Europäischer Gerichtshof
1. Eine öffentlich-rechtliche Anstalt für Arbeit, die Arbeitsvermittlung betreibt, unterliegt dem Verbot des Artikels 86 EWG-Vertrag, soweit die Anwendung dieser Vorschrift nicht die Erfüllung der ihr übertragenen besonderen Aufgabe verhindert. Ein Mitgliedstaat, der einer solchen Anstalt ein Arbeitsvermittlungsmonopol eingeräumt hat, verstösst gegen Artikel 90 Absatz 1 EWG-Vertrag, wenn er eine Lage schafft, in der die Anstalt zwangsläufig gegen Artikel 86 EWG-Vertrag verstossen muß. Dies gilt insbesondere, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind: – Das Monopol erstreckt sich auf Tätigkeiten zur Vermittlung von Führungskräften der Wirtschaft; – die öffentlich-rechtliche Anstalt für Arbeit ist offenkundig nicht in der Lage, die Nachfrage auf dem Markt nach solchen Leistungen zu befriedigen; – die tatsächliche Ausübung der Vermittlungstätigkeiten durch private Personalberatungsunternehmen wird durch die Beibehaltung einer Gesetzesbestimmung unmöglich gemacht, die diese Tätigkeiten bei Strafe der Nichtigkeit der entsprechenden Verträge verbietet; – die betreffenden Vermittlungstätigkeiten können sich auf Angehörige oder das Gebiet anderer Mitgliedstaaten erstrecken.
2. Ein Personalberatungsunternehmen eines Mitgliedstaats kann sich für die Vermittlung von Angehörigen dieses Mitgliedstaats an Unternehmen desselben Staates nicht auf die Artikel 7 und 59 EWG-Vertrag berufen.

EuGH, Urteil vom 23. 4. 1991 – C-41/90 (lexetius.com/1991,371)

[1] 1. Das Oberlandesgericht München hat mit Beschluß vom 31. Januar 1990, beim Gerichtshof eingegangen am 14. Februar 1990, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag vier Fragen nach der Auslegung der Artikel 7, 55, 56, 59, 60, 66, 86 und 90 EWG-Vertrag zur Vorabentscheidung vorgelegt.
[2] 2. Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen den Personalberatern Höfner und Elser und der Macrotron GmbH mit Sitz in München. In dem Rechtsstreit geht es um die Honorarforderung von Höfner und Elser gegenüber dieser Gesellschaft aus einem Vertrag, wonach sie ihr bei der Besetzung der Stelle eines Leiters der Verkaufsabteilung behilflich sein sollten.
[3] 3. Der Arbeitsmarkt ist in Deutschland durch das Arbeitsförderungsgesetz (AFG) geregelt. Nach § 1 AFG sind die Maßnahmen nach diesem Gesetz im Rahmen der Sozial- und Wirtschaftspolitik der Bundesregierung darauf auszurichten, daß ein hoher Beschäftigungsstand erzielt und aufrechterhalten, die Beschäftigungsstruktur ständig verbessert und damit das Wachstum der Wirtschaft gefördert wird. Die Verwirklichung dieses allgemeinen Ziels, das in § 2 näher festgelegt ist, obliegt gemäß § 3 der Bundesanstalt für Arbeit, deren Tätigkeit im wesentlichen darin besteht, Arbeitsuchende mit Arbeitgebern zusammenzuführen und Arbeitslosengeld zu gewähren.
[4] 4. Die erste dieser Tätigkeiten, die in § 13 AFG definiert ist, übt die Bundesanstalt aufgrund eines ihr zu diesem Zweck nach § 4 AFG eingeräumten Monopols aus (nachstehend: Arbeitsvermittlungsmonopol).
[5] 5. § 23 AFG sieht jedoch eine Ausnahme vom Arbeitsvermittlungsmonopol vor. Die Bundesanstalt kann nämlich in Ausnahmefällen nach Anhörung der beteiligten Verbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer Einrichtungen oder Personen mit der Arbeitsvermittlung für einzelne Berufe beauftragen. Deren Tätigkeiten unterliegen jedoch der Aufsicht der Bundesanstalt.
[6] 6. Die Bundesanstalt übt nach den §§ 20 und 21 AFG ihr Arbeitsvermittlungsmonopol unparteiisch und unentgeltlich aus. Die Bundesanstalt kann nach § 167, der sich in dem die Aufbringung der Mittel für eine derartige Durchführung ihrer Aufgaben betreffenden Sechsten Abschnitt des AFG findet, von Arbeitgebern und Arbeitnehmern Beiträge erheben.
