Bundesgerichtshof

BGH, Urteil vom 30. 8. 2000 – 2 StR 204/00 (lexetius.com/2000,1791)

[1] Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 30. August 2000, an der teilgenommen haben: Vizepräsident des Bundesgerichtshofes Dr. Jähnke als Vorsitzender, die Richter am Bundesgerichtshof Niemöller, Detter, Rothfuß, Hebenstreit als beisitzende Richter, Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter der Bundesanwaltschaft, Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle, für Recht erkannt:
[2] 1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Bonn vom 10. Juni 1999 mit den Feststellungen – ausgenommen denjenigen zum äußeren Tathergang – aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
[3] 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
[4] Gründe: I. 1. Das Landgericht hat beide Angeklagten des versuchten Totschlags schuldig gesprochen; die Angeklagte S. hat es zu einer Jugendstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten, den Angeklagten W. zu einer Jugendstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt.
[5] Mit ihrer Revision, die vom Generalbundesanwalt vertreten wird, rügt die Staatsanwaltschaft die Verletzung sachlichen Rechts; sie erstrebt die Verurteilung beider Angeklagten wegen vollendeten Mordes. Das Rechtsmittel hat überwiegend Erfolg.
[6] 2. Das Landgericht hat im wesentlichen folgenden Sachverhalt festgestellt:
[7] Die beiden Angeklagten, die damals 17-jährige R. S. und ihr seinerzeit 20 Jahre alter Freund Sa. W., lebten zusammen in einem kleinen Haus, das ihnen R. s Pflegemutter zur Verfügung gestellt hatte; sie selbst bewohnte mit weiteren Pflegekindern, darunter der 15-jährigen J. K., ein größeres Haus in der Nähe. Zwischen der Angeklagten und J. traten im Laufe der Zeit Spannungen auf. Die Angeklagte nahm es J. insbesondere übel, daß diese der Pflegemutter R. s Schwangerschaft offenbart und sie einmal zu Unrecht verdächtigt hatte, der Pflegemutter 20,00 DM gestohlen zu haben; sie sann daher auf eine Gelegenheit, J. eine "gründliche Abreibung" zu verpassen. Diese Gelegenheit bot sich, als die Pflegemutter ein Sängerfest im Dorf besuchte und J. in deren Haus allein war. Die Angeklagte ging am Abend zu ihr, traf sie an und begann einen Streit. Die beiden Frauen rauften sich in den Haaren. Die Angeklagte schlug dabei J. zu Boden und brachte ihr mit einem Klappmesser insgesamt 16 Stichverletzungen bei. Anfangs stach sie ihr in den Bauch und in den Rücken. Mit weiteren Stichen fügte sie ihr Verletzungen an den Armen, der linken Hand und am Halse zu. Schließlich versetzte sie ihr "in Tötungsabsicht" mehrere wuchtige Messerstiche ins Gesicht, von denen einer das Nasenbein zertrümmerte, ein anderer den Oberkiefer durchtrennte und drei Zähne herausbrach. Beim letzten Stich blieb das Messer so fest im Gesicht stecken, daß die Angeklagte es nicht mehr herausziehen konnte. J. lebte zwar noch, war aber so zugerichtet, daß die Angeklagte sie für tot hielt.
