Bundesarbeitsgericht
Sozialkassenverfahren im Baugewerbe – Darlegung

BAG, Urteil vom 28. 4. 2004 – 10 AZR 370/03 (lexetius.com/2004,1213)

[1] Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 11. Februar 2003 – 11 Sa 1799/02 – aufgehoben.
[2] Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
[3] Tatbestand: Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte für den Zeitraum von Mai bis Juli 2000 tariflich vorgesehene Auskünfte erteilen und für den Fall der nicht rechtzeitigen Erteilung Entschädigung leisten muss.
[4] Die Klägerin ist die Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes VVaG (im Folgenden: ZVK) und als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien nach Maßgabe des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 20. Dezember 1999 (VTV) die Einzugsstelle für die Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes.
[5] Die Beklagte hat ein Gewerbe angemeldet, wonach sie Rohrleitungsbau aller Art, Isolier- und Lüftungstechnik sowie ferner den Handel und sonstige mit dem Unternehmen in Verbindung stehenden Rechtsgeschäfte betreibt. Das Steuerbüro der Beklagten hat deren Arbeitnehmer mit den Schlüsselnummern für Drahtisolierer, Rohrnetzbauer und Isolierer bei der AOK angemeldet.
[6] Die ZVK hat vorgetragen, sechs von 32 Arbeitnehmern der Beklagten hätten im Kalenderjahr 2000 ausschließlich, die übrigen zu mehr als 50 % ihrer persönlichen Arbeitszeit, die unter Summierung der einzelnen persönlichen Arbeitszeiten der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer auch mehr als 50 % der betrieblichen Gesamtarbeitszeit ausgemacht habe, Dämm- und Isolierarbeiten, nämlich technische Isolierarbeiten zum Zweck des Wärme- und Kälteschutzes an Rohrleitungen, Apparaten, Behältern und Dampfkesseln großtechnischer Versorgungsanlagen, Heizungsanlagen und Rohren, Kalt- und Warmwasserleitungen im Bereich Sanitär sowie Lüftungskanälen ausgeführt.
[7] Die Beklagte stelle entgegen ihrem Vortrag nicht nur die Rohrleitungssysteme für fremde Verarbeitung her. Wenn eine Montage in einer Werkstatt stattfinde, dann geschehe dies zum Zwecke des Einbaus und der Verlegung durch die Arbeitnehmer der Beklagten selbst.
[8] Zum Beweis hat sie 32 im Jahr 2000 beschäftigte Arbeitnehmer benannt und deren ladungsfähigen Anschriften mitgeteilt.
[9] Die Klägerin hat weiterhin vorgetragen, sie sei von Mitbewerbern über die behaupteten Tätigkeiten der Beklagten informiert worden. Die Beklagte beteilige sich immer wieder an Ausschreibungen, die insbesondere bei technischen Isolierarbeiten anfielen. Die Beklagte sei in großem Umfang als Subunternehmerin der Firma S Baugesellschaft bei der Verlegung von Druckwasserleitungen aus Kunststoff im Großraum E tätig gewesen.
[10] Die Klägerin hat zuletzt beantragt, 1. ihr auf dem vorgeschriebenen Formular Auskunft darüber zu erteilen, wieviel gewerbliche Arbeitnehmer, die eine nach den Vorschriften des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch – gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) versicherungspflichtige Tätigkeit ausübten, in den Monaten Mai 2000 bis Juli 2000 in dem Betrieb der Beklagten beschäftigt wurden und welche Bruttolohnsummen und welche Sozialkassenbeiträge in den einzelnen Monaten insgesamt angefallen sind; 2. für den Fall, dass diese Verpflichtung zur Auskunftserteilung nicht innerhalb einer Frist von sechs Wochen nach Zustellung des Berufungsurteils erfüllt wird, an sie eine Entschädigungssumme in Höhe von 19.020,05 Euro zu zahlen.
