle festgestellt wurde.
[4] Im vorliegenden Verfahren hat der Kläger zunächst die Feststellung begehrt, daß die in der Konkurstabelle unter Abteilung II als einfache Konkursforderung nach § 61 Abs. 1 Ziffer 6 KO eingetragene Abfindungsforderung in Höhe von 38. 870, – DM als Masseforderung geschuldet wird.
[5] In der zweiten Instanz hat der Kläger seinen Antrag umgestellt und den Beklagten auf Zahlung von 38. 870, – DM zuzüglich 4 % Zinsen seit Klagezustellung in Anspruch genommen.
[6] Der Kläger hat vorgetragen, die Parteien seien irrtümlich davon ausgegangen, bei einem Anspruch auf Nachteilsausgleich im Konkurs handele es sich um eine einfache Konkursforderung, während es sich in Wirklichkeit um eine Masseschuld handele. Er sei durch § 145 Abs. 2 KO nicht gehindert, den Nachteilsausgleichsanspruch als Masseschuld gerichtlich geltend zu machen. § 145 Abs. 2 KO habe nur insofern Rechtskraftwirkung, als es sich um in die Tabelle eintragbare Forderungen handele. Bei dem Anspruch auf Nachteilsausgleich handele es sich jedoch um eine Masseschuld. Der Anspruch auf Nachteilsausgleich scheitere nicht daran, daß Betriebsrat und Konkursverwalter nachträglich einen "Interessenausgleich" abgeschlossen hätten. Ein Anspruch auf Nachteilsausgleich entstehe immer dann, wenn der Arbeitgeber nicht vor der Betriebsänderung einen Interessenausgleich versucht habe und infolge der Maßnahme Arbeitnehmer entlassen werden oder andere wirtschaftliche Nachteile erleiden. Da § 113 Abs. 3 BetrVG eine Rechtsfolgenverweisung enthalte, spiele es keine Rolle, ob bei dem Versuch eines Interessenausgleichs vor Durchführung der Betriebsänderung gleiche oder ähnliche Nachteile entstanden wären.
[7] Der Kläger hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger einen Abfindungsbetrag in Höhe von 38. 870, – DM zuzüglich 4 % Zinsen seit Klagezustellung zu zahlen.
[8] Der Beklagte hat beantragt, den Antrag abzuweisen.
[9] Zur Begründung hat er ausgeführt, die Klage sei schon deshalb unbegründet, weil ihr die Rechtskraftwirkung des § 145 Abs. 2 KO entgegenstehe. Es könne nicht angehen, daß der Kläger wegen desselben Lebenssachverhalts zwei verschiedene Titel, aus denen er vollstrecken könne, erhalte. Abgesehen davon sei der Anspruch auf Nachteilsausgleich zu Recht als einfache Konkursforderung in die Konkurstabelle eingetragen worden. Zum Zeitpunkt der Stillegung des Betriebs der Gemeinschuldnerin habe niemand daran gedacht, daß es sich bei der Nachteilsausgleichsforderung um eine Masseschuld handeln könne. Erst durch das Inkrafttreten des Gesetzes über den Sozialplan sei eine Rechtsänderung eingetreten, die sich auch auf den Nachteilsausgleich ausgewirkt habe. Vorliegend seien auch nicht die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Nachteilsausgleich erfüllt. Der Kläger hätte die gleichen Nachteile gehabt, wenn ein Interessenausgleich vor der Betriebsstillegung durchgeführt worden wäre. Keinesfalls sei der Anspruch in der vom Kläger geltend gemachten Höhe begründet. Es sei zu berücksichtigen, daß der Kläger noch im Laufe der Kündigungsfrist einen neuen Arbeitsplatz gefunden habe und ihm für die Nachteile aus der Betriebsstillegung eine Abfindungsforderung aus dem Sozialplan in Höhe von 11.245,36 DM zustehe.
[10] Das Arbeitsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, diese sei infolge der Rechtskraftwirkung von § 145 Abs. 2 KO unbegründet. Die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht mit der Begründung zurückgewiesen, der gleiche Nachteil wäre dem Kläger entstanden, wenn ein Interessenausgleich vor Ausspruch der Kündigung abgeschlossen worden wäre. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen bisherigen Antrag weiter, während der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
[11] Entscheidungsgründe: Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Urteils des Landesarbeitsgerichts und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits zur erneuten Verhandlung und Entscheidung.