[8] Anschließend lief die Angeklagte nach Hause und berichtete ihrem Freund, dem Angeklagten, sie habe J. erstochen. Beide kehrten daraufhin zum Tatort zurück, um die Spuren der Tat zu beseitigen. Während die Angeklagte draußen blieb, drang der Angeklagte in das Haus ein und fand dort J., die mit blutüberströmtem Kopf regungslos auf dem Rücken lag. Da sie Geräusche von sich gab, die sich wie ein Röcheln anhörten, nahm der Angeklagte zutreffend an, daß sie noch lebe. Er zog ihr das Messer aus dem Gesicht, wusch sich die Hände und suchte nach einem Gegenstand, um die – wie er annahm – bereits Sterbende zu töten. Mit einer beidhändig gehaltenen Wasserflasche schlug er auf ihren Kopf ein, so daß ihr Stirnbein zersplitterte. Das röchelähnliche Geräusch hielt jedoch an – J. war noch nicht tot. Der Angeklagte legte daraufhin eine Jeansjacke über ihr Gesicht, warf sich mit seinem ganzen Gewicht auf sie und würgte sie dann. Danach versuchte er, ihren Körper aus dem Zimmer zu schaffen, gab dies jedoch alsbald wieder auf. J. starb "entweder infolge der – möglicherweise den Sterbevorgang verkürzenden – Schläge mit der Wasserflasche oder aber nach diesen" (Schlägen) "infolge der Messerstiche durch Verbluten".
[9] II. Das angefochtene Urteil hält rechtlicher Prüfung nicht stand. Der Schuldspruch weist Rechtsfehler zum Vorteil der Angeklagten auf; sie betreffen bei der Angeklagten S. die Annahme eines nur versuchten Tötungsverbrechens und die Vorsatzform, außerdem bei beiden Angeklagten die Verneinung von Mordmerkmalen.
[10] 1. Was die Verurteilung der Angeklagten S. angeht, so ergibt die rechtliche Prüfung:
[11] a) Zu Unrecht hat die Jugendkammer die Angeklagte nur eines versuchten statt eines vollendeten Tötungsverbrechens schuldig gesprochen. Zur Begründung hat sie ausgeführt:
[12] Zwar sei jeder der "Tatbeiträge" der Angeklagten für sich genommen geeignet gewesen, den Tod des Opfers herbeizuführen – doch habe sich nicht feststellen lassen, "ob der Tod durch Verbluten allein durch die von der Angeklagten S. gesetzten Messerstiche eingetreten ist oder aber die Schläge mit der Wasserflasche den von ihr in Gang gesetzten Kausalverlauf unterbrochen haben". Daher sei nach dem Zweifelssatz zugunsten jedes Angeklagten zu unterstellen, daß sein Tatbeitrag nicht den Tod herbeigeführt habe (UA S. 133).
[13] Dem kann nicht gefolgt werden. Die Jugendkammer hat damit den strafrechtlich maßgebenden Ursachenbegriff verkannt. Ursächlich ist jede Bedingung, die den Erfolg herbeigeführt hat; dabei ist gleichgültig, ob neben der Tathandlung noch andere Umstände, Ereignisse oder Geschehensabläufe zur Herbeiführung des Erfolgs beigetragen haben. Anders verhält es sich allerdings, wenn ein späteres Ereignis ihre Wirkung beseitigt und unter Eröffnung einer neuen Kausalreihe den Erfolg allein herbeiführt. Dagegen schließt es die Ursächlichkeit des Täterhandelns nicht aus, daß ein weiteres Verhalten, sei es des Täters, sei es des Opfers, sei es auch Dritter, an der Herbeiführung des Erfolgs mitgewirkt hat (st. Rspr. und h. M. im Schrifttum, zusammenfassende Darstellung mit zahlreichen Nachweisen in BGHSt 39, 195, 197 f). Ursächlich bleibt das Täterhandeln selbst dann, wenn ein später handelnder Dritter durch ein auf denselben Erfolg gerichtetes Tun vorsätzlich zu dessen Herbeiführung beiträgt, sofern er nur dabei an das Handeln des Täters anknüpft, dieses also die Bedingung seines eigenen Eingreifens ist. Auch dies entspricht gefestigter Auffassung in Rechtsprechung (vgl. die Nachweise in BGH aaO) und Schrifttum (Lackner/Kühl, StGB 23. Aufl. vor § 13 Rdn. 11; Tröndle/Fischer, StGB 49. Aufl. vor § 13 Rdn. 18 a; Lenckner in Schönke/Schröder, StGB 25. Aufl. Vorbem. §§ 13 ff Rdn. 77; Rudolphi in SK-StGB vor § 1 Rdn. 49; Jeschek in LK 11. Aufl. vor § 13 Rdn. 58; Baumann/Weber/Mitsch, Strafrecht AT 10. Aufl. § 14 Rdn. 33 ff, 36; Maurach/Zipf, Strafrecht AT Teilband 1, 7. Aufl. § 18 IV Rdn. 61 ff). Demgemäß ist wegen vollendeten Tötungsverbrechens auch zu bestrafen, wer jemanden mit Tötungsvorsatz niedergeschossen und dadurch einen Dritten dazu veranlaßt hat, dem Verletzten den "Gnadenschuß" zu geben (OGHSt 2, 352, 354 f; BGH bei Dallinger MDR 1956, 526; Jähnke in LK 10. Aufl. § 212 Rdn. 3).
