Bundesarbeitsgericht
Auslegung eines Sozialplans
BetrVG §§ 111, 112, 77; BGB § 613 a
1. Sieht ein Sozialplan Abfindungen bei betriebsbedingten Kündigungen vor, so haben mangels entgegenstehender Anhaltspunkte auch solche Arbeitnehmer einen Anspruch, die deshalb entlassen werden, weil sie dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf den Erwerber eines Betriebsteils widersprochen haben.
2. Das gilt auch dann, wenn der Sozialplan für diejenigen Arbeitnehmer, die dem Übergang ihrer Arbeitsverhältnisse nicht widersprechen, besondere Leistungen vorsieht.

BAG, Urteil vom 15. 12. 1998 – 1 AZR 332/98; LAG Mannheim (lexetius.com/1998,1334)

[1] In Sachen pp. hat der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 15. Dezember 1998 durch den Präsidenten Professor Dr. Dieterich, die Richter Dr. Rost und Dr. Wißmann sowie die ehrenamtlichen Richter Gnade und Metz für Recht erkannt:
[2] 1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 12. Dezember 1997 – 19 Sa 43/97 – wird zurückgewiesen.
[3] 2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
[4] Tatbestand: Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger wegen des Verlustes seines Arbeitsplatzes eine Abfindung aus einem Sozialplan zusteht.
[5] Der Kläger war seit dem 1. Juni 1970 bei der Beklagten als Kraftfahrer in deren Fuhrpark beschäftigt. Sein monatliches Bruttoentgelt betrug zuletzt ca. 5. 100, – DM. 1996 plante die Beklagte aus wirtschaftlichen Gründen eine Personalreduzierung. Die Betriebspartner schlossen deswegen am 20. Juli 1996 im Rahmen eines Einigungsstellenverfahrens eine "Betriebsvereinbarung", in der es u. a. heißt:
[6] I. Interessenausgleich. 1. Die Unternehmensleitung sieht eine Überlebenschance für den Betrieb nur, wenn unter anderem die Belegschaft reduziert wird. Der Betriebsrat nimmt dies zur Kenntnis. 2. Am 28. 03. 96 belief sich der Personalstand auf 404 Mitarbeiter. Aufgrund Absprache zwischen Unternehmensleitung und Betriebsrat gemäß Aushang vom 28. 03. 1996 sind 71 Aufhebungsverträge abgeschlossen worden. Darüberhinaus sind weitere personelle Maßnahmen notwendig, um nach Darstellung der Unternehmensleitung die Wettbewerbsfähigkeit zu gewährleisten. Der Betriebsrat nimmt dies zur Kenntnis. Die Unternehmensleitung sichert jedoch zu, die Anzahl der Beschäftigten bis mindestens 31. 12. 1998 nicht unter den Stand von 260 Mitarbeitern zu senken. Die Unternehmensleitung beabsichtigt, die weiteren Personalmaßnahmen vorrangig durch den Abschluß von Aufhebungsverträgen durchzuführen. 3. Die Unternehmensleitung beabsichtigt, den Fuhrpark (derzeit 13 gewerbliche Arbeitnehmer + 3 Angestellte) bis spätestens Jahresende 1996 zu veräußern. Die Arbeitsverhältnisse gehen in diesem Fall gemäß § 613a Abs. 1 BGB auf den Erwerber über. Die Unternehmensleitung sichert zu, daß den betroffenen Mitarbeitern, die bereit sind, das Übernahmeangebot anzunehmen, a) für die Dauer von 15 Monaten das bisherige Einkommen garantiert wird, b) sie unter den Geltungsbereich des Sozialplanes fallen, wenn innerhalb von 15 Monaten nach Übernahme eine betriebsbedingte Auflösung des Arbeitsverhältnisses erfolgen sollte. II. Sozialplan. 