Bundesgerichtshof
MarkenG § 3 Abs. 1
Konturlose konkrete Farben und Farbzusammenstellungen (hier: die Farbzusammenstellung gelb/schwarz) sind grundsätzlich markenfähig, sofern sie die allgemeinen Anforderungen an die Markenfähigkeit von Zeichen i. S. von § 3 Abs. 1 MarkenG erfüllen.

BGH, Beschluss vom 10. 12. 1998 – I ZB 20/96 – Farbmarke gelb/schwarz; Bundespatentgericht (lexetius.com/1998,37)

[1] Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 10. Dezember 1998 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Erdmann und die Richter Prof. Dr. Mees, Starck, Dr. Bornkamm und Pokrant beschlossen:
[2] Auf die Rechtsbeschwerde der Anmelderin wird der Beschluß des 30. Senats (Marken-Beschwerdesenats VII) des Bundespatentgerichts vom 27. November 1995 aufgehoben.
[3] Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Bundespatentgericht zurückverwiesen.
[4] Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 50. 000, – DM festgesetzt.
[5] Gründe: I. Die Anmelderin begehrt mit ihrer am 30. Januar 1995 beim Patentamt eingegangenen Anmeldung die Registrierung einer "Farbmarke". Sie hat auf dem amtlichen Anmeldeformular unter der Rubrik "Wiedergabe der Marke" vermerkt "s. Bl. 4". Als Blatt 4 ist die auch in der Rubrik "Anlagen" angegebene "Beschreibung der Marke" abgeheftet, in der es heißt: "Die Marke umfaßt die Farben RAL 1 018 (gelb) und RAL 9 005 (schwarz)". Die Anmelderin hat unter der Rubrik (7) "Zur Marke werden folgende Angaben gemacht" ferner das Kästchen "Sonstige Markenform" angekreuzt und das Wort "Farbmarke" hinzugefügt. Das beigefügte Warenverzeichnis umfaßt neben Meß-, Steuer-, Regel-, Signal-, Kontroll- und Registriergeräten eine Fülle weiterer Waren der Klasse 9.
[6] Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patentamts hat die Anmelderin aufgefordert, "Bildmarken" nachzureichen. Die Anmelderin hat hierzu erklärt, Gegenstand der Anmeldung sei keine Bildmarke, sondern eine Farbmarke; für diese sei die Einreichung von Abbildungen nicht möglich, weil es bei ihr nicht um eine bestimmte, sondern um jede beliebige Kombination der angemeldeten Farben miteinander gehe.
[7] Die Markenstelle hat durch Beschluß festgestellt, daß die Anmeldung als nicht eingereicht gelte, weil mangels einer Wiedergabe der Marke die Anmeldung nicht den Erfordernissen für die Zuerkennung eines Anmeldetages genüge. Sie hat des weiteren die Anmeldung zurückgewiesen, weil Farbzusammenstellungen zwar nach § 3 MarkenG als Marke schutzfähig seien, eine Eintragung jedoch nur erfolgen könne, wenn, was mit der eingereichten Beschreibung nicht geschehen sei, die Marke graphisch konkret wiedergegeben werde.
[8] Die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie hilfsweise beantragt hat, die Anmeldung zur Prüfung der Verkehrsdurchsetzung des angemeldeten Zeichens an das Deutsche Patentamt zurückzuverweisen, ist mit der Maßgabe erfolglos geblieben, daß die ausgesprochene Feststellung entfallen ist (BPatG GRUR 1996, 881).
[9] Mit der (zugelassenen) Rechtsbeschwerde verfolgt die Anmelderin ihr Eintragungsbegehren weiter.