[12] A. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, die Klage sei zulässig. Der Kläger ist zwar von der ursprünglich erhobenen Feststellungs- zur Leistungsklage übergegangen. Das Landesarbeitsgericht hat aber festgestellt, der Beklagte habe sich, ohne der Änderung zu widersprechen, in der mündlichen Verhandlung auf die abgeänderte Klage eingelassen. An diese Feststellung ist der Senat nach § 561 Abs. 2 ZPO gebunden. Deshalb tritt die gesetzliche Vermutung ein, der Beklagte habe in die Klageänderung eingewilligt (§ 267 ZPO).
[13] B. Die Klage kann nicht mit der Begründung der Vorinstanzen abgewiesen werden.
[14] I. Der Geltendmachung des Anspruchs auf Nachteilsausgleich steht nicht § 145 Abs. 2 KO entgegen.
[15] 1. Nach § 145 Abs. 2 KO gilt die Eintragung in die Tabelle "rücksichtlich der festgestellten Forderungen ihrem Betrag und ihrem Vorrecht nach wie ein rechtskräftiges Urteil gegenüber allen Konkursgläubigern".
[16] Vorliegend hat der Kläger die geltend gemachte Nachteilsausgleichsforderung in Höhe von 38. 870, – DM zur Konkurstabelle als einfache Konkursforderung nach § 61 Abs. 1 Nr. 6 KO angemeldet. Der Beklagte hat sie als solche festgestellt.
[17] Dementsprechend müßte eigentlich die vorliegende Klage unzulässig sein. Denn wenn auch die Feststellung der Forderung zur Konkurstabelle lediglich eine Beurkundung der Anerkennung der Forderung durch den Verwalter und die Konkursgläubiger, jedoch kein Anerkenntnisurteil ist (Kuhn/Uhlenbruck, KO, 10. Aufl. 1986, § 145 Rz 3), so wirkt sie doch hinsichtlich der festgestellten Forderungen gegenüber allen Konkursgläubigern und dem Konkursverwalter wie ein rechtskräftiges Urteil (BAGE 20, 1 = AP Nr. 5 zu § 61 KO; BGH Urteil vom 4. Oktober 1984 – IX ZR 159/83ZIP 1984, 1509; Jaeger/Weber, KO, 8. Aufl., § 145 Rz 7, 11; Kuhn/Uhlenbruck, aaO, § 145 Rz 3).
[18] 2. Der Rechtskraft nach § 145 Abs. 2 KO fähig sind aber nur Konkursforderungen. Das sind die Forderungen aller persönlichen Gläubiger, die einen zur Zeit der Eröffnung des Konkursverfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen den Gemeinschuldner haben (§ 3 Abs. 1 KO). Masseforderungen sind keine Konkursforderungen und werden dies auch nicht durch Anmeldung, Anerkennung und Feststellung. Deshalb hat die Tabelleneintragung hier auch keine Rechtskraftwirkung. Da Massekosten- und Masseschuldansprüche auch durch Anmeldung und Feststellung zur Konkurstabelle nicht zu Konkursforderungen werden und die Rechtskraftwirkungen der §§ 145 Abs. 2, 147 KO nicht eintreten, ist die spätere Geltendmachung eines Masseschuldanspruchs nicht ausgeschlossen (BAG Urteil vom 15. Mai 1987 – 8 AZR 506/85AP Nr. 35 zu § 7 BUrlG Abgeltung mit zust. Anm. von Uhlenbruck; OLG Düsseldorf Urteil vom 2. April 1974 – 20 U 98/73NJW 1974, 1517; Kuhn/Uhlenbruck, aaO, § 145 Rz 12; Jaeger/Weber, aaO, § 145 Rz 7; Kilger, KO, 15. Aufl., § 145 Anm 4; Hess/Kropshofer, KO, 2. Aufl., § 145 Rz 6 und Heilmann, SGb 1981, 470, 472; a. A. nur Mohrbutter/Mohrbutter, Handbuch der Konkurs- und Vergleichsverwaltung, 5. Aufl., Rz 764).
[19] 3. Die Nachteilsausgleichsforderung, die während des Konkursverfahrens entsteht, ist keine Konkursforderung, sondern Masseschuld, daher steht vorliegend der Geltendmachung des Anspruchs auf Nachteilsausgleich § 145 Abs. 2 KO nicht entgegen.