[7] 7. Der Achte Abschnitt des AFG enthält Straf- und Bußgeldvorschriften. Nach § 228 kann jede gegen das AFG verstossende Vermittlungstätigkeit mit einer Geldbusse geahndet werden.
[8] 8. Trotz des Arbeitsvermittlungsmonopols der Bundesanstalt entwickelte sich in Deutschland eine besondere Vermittlungstätigkeit bei der Besetzung von Stellen für Führungskräfte der Wirtschaft. Diese Tätigkeit wird von Personalberatern ausgeuebt, die die Unternehmen im Bereich der Personalpolitik betreuen.
[9] 9. Die Bundesanstalt reagierte auf zweierlei Weise auf diese Entwicklung. Zum einen beschloß sie im Jahr 1954 die Eröffnung eines besonderen Büros zur Vermittlung hochqualifizierter Kräfte für Leitungsfunktionen in Unternehmen. Zum anderen veröffentlichte sie Runderlasse, in denen sie sich bereit erklärte, im Rahmen einer Vereinbarung zwischen ihr, dem Bundesarbeitsminister und mehreren Wirtschaftsverbänden bestimmte auf Führungskräfte der Wirtschaft beschränkte Tätigkeiten von Personalberatern zu dulden. Ihre Bereitschaft, solche Tätigkeiten zu dulden, kommt auch darin zum Ausdruck, daß sie nicht systematisch nach § 228 AFG gerichtlich gegen Personalberater wegen deren Tätigkeit vorgegangen ist.
[10] 10. Auch wenn die Tätigkeiten von Personalberatern somit von der Bundesanstalt in gewissem Umfang geduldet werden, ist doch jedes Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstösst, gemäß § 134 BGB nichtig; nach der Rechtsprechung der deutschen Gerichte fallen unter dieses Verbot die Vermittlungstätigkeiten, die unter Verstoß gegen die Bestimmungen des AFG ausgeuebt werden.
[11] 11. In dem Ausgangsrechtsstreit geht es um die Vereinbarkeit des zwischen Höfner und Elser und der Firma Macrotron geschlossenen Personalberatungsvertrags mit dem AFG. In Erfüllung ihrer vertraglichen Verpflichtungen präsentierten Höfner und Elser der Firma Macrotron einen Bewerber für die Stelle eines Leiters der Verkaufsabteilung. Es handelte sich um einen deutschen Staatsangehörigen, der nach Auffassung der Personalberater für die Besetzung der betreffenden Stelle sehr gut geeignet war. Die Firma Macrotron beschloß jedoch, diesen Bewerber nicht einzustellen, und lehnte die Zahlung des vertraglich vereinbarten Honorars ab.
[12] 12. Höfner und Elser verklagten daraufhin die Firma Macrotron vor dem Landgericht München I auf Zahlung des vereinbarten Honorars. Das Landgericht wies ihre Klage mit Urteil vom 27. Oktober 1987 ab. Die Kläger legten gegen dieses Urteil Berufung zum Oberlandesgericht München ein, das die Auffassung vertritt, der in Rede stehende Vertrag sei nach § 134 BGB wegen Verstosses gegen § 13 AFG nichtig. Nach Ansicht des Oberlandesgerichts hängt jedoch die Entscheidung des Rechtsstreits letztlich von der Auslegung des Gemeinschaftsrechts ab. Es hat deshalb folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
[13] 1) Ist die Vermittlung von Führungskräften der Wirtschaft durch Personalberatungsunternehmen eine Dienstleistung im Sinne des Artikels 60 Absatz 1 EWG-Vertrag und ist die Vermittlung von Führungskräften mit der Ausübung öffentlicher Gewalt im Sinne der Artikel 66 und 55 EWG-Vertrag verbunden?
[14] 2) Stellt das in den §§ 4 und 13 AFG normierte vollständige Verbot der Vermittlung von Führungskräften der Wirtschaft durch deutsche Personalunternehmen eine durch das Allgemeininteresse gerechtfertigte Berufsregelung oder ein aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit (Artikel 66 und 56 Absatz 1 EWG-Vertrag) gerechtfertigtes Monopol dar?