[14] Soweit der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs in einer älteren, vereinzelt gebliebenen Entscheidung (BGH NJW 1966, 1823) zu einem Ergebnis gelangt ist, das hiermit in Widerspruch steht (Hertel NJW 1966, 2418; Kion JuS 1967, 499; Jähnke aaO Fußn. 3), kann schon zweifelhaft sein, ob in der Begründung dieses Urteils überhaupt eine abweichende Rechtsauffassung zum Ausdruck gekommen ist; Ausführungen desselben Senats in einer jüngeren Entscheidung (BGH NJW 1989, 2479 f) machen jedenfalls deutlich, daß er eine solche Rechtsauffassung nicht oder zumindest nicht mehr vertritt. Für eine Anfrage nach § 132 Abs. 3 Satz 1 GVG besteht daher kein Anlaß.
[15] Danach hat die Angeklagte durch die Messerstiche den Tod J. s verursacht. Daran ändert es nichts, daß der später zum Tatort gekommene Angeklagte dem Opfer durch Schläge mit der Wasserflasche weitere Verletzungen zugefügt hat, die gleichfalls geeignet waren, den Tod herbeizuführen. Es kommt nicht darauf an, ob die Messerstiche oder die Schläge mit der Wasserflasche jeweils für sich genommen den Tod des Opfers bewirkt hätten oder J. erst infolge des Zusammenwirkens der ihr von beiden Angeklagten beigebrachten Verletzungen gestorben ist. Die Angeklagte hat mit den von ihr geführten Messerstichen jedenfalls eine Bedingung für den Tod des Opfers gesetzt; denn ohne diese, ihr von der Angeklagten beigebrachten Verletzungen wäre es nicht dazu gekommen, daß der Angeklagte eingriff und – an das Handeln seiner Freundin anknüpfend – J. mit der Wasserflasche auf den Kopf schlug, um das von der Angeklagten begonnene Tötungswerk zu vollenden. Für die Annahme, der Angeklagte habe mit seinen Schlägen die todesursächliche Wirkung der von seiner Freundin gesetzten Messerstiche beseitigt und stattdessen einen neuen, davon unabhängig zum Tod führenden Kausalverlauf in Gang gesetzt, ist hiernach kein Raum.
[16] Die strafrechtliche Haftung der Angeklagten im Sinne eines vollendeten Tötungsverbrechens entfällt auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer Abweichung des tatsächlichen Kausalverlaufs vom vorgestellten. Eine solche Abweichung ist zwar zu bejahen, soweit zugunsten der Angeklagten unterstellt werden muß, daß die dem Tatopfer vom Angeklagten W. zugefügten Verletzungen den Eintritt des Todes beschleunigt haben. Abweichungen vom vorgestellten Kausalverlauf sind jedoch rechtlich bedeutungslos, wenn sie sich innerhalb der Grenzen des nach allgemeiner Lebenserfahrung Voraussehbaren halten und keine andere Bewertung der Tat rechtfertigen (BGHSt 38, 32, 34 mit Nachweisen aus Rechtsprechung und Schrifttum). So liegt es hier. Der Tod des Opfers ist nicht etwa Folge einer außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit liegenden Verkettung unglücklicher Umstände, bei der eine Haftung der Angeklagten für den Erfolg ausscheiden würde. Die Abweichung vom vorgestellten Kausalverlauf ist vielmehr unwesentlich und rechtfertigt auch keine andere Bewertung der Tat.