1. Geltungsbereich. Der vorliegende Sozialplan gilt für alle Angestellten und gewerblichen Mitarbeiter, sofern sie nicht leitende Angestellte i. S. d. § 5 Abs. 3 BetrVG sind. Ferner findet dieser Sozialplan keine Anwendung auf Mitarbeiter, denen aus verhaltensbedingten Gründen gekündigt wird oder die aus gleichem Grund einen Aufhebungsvertrag abschließen oder in einem befristeten Arbeitsverhältnis stehen. … … 2. Bereits abgeschlossene Aufhebungsverträge. … 3. Weitere Personalmaßnahmen. Für die weiteren Personalmaßnahmen wird folgende Abfindungsregelung vereinbart: a) Aufhebungsverträge: Mitarbeiter, die einen Aufhebungsvertrag abschließen, erhalten eine Abfindung nach folgender Formel: Betriebszugehörigkeit x Bruttomonatsverdienst x 0, 51 Der durchschnittliche Monatsverdienst errechnet sich aus dem Arbeitsentgelt in den letzten drei Monaten. … b) Betriebsbedingte Kündigungen. Mitarbeiter, denen betriebsbedingt gekündigt wird, erhalten eine Abfindung gemäß a) mit der Maßgabe, daß anstelle des Faktors 0, 51 der Faktor 0, 46 tritt. …
[7] Für den Fuhrpark, dessen Veräußerung gem. Teil I Nr. 3 BV beabsichtigt war, stand im Zeitpunkt des Abschlusses der Betriebsvereinbarung noch kein Erwerber fest. Unter dem 24. September 1996 teilte die Beklagte dem Kläger mit, daß der Frachtdienst künftig von der K gesellschaft mbH, Ka, (in der Folge K GmbH) bedient werde. Diese trete mit Wirkung zum 1. November 1996 in die Rechte und Pflichten aus dem mit ihm bestehenden Arbeitsverhältnis ein; künftiger Standort der Fahrzeuge sei M. Die Beklagte wies den Kläger auf sein Recht hin, dem Übergang des Arbeitsverhältnisses zu widersprechen; in diesem Fall müsse sie allerdings das Arbeitsverhältnis beenden, da sie infolge der Auflösung des Fuhrparks keine Beschäftigungsmöglichkeit mehr habe; ein Anspruch auf eine Abfindung aus dem Sozialplan bestehe dann nicht, weil der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses infolge der Vereinbarung mit der K GmbH gesichert sei. Am 27. September und 2. Oktober 1996 wurden der Kläger und zwölf weitere Arbeitskollegen im Fuhrpark über die Arbeitsbedingungen bei der K GmbH informiert; die Einzelheiten sind streitig. Unter dem 10. Oktober 1996 widersprach der Kläger dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses mit der Begründung, die Arbeitsbedingungen bei der Übernehmerin seien erheblich schlechter.
[8] Die Beklagte kündigte daraufhin mit Schreiben vom 28. Oktober 1996 das Arbeitsverhältnis zum 31. Mai 1997. Der Kläger wurde wie die anderen Mitarbeiter, die dem Übergang ihrer Arbeitsverhältnisse widersprochen hatten, während der Kündigungsfrist im Lager beschäftigt. Sie hatten es abgelehnt, während dieser Zeit auf Fahrzeugen der K GmbH eingesetzt zu werden.
[9] Der Kläger hat sich nicht gegen die Kündigung gewandt. Hingegen hat er mit seiner am 5. November 1996 erhobenen Klage die Zahlung einer Abfindung gemäß dem Sozialplan vom 20. Juli 1996 in rechnerisch unstreitiger Höhe von 69. 942, – DM geltend gemacht. Er hat die Auffassung vertreten, er falle unter den Geltungsbereich des Sozialplans. Dieser erfasse generell die Arbeitnehmer des Betriebes und nehme die Arbeitnehmer des Fuhrparks, die einem Übergang des Arbeitsverhältnisses widersprochen hätten, nicht aus. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus Teil I BV (Interessenausgleich). Teil I Nr. 3 enthalte keine abschließende Sonderregelung für den Fuhrpark. Die dort getroffene Regelung stelle ausdrücklich darauf ab, daß Arbeitnehmer das Übernahmeangebot annähmen. Dies zeige, daß man mit dem Widerspruch von Arbeitnehmern gerechnet habe. Für diesen Fall sei aber gerade keine Ausschlußregelung getroffen worden.