[11] Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag vorgetragen, es treffe zwar zu, dass sie an vielen Ausschreibungen öffentlicher Bauvorhaben für Dämm- und Isolierarbeiten teilgenommen habe und auch entsprechende Aufträge erhalten habe. Deren Abarbeitung habe aber höchstens 30 % der betrieblichen Gesamtarbeitszeit umfasst. Im Wesentlichen habe sie bis Ende 1999 eine Werkstatt in R betrieben, die sie Ende 1999 wegen eines Brandes aufgegeben habe. Anfang 2000 habe sie ihre Werkstatt in Räumlichkeiten in S und B verlegt. Ihre überwiegende betriebliche Tätigkeit bestehe darin, Rohrleitungssysteme und Isoliertechnik herzustellen durch industrielles Bearbeiten von Halbzeugen aus Kunststoff und Metall. Diese Tätigkeit sei geprägt durch Konfektionieren, Umformen, Schweißen, Bohren und Stanzen. Sie habe Armaturenkappen, Böden, Verkleidungen, Formteile etc. hergestellt, die in der Isoliertechnik von anderen Auftraggebern eingesetzt worden seien. Die Meldung der Arbeitnehmer an die AOK sei ohne Rücksprache mit ihr durch das Steuerbüro auf Grund der arbeitsvertraglich mitgeteilten Tätigkeiten erfolgt. Irgendwelche Rückschlüsse könnten daraus nicht gezogen werden.
[12] Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter, während die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
[13] Entscheidungsgründe: Die Revision ist begründet.
[14] Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung kann die Klage nicht abgewiesen werden. Ob der Klägerin der geltend gemachte Anspruch zusteht, ist im Wege einer Beweisaufnahme zu klären, die das Landesarbeitsgericht nach Zurückverweisung der Sache durchzuführen hat.
[15] I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, dass die ZVK zwar zunächst schlüssig dargelegt habe, dass die geschilderten baugewerblichen Tätigkeiten insgesamt arbeitszeitlich überwögen. Jedoch führten die den Einzelfall prägenden Umstände zur Unschlüssigkeit des klägerischen Vortrags. Er sei einem Beweisbeschluss nicht zugänglich. Aus einem solchen müssten sich die Behauptungen ergeben, deren Richtigkeit der Rechtshilferichter feststellen könne, nämlich Art, Dauer, Lage der betrieblichen Gesamtarbeitszeit, die Angabe der Arbeitnehmer sowie die konkrete Beschreibung der jeweils verrichteten Tätigkeit nach Datum, Ort und Art. Auch die Arbeitsmittel seien zu bezeichnen. Solche Angaben habe die ZVK nicht gemacht. Sie habe die ausgeführten Tätigkeiten bis auf diejenigen von sechs Arbeitnehmern nicht dargestellt, sondern den Tariftext teilweise wiedergegeben. Es stelle einen Ausforschungsbeweis dar, wenn die Zeugen darüber vernommen würden. Die Schwierigkeit, den Sachverhalt aufzuklären und zu ermitteln, ändere daran nichts. Die Darlegungs- und Beweislast werde nicht erleichtert, weil die ZVK die betrieblichen Gegebenheiten nicht kenne. Sie dürfe zwar auch vermutete Tatsachen behaupten, aber nicht ins Blaue hinein. Die von ihr genannten Umstände seien nicht geeignet, zulässige Vermutungen aufzustellen. Ihr Vortrag zu Dämm- und Isolierarbeiten reiche als Anknüpfungstatsache für eine Zulassung des Vermutungsvortrags nicht aus, weil die Beklagte einräume, einen Mischbetrieb zu führen, worin ca. 30 % Dämm- und Isolierarbeiten ausgeführt würden. Über diesen Rahmen gingen die für die konkret benannten Arbeitnehmer behaupteten Bautätigkeiten nicht hinaus. Soweit die ZVK der Beklagten eine unplausible Berechnung vorwerfe, erschüttere das den Vortrag der Beklagten nicht, da die von der ZVK selbst zugrunde gelegten Mann-Monate der Tätigkeiten nicht immer vollständig gewesen seien. Was die Tätigkeit in der Werkstatt S betreffe, seien die in das Wissen des Zeugen J gestellten Tatsachen nicht geeignet, darzulegen, dass dort nur sehr wenig und zum Zwecke des Verkaufs vorkonfektioniert worden wäre. Auch die Vernehmung dieses Zeugen wäre eine Ausforschung. Die Beklagte habe substantiiert den Vortrag der ZVK bestritten. Ihr obliege keine erweiterte Darlegungslast, obwohl sie Angaben über ihren eigenen Betrieb machen könne. Dies würde der ZVK unzumutbare prozessuale Vorteile verschaffen, die zu ihrem Prozessziel führen würden. Es bestehe keine Sonderrechtsbeziehung zwischen den Parteien. Einen allgemeinen Auskunftsanspruch nach § 242 BGB gebe es nicht. Die ZVK sei auch nicht in Beweisnot, da sie die Arbeitnehmer fragen könne, was sie ja auch getan habe.