[20] a) Der Beklagte hat die entgegenstehende Auffassung mit der Begründung vertreten, zum Zeitpunkt der Betriebsstillegung (ab Ende März 1984) und der Kündigung des Klägers (9. Mai zum 31. Dezember 1984) hätte nicht damit gerechnet werden können, daß Nachteilsausgleichsansprüche als Masseschulden berücksichtigt würden.
[21] Tatsächlich hat der Große Senat des Bundesarbeitsgerichts im Beschluß vom 13. Dezember 1978 (- GS 1/77BAGE 31, 176 = AP Nr. 6 zu § 112 BetrVG 1972) Sozialplanabfindungen und Nachteilsausgleichsansprüche im Konkurs gleichbehandeln wollen und ihnen beiden den Rang vor Nr. 1 des § 61 Abs. 1 KO gegeben. Diese Einordnung ist durch Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Oktober 1983 (- 2 BvR 485/80 – und – 2 BvR 486/80 – AP Nr. 22 zu § 112 BetrVG 1972) wegen Verletzung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG für verfassungswidrig befunden worden. Richtig ist auch, daß das Bundesverfassungsgericht entschieden hat, wenn das BAG zu der Auffassung gekommen sei, Sozialplanforderungen seien keine Masseschuld, müsse es prüfen, in welchen vorhandenen Rang des § 61 KO die Sozialplanforderung einzuordnen sei. Da das Bundesverfassungsgericht nur über die Frage zu entscheiden hatte, ob der Beschluß des Großen Senats verfassungswidrig war oder nicht, hat es zu der Frage, ob die Qualifizierung der Sozialplan- oder Nachteilsausgleichsforderung als Masseschuld nach § 59 Abs. 1 KO verfassungsgemäß ist oder nicht, nicht Stellung genommen.
[22] b) Im Urteil vom 9. Juli 1985 (BAGE 49, 160 = AP Nr. 13 zu § 113 BetrVG 1972) hat der Senat entschieden, der Anspruch auf einen Nachteilsausgleich sei dann Masseforderung im Sinne von § 59 Abs. 1 Nr. 1 KO, wenn der Konkursverwalter den Arbeitnehmer entlassen hat, ohne über die Betriebsänderung einen Interessenausgleich im vorgeschriebenen Verfahren versucht zu haben. Er hat dies damit begründet, der Gesetzgeber habe die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Oktober 1983 zum Anlaß genommen, die konkursrechtliche Behandlung von Ansprüchen aus Sozialplänen neu zu regeln (Gesetz über den Sozialplan im Konkurs- und Vergleichsverfahren vom 20. Februar 1985 – SozplKonkG – BGBl. I S. 369). Nach § 4 des SozplKonkG werden die Sozialplanforderungen im Konkurs mit dem Rang des § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO berichtigt; dabei darf aber nur ein Drittel der für die Verteilung an die Konkursgläubiger zur Verfügung stehenden Konkursmasse verwendet werden. Dieses Gesetz gilt jedoch nicht für Ansprüche auf Nachteilsausgleich nach § 113 Abs. 3 BetrVG. Dies ergibt sich bereits aus § 1 SozplKonkG, nach dem nur für die Behandlung des Sozialplans im Konkurs- oder Vergleichsverfahren die folgenden Vorschriften gelten. Dem Gesetzgeber war aus den Entscheidungen des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts wie des Bundesverfassungsgerichts bekannt, daß für Nachteilsausgleichsansprüche eine entsprechende Problematik bestand. Dennoch hat er die Ansprüche auf Nachteilsausgleich von der gesetzlichen Regelung des SozplKonkG ausgenommen und zur Begründung ausgeführt: "Die Vorschrift (gemeint ist § 1) verdeutlicht, daß die §§ 2 bis 5 nur für den Sozialplan, nicht aber auch für den Nachteilsausgleich nach § 113 des BetrVG, Sondervorschriften enthalten. Die Gleichbehandlung von Sozialplan- und Nachteilsausgleichsforderungen