[10] Ein Betriebsübergang liege auch gar nicht vor. Die K GmbH habe keinen in sich geschlossenen Betriebsteil erworben, sondern lediglich einzelne Betriebsmittel, nämlich die LKW der Beklagten. Die für den Fuhrpark zuständigen drei Disponenten seien nicht übernommen worden. Es sei auch nicht ersichtlich, daß sonstige materiellen oder immateriellen Rechtspositionen durch Rechtsgeschäft zwischen der Beklagten und der K GmbH übertragen worden seien.
[11] Jedenfalls sei das Übernahmeangebot der K GmbH für ihn unzumutbar gewesen. Der neue Arbeitsplatz liege 43 km vom Betriebssitz der Beklagten entfernt. Die K GmbH sei nicht bereit gewesen, zusätzliche Fahrtkosten und zusätzliche Fahrzeiten zu vergüten. Es sei ein Schichtbetrieb vorgesehen gewesen, der nicht der bisherigen Arbeitszeit bei der Beklagten entsprochen hätte. Außerdem wäre er auch allein auf dem LKW eingesetzt worden, während bei der Beklagten jeweils zwei Arbeitnehmer zusammen eingesetzt gewesen seien. Weiter habe die K GmbH in Aussicht gestellt, daß ab 1. Januar 1998 das monatliche Arbeitsentgelt um ca. 1000, – DM verringert werde. Sie sei nicht tarifgebunden gewesen, und es habe bei ihr kein Betriebsrat bestanden. Ein Ausschluß aus dem Kreis der Abfindungsberechtigten widerspreche bei dieser Sachlage dem Gleichbehandlungsgrundsatz.
[12] Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger am 31. Mai 1997 eine gem. §§ 3 Ziff. 9, 24, 34 EStG abgabenbegünstigte Abfindung in Höhe von 69. 942, – DM zu bezahlen.
[13] Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
[14] Sie hat die Auffassung vertreten, dem Kläger stehe ein Anspruch aus dem Sozialplan nicht zu. Teil I 3 BV enthalte eine Sonderregelung für die Arbeitnehmer des Fuhrparks. Diesen sei kein Wahlrecht eingeräumt worden. Darüber sei zwischen den Betriebspartnern im Einigungsstellenverfahren ausführlich gesprochen worden. Ein Anspruch auf Abfindung gemäß Teil II BV stehe nur solchen Arbeitnehmern zu, die ihren Arbeitsplatz unmittelbar, also ohne eigenes Zutun verloren hätten. Das folge auch aus § 112 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 BetrVG, wonach diejenigen Arbeitnehmer, die eine zumutbare andere Arbeit ablehnten, von Sozialplanleistungen ausgeschlossen werden sollen.
[15] Ein Teilbetriebsübergang liege vor. Die Weiterarbeit bei der K GmbH sei dem Kläger unter Berücksichtigung des gewährten Bestandsschutzes auch zumutbar gewesen. Der Kläger hätte die Möglichkeit gehabt, mit dem Dienst-LKW zu seinem Wohnort zu fahren. Schichtdienst wäre nur auf Wunsch des Klägers angefallen; er hätte sich auch bei der Fahrt mit einem Kollegen abwechseln können. Im Unterschied zur bisherigen Situation seien Be- und Entladungsvorgänge entfallen. Der Verdienst wäre nicht zwangsläufig geringer gewesen. Die für die Zeit nach Ablauf des Bestandsschutzes vorgesehene leistungsbezogene Anpassung hätte u. U. sogar zu Verbesserungen führen können. Auch bei der K GmbH bestehe ein Betriebsrat.