[16] II. Mit dieser Begründung kann die Klage nicht abgewiesen werden.
[17] 1. Der Anspruch kann begründet sein aus § 21 des für allgemeinverbindlich erklärten VTV vom 20. Dezember 1999, in dessen betrieblichen Geltungsbereich der Betrieb der Beklagten fallen kann.
[18] a) Hierzu heißt es in § 1 Abs. 2 VTV:
[19] "Betriebe des Baugewerbes. Das sind alle Betriebe, die unter einen der nachfolgenden Abschnitte I bis IV fallen.
[20] Abschnitt I. Betriebe, die nach ihrer durch die Art der betrieblichen Tätigkeiten geprägten Zweckbestimmung und nach ihrer betrieblichen Einrichtung gewerblich Bauten aller Art erstellen.
[21] Abschnitt II. Betriebe, die, soweit nicht bereits unter Abschnitt I erfaßt, nach ihrer durch die Art der betrieblichen Tätigkeiten geprägten Zweckbestimmung und nach ihrer betrieblichen Einrichtung gewerblich bauliche Leistungen erbringen, die – mit oder ohne Lieferung von Stoffen oder Bauteilen – der Erstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen.
[22] Abschnitt III. Betriebe, die, soweit nicht bereits unter Abschnitt I oder II erfaßt, nach ihrer durch die Art der betrieblichen Tätigkeiten geprägten Zweckbestimmung und nach ihrer betrieblichen Einrichtung – mit oder ohne Lieferung von Stoffen oder Bauteilen – gewerblich sonstige bauliche Leistungen erbringen.
[23] Abschnitt IV. Betriebe, in denen die nachstehend aufgeführten Arbeiten ausgeführt werden: … 3. technische Dämm- (Isolier-) Arbeiten, insbesondere solche an technischen Anlagen, soweit nicht unter Abschnitt II oder III erfaßt, einschließlich von Dämm- (Isolier-) Arbeiten an und auf Land-, Luft- und Wasserfahrzeugen. …
[24] Abschnitt V. Zu den in den Abschnitten I bis III genannten Betrieben gehören z. B. diejenigen, in denen Arbeiten der nachstehend aufgeführten Art ausgeführt werden: … 9. Dämm- (Isolier-) Arbeiten (z. B. Wärme-, Kälte-, Schallschutz-, Schallschluck-, Schallverbesserungs-, Schallveredelungsarbeiten) einschließlich Anbringung von Unterkonstruktionen; …
[25] Abschnitt VI. Betriebe, soweit in ihnen die unter den Abschnitten I bis V genannten Leistungen überwiegend erbracht werden, fallen grundsätzlich als Ganzes unter diesen Tarifvertrag. Selbständige Betriebsabteilungen sind Betriebe im Sinne dieses Tarifvertrages."
[26] b) Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass es für die Entscheidung des Rechtsstreits darauf ankommt, ob im Anspruchszeitraum im Betrieb der Beklagten vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV erfasste Tätigkeiten verrichtet worden sind, wobei auf die arbeitszeitlich überwiegende Tätigkeit der Arbeitnehmer der Beklagten und nicht auf wirtschaftliche Gesichtspunkte wie Umsatz und Verdienst, aber auch nicht auf handels- oder gewerberechtliche Kriterien, wie zB die Eintragung in das Handelsregister oder in eine Handwerksrolle mit einem bestimmten Inhalt abzustellen ist (st. Rspr., vgl. BAG 16. Mai 2001 – 10 AZR 438/00 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Dachdecker Nr. 7 = EzA TVG § 4 Bauindustrie Nr. 106).