[17] b) Rechtsfehlerhaft ist es ferner, daß die Kammer bei der rechtlichen Bewertung des Handelns der Angeklagten nur bedingten Tötungsvorsatz angenommen hat; in den Urteilsgründen heißt es dazu, ihr Vorsatz sei "bei Beginn der Stiche in den Kopf zumindest in der Form des dolus eventualis – eines bewußten Inkaufnehmens des Todes – vorhanden" gewesen (UA S. 132). Dies steht in Widerspruch zu der Feststellung, daß die Angeklagte bei den letzten, in das Gesicht geführten Stichen "in Tötungsabsicht", also mit direktem Vorsatz, gehandelt hat (UA S. 32).
[18] c) Darüber hinaus hält auch die Verneinung des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe rechtlicher Prüfung nicht stand.
[19] Die Jugendkammer hat hierzu ausgeführt, es habe zwar nahe gelegen, "aus der brutalen Vorgehensweise" der Angeklagten "beim Setzen der Messerstiche ins Gesicht – in ihren Augen eine besondere Demütigung – auf niedrige Beweggründe zu schließen"; hierfür spreche auch "die in der Bezeichnung der Getöteten als Fotze zum Ausdruck kommende Verachtung". Niedrige Beweggründe seien jedoch "bei Würdigung der Gesamtumstände, wie schon in der Beweiswürdigung ausgeführt", nicht sicher feststellbar (UA S. 132).
[20] Diese Ausführungen reichen nicht aus, um erkennbar zu machen, ob die tatrichterliche Beurteilung insoweit frei von Rechtsfehlern ist.
[21] Das gilt schon deshalb, weil die Kammer keine Feststellungen zum Tötungsmotiv der Angeklagten getroffen hat. Die Sachverhaltsschilderung der Urteilsgründe enthält hierzu nichts. Mitgeteilt wird darin zwar, aus welchem Grund sich die Angeklagte entschloß, J. am Tatabend aufzusuchen (UA S. 30: "… mit ihr einmal unter vier Augen über die 'verpetzte Schwangerschaft' und die Verdächtigung wegen der 20,00 DM zu sprechen", weitergehend zuvor UA S. 27: "… J. einmal bei sich bietender Gelegenheit … eine gründliche Abreibung … zu geben"). Welche Tatantriebe die Angeklagte aber dazu bestimmt haben, den Entschluß zur Tötung zu fassen, ist nicht festgestellt.
[22] Die Kammer beruft sich allerdings auf eine "Würdigung der Gesamtumstände", die sie "schon in der Beweiswürdigung" vorgenommen haben will. Doch geht diese Verweisung ins Leere. Denn im beweiswürdigenden Abschnitt der Urteilsgründe finden sich zwar einzelne Zusatzfeststellungen, denen Bedeutung für den Schluß auf das Tötungsmotiv zukommen kann (UA S. 118: "eine Art Bestrafungsaktion"; UA S. 124: "Bestrafungsaktion"; UA S. 120: "Vergeltungsaktion"; "Verärgerung und Abneinung"; UA S. 119: "Verdruß", "Ärger", "Haßgefühle") – diese werden aber weder dort noch an anderer Stelle unter dem Gesichtspunkt des Tötungsmotivs gewürdigt.