[16] Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte weiter ihren Antrag, die Klage abzuweisen.
[17] Entscheidungsgründe: Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Der Kläger kann nach dem Sozialplan vom 20. Juli 1996 eine Abfindung verlangen, obwohl er dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die K GmbH widersprochen hat.
[18] 1. Sozialpläne sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts als Betriebsvereinbarungen besonderer Art wie Tarifverträge auszulegen. Entsprechend den Grundsätzen der Gesetzesauslegung ist dabei zunächst der Wortlaut maßgebend. Über den reinen Wortlaut hinaus ist sodann der wirkliche Wille der Betriebspartner und der damit von ihnen beabsichtigte Zweck der Regelung mitzuberücksichtigen, sofern sie im Sozialplan erkennbar zum Ausdruck gekommen sind. Zu beachten ist ferner der Gesamtzusammenhang der Regelung, weil daraus auf den wirklichen Willen der Betriebspartner geschlossen werden und so der Zweck der Regelung zutreffend ermittelt werden kann (BAG Urteil vom 16. März 1994 – 10 AZR 606/93 – AP Nr. 75 zu § 112 BetrVG 1972; BAG Urteil vom 5. Februar 1997 – 10 AZR 553/96 – AP Nr. 112 zu § 112 BetrVG 1972).
[19] 2. Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Landesarbeitsgericht den Sozialplan vom 20. Juli 1996 zutreffend dahin ausgelegt, daß Mitarbeiter des Fuhrparks, denen gegenüber eine betriebsbedingte Kündigung ausgesprochen worden ist, nachdem sie dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf die K GmbH widersprochen hatten, nicht von Abfindungsansprüchen ausgeschlossen sind.
[20] a) Dem Wortlaut der "Betriebsvereinbarung" vom 20. Juli 1996 (BV) ist eine solche Beschränkung nicht zu entnehmen. Gemäß Teil II Nr. 3 b BV erhalten Mitarbeiter, denen betriebsbedingt gekündigt wird, eine Abfindung nach näher festgelegten Kriterien. Mitarbeiter im Sinne des ausdrücklich als "Sozialplan" überschriebenen Teils II sind alle Angestellten und gewerblichen Mitarbeiter, sofern sie nicht leitende Angestellte im Sinne von § 5 Abs. 3 BetrVG sind, Teil II Nr. 1 BV.
[21] Teil II Nr. 3 BV gilt nach Überschrift und Einleitungssatz für "weitere Personalmaßnahmen". Der Begriff der weiteren Personalmaßnahmen ergibt sich aus der Gegenüberstellung zu Teil II Nr. 2 BV "Bereits abgeschlossene Aufhebungsverträge". Weitere Personalmaßnahmen sind danach diejenigen, die über die bereits getroffenen Personalmaßnahmen – nämlich die schon abgeschlossenen Aufhebungsverträge – hinaus zum Zwecke des Personalabbaus durchgeführt werden. Dies wiederum wird bestätigt durch die in Teil I Nr. 2 BV (Interessenausgleich) getroffene Feststellung, daß über die bereits abgeschlossenen 71 Aufhebungsverträge hinaus weitere Personalmaßnahmen als notwendig angesehen werden und dem Ziel dienen, den Personalbestand zu reduzieren.
[22] Der Kläger erfüllt die insoweit vorauszusetzenden Kriterien. Er hatte als Mitarbeiter im Sinne von Teil II Nr. 1 BV bei Abschluß des Sozialplans noch keinen Aufhebungsvertrag abgeschlossen und wurde aufgrund betriebsbedingter Kündigung entlassen.