[27] Nach § 1 Abs. 2 Abschn. VI VTV werden Betriebe als Ganzes vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV erfasst, wenn in ihnen arbeitszeitlich überwiegend Tätigkeiten ausgeführt werden, die unter die Abschnitte I bis V des § 1 Abs. 2 VTV fallen. Betriebe, die überwiegend eine oder mehrere der in den Beispielen des Abschnitts V genannten Tätigkeiten ausführen, fallen unter den betrieblichen Geltungsbereich des VTV, ohne dass die Erfordernisse der allgemeinen Merkmale der Abschnitte I bis III geprüft werden müssen (BAG 18. Januar 1984 – 4 AZR 41/83BAGE 45, 11). Den baugewerblichen Tätigkeiten ebenfalls zuzuordnen sind diejenigen Nebenarbeiten, die zu einer sachgerechten Ausführung der baulichen Leistungen notwendig sind und deshalb mit ihnen im Zusammenhang stehen (BAG 25. Februar 1987 – 4 AZR 240/86BAGE 55, 78). Werden nicht für das gesamte Kalenderjahr Auskünfte oder Beiträge begehrt und war der Betrieb im gesamten Kalenderjahr tätig, ist grundsätzlich dieser Zeitraum der Beurteilung zugrunde zu legen (st. Rspr., BAG 25. Juli 2001 – 10 AZR 483/00BAGE 98, 250).
[28] Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass im Betrieb des beklagten Arbeitgebers überwiegend baugewerbliche Tätigkeiten verrichtet wurden, obliegt der ZVK (BAG 28. März 1990 – 4 AZR 615/89 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 130).
[29] 2. Nach diesen Grundsätzen ist der Vortrag der ZVK entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts substantiiert, schlüssig und einer Beweisaufnahme zugänglich.
[30] a) Nach allgemeinen Grundsätzen ist ein Sachvortrag zur Begründung eines Klageanspruchs dann schlüssig, wenn der Kläger Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person des Klägers entstanden erscheinen zu lassen. Bei einer Klage, mit der die ZVK einen Arbeitgeber nach Maßgabe der Sozialkassentarifverträge in Anspruch nimmt, bedeutet dies, dass sie Tatsachen vortragen muss, die den Schluss zulassen, der Betrieb werde vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV erfasst. Ergibt sich aus dem Sachvortrag der ZVK, dass in einem Betrieb Arbeiten ausgeführt werden, die die Zuordnung zu einer in § 1 Abs. 2 VTV aufgeführten baugewerblichen Tätigkeit zulassen, so bedarf es zur Schlüssigkeit der Klage der Darlegung, dass diese baugewerbliche Tätigkeit insgesamt arbeitszeitlich überwiegt (st. Rspr., vgl. BAG 20. März 2002 – 10 AZR 507/01 – EzA TVG § 4 Bauindustrie Nr. 114 mwN).
[31] b) Die ZVK hat vorgetragen, dass die Beklagte im Kalenderjahr 2000 mit 32 namentlich als Zeugen benannten Arbeitnehmern zu mehr als 50 % der betrieblichen Gesamtarbeitszeit Dämm- und Isolierarbeiten ausgeführt habe. Diese Arbeiten unterfallen § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 9 VTV, soweit sie an Gebäuden, und § 1 Abs. 2 Abschn. IV Nr. 3 VTV, soweit sie an technischen Anlagen durchgeführt wurden, und sind daher als bauliche Tätigkeiten zu qualifizieren. Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts hat die ZVK auch nicht nur den Tariftext abgeschrieben, als sie die Tätigkeiten näher schilderte. Sie hat vorgetragen, dass die technischen Isolierarbeiten zum Zwecke des Wärme- und Kälteschutzes an Rohrleitungen, Apparaten, Behältern und Dampfkesseln großtechnischer Versorgungsanlagen vorgenommen worden seien. Sie hat einzelne Bauvorhaben genannt und die Teilnahme der Beklagten an Ausschreibungen vorgetragen, wonach solche Arbeiten zu verrichten waren. Dies hat die Beklagte auch nicht bestritten. Die ZVK hat auch konkrete Tätigkeiten bestimmter durch sie befragter Arbeitnehmer geschildert. Schließlich hat sie behauptet, dass die in der Werkstatt durchgeführten Tätigkeiten im Zusammenhang mit eigenen Isoliertätigkeiten standen.