ist verfassungsrechtlich nicht geboten. Auf den Nachteilsausgleich lassen sich die allgemeinen konkursrechtlichen Vorschriften, insbesondere §§ 3 und 59 Abs. 1 Nr. 1 der KO anwenden; in ihrer Gesamtheit führen sie auch für die Arbeitnehmer zu angemessenen Ergebnissen." Der Hinweis auf die §§ 3 und 59 Abs. 1 Nr. 1 KO in der Begründung zum SozplKonkG verlangt, wie der Senat bereits in der Entscheidung vom 9. Juli 1985 (aaO) ausgeführt hat, eine Unterscheidung danach, ob der Anspruch auf Nachteilsausgleich vor oder nach Konkurseröffnung entstanden ist. Ist der Anspruch erst nach Konkurseröffnung "aus … Handlungen des Konkursverwalters" entstanden, ist er Masseforderung im Sinne von § 59 Abs. 1 Nr. 1 KO. Auch Ansprüche auf Nachteilsausgleich, die vor Inkrafttreten des SozplKonkG entstanden sind, sind Masseforderungen, wenn der Konkursverwalter einen Arbeitnehmer entlassen hat, ohne über die Betriebsänderung einen Interessenausgleich im vorgeschriebenen Verfahren versucht zu haben. In diesem Falle kann nämlich der Anspruch auf Nachteilsausgleich keine Konkursforderung sein, weil er zur Zeit der Eröffnung des Konkursverfahrens noch nicht entstanden ist. Es handelt sich um eine Masseschuld nach § 59 Abs. 1 Nr. 1 KO, weil der Anspruch nach Konkurseröffnung aus einer Handlung des Konkursverwalters entstanden ist, nämlich aus der Betriebsänderung, die der Konkursverwalter vorgenommen hat, ohne vorher einen Interessenausgleich versucht zu haben.
[23] II. Die Klage – und damit die Revision – ist nicht bereits deshalb begründet, weil der Beklagte den Anspruch auf Nachteilsausgleich als einfacher Konkursforderung nicht widersprochen bzw. den Widerspruch beseitigt hat.
[24] 1. Mit der Feststellung der Nachteilsausgleichsforderung als einfache Konkursforderung war kein abstraktes Schuldanerkenntnis (§ 781 BGB) verbunden, denn der Beklagte wollte keine neue Schuld begründen, sondern entsprechend seiner Verpflichtung (§ 3 KO in Verb. mit §§ 138 ff. KO) nur die zur Zeit der Konkurseröffnung bestehenden Forderungen feststellen.
[25] 2. Auch auf ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis kann sich der Kläger nicht berufen.
[26] Mit dem deklaratorischen Schuldanerkenntnis wird lediglich eine schon vorhandene Schuld bestätigt, keine neue Verbindlichkeit begründet (BGH Urteil vom 16. Januar 1973 – VI ZR 197/71NJW 1973, 620; RGRK-Steffen, BGB, 12. Aufl., § 781 Rz 7). Es wird auch keine neue Rechtsgrundlage geschaffen. Dogmatisch wird es im neueren Schrifttum als kausaler Feststellungsvertrag eingeordnet (Kübler, Feststellung und Garantie, 1967, S. 129 ff., 135 ff.; Marburger, Das kausale Schuldanerkenntnis als einseitiger Feststellungsvertrag, 1971, S. 30 ff.; Möschel, DB 1970, 913 ff.).
[27] Zweck eines deklaratorischen Anerkenntnisses ist es in aller Regel, das Schuldverhältnis dem Streit der Parteien zu entziehen und es endgültig festzulegen (BAG Urteil vom 18. Februar 1976 – 5 AZR 629/74 – AP Nr. 3 zu § 781 BGB, zu 3 b der Gründe; BGH LM § 781 BGB Nr. 5; RGRK-Steffen, aaO, § 781 Rz 8). Daher werden durch ein bestätigendes Anerkenntnis dem Schuldner regelmäßig alle Einwendungen abgeschnitten, die er im Zeitpunkt seiner Erklärung kannte oder mit denen er zumindest rechnete. Der Ausschluß erstreckt sich auf Einwände tatsächlicher und rechtlicher Natur (BGH LM § 781 BGB Nr. 5; RGRK-Steffen, aaO, § 781 Rz 9).