[15] 3) Kann sich ein deutsches Personalunternehmen bei der Vermittlung von Deutschen an deutsche Unternehmen auf die Artikel 7 und 59 EWG-Vertrag berufen?
[16] 4) Ist die Bundesanstalt für Arbeit bei der Vermittlung von Führungskräften der Wirtschaft im Hinblick auf Artikel 90 Absatz 2 EWG-Vertrag an die Vorschriften des EWG-Vertrags, insbesondere an Artikel 59 EWG-Vertrag, gebunden und ist eine Monopolisierung der Vermittlung von Führungskräften der Wirtschaft eine mißbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung im Sinne des Artikels 86 EWG-Vertrag?
[17] 13. Wegen weiterer Einzelheiten des rechtlichen Rahmens und des Sachverhalts des Ausgangsrechtsstreits, des Verfahrensablaufs und der beim Gerichtshof eingereichten schriftlichen Erklärungen wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt wird im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.
[18] 14. Mit den ersten drei Fragen und der vierten Frage, soweit sie Artikel 59 EWG-Vertrag betrifft, möchte das vorlegende Gericht im wesentlichen Aufschluß darüber erhalten, ob die Bestimmungen des EWG-Vertrags über den freien Dienstleistungsverkehr einem gesetzlichen Verbot der Vermittlung von Führungskräften der Wirtschaft durch private Personalberatungsunternehmen entgegenstehen. Die vierte Frage betrifft im wesentlichen die Auslegung der Artikel 86 und 90 EWG-Vertrag in bezug auf das Wettbewerbsverhältnis zwischen diesen Unternehmen und einer öffentlich-rechtlichen Anstalt für Arbeit, die ein Arbeitsvermittlungsmonopol besitzt.
[19] 15. Letztere Frage wirft das Problem der Tragweite dieses Monopols und damit des gesetzlichen Verbots der Vermittlung von Führungskräften durch Privatunternehmen auf, um das es im Ausgangsverfahren geht. Deshalb ist diese Frage zuerst zu behandeln.
Zur Auslegung der Artikel 86 und 90 EWG-Vertrag
[20] 16. Die vierte Frage des vorlegenden Gerichts geht im einzelnen dahin, ob das einer öffentlich-rechtlichen Anstalt für Arbeit vorbehaltene Monopol der Vermittlung von Führungskräften unter Berücksichtigung des Artikels 90 Absatz 2 eine mißbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung im Sinne von Artikel 86 ist. Für eine sachgerechte Beantwortung dieser Frage ist dieses Monopol auch unter Einbeziehung des Artikels 90 Absatz 1 zu prüfen, der die Voraussetzungen betrifft, die die Mitgliedstaaten beachten müssen, wenn sie besondere oder ausschließliche Rechte gewähren. Die beim Gerichtshof eingereichten Erklärungen beziehen sich im übrigen sowohl auf den Absatz 1 wie auf den Absatz 2 des Artikels 90 EWG-Vertrag.
[21] 17. Nach Ansicht der Kläger des Ausgangsverfahrens ist eine Anstalt wie die Bundesanstalt ein öffentliches Unternehmen im Sinne des Artikels 90 Absatz 1 und zugleich ein mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betrautes Unternehmen im Sinne des Artikels 90 Absatz 2 EWG-Vertrag. Die Bundesanstalt unterliege daher den Wettbewerbsregeln, soweit die Anwendung dieser Regeln nicht die Erfüllung der ihr übertragenen besonderen Aufgabe verhindere, was im vorliegenden Fall nicht zutreffe. Auch handle die Bundesanstalt, die ihr gesetzliches Arbeitsvermittlungsmonopol auf Tätigkeiten ausgedehnt habe, deren Monopolisierung nicht durch das Allgemeininteresse gerechtfertigt sei, mißbräuchlich im Sinne des Artikels 86 EWG-Vertrag. Darüber hinaus verstosse ein Mitgliedstaat, der einen solchen Mißbrauch zulasse, gegen Artikel 90 Absatz 1 und gegen den allgemeinen Grundsatz, wonach die Mitgliedstaaten alle Maßnahmen zu unterlassen hätten, die den Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft ihre praktische Wirksamkeit nähmen.
