Bundesverwaltungsgericht
Personalaktendaten; Datenverarbeitung; PERFIS; Speicherung; Berichtigung; Familienstand; Personenstand; Lebenspartnerschaft; Maßnahme.
WBO § 17 Abs. 3 Satz 1; BDSG § 3 Abs. 1, § 14 Abs. 1 Satz 1, § 20 Abs. 1 Satz 1 Stichworte:
1. Die Eintragung oder Nichteintragung personenbezogener Daten sowie die Unterlassung der Berichtigung personenbezogener Daten in Dateien der Bundeswehr können als truppendienstliche Maßnahmen vor den Wehrdienstgerichten angefochten werden.
2. Die im Personalführungs- und -informationssystem Soldaten der Bundeswehr gespeicherte Familienstandsangabe "ledig" ist auf Antrag des Betroffenen zu berichtigen, wenn dieser eine Eingetragene Lebenspartnerschaft nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz begründet hat.

BVerwG, Beschluss vom 4. 3. 2004 – 1 WB 32.03 (lexetius.com/2004,3787)

[1] Der Antragsteller ist Berufssoldat im Dienstgrad eines Hauptbootsmanns. Er begründete im Jahr 2002 