[28] Vorliegend hat der Beklagte als Konkursverwalter den geltend gemachten Zahlungsanspruch nicht anerkannt, sondern den untauglichen Versuch unternommen, eine nicht eintragbare Masseforderung als Konkursforderung festzustellen. Hierin könnte allerdings die Bestätigung eines "möglicherweise" bestehenden Schuldverhältnisses liegen. Ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis kann nämlich auch die Bedeutung haben, daß die Parteien Zweifel über den Grund des Anspruchs oder seine Rechtsgrundlage beseitigen wollen (BGH LM § 781 Nr. 2; RGRK-Steffen, aaO, Rz 13). Ein derartiges Anerkenntnis hat vergleichsähnliche Natur. Auf diese Weise können dem Anerkennenden rechtshindernde und rechtsvernichtende Einwendungen abgeschnitten werden. Der einem solchen bestätigenden Schuldanerkenntnis zugrundeliegende Sachverhalt muß allerdings überhaupt geeignet sein, den anerkannten Anspruch auf irgendeine Art zu rechtfertigen. Anderenfalls würden die Parteien durch ihre Erklärung erst ein Schuldverhältnis begründen. Das aber ist nur durch ein abstraktes Schuldanerkenntnis möglich (BGH LM § 781 BGB Nr. 2; BGH Urteil vom 24. Juni 1970 – IV ZR 653/68VersR 1970, 945, 947; a. A. Kübler, aaO, S. 110; Marburger, aaO, S. 15). Vorliegend hat der Beklagte aber auch kein möglicherweise bestehendes Schuldverhältnis anerkannt. Der Beklagte hat mit der Feststellung der angemeldeten Nachteilsausgleichsforderung nur bestätigt, daß der Kläger bereits zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung eine Forderung hatte (§ 3 KO), die demgemäß als einfache Konkursforderung einzutragen war. Dagegen macht der Kläger im vorliegenden Verfahren eine Forderung auf Zahlung von 38. 870, – DM geltend. Diese Klage kann nur begründet sein, wenn der Anspruch nach Eröffnung des Konkursverfahrens aufgrund einer Handlung des Konkursverwalters entstanden ist (§ 59 Abs. 1 Nr. 1 KO). Das hat der Konkursverwalter aber von Anfang an bestritten.
[29] III. Der Kläger hat aber einen Masseanspruch auf Nachteilsausgleich, weil infolge von Handlungen des Konkursverwalters nach Eröffnung des Konkurses die Voraussetzungen des § 113 Abs. 3 BetrVG erfüllt sind.
[30] Nach § 113 Abs. 3 BetrVG hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Zahlung einer Abfindung entsprechend § 10 KSchG, wenn der Unternehmer eine geplante Betriebsänderung i. S. von § 111 BetrVG durchführt, ohne über sie einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat versucht zu haben, und infolge der Maßnahme Arbeitnehmer entlassen werden oder andere wirtschaftliche Nachteile erleiden.
[31] 1. Der Beklagte hat nach Konkurseröffnung den Betrieb des Gemeinschuldners stillgelegt. Er hat vor der Stillegung und vor der Kündigung des Klägers einen Interessenausgleich nicht versucht. Der Interessenausgleich soll regeln, ob, wann und in welcher Weise eine Betriebsänderung durchgeführt wird. Zweck der gesetzlichen Regelung, die den Arbeitgeber verpflichtet, bei einer geplanten Betriebsänderung mit dem Betriebsrat über einen Interessenausgleich zu beraten, ist es zu gewährleisten, daß der Arbeitgeber sich bei seiner Entscheidung über die Betriebsänderung mit den Argumenten des Betriebsrats über das Ob, Wann und Wie der Betriebsänderung auseinandersetzt. Auf diese Weise soll erreicht werden, daß der Unternehmer zwar über die Betriebsänderung allein entscheidet, aber bei seiner Entscheidung die Argumente des Betriebsrats über das Ob, Wann und Wie der Betriebsänderung mitberücksichtigt.
[32] Wie der Senat bereits in der Entscheidung vom 9. Juli 1985 (aaO) ausgeführt hat, kann der Unternehmer gegenüber einem Anspruch auf Nachteilsausgleich nach § 113 Abs. 3 BetrVG nicht geltend machen, der Interessenausgleich sei nicht erforderlich gewesen, weil ein zwingender Grund im Sinne von § 113 Abs. 1 BetrVG die Entlassung aller Arbeitnehmer ohnehin gerechtfertigt hätte. Zwar sollen nach § 113 Abs. 3 BetrVG die Absätze 1 und 2 dieser Bestimmung entsprechend gelten. Damit sind aber nicht die Anspruchsvoraussetzungen gemeint, sondern nur die Rechtsfolgen. Wie sich bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift des § 113 BetrVG ergibt, hat die Abfindung nach § 113 BetrVG neben der Ausgleichs- noch eine Sanktionsfunktion. Mit Hilfe der Abfindungen soll der Arbeitgeber angehalten werden, den im Gegensatz zum Sozialplan nicht erzwingbaren Interessenausgleich zu versuchen und ggf. einzuhalten. Dementsprechend muß ein Unternehmer, der Ansprüche auf Nachteilsausgleich vermeiden will, das für den Versuch eines Interessenausgleichs vorgesehene Verfahren voll ausschöpfen (BAG Urteil vom 18. Dezember 1984, BAGE 47, 329, 338 = AP Nr. 11 zu § 113 BetrVG 1972, zu I 3 a der Gründe und Senatsentscheidung vom 9. Juli 1985, aaO; Weller, AR-Blattei, Sozialplan I).