[22] 18. Die Kommission vertritt einen etwas anderen Standpunkt. Nach ihrer Ansicht stellt die Aufrechterhaltung eines Monopols für die Vermittlung von Führungskräften der Wirtschaft einen Verstoß gegen Artikel 90 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 86 EWG-Vertrag dar, wenn der Inhaber des Monopols nicht gewillt oder in der Lage sei, diese Leistung entsprechend der Nachfrage auf dem Markt in vollem Umfang zu erbringen, und dieses Verhalten den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen könne.
[23] 19. Die Beklagte des Ausgangsverfahrens und die Bundesregierung meinen dagegen, daß die Tätigkeiten einer Anstalt für Arbeit nicht in den Anwendungsbereich der Wettbewerbsregeln fielen, soweit sie durch eine öffentliche Einrichtung ausgeuebt würden. Die Bundesregierung trägt vor, eine öffentlich-rechtliche Anstalt für Arbeit lasse sich nicht als Unternehmen im Sinne des Artikels 86 EWG-Vertrag qualifizieren, da die Vermittlungsdienste unentgeltlich erbracht würden. Daß diese Tätigkeiten hauptsächlich durch Beiträge der Arbeitgeber und Arbeitnehmer finanziert würden, spreche nicht gegen die Unentgeltlichkeit, da es sich um allgemeine Beiträge handele, die in keinem Zusammenhang mit der erbrachten Einzelleistung stünden.
[24] 20. Angesichts der vorstehenden Ausführungen ist zu prüfen, ob eine öffentlich-rechtliche Anstalt für Arbeit wie die Bundesanstalt als ein Unternehmen im Sinne der Artikel 85 und 86 EWG-Vertrag angesehen werden kann.
[25] 21. Im Rahmen des Wettbewerbsrechts umfasst der Begriff des Unternehmens jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit, unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung. Die Arbeitsvermittlung stellt eine wirtschaftliche Tätigkeit dar.
[26] 22. Daß die Vermittlungstätigkeit normalerweise öffentlich-rechtlichen Anstalten übertragen ist, spricht nicht gegen die wirtschaftliche Natur dieser Tätigkeit. Die Arbeitsvermittlung ist nicht immer von öffentlichen Einrichtungen betrieben worden und muß nicht notwendig von solchen Einrichtungen betrieben werden. Diese Feststellung gilt insbesondere für die Tätigkeiten zur Vermittlung von Führungskräften der Wirtschaft.
[27] 23. Somit lässt sich eine Einheit wie eine öffentlich-rechtliche Anstalt für Arbeit, die Arbeitsvermittlung betreibt, als Unternehmen im Sinne der gemeinschaftsrechtlichen Wettbewerbsregeln qualifizieren.
[28] 24. Eine öffentlich-rechtliche Anstalt für Arbeit, die nach dem Recht eines Mitgliedstaats mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse, wie sie in § 3 AFG vorgesehen sind, betraut ist, unterliegt nach Artikel 90 Absatz 2 EWG-Vertrag den Wettbewerbsregeln, sofern deren Anwendung mit der Erfüllung der Aufgaben dieser Anstalt nicht nachweislich unvereinbar ist (siehe Urteil vom 30. Januar 1974 in der Rechtssache 155/73, Sacchi, Slg. 1974, 409, Randnr. 15).
[29] 25. Was das Verhalten einer öffentlich-rechtlichen Anstalt für Arbeit, die ein Arbeitsvermittlungsmonopol besitzt, gegenüber der Vermittlung von Führungskräften der Wirtschaft durch private Personalberatungsunternehmen betrifft, so kann die Anwendung von Artikel 86 EWG-Vertrag die Erfüllung der dieser Anstalt übertragenen besonderen Aufgabe nicht verhindern, wenn die Anstalt offenkundig nicht in der Lage ist, die Nachfrage auf dem Markt nach solchen Leistungen zu befriedigen, und eine Beeinträchtigung ihres Monopols durch die genannten Unternehmen in der Praxis duldet.
[30] 26. Obgleich sich Artikel 86 an Unternehmen richtet und in den Grenzen des Artikels 90 Absatz 2 auf öffentliche Unternehmen oder Unternehmen mit ausschließlichen oder besonderen Rechten Anwendung findet, begründet der Vertrag doch auch für die Mitgliedstaaten die Verpflichtung, keine Maßnahmen zu treffen oder beizubehalten, die die praktische Wirksamkeit dieser Bestimmung ausschalten könnten (siehe Urteil vom 16. November 1977 in der Rechtssache 13/77, GB-Inno, Slg. 1977, 2115, Randnrn. 30/35). So sieht Artikel 90 Absatz 1 vor, daß die Mitgliedstaaten in bezug auf öffentliche Unternehmen und auf Unternehmen, denen sie besondere oder ausschließliche Rechte gewähren, keine dem Vertrag und insbesondere den Artikeln 85 bis 94 widersprechende Maßnahmen treffen oder beibehalten.