[10] II. Das Bundespatentgericht ist von einer wirksamen Markenanmeldung ausgegangen. Es hat diese jedoch für nicht eintragungsfähig gehalten, weil der Schutzgegenstand der Marke nicht hinreichend bestimmt bezeichnet sei. Dazu hat es ausgeführt:
[11] Mit der in § 3 Abs. 1 MarkenG enthaltenen Formulierung gewähre zwar der Gesetzgeber die Möglichkeit, auch für Farben und Farbkombinationen Markenschutz zu erhalten. Er beziehe aber ersichtlich nur die unter dem Begriff "Ausstattung" bekannten Kennzeichnungsmittel ein. Der Schutz einer Ausstattung beruhe gerade auch bei Farbkombinationen stets auf derjenigen konkreten Aufmachung, in der die Ware für das kaufende Publikum in Erscheinung trete. Träger der Ausstattung könne daher nur die in ihrer konkreten Individualität kennzeichnende Einheit von Farbe und Form sein. Durch § 3 MarkenG werde nur die Markenschutzfähigkeit auf früher nach § 25 WZG schutzfähige gegenständliche Erscheinungsformen, nicht jedoch auf abstrakte, nur unbestimmt angegebene Erscheinungsformen erweitert. In der vorliegenden Form lasse die Anmeldung offen, ob die beiden Farben flächenmäßig Verwendung finden oder eine Farbe nur für die Beschriftung, die andere als Untergrund vorgesehen sei, ob die Farben zueinander in einer bestimmten Musterung stehen sollten und dergleichen. In Wahrheit verberge sich hinter der Anmeldung eine unendliche Vielzahl von einzelnen möglichen Zeichen. Auch der Anmelder einer Buchstabenkombination müsse festlegen, in welcher Anordnung die Buchstaben zueinander stehen sollen und könne nicht Buchstaben schlechthin zum Gegenstand seines Schutzrechts erklären; gleichermaßen könne der Anmelder einer Hörmarke nicht Töne für sich als Hörmarke schützen lassen, ohne deren Abfolge und Wert festzulegen. Ebensowenig könne im Streitfall der von der Anmelderin begehrte abstrakte Schutz auf die beiden genannten Farben, gleichgültig in welcher Zusammenstellung, gewährt werden.
[12] Insoweit fehle auch jegliche Präzisierung, die unumgänglich sei, um Ermittlungen in bezug auf die von der Anmelderin hilfsweise geltend gemachte Verkehrsdurchsetzung in die Wege zu leiten.
[13] III. Die infolge ihrer Zulassung statthafte und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache Erfolg.
[14] Die (abstrakte) Markenfähigkeit i. S. von § 3 Abs. 1 MarkenG kann der angemeldeten Farbkombination nicht abgesprochen werden.
[15] Das Bundespatentgericht ist davon ausgegangen, daß der Anmeldung kein Schutz durch Eintragung als Marke gewährt werden könne, weil der Schutzgegenstand der Marke nicht hinreichend bestimmt bezeichnet sei. Dieser Begründung kann nicht mit hinreichender Sicherheit entnommen werden, welches Eintragungshindernis das Bundespatentgericht für durchgreifend erachtet hat.
[16] 1. Die Annahme, daß das Bundespatentgericht mit der mangelnden Bestimmtheit des Schutzgegenstands die von ihm zuvor bejahte Mindestanforderung an die Wiedergabe der Marke i. S. von § 32 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG hat in Zweifel ziehen wollen, liegt allerdings eher fern, nachdem es die Voraussetzungen der genannten Vorschrift geprüft und bejaht hat.
[17] 2. Auch von fehlender Bestimmtheit der Anmeldung im Sinne fehlender graphischer Darstellbarkeit (§ 8 Abs. 1 MarkenG) dürfte das Bundespatentgericht letztlich nicht ausgegangen sein. Zwar hat es im Zusammenhang mit der Frage der Mindesterfordernisse einer Markenanmeldung angenommen, die in der Anmeldung enthaltene Angabe der RAL-Nummern bestimmter Farben sei keine graphische Wiedergabe der Marke. Dem könnte nicht beigetreten werden, weil in den konkreten Farbangaben jedenfalls eine mittelbare graphische Darstellung der Marke liegt, so wie sie etwa bei Hörmarken in der erforderlichen zweidimensionalen graphischen Wiedergabe in einer üblichen Notenschrift oder durch ein Sonagramm liegt (§ 11 MarkenV). Die Annahme einer Unbestimmtheit im Sinne eines Eintragungshindernisses ist den Ausführungen des Bundespatentgerichts aber letztlich nicht zu entnehmen.
[18] 3. Es spricht mehr dafür, daß das Bundespatentgericht, wie seinen weiteren Ausführungen insbesondere zur Vorschrift des § 3 Abs. 1 MarkenG entnommen werden kann, die fehlende Bestimmtheit des Schutzgegenstands der Marke darin erblickt hat, daß für die angemeldete Farbkombination abstrakt, nicht jedoch in einer bestimmten konkreten Aufmachung, Schutz begehrt wird. Ein derartiges besonderes Eintragungshindernis fehlender Markenfähigkeit für Farben oder Farbkombinationen, das auch der 32. Senat des Bundespatentgerichts in zwei anderen Fällen der Anmeldung von abstrakten Farbkombinationen gesehen hat (vgl. BPatGE 39, 145 ff.; 39, 247 ff.), kann dem Gesetz indessen nicht entnommen werden.