[33] 2. Da der Beklagte einen Interessenausgleich vor der Entlassung des Klägers nicht versucht hat, ist ein Nachteilsausgleichsanspruch nach § 113 Abs. 3 BetrVG entstanden. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts kommt es nicht darauf an, ob Betriebsrat und Arbeitgeber nachträglich einen "Interessenausgleich" vereinbart haben und ob der Kläger den gleichen Nachteil hätte in Kauf nehmen müssen, wenn ein Interessenausgleich vor der Betriebsänderung versucht worden wäre. § 113 Abs. 3 BetrVG stellt nicht darauf ab, ob der Arbeitnehmer gerade deshalb einen Nachteil erlitten hat, weil der Unternehmer die geplante Betriebsänderung durchgeführt hat, ohne über sie einen Interessenausgleich versucht zu haben. Die Voraussetzungen für einen Nachteilsausgleich nach § 113 Abs. 3 BetrVG sind vielmehr bereits erfüllt, wenn der Unternehmer die geplante Betriebsänderung – wie im vorliegenden Falle – durchführt, ohne über sie einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat versucht zu haben, und infolge der Maßnahme Arbeitnehmer entlassen werden. Die Maßnahme ist die Betriebsänderung. Aufgrund der Betriebsstillegung ist der Kläger entlassen worden. Dementsprechend sind die Voraussetzungen für einen Nachteilsausgleichsanspruch nach § 113 Abs. 3 BetrVG erfüllt. Aus diesem Grunde hat der Kläger nach § 113 Abs. 3 BetrVG in Verbindung mit § 113 Abs. 1 BetrVG einen Anspruch auf Zahlung einer Abfindung entsprechend § 10 KSchG. Da § 113 Abs. 3 BetrVG neben der Ausgleichs- eine Sanktionsfunktion hat, kommt es entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts gerade nicht darauf an, ob die Nachteile auch entstanden wären, wenn der Interessenausgleich rechtzeitig versucht worden wäre. Sinn des § 113 Abs. 3 BetrVG ist es, den Unternehmer anzuhalten, in jedem Falle vor der Durchführung einer Betriebsänderung den Betriebsrat einzuschalten, um eine möglichst schonende Regelung für die Belegschaft zu erreichen. Diese Sanktionsfunktion würde dem § 113 Abs. 3 BetrVG genommen, wenn man mit dem Landesarbeitsgericht auf einen vom Gesetz nicht verlangten Kausalzusammenhang zwischen fehlendem Versuch des Interessenausgleichs und der Entlassung des Arbeitnehmers abstellen würde.
[34] 3. a) Der Anspruch auf Nachteilsausgleich ist nicht deshalb entfallen, weil nachträglich ein Sozialplan vereinbart worden ist, der auch den Kläger begünstigt.
[35] Der Große Senat des Bundesarbeitsgerichts hat insoweit in dem Beschluß vom 13. Dezember 1978 (aaO, zu Teil IV A 3 der Gründe) ausgeführt, die Abfindungsansprüche aus einem Sozialplan einerseits und nach § 113 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 1 BetrVG andererseits stünden nicht beziehungslos nebeneinander. Die Zahlung beider Abfindungen für den Verlust des Arbeitsplatzes könne nicht nebeneinander verlangt werden. Die sanktionsweise nach § 113 BetrVG zu gewährende Abfindung trete in Höhe des Nachteilsausgleichs an die Stelle der Sozialplanabfindung. Werde – wie vorliegend – nachträglich noch ein Sozialplan aufgestellt, der die Zahlung von Abfindungen an Arbeitnehmer für den Verlust ihres Arbeitsplatzes vorsehe, so seien nach § 113 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 1 BetrVG zuerkannte Abfindungen anzurechnen. An diese Auffassung des Großen Senats ist der erkennende Senat gebunden, weil insoweit das Bundesverfassungsgericht den Beschluß des Großen Senats nicht aufgehoben hat. Insoweit ist der Senat in seiner Entscheidung vom 18. Dezember 1984 (BAGE 47, 329 = AP Nr. 11 zu § 113 BetrVG 1972) auch dem Großen Senat gefolgt.