[23] b) Eine Beschränkung der Anspruchsberechtigung für Mitarbeiter des Fuhrparks ist auch dem Wortlaut von Teil I Nr. 3 BV nicht zu entnehmen. Dort wird nur positiv eine Regelung getroffen für solche Mitarbeiter des Fuhrparks, die bereit sind, im Falle der beabsichtigten Veräußerung des Fuhrparks das Übernahmeangebot des Erwerbers anzunehmen. Hingegen regelt Teil I Nr. 3 BV nicht den Fall, daß ein Mitarbeiter des Fuhrparks dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf einen Betriebserwerber widerspricht und dann von der Beklagten betriebsbedingt gekündigt wird.
[24] c) Gegen diese Wortinterpretation spricht auch nicht der systematische Zusammenhang der Vorschriften beider Teile und der mit der Regelung verfolgte Zweck, soweit er erkennbaren Niederschlag gefunden hat. Teil I Nr. 3 BV enthält keine abschließende Sonderregelung für Mitarbeiter des Fuhrparks. Dabei kann mit der Beklagten davon ausgegangen werden, daß die dort festgelegte Bestandsschutzsicherung für Mitarbeiter, die ein Übernahmeangebot des potentiellen Erwerbers annehmen, inhaltlich als Sozialplanregelung und nicht als Regelung des Interessenausgleichs anzusehen ist. Dies ändert an der Betrachtung nichts.
[25] aa) Ausgangspunkt aller Überlegungen war für die Betriebspartner die vom Arbeitgeber als notwendig angesehene Reduzierung der Belegschaft; nur für diesen Fall sah der Arbeitgeber eine Überlebenschance für den Betrieb (Teil I Nr. 1 BV). Deshalb sollte über die bereits geschlossenen Aufhebungsverträge hinaus der Personalbestand von 404 (28. März 1996) auf "nicht unter 260" (31. Dezember 1996) durch "weitere Personalmaßnahmen" reduziert werden (Teil I Nr. 2 BV).
[26] Vor diesem Hintergrund ist auch Teil I Nr. 3 BV zu sehen. Soweit die Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiter des Fuhrparks auf einen Betriebserwerber übergingen, bedurfte es hinsichtlich des angestrebten Ziels einer Reduzierung der Belegschaft keiner weiteren Personalmaßnahme. Nr. 3 trifft aber keine Regelung für den Fall, daß die Arbeitsverhältnisse nicht auf den Erwerber übergehen, weil die Arbeitnehmer von ihrem Recht Gebrauch machen, dem Übergang des Arbeitsverhältnisses zu widersprechen (zum Widerspruchsrecht s. nur BAG Urteil vom 19. März 1998 – 8 AZR 139/97 – AP Nr. 177 zu § 613 a BGB). Da die Arbeitsverhältnisse dann mit der Beklagten fortbestanden, wurden insoweit "weitere Personalmaßnahmen" im Sinne des Teils I Nr. 2 BV notwendig, um das übergeordnete Ziel zu erreichen. Für diese Maßnahmen gilt Teil II Nr. 3 b BV, soweit sie in betriebsbedingten Kündigungen bestanden.
[27] bb) Der Ausschluß von Sozialplanleistungen folgt auch nicht konkludent daraus, daß die dem Übergang widersprechenden Mitarbeiter des Fuhrparks nicht erwähnt werden, während denjenigen, die dem Übergang des Arbeitsverhältnisses zustimmen, ausdrücklich Sozialplanleistungen zugesprochen werden, und zwar in Form einer 15-monatigen Einkommensgarantie und einer Anwendung des Sozialplans für den Fall, daß es innerhalb von 15 Monaten nach der Übernahme zu einer betriebsbedingten Auflösung des Arbeitsverhältnisses beim neuen Arbeitgeber kommt. Eine solche Sonderregelung für diejenigen Arbeitnehmer, die ihr Arbeitsverhältnis bei der Erwerberin des Fuhrparks fortsetzten, war deshalb erforderlich, weil sie – anders als die nach Widerspruch entlassenen Arbeitnehmer – schon dem Wortlaut nach nicht von Teil II BV erfaßt wurden. Der Umstand, daß die Betriebspartner für diese Arbeitnehmer trotz Erhalts ihres Arbeitsplatzes Sozialplanleistungen in Aussicht stellten, könnte sogar dafür sprechen, daß sie einen Ausgleich für erforderlich hielten, weil sich diejenigen, die dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses nicht widersprachen, zunächst eine Sozialplanabfindung entgehen ließen.