[23] Daß die Kammer im Rahmen der rechtlichen Wertung die Brutalität der Tötungshandlung und die im Gebrauch eines Schimpfworts zum Ausdruck gebrachte Verachtung des Opfers als mögliche Anhaltspunkte für das Vorliegen niedriger Beweggründe erwogen hat, belegt nicht, daß sie die gebotene Gesamtwürdigung angestellt hätte. Diese muß Vorgeschichte, Anlaß und Umstände der Tat, die Lebensverhältnisse des Täters und seine Persönlichkeit einschließen (BGHSt 35, 116, 127; BGHR StGB § 211 Abs. 2 Niedrige Beweggründe 11, 39), sich mithin auf alle äußeren und inneren für die Handlungsantriebe des Täters maßgeblichen Faktoren erstrecken (BGHR StGB § 211 Abs. 2 Niedrige Beweggründe 23, 24, 31). In die Würdigung wäre hier vor allem die Entwicklung des Verhältnisses zwischen der Angeklagten und dem späteren Tatopfer einzubeziehen gewesen, ihre sich daraus entwickelnde innere Einstellung zu J., für die der beweiswürdigende Teil der Urteilsgründe zahlreiche Anhaltspunkte bietet, nicht zuletzt auch die Äußerung der Angeklagten gegenüber einer Zeugin, "die", nämlich J., "werde sie mal umbringen" (UA S. 120). Der Erörterung hätte insbesondere bedurft, ob und gegebenenfalls inwieweit die feindseligen Gefühle und Empfindungen, welche die Angeklagte gegenüber J. hegte, als Beweggründe der Tötung wirksam geworden und vor dem Hintergrund der sie auslösenden Anlässe zu werten sind.
[24] Eine solche Gesamtwürdigung fehlt. Sie war hier auch nicht etwa deshalb entbehrlich, weil die Angeklagte den Tötungsentschluß nach den Feststellungen erst im Laufe der heftigen körperlichen Auseinandersetzung, also spontan gefaßt hat; denn dies braucht der Bejahung niedriger Beweggründe nicht entgegenzustehen (BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 11; BGH, Urt. v. 19. Juli 2000 – 2 StR 96/00; zu den dann gesteigerten Prüfungsanforderungen vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 16 und 31; BGH, Urt. v. 11. Januar 2000 – 1 StR 505/99).
[25] 2. Die Verurteilung des Angeklagten W. weist ebenfalls Rechtsfehler auf.
[26] a) Die Annahme eines nur versuchten Tötungsverbrechens ist bei ihm allerdings rechtlich nicht zu beanstanden. Auf die Beurteilung seiner Tat hat sich der Rechtsfehler, der die Bewertung der Ursächlichkeit des Handelns der Angeklagten S. betrifft, nicht ausgewirkt. Gleiches gilt für die von der Kammer offenbar vorausgesetzte, aber unrichtige Annahme, der Tod des Opfers könne – alternativ – nur entweder dem einen oder dem anderen Angeklagten als von ihm verursachter Handlungserfolg zurechenbar sein (UA S. 36, 129, 133). Denn die Kammer hat jedenfalls nicht verkannt, daß der Angeklagte den Tod J. s verursacht und mithin ein vollendetes Tötungsverbrechen begangen hätte, wenn durch sein Handeln der Eintritt des – womöglich ohnehin schon nahenden – Todes nur noch beschleunigt worden wäre (BGHSt 7, 287 f; 21, 59, 61; BGH NStZ 1981, 218 f; 1985, 26 f; BGH StV 1986, 59, 200; BGH StGB vor § 1/Kausalität, Angriffe, mehrere 1; Eser in Schönke/Schröder, StGB 25. Aufl. § 212 Rdn. 3). Den Urteilsausführungen ist zu entnehmen, daß sie eine den Todeseintritt beschleunigende Wirkung der vom Angeklagten gegen den Kopf J. s geführten Schläge nicht festzustellen vermochte. Dies kommt in der Tatschilderung des Urteils dadurch zum Ausdruck, daß dort diesen Schlägen nur eine den Sterbevorgang "möglicherweise" verkürzende Wirkung zuerkannt wird (UA S. 36), und gründet sich auf die Ausführungen des rechtsmedizinischen Sachverstänigen, der – wie das Urteil ebenfalls mitteilt – erklärt hatte, durch die Schläge "könne" auch eine deutlich verkürzte Lebenserwartung bewirkt worden sein (UA S. 128 unten). Wenn die Kammer sich hiernach außerstande gesehen hat, eine Beschleunigung des Todeseintritts als Folge der mit der Wasserflasche geführten Schläge festzustellen, so liegt darin auch kein selbständiger, der Beweiswürdigung anhaftender Rechtsfehler. Weder widerspricht das Ergebnis – wie die Revision meint – Erfahrungssätzen, noch weisen die Urteilsausführungen zu diesem Punkt – wie sie ebenfalls rügt – Lücken auf. Die Bezugnahme auf das vorbereitende schriftliche Gutachten des rechtsmedizinischen Sachverständigen ist im Rahmen der allein erhobenen Sachrüge unzulässig, ganz abgesehen davon, daß der zitierte Abschnitt des Gutachtens für die Deutung, der Sachverständige habe eine Beschleunigung des Todeseintritts als Folge der Schläge für gesichert erachtet, nichts hergibt.