[31] 27. Deshalb wäre eine Maßnahme eines Mitgliedstaats, durch die eine Gesetzesbestimmung beibehalten würde, die eine Lage schafft, in der eine öffentlich-rechtliche Anstalt für Arbeit zwangsläufig gegen Artikel 86 verstossen muß, mit dem Vertrag unvereinbar.
[32] 28. In diesem Zusammenhang ist erstens darauf zu verweisen, daß ein mit einem gesetzlichen Monopol ausgestattetes Unternehmen als im Besitz einer beherrschenden Stellung im Sinne des Artikels 86 EWG-Vertrag angesehen werden kann (siehe Urteil vom 3. Oktober 1985 in der Rechtssache 311/84, CBEM, Slg. 1985, 3261, Randnr. 16) und das Gebiet eines Mitgliedstaats, auf das sich dieses Monopol erstreckt, einen wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes darstellen kann (siehe Urteil vom 9. November 1983 in der Rechtssache 322/81, Michelin, Slg. 1983, 3461, Randnr. 28).
[33] 29. Zweitens ist festzustellen, daß die Schaffung einer beherrschenden Stellung durch die Gewährung eines ausschließlichen Rechts im Sinne des Artikels 90 Absatz 1 als solche noch nicht mit Artikel 86 EWG-Vertrag unvereinbar ist (siehe Urteil vom 3. Oktober 1985, CBEM, a. a. O., Randnr. 17). Ein Mitgliedstaat verstösst nämlich gegen die Verbote dieser beiden Bestimmungen nur, wenn das betreffende Unternehmen durch die blosse Ausübung des ihm übertragenen ausschließlichen Rechts seine beherrschende Stellung mißbräuchlich ausnutzt.
[34] 30. Nach Artikel 86 Absatz 2 Buchstabe b EWG-Vertrag kann ein solcher Mißbrauch insbesondere in einer Beschränkung der Leistung zum Schaden derjenigen, die die betreffende Dienstleistung in Anspruch nehmen wollen, bestehen.
[35] 31. Ein Mitgliedstaat schafft eine Lage, in der die Leistung beschränkt wird, wenn das Unternehmen, dem er ein ausschließliches Recht übertragen hat, das sich auf Tätigkeiten zur Vermittlung von Führungskräften der Wirtschaft erstreckt, offenkundig nicht in der Lage ist, die Nachfrage auf dem Markt nach solchen Leistungen zu befriedigen, und wenn die tatsächliche Ausübung dieser Vermittlungstätigkeiten durch private Personalberatungsunternehmen durch die Beibehaltung einer Gesetzesbestimmung unmöglich gemacht wird, die diese Tätigkeiten bei Strafe der Nichtigkeit der entsprechenden Verträge verbietet.
[36] 32. Drittens ist zu bemerken, daß die Verpflichtung eines Mitgliedstaats aus den Artikeln 86 und 90 Absatz 1 EWG-Vertrag nur dann entsteht, wenn das mißbräuchliche Verhalten der betreffenden Anstalt zu einer Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten führen konnte. Diese Voraussetzung ist nicht erst dann erfüllt, wenn das betreffende mißbräuchliche Verhalten den Handel tatsächlich beeinträchtigt hat. Es genügt der Nachweis, daß dieses Verhalten geeignet ist, eine derartige Wirkung zu entfalten (siehe Urteil vom 9. November 1983, Michelin, a. a. O., Randnr. 104).
[37] 33. Eine solche mögliche Auswirkung auf den zwischenstaatlichen Handel ist insbesondere gegeben, wenn sich die durch private Unternehmen ausgeuebten Tätigkeiten zur Vermittlung von Führungskräften der Wirtschaft auf Angehörige oder das Gebiet anderer Mitgliedstaaten erstrecken können.
