Zur Zulässigkeit von Medienberichterstattung über Unternehmen

BGH, Mitteilung vom 21. 4. 1998 – 32/98 (lexetius.com/1998,1383)

[1] Der vom VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs zu entscheidende Rechtsstreit betrifft die Ausstrahlung von Filmaufnahmen, die im Juli 1995 im Auftrag der beklagten Fernsehanstalt von einem Filmteam in einer spanischen Appartement-Hotelanlage aufgezeichnet worden sind. Die Klägerin, eine bedeutende deutsche Reiseveranstalterin, hatte das Recht, diese Anlage mit ihren Reisekunden zu belegen. Bei den Filmaufnahmen handelt es sich um Interviews mit unzufriedenen Kunden, die im Einverständnis mit diesen in den angemieteten Appartements aufgenommen worden sind. Nach Bemerken der Dreharbeiten haben der Geschäftsführer der Anlage und die telefonisch verständigte Klägerin gegenüber dem Aufnahmeteam sowie der Beklagten Filmaufnahmen untersagt und dem Aufnahmeteam Hausverbot erteilt.
[2] Die Klägerin hält die von der Beklagten im Rahmen einer Fernsehsendung beabsichtigte Ausstrahlung der Aufnahmen für unzulässig, weil sie unter Verletzung des sowohl ihr als auch dem Eigentümer der Anlage zustehenden Hausrechts zustandegekommen seien. Sie macht geltend, daß die Appartementanlage infolge des Belegungsrechts einen Bestandteil ihres Gewerbebetriebs gebildet habe und deshalb ihr Recht an diesem Betrieb durch die Ausstrahlung beeinträchtigt werde. Ihrem nach Erwirkung einer entsprechenden einstweiligen Verfügung gestellten Klagantrag, die Beklagte unter Strafandrohung zur Unterlassung der Ausstrahlung dieser Filmaufnahmen zu verurteilen, haben die Vorinstanzen stattgeben.
[3] Auf die Revision der Beklagten hat der VI. Zivilsenat die Klage abgewiesen. Zwar komme unter den Umständen des Streitfalls trotz des subsidiären Charakters des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb als eines sonstigen Rechts" im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB ein derartiger Eingriff in Betracht, weil es nicht um den nach anderen Rechtsvorschriften zu gewährleistenden Schutz vor einer unwahren Berichterstattung gehe, sondern die Klägerin sich vielmehr gegen die Verbreitung der Aufnahmen ausdrücklich nur mit dem Vorbringen wende, sie seien unter Verletzung ihres Hausrechts ohne Genehmigung zustandegekommen. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts könne jedoch die Anlage nicht mit den Geschäftsräumen der Klägerin gleichgestellt werden.
[4] Auch der Inhalt der Aufnahmen könne das Verbot der Ausstrahlung nicht rechtfertigen, da hierzu nichts festgestellt worden sei. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts könnten auch die Umstände des Zustandekommens der Aufnahmen nicht zum Verbot ihrer Ausstrahlung führen. Bei der erforderlichen Abwägung zwischen dem Recht der Klägerin am eingerichteten und ausgeübten Gewerbetrieb und dem Grundrecht der Beklagten aus Art. 5 Abs. 1 GG habe das Berufungsgericht verkannt, daß lediglich die rechtswidrige Beschaffung von Informationen nicht geschützt sei, während die Verbreitung solcher Informationen in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG einzubeziehen und einer etwaigen Rechtswidrigkeit der Informationsbeschaffung im Rahmen der Abwägung Rechnung zu tragen sei. Diese Abwägung führe nicht zur Rechtswidrigkeit, zumal unstreitig nach Ausspruch des Hausverbots durch dessen Geschäftsführer keine Dreharbeiten mehr durchgeführt worden seien.
[5] Schließlich sei bei der Abwägung auch zu berücksichtigen, daß die Klägerin vorbeugend eine Berichterstattung verhindern wolle, die sich nach ihrer eigenen Einschätzung kritisch mit ihren Leistungen befasse, ohne daß sie inhaltliche Unrichtigkeit oder Unzulässigkeit der Kritik geltend mache. Eine der Wahrheit entsprechende Kritik an seinen Leistungen müsse ein Gewerbetreibender jedoch grundsätzlich hinnehmen. Da die Information unter den Umständen des Streitfalls auch nicht durch einen groben Einbruch in die unternehmerische Vertraulichkeitssphäre erlangt worden sei, könne die Verbreitung der inhaltlich nicht näher bekannten Berichterstattung jedenfalls ohne Darlegung einer konkreten Beeinträchtigung nicht schon im Vorfeld durch eine vorbeugende Unterlassungsklage verboten werden.
BGH, Urteil vom 21. 4. 1998 – VI ZR 196/97