[19] a) Das Bundespatentgericht ist insoweit zutreffend davon ausgegangen, daß für die Eintragung eines Zeichens als Marke die allgemeine (abstrakte) Markenfähigkeit i. S. des § 3 MarkenG gegeben sein und deshalb im Eintragungsverfahren geprüft werden muß (vgl. Fezer, Markenrecht, § 3 Rdn. 204 f.).
[20] b) Nach § 3 Abs. 1 MarkenG können als Marke alle Zeichen geschützt werden, die geeignet sind, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden, insbesondere sonstige Aufmachungen einschließlich Farben und Farbzusammenstellungen. Schon aus diesem Gesetzeswortlaut ergibt sich, daß für die abstrakte Markenfähigkeit i. S. des § 3 Abs. 1 MarkenG bei aus Farben und Farbzusammenstellungen bestehenden Anmeldungen gegenüber anderen Markenformen, wie Wort-, Bild- oder Hörmarken, keine besonderen (abstrakten) Schutzvoraussetzungen vorliegen müssen. Vielmehr werden insbesondere Farben und Farbzusammenstellungen, wie der Begründung zum Regierungsentwurf (BT-Drucks. 12/6581 S. 65 = BlPMZ 1994, Sonderheft S. 59) entnommen werden kann, lediglich zur Klarstellung ihrer Eignung als markenschutzfähige Aufmachungen ausdrücklich hervorgehoben (vgl. Althammer/Ströbele, MarkenG, 5. Aufl., § 3 Rdn. 18; Fezer aaO § 3 Rdn. 267 und WRP 1998, 1, 13; Ingerl/Rohnke, Markengesetz, § 3 Rdn. 32 und § 8 Rdn. 48; Wittenzellner in Straus (Hrsg.), Aktuelle Herausforderungen des geistigen Eigentums, Festgabe für F. K. Beier zum 70. Geburtstag, 1996, S. 333 f.; v. Schultz, GRUR 1997, 714, 717; Völker/Semmler, GRUR 1998, 93, 95; a. A. Winkler, MA 1996, 516, 517 f.). Auch Farbmarken müssen daher die allgemeinen Voraussetzungen der Markenfähigkeit, wie vor allem den Grundsatz der Selbständigkeit der Marke von dem Produkt, erfüllen; nicht mehr und nicht weniger. Von der generellen Markenfähigkeit von Farben und Farbzusammenstellungen geht auch der 28. Senat des Bundespatentgerichts in einer Reihe neuerer (noch unveröffentlichter) Entscheidungen aus (Beschlüsse vom 15. 7. 1998 – 28 W (pat) 108/96, 28 W (pat) 296/97, 28 W (pat) 297/97, 28 W (pat) 305/97, 28 W (pat) 1/98).
[21] c) Soweit das Bundespatentgericht im Streitfall, ausgehend von der höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Schutz von Ausstattungen i. S. von § 25 WZG, gemeint hat, § 3 Abs. 1 MarkenG erfordere bei als Marke angemeldeten Farben oder Farbkombinationen als Schutzgegenstand stets eine Farbe oder Farbzusammenstellung in einer konkreten Erscheinungsform, in der sie für eine Ware verwendet wird, kann ihm nicht beigetreten werden. Schon der Ausgangspunkt des Bundespatentgerichts, die höchstrichterliche Rechtsprechung zum Ausstattungsrecht des § 25 WZG für die Auslegung von § 3 Abs. 1 MarkenG heranzuziehen (vgl. auch BPatGE 39, 145, 149; 39, 247, 249 f.), verfehlt den Inhalt und die Zweckbestimmung der markengesetzlichen Vorschrift. Das Markengesetz ist durch das Gesetz zur Reform des Markenrechts und zur Umsetzung der Ersten Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken in Kraft gesetzt worden. Nach der berei ts in der Gesetzesüberschrift zum Ausdruck kommenden allgemeinen Zielsetzung sollte also das Markenrecht reformiert und zugleich den Vorgaben der Markenrechtsrichtlinie (vgl. Art. 17 MarkenRL, Art. 189 Abs. 3 EGV) angepaßt werden. Demnach ist bei der Auslegung der Bestimmungen des Markengesetzes, die, wie § 3 MarkenG, jedenfalls auch die von den Harmonisierungsvorschriften erfaßten eingetragenen Marken betreffen, in erster Linie die entsprechende Regelung der Markenrechtsrichtlinie zur Auslegung der nationalen Vorschrift heranzuziehen. Ein Rückgriff auf das frühere nationale Recht verbietet sich insoweit grundsätzlich schon unter dem Aspekt der erforderlichen Markenrechtsharmonisierung.