[38] 34. Nach alledem ist auf die vierte Vorabentscheidungsfrage zu antworten, daß eine öffentlich-rechtliche Anstalt für Arbeit, die Arbeitsvermittlung betreibt, dem Verbot des Artikels 86 EWG-Vertrag unterliegt, soweit die Anwendung dieser Vorschrift nicht die Erfüllung der ihr übertragenen besonderen Aufgabe verhindert. Ein Mitgliedstaat, der einer solchen Anstalt ein Arbeitsvermittlungsmonopol eingeräumt hat, verstösst gegen Artikel 90 Absatz 1 EWG-Vertrag, wenn er eine Lage schafft, in der die Anstalt zwangsläufig gegen Artikel 86 EWG-Vertrag verstossen muß. Dies gilt insbesondere, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind: – Das Monopol erstreckt sich auf Tätigkeiten zur Vermittlung von Führungskräften der Wirtschaft; – die öffentlich-rechtliche Anstalt für Arbeit ist offenkundig nicht in der Lage, die Nachfrage auf dem Markt nach solchen Leistungen zu befriedigen; – die tatsächliche Ausübung der Vermittlungstätigkeiten durch private Personalberatungsunternehmen wird durch die Beibehaltung einer Gesetzesbestimmung unmöglich gemacht, die diese Tätigkeiten bei Strafe der Nichtigkeit der entsprechenden Verträge verbietet; – die betreffenden Vermittlungstätigkeiten können sich auf Angehörige oder das Gebiet anderer Mitgliedstaaten erstrecken.
Zur Auslegung des Artikels 59 EWG-Vertrag
[39] 35. Mit der dritten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob sich ein Personalberatungsunternehmen eines Mitgliedstaats für die Vermittlung von Angehörigen dieses Mitgliedstaats an Unternehmen desselben Staates auf die Artikel 7 und 59 EWG-Vertrag berufen kann.
[40] 36. Zunächst ist darauf zu verweisen, daß die Durchführung des in Artikel 7 EWG-Vertrag verankerten Grundsatzes in Artikel 59 für die Dienstleistungsfreiheit gewährleistet wird. Hieraus folgt, daß eine mit Artikel 59 im Einklang stehende Regelung auch mit Artikel 7 vereinbar ist (siehe Urteil vom 9. Juni 1977 in der Rechtssache 90/76, Van Ameyde, Slg. 1977, 1091, Randnr. 27).
[41] 37. Sodann ist festzustellen, daß nach ständiger Rechtsprechung die Vertragsbestimmungen über den freien Dienstleistungsverkehr nicht auf Betätigungen anwendbar sind, deren Elemente sämtlich nicht über die Grenzen eines Mitgliedstaats hinausweisen; ob dies der Fall ist, hängt von tatsächlichen Feststellungen ab, die das innerstaatliche Gericht zu treffen hat (siehe u. a. Urteil vom 18. März 1980 in der Rechtssache 52/79, Debauve, Slg. 1980, 833, Randnr. 9).
[42] 38. Nach den Feststellungen des nationalen Gerichts betrifft das Ausgangsverfahren einen Rechtsstreit zwischen deutschen Personalberatern und einem deutschen Unternehmen wegen der Einstellung eines deutschen Staatsangehörigen.
[43] 39. Eine solche Konstellation bietet nichts, was sich mit einer der vom Gemeinschaftsrecht erfassten Fallgestaltungen in Verbindung bringen ließe. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, daß ein Vertrag zwischen den Personalberatern und dem Unternehmen theoretisch die Möglichkeit beinhaltet, sich um deutsche Bewerber, die in anderen Mitgliedstaaten ansässig sind, oder um Angehörige dieser Staaten zu bemühen.
[44] 40. Somit ist auf die dritte Vorabentscheidungsfrage zu antworten, daß sich ein Personalberatungsunternehmen eines Mitgliedstaats für die Vermittlung von Angehörigen dieses Mitgliedstaats an Unternehmen desselben Staates nicht auf die Artikel 7 und 59 EWG-Vertrag berufen kann.
[45] 41. Aufgrund dieser Antwort erübrigt sich eine Prüfung der ersten beiden Fragen und des Teils der vierten Frage, die dahin gehen, ob Artikel 59 EWG-Vertrag einem gesetzlichen Verbot der Vermittlung von Führungskräften der Wirtschaft durch private Personalberatungsunternehmen eines Mitgliedstaats entgegensteht.
Kosten
[46] 42. Die Auslagen der Bundesregierung und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die Erklärungen beim Gerichtshof eingereicht haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem nationalen Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.