[36] Der Anspruch auf Nachteilsausgleich kann auch höher sein als die Sozialplanabfindung. Mit der Abfindung nach § 113 Abs. 3 BetrVG soll zugleich das Verhalten des Arbeitgebers sanktioniert werden. Diese Funktion würde leerlaufen, wenn der Nachteilsausgleich in jedem Falle auf den Abfindungsanspruch aus dem Sozialplan begrenzt wäre (Galperin/Löwisch, BetrVG, 6. Aufl., § 113 Rz 51; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, 15. Aufl., § 113 Rz 25; Kaven, Das Recht des Sozialplans, 1977, S. 66 f.; Weiss, BetrVG, 2. Aufl., § 112 Rz 11; a. A. Fabricius, GK-BetrVG, 2. Bearbeitung, § 112 Rz 87; Dolde/Bauer, BB 1978, 1675, 1678).
[37] Nicht entschieden war bisher die Frage, wie im Konkurs die Abfindung aus dem Sozialplan (bevorrechtigte Konkursforderung) auf den Nachteilsausgleich (Masseforderung) anzurechnen ist. Der Große Senat (aaO, Teil IV A 3 der Gründe) mußte dazu nicht Stellung nehmen, da er Nachteilsausgleichs- und Sozialplanforderung den gleichen konkursrechtlichen Rang gab.
[38] Auszugehen ist bei der Lösung von dem Grundgedanken des Großen Senats (aaO), der Arbeitnehmer solle neben der Nachteilsausgleichsforderung nicht auch noch eine Abfindung aus dem Sozialplan erhalten. Das bedeutet auch, daß der Arbeitnehmer nicht dadurch schlechter gestellt werden soll, daß neben dem Anspruch auf Nachteilsausgleich noch eine Sozialplanforderung besteht. Daher kann die Masseforderung auf Nachteilsausgleich nicht um den nominellen Wert einer im Konkurs nur bevorrechtigten Sozialplanforderung reduziert werden. Vielmehr wird auf die Nachteilsausgleichsforderung nur das angerechnet, was der Arbeitnehmer aufgrund der Sozialplanforderung tatsächlich erhalten hat. Vorliegend ist zwischen den Parteien noch streitig, ob die gesamte Sozialplanforderung von 11.245,36 DM (so der Beklagte) oder nur 20 % der Sozialplanforderung (so der Kläger) ausgezahlt worden ist. Anrechnen darf der Beklagte aber nur, was er nachgewiesenermaßen auf die Sozialplanforderung geleistet hat.
[39] b) Besteht also dem Grunde nach ein Anspruch auf Nachteilsausgleich, so war der Rechtsstreit zurückzuverweisen, da noch nicht die Höhe des Anspruchs auf Nachteilsausgleich feststeht. Nach § 113 Abs. 3 in Verbindung mit § 113 Abs. 1 BetrVG gilt insoweit § 10 KSchG entsprechend. Für die Höhe der Abfindung ist daher nicht nur der Rahmen des § 10 KSchG zu beachten, sondern auch auf Betriebszugehörigkeit und Lebensalter abzustellen. Daneben kann – wie auch sonst im Kündigungsschutzverfahren – nicht unberücksichtigt bleiben, welche tatsächlichen Nachteile der Arbeitnehmer aufgrund der Entlassung hinnehmen mußte. Im vorliegenden Falle ist zu berücksichtigen, daß der Kläger infolge der Kündigung sämtliche Anwartschaften, die er im Verlaufe der mehr als 22-jährigen Betriebszugehörigkeit erworben hat, verloren hat. Auf der anderen Seite darf nicht außer Acht gelassen werden, daß der Kläger bereits während des Laufs der Kündigungsfrist bei einem anderen Arbeitgeber einen neuen Arbeitsplatz gefunden hat und ungefähr das gleiche Gehalt wie vorher erhält. Das Landesarbeitsgericht hat daher nach Zurückverweisung unter Berücksichtigung der oben angeführten Gesichtspunkte die Höhe der Abfindung festzusetzen.