[22] d) Aus Art. 2 MarkenRL, der u. a. durch die Vorschrift des § 3 Abs. 1 MarkenG umgesetzt worden ist (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf aaO S. 65 bzw. 59), kann die vom Bundespatentgericht vorgenommene Einschränkung von Farbmarken auf konkrete Ausstattungen oder Aufmachungen nicht entnommen werden. In der Markenrechtsrichtlinie heißt es, daß Marken alle Zeichen sein können, soweit sie geeignet sind, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden, wenn sie sich graphisch darstellen lassen, hierzu gehöre insbesondere die Aufmachung der Ware. Daß unter diese allgemeine Formulierung ohne Einschränkung auf konkrete körperliche Gestaltungen auch farbliche Aufmachungen fallen, ist nicht zweifelhaft. Der Markenrechtsrichtlinie selbst kann eine entsprechende Einschränkung nicht entnommen werden. Das wird unterstrichen durch die Gemeinsame Erklärung des Rates und der Kommission im Markenrechtsrichtlinien-Protokoll – ohne dieser eine besond ere Rechtsqualität zuzuweisen –, wenn es dort unter Punkt 2 heißt, Rat und Kommission seien der Auffassung, daß Art. 2 MarkenRL nicht die Möglichkeit ausschließe, als Marke eine Farbe oder Farbzusammenstellung einzutragen (ABl (HABM) 1996, 606).
[23] e) Zu der Art. 2 MarkenRL wörtlich entsprechenden Vorschrift in der Gemeinschaftsmarkenverordnung (Art. 4 GMV) hat die Dritte Beschwerdekammer des Harmonisierungsamtes für den Binnenmarkt in der Entscheidung "Orange" (ABl (HABM) 1998, 898, 900) ausgeführt, daß eine Farbe an sich generell markenfähig nach Art. 4 GMV sei.
[24] f) Anhaltspunkte dafür, daß (abstrakte) Farben oder Farbkombinationen von Hause aus zur Kennzeichnung von Waren oder Dienstleistungen i. S. von § 3 Abs. 1 MarkenG ganz ungeeignet seien, sind nicht ersichtlich; im Geschäftsverkehr werden im Gegenteil derartige Kennzeichnungsmittel zur Unternehmens- oder Waren- (Dienstleistungs-) Kennzeichnung vielfach verwendet (vgl. auch BGH, Urt. v. 20. 3. 1997 – I ZR 246/94, GRUR 1997, 754, 755 = WRP 1997, 748 – grau/magenta). Dieser abstrakten Kennzeichnungseignung von Farben und Farbzusammenstellungen entspricht es auch, daß derartige Marken in verschiedenen Mitgliedstaaten der Europäischen Union schon bisher (vor der Markenrechtsharmonisierung) ebenso Markenschutz genießen konnten wie auch in anderen Ländern (vgl. Benelux-Gerichtshof GRUR Int. 1979, 117; U. S. -Supreme Court GRUR Int. 1996, 961 – Grün-goldene Farbe; s. auch die Zusammenfassung bei v. Schultz, GRUR 1997, 717, 720 f.).
[25] IV. Angesichts der danach gegebenen abstrakten Markenfähigkeit der angemeldeten Marke war der angefochtene Beschluß aufzuheben und die Sache gemäß § 89 Abs. 4 MarkenG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Bundespatentgericht zurückzuverweisen. Das Bundespatentgericht wird nunmehr der Frage von Eintragungshindernissen gemäß § 8 MarkenG nachzugehen und gegebenenfalls das Vorliegen der von der Anmelderin behaupteten Verkehrsdurchsetzung (§ 8 Abs. 3 MarkenG) zu beurteilen haben.