[28] Mit dieser Deutung stimmt überein, daß die Sozialplanleistungen nur Mitarbeitern zugesagt wurden, die bereit waren, "das Übernahmeangebot anzunehmen". Wenn tatsächlich ein Fall des Betriebsübergangs im Sinne des § 613 a BGB vorliegt, bedarf es weder eines Übernahmeangebots noch einer Annahme dieses Angebots; der Übergang des Arbeitsverhältnisses vollzieht sich vielmehr kraft Gesetzes. Man wollte den Mitarbeitern des Fuhrparks also offensichtlich einen Anreiz geben, von ihrem Widerspruchsrecht keinen Gebrauch zu machen, um auf diese Weise das Gesamtziel der notwendigen Personalreduzierung leichter zu erreichen.
[29] cc) Es kann auch nicht angenommen werden, daß die im Einigungsstellenverfahren anwaltlich vertretenen Betriebspartner bei Abschluß der Betriebsvereinbarung das Problem nicht erkannt hätten, das sich bei einem Widerspruch gegen den Betriebsübergang zwangsläufig ergab. Dagegen spricht schon die ausdrückliche Zusicherung modifizierter Sozialplanleistungen an diejenigen Mitarbeiter, die bereit waren, ein Übernahmeangebot anzunehmen. Die Erwähnung dieser Mitarbeiter setzte ganz selbstverständlich voraus, daß es Mitarbeiter gibt, die das Übernahmeangebot nicht annehmen werden und deshalb gekündigt werden müssen. Wenn die Be-triebspartner solche Arbeitnehmer von Sozialplanleistungen gänzlich hätten ausschließen wollen, hätte es in Anbetracht der weiten Fassung der Abfindungsregelung des Teils II Nr. 3 BV nicht nur nahegelegen, sondern wäre es unerläßlich gewesen, dies dann in Teil I Nr. 3 BV entsprechend zum Ausdruck zu bringen (anders wohl LAG Berlin, Urteil vom 15. Mai 1995 – 9 Sa 3/95 – LAGE § 112 BetrVG 1972 Nr. 35).
[30] dd) Etwas anderes folgt schließlich nicht aus § 112 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 BetrVG. Danach soll die Einigungsstelle beim Ausgleich der durch eine Betriebsänderung entstehenden Nachteile solche Arbeitnehmer von Leistungen ausschließen, die in einem zumutbaren Arbeitsverhältnis im selben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens oder eines zum Konzern gehörenden Unternehmens weiterbeschäftigt werden können, die Weiterbeschäftigung aber ablehnen; die mögliche Weiterbeschäftigung an einem anderen Ort soll für sich allein nicht die Unzumutbarkeit begründen können. Diese Regelung gilt zwingend nur für die Entscheidung der Einigungsstelle. Die Betriebspartner sind bei einer freiwillig abgeschlossenen Betriebsvereinbarung nicht an diese gesetzliche Vorgabe gebunden (Fitting/Kaiser/Heither/Engels, BetrVG, 19. Aufl., §§ 112, 112 a Rz 96; Richardi, BetrVG, 7. Aufl., § 112 Rz 97). Mit der Festlegung von Abfindungen sollen die Nachteile des Verlustes des Arbeitsplatzes ausgeglichen werden. Die Betriebspartner haben dabei einen breiten Spielraum für die Bestimmung eines angemessenen Ausgleichs. Sie haben innerhalb der Grenzen von Recht und Billigkeit darüber zu befinden, in welchem Umfang und in welcher Weise sie die wirtschaftlichen Nachteile der von einer Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer ausgleichen wollen (vgl. nur BAG Urteil vom 31. Juli 1996 – 10 AZR 45/96 – AP Nr. 103 zu § 112 BetrVG 1972).