[27] Konnte die Kammer aber nicht ausschließen, daß J. auch ohne das Eingreifen des Angeklagten zur selben Zeit gestorben wäre, zu der ihr Tod tatsächlich eintrat, dann mußte sie nach dem Zweifelssatz von dieser Möglichkeit ausgehen und durfte den Angeklagten – wie geschehen – nur wegen eines versuchten Tötungsverbrechens verurteilen.
[28] b) Dagegen ist die Ablehnung des Mordmerkmals der Verdeckungsabsicht rechtsfehlerhaft; das Urteil beruht insoweit auf einem Beweiswürdigungsmangel.
[29] Die Kammer hat hierzu im Rahmen der rechtlichen Wertung lediglich ausgeführt, eine Verdeckungsabsicht des Angeklagten habe "bei verständiger Würdigung des Gesamtgeschehens nicht als bestimmender Faktor seines Vorgehens festgestellt werden" können (UA S. 133). Dies entspricht der Sachverhaltsschilderung des Urteils insofern, als Feststellungen zum Tötungsmotiv fehlen. Der Beweggrund, von dem der Angeklagte sich bei seinem Vorgehen leiten ließ, bleibt offen. Soweit festgestellt ist, daß er, nachdem er J. das Messer aus dem Kopf gezogen, sich die Hände gewaschen und das Zimmer wieder betreten hatte, einen Gegenstand suchte, um das vom Opfer herrührende "Geräusch zu beenden und die in seinen Augen sterbende J. zu töten" (UA S. 34), belegt dies allein den Tötungsvorsatz, gibt aber keine Auskunft über das Tötungsmotiv. Das gilt auch für die inhaltsgleiche, im beweiswürdigenden Teil des Urteils enthaltene Feststellung, wonach der Angeklagte lediglich noch versuchte, "dem Ganzen ein Ende zu setzen" (UA S. 131), und ebenso für deren Grundlage, nämlich die Erklärung des Angeklagten bei seiner polizeilichen Vernehmung vom 6. August 1998, er habe J. den Kehlkopf einzudrücken versucht, "weil er es habe beenden wollen" (UA S. 68).
[30] Weshalb die Kammer gemeint hat, das Tötungsmotiv des Angeklagten nicht feststellen zu können, ist jedoch nicht erklärt. Eine Begründung hierfür fehlt. Die Frage nach dem Beweggrund bleibt unerörtert. Die Beweiswürdigung ist insofern lückenhaft. Denn es gab erörterungsbedürftige Umstände, die dafür sprechen konnten, daß der Angeklagte das von seiner Freundin begonnene Tötungswerk fortgeführt hat, um sie vor der Entdeckung ihrer Straftat zu schützen:
[31] Einerseits war er selbst J. nicht feindlich gesonnen und hatte dazu auch keinen eigenen, in seiner Person liegenden Grund. Andererseits stand er zu der Angeklagten, mit der er zusammenlebte, in einem engen, auf Liebe gegründeten Verhältnis, das gegenseitige Hilfe in schwierigen Situationen erwarten ließ. Als die Angeklagte ihm nach ihrer Rückkehr vom Hause der Pflegemutter erzählt hatte, sie habe J. erstochen, überlegte er demgemäß, "wie er seiner Freundin in dieser Situation helfen" könne, und ging mit ihr zum Tatort zurück, "um die Tatspuren zu vernichten" (UA S. 33). Diese in der Sachverhaltsschilderung enthaltene Feststellung kehrt im Strafzumessungsteil der Urteilsgründe wieder und ist dort in die Worte gefaßt, der Angeklagte habe "R. vor Entdeckung bewahren und für sich als seine Freundin erhalten" wollen (UA S. 142). Freilich bezieht sich dies auf einen Zeitpunkt, in dem der Angeklagte glaubte, J. sei bereits tot; doch lag angesichts dieser seiner Motivation die Folgerung nahe, daß derselbe Beweggrund ihn dann auch dazu bestimmt hat, die Tötung des schwerverletzt aufgefundenen Opfers zu vollenden. Diesen Schluß scheint die Kammer im übrigen selbst gezogen zu haben; denn im beweiswürdigenden Abschnitt der Urteilsgründe heißt es, "im zweiten Handlungsteil" habe der Angeklagte "vorrangig eine Hilfsaktion für seine Freundin" durchgeführt (UA S. 118). "Hilfsaktion" für die Angeklagte konnte in diesem Zusammenhang aber nur ein Handeln sein, durch das sie vor der Entdeckung ihrer Tat geschützt werden würde – eine andere Deutung kommt nicht in Betracht. Ein Indiz, das in die nämliche Richtung weist, bot schließlich auch das Einlassungsverhalten des Angeklagten im Ermittlungsverfahren, das – wie das Urteil in breiter Darstellung der polizeilichen Vernehmungen deutlich macht – über weite Strecken von dem entschiedenen Bemühen geprägt war, die Alleinschuld am Tode J. auf sich zu nehmen, um die Überführung und Bestrafung der Angeklagten zu verhindern.
[32] Mit diesen Umständen, die für die Bejahrung der Verdeckungsabsicht sprechen konnten, hätte sich die Kammer auseinandersetzen müssen. Daß dies unterblieben ist, begründet einen Beweiswürdigungsmangel und damit einen Rechtsfehler.
[33] III.
[34] 1. Das Urteil ist daher mit den Feststellungen aufzuheben. Aufrechterhalten bleiben jedoch die Feststellungen zum äußeren Tathergang, soweit sie die Kammer in den Urteilsgründen von UA S. 30 bis 36 (beginnend mit der Überschrift "Das engere Tatgeschehen" und endend vor der Überschift "Geschehen nach der Tat") dokumentiert hat; das erscheint angebracht, weil nach diesen, rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen in Verbindung mit der rechtlichen Wertung durch den Senat bereits abschließend geklärt ist, daß die Angeklagte S. eine vollendete Tötung, der Angeklagte W. dagegen nur einen Tötungsversuch zu verantworten hat. Soweit die Staatsanwaltschaft die Verurteilung des Angeklagten W. wegen vollendeten Tötungsverbrechens erstrebt, hat ihr Rechtsmittel keinen Erfolg.
[35] 2. Für die neue Verhandlung und Entscheidung weist der Senat vorsorglich darauf hin, daß die Annahme erheblich verminderter Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) bei keinem der beiden Angeklagten eine Grundlage in den bisherigen Feststellungen findet; von den akut wirksamen und latent vorhandenen Störfaktoren, die nach Meinung des Sachverständigen und der ihm folgenden Kammer die Schuldfähigkeit der Angeklagten beeinträchtigt haben sollen (bei der Angeklagten S. ein "vorübergehender Impulskontrollverlust", bei dem Angeklagten W. Unreife, geringe Konfliktverarbeitungsfähigkeit, Streß und Panik), erfüllt keiner eines der in § 20 StGB bezeichneten Eingangsmerkmale.