[32] Es ist nicht erforderlich, dass die ZVK jede Einzelheit der im Kalenderjahr 2000 als geleistet behaupteten Tätigkeiten vorträgt. Dies kann sie in der Regel auch gar nicht, wenn sie nicht in jeden potentiell unter den Geltungsbereich des VTV fallenden Betrieb einen Prüfer setzt, der die gesamte Tätigkeit ständig überwacht. Zwar trifft es zu, dass nach allgemeinen Grundsätzen des Zivilprozessrechts die Schwierigkeit, sich einen detaillierten Überblick über die in einem Betrieb geleistete Arbeit zu verschaffen, der ZVK nicht die Darlegungs- und Beweislast für ihre Klageforderung abnimmt, so dass diese ganz oder teilweise der beklagten Partei aufzuerlegen wäre (BAG 28. März 1990 – 4 AZR 615/89 – AP TVG Tarifverträge: Bau § 1 Nr. 130). Die Anforderungen an eine schlüssige Darlegung und einen darauf beruhenden Beweisantritt dürfen jedoch auch nicht in der Weise überspannt werden, dass in allen Fällen, in denen eine Partei keine sichere Kenntnis über einzelne Geschehnisabläufe oder Tatsachen hat, deren Darlegung und Verwertung im Prozess gänzlich unmöglich würde. Eine Partei, die – wie die ZVK – keine näheren Einblicke in dem Gegner bekannte Geschehensabläufe hat und deren Darlegung deshalb erschwert ist, kann auch von ihr nur vermutete Tatsachen behaupten und unter Beweis stellen. Unzulässig ist ein derartiges prozessuales Vorgehen erst dann, wenn die Partei ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich Behauptungen "aufs Geratewohl" oder "ins Blaue hinein" aufstellt und sich deshalb rechtsmissbräuchlich verhält. Dies kann in der Regel nur bei Fehlen jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkte angenommen werden oder wenn die Partei selbst nicht an die Richtigkeit ihrer Behauptungen glaubt (BAG 5. November 2003 – 5 AZR 562/02 – AP BGB § 615 Nr. 106; BGH 25. April 1995 – VI ZR 178/94 – AP ZPO § 286 Nr. 23; BAG 28. Mai 1998 – 6 AZR 618/96BAGE 89, 70, 78 f. mwN).
[33] Dass die ZVK ihre Behauptungen über die betriebliche Tätigkeit nicht ins Blaue hinein aufgestellt hat, wird schon daraus deutlich, dass die Beklagte selbst zugesteht, etwa 30 % der betrieblichen Gesamtarbeitszeit für solche Arbeiten aufzuwenden. Damit unterscheiden sich die Behauptungen der Parteien lediglich im zeitlichen Anteil dieser Arbeiten.
[34] Ein weiterer Anhaltspunkt dafür, dass die Behauptungen der ZVK zur betrieblichen Tätigkeit nicht ins Blaue hinein aufgestellt worden sind, besteht darin, dass die Arbeitnehmer bei der AOK mit den Schlüsselnummern für Drahtisolierer, Rohrnetzbauer und Isolierer angemeldet worden sind. Dies erbringt zwar nicht den Beweis für die Richtigkeit der Behauptung, macht sie jedoch zumindest plausibel. Die Beklagte hat hierzu vorgetragen, die Meldungen seien über ihr Steuerbüro auf Grund der arbeitsvertraglich vereinbarten Tätigkeiten ohne Rücksprache mit ihr gemacht worden. Dadurch wird jedoch das Indiz nicht weniger aussagekräftig, denn es ist davon auszugehen, dass in der Regel in den Arbeitsverträgen auch die tatsächlich geschuldete und auszuführende Tätigkeit aufgeführt ist. Ferner ergibt die Anmeldung der Beklagten im Gewerberegister Anhaltspunkte dafür, dass die dort erwähnten Tätigkeiten auch ausgeführt werden, ebenso die Werbung der Beklagten auf dem Markt sowie die Teilnahme an Ausschreibungen, die bauliche Arbeiten vorsehen.
[35] c) Der Vortrag der ZVK ist auch nicht durch den Gegenvortrag der Beklagten unklar, widersprüchlich oder unwahrscheinlich und damit unschlüssig geworden, so dass ein darauf beruhender Beweisantrag unzulässig würde. Notwendiger Inhalt eines Beweisantrages ist die spezifizierte Bezeichnung von Tatsachen, welche bewiesen werden sollen; wie konkret die jeweiligen Tatsachenbehauptungen sein müssen, muss unter Berücksichtigung der Wahrheits- und Vollständigkeitspflicht (§ 138 Abs. 1 ZPO) anhand der Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Einlassung des Gegners, beurteilt werden. Ein Beweisantritt, dem die ausreichende Bestimmtheit der zu ermittelnden Tatsachen fehlt, ist abzulehnen (BGH 1. Dezember 1993 – VIII ZR 243/92NJW-RR 1994, 377). Die Beklagte hat sowohl den zeitlichen Anteil der von der ZVK behaupteten Arbeiten an der Gesamtarbeitszeit des Betriebes im Kalenderjahr bestritten, als auch den Charakter der in der Werkstatt durchgeführten Tätigkeiten als Zusammenhangstätigkeiten mit dem Einbauen oder Verbauen der in der Werkstatt vorgerichteten Werkstücke im Rahmen der durch die Beklagte selbst durchgeführten Dämm- und Isolierarbeiten. Damit unterscheidet sich das Vorbringen der Parteien sowohl hinsichtlich der Quantität der durchgeführten Arbeiten als auch hinsichtlich der Qualität. Es ist nicht ersichtlich, wieso nicht über beide Punkte Beweis erhoben werden könnte oder wieso dies einen unzulässigen Ausforschungsbeweis darstellen würde. Es ist gerade Sinn einer Beweisaufnahme festzustellen, ob die Behauptung eines bestimmten tatsächlichen Geschehens, das durch den Gegner negiert wird, zutrifft (BAG 26. Januar 1994 – 10 AZR 603/92 –; vgl. 2. Februar 1994 – 10 AZR 343/93 -).
[36] Das Vorbringen der ZVK wird auch nicht deshalb unschlüssig, weil die Parteien unterschiedliche Einzelheiten zu den von der ZVK vorgebrachten Indizien und Anhaltspunkten für die Richtigkeit ihrer Behauptungen vorgetragen haben. Keinesfalls hat die ZVK zunächst eine Art "Vorbeweis" in der Weise zu führen, dass sie die gewonnenen Anhaltspunkte für die – gegebenenfalls vermuteten – Tatsachen zunächst zu konkretisieren und unter Beweis zu stellen hätte, worüber bei Bestreiten dann Beweis zu erheben wäre. Der umfangreiche Streit der Parteien darüber, ob, wann und unter welchen Umständen die ZVK oder ihr Prozessbevollmächtigter Kenntnis über welche Einzelheiten der Tätigkeiten in und außerhalb von Werkstätten erlangt haben, ist für die Schlüssigkeit des Klägervorbringens unerheblich. Allenfalls könnten solche Umstände im Rahmen einer Beweiswürdigung eine Rolle spielen. Ein Gericht darf eine Beweiserhebung nicht davon abhängig machen, dass Anhaltspunkte für die Wahrheit der durch ein zulässiges Beweismittel unter Beweis gestellten Tatsache unstreitig vorliegen oder bewiesen werden oder die Partei ihre Behauptung wahrscheinlich macht (vgl. BGH 4. März 1991 – II ZR 90/90 – EzA GG Art. 9 Nr. 51), es sei denn die Behauptung ist ersichtlich ins Blaue hinein aufgestellt.
[37] d) Das Landesarbeitsgericht missversteht die Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts, auf die es sich beruft, wenn es den Vortrag der ZVK für unschlüssig hält. Wenn in dem Beschluss vom 16. Januar 1991 (- 4 AS 7/90BAGE 67, 71) die Durchführung der Rechtshilfe untersagt worden ist, weil der zugrunde liegende Beweisbeschluss nicht genügend bestimmte Tatsachen enthalten habe, die der Rechtshilferichter habe feststellen sollen, so beruhte dies darauf, dass in jenem Fall die Zeugen nicht über die Art der von ihnen selbst durchgeführten Arbeiten und deren Anteil an ihrer persönlichen Gesamtarbeitszeit vernommen werden sollten, sondern darüber, wie sich die betriebliche Gesamtarbeitszeit auf bestimmte Tätigkeiten während eines bestimmten Zeitraumes verteilt habe. Ohne nähere Angaben ergab sich nicht, wie die Hälfte der betrieblichen Gesamtarbeitszeit zu berechnen sein sollte. In jenem Fall wäre es den Zeugen ohne Hinweise und Erläuterungen durch den ersuchten Richter nicht möglich gewesen, die Beweisfragen zu beantworten, da ihnen die dafür erforderlichen Kenntnisse über die "betriebliche Gesamtarbeitszeit" fehlten und sie deshalb zur Klärung der Beweisfrage objektiv ungeeignete Beweismittel waren.
[38] Der Senat hat im Beschluss vom 26. Oktober 1999 (- 10 AS 5/99BAGE 92, 330) klargestellt, dass ein Beweisbeschluss über die Behauptung, dass die als Zeugen benannten Arbeitnehmer in einem bestimmten Zeitraum mit mehr als 50 % ihrer persönlichen Arbeitszeit bestimmte Tätigkeiten durchgeführt haben, eine festzustellende Tatsache ist, über die die jeweiligen Zeugen grundsätzlich auf Grund ihrer eigenen Kenntnisse Angaben machen können. Denkbar ist auch, dass bestimmte Arbeitnehmer dazu benannt werden können, über die gesamte betriebliche Tätigkeit Auskunft zu geben, wenn gleichzeitig dargelegt wird, wieso sie in der Lage sein sollen, über ihre eigene Tätigkeit hinaus Wahrnehmungen über die Tätigkeiten der übrigen Arbeitnehmer gemacht zu haben. Dies kann etwa bei Vorarbeitern, Projektleitern oder ähnlichen Funktionsinhabern der Fall sein. An einer solchen Darlegung fehlte es in der Entscheidung vom 28. März 1990 (- 4 AZR 615/89 – AP TVG Tarifverträge: Bau § 1 Nr. 130).
[39] Wenn in der Entscheidung des Senats vom 24. Mai 2000 (- 10 AZR 85/99 -) der Vortrag der ZVK zu Erdbewegungsarbeiten für unschlüssig gehalten wurde, so beruhte dies darauf, dass die ZVK nicht bestritten hatte, dass die für einen Sportanlagenbau erforderlichen Erdbewegungsarbeiten nicht durch die Beklagte, sondern durch Fremdfirmen ausgeführt worden waren. Zur Schlüssigkeit hätte sodann das Vorbringen gehört, dass der Betrieb auch die Einweisung, Überwachung und Kontrolle der Arbeitnehmer der Fremdfirmen durchgeführt hätte.
[40] Soweit aus dem Beschluss vom 16. Januar 1991 (- 4 AS 7/90BAGE 67, 71) der Schluss gezogen werden könnte, dass über den dort entschiedenen Einzelfall hinaus für die beweiserhebliche Beschreibung einer baugewerblichen Tätigkeit die Darlegung erforderlich sei, wann, wo und welche Arbeiten mit welchen Betriebsmitteln verrichtet worden seien, hält der Senat daran nicht fest. Tatsächlich hat er solche Anforderungen auch in seiner Rechtsprechung seit etwa 10 Jahren nicht mehr aufgestellt (zB BAG 3. November 1993 – 10 AZR 538/92 –; 2. Februar 1994 – 10 AZR 343/93 –; 26. Januar 1994 – 10 AZR 603/92 –; 26. Oktober 1999 – 10 AS 5/99BAGE 92, 330). Allerdings kann die Angabe der Arbeitsmittel und -methoden dann eine Rolle spielen, wenn die bauliche Prägung der in § 1 Abs. 2 Abschn. II und III VTV erwähnten Tätigkeiten darzulegen ist.
[41] 3. Der Gegenvortrag der Beklagten ist erheblich. Er ist so zu verstehen, dass sich die Behauptungen über die betriebliche Tätigkeit auf das gesamte Kalenderjahr 2000 beziehen und nicht nur auf den Klagezeitraum.
[42] III. Das Landesarbeitsgericht wird Beweis erheben müssen über die Behauptungen der ZVK über die betriebliche Tätigkeit der Beklagten und ggf. deren Gegenvorbringen. Es wird auch über die Kosten der Revision mitzuentscheiden haben.