[31] § 112 Abs. 5 Nr. 2 BetrVG kann zwar der allgemeine Gedanke entnommen werden, daß ein Ausgleich von Nachteilen nicht erforderlich ist, wenn dem Arbeitnehmer ein zumutbarer anderer Arbeitsplatz angeboten wird. Dies ist auch bei einer freiwilligen Regelung von den Betriebspartnern entsprechend zu berücksichtigen. Aber es steht in ihrem Ermessen, wie sie die Frage der Zumutbarkeit beantworten. Als einen regelmäßig zumutbaren anderen Arbeitsplatz hat der Zehnte Senat des Bundesarbeitsgerichts allerdings die Möglichkeit der Weiterarbeit bei einem Betriebserwerber angesehen (Urteil vom 5. Februar 1997 – 10 AZR 553/96 – AP Nr. 112 zu § 112 BetrVG 1972 m. Anm. Salje = AiB 1998, 53 m. ablehnender Anm. Hamm; s. auch BAG Urteil vom 10. November 1993 – 4 AZR 184/93 – AP Nr. 43 zu § 1 TVG Tarifverträge: Einzelhandel). Für die Zumutbarkeit spreche insbesondere, wenn dem Arbeitnehmer sein bisher innegehabter Arbeitsplatz in dem identischen Betrieb erhalten bleibe (BAG, aaO, unter II 1 der Gründe, m. w. N.).
[32] Einer Auseinandersetzung mit dieser Rechtsprechung – insbesondere mit der Annahme, die Weiterarbeit sei "in der Regel" zumutbar – bedarf es hier nicht (kritisch Fitting/Kaiser/Heither/Engels, aaO, §§ 112, 112 a Rz 117; Hamm, AiB 1998, 54; Däubler in Däubler/Kittner/Klebe, BetrVG, 6. Aufl., §§ 112, 112 a Rz 77). In dem der Entscheidung vom 5. Februar 1997 (aaO) zugrunde liegenden Sozialplan hatten die Betriebspartner ausdrücklich diejenigen Arbeitnehmer von Leistungen ausgeschlossen, die einen "angebotenen zumutbaren Arbeitsplatz" ablehnten; diesen Begriff hat der Zehnte Senat dahin ausgelegt, daß er auch die Weiterarbeit bei einem Betriebserwerber erfasse. Im Streitfall fehlt es aber gerade an einer solchen Regelung. Der Interessenausgleich/Sozialplan enthält weder eine generelle Ausschlußregelung noch eine spezielle Regelung hinsichtlich derjenigen Mitarbeiter, die (ob mit oder ohne sachlichen Grund) einem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses widersprechen.
[33] 3. Es ist also weder aus dem Wortlaut der Betriebsvereinbarung noch aus dem systematischen Gesamtzusammenhang und dem daraus erkennbaren Zweck der Regelung ein Hinweis darauf zu entnehmen, daß Arbeitnehmer des Fuhrparks, die dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf einen möglichen Erwerber widersprachen und denen sodann betriebsbedingt gekündigt wurde, keine Abfindung sollten beanspruchen können. Wenn die Betriebspartner dies bei Abschluß der Betriebsvereinbarung anders gesehen haben sollten, hätte ihr abweichender Wille in der Betriebsvereinbarung vom 20. Juli 1996 jedenfalls keinen hinreichenden Ausdruck gefunden. Auf die insoweit benannten Zeugen kam es daher nicht an. Das Landesarbeitsgericht hat konsequent auf deren Vernehmung verzichtet. Die dagegen gerichtete Verfahrensrüge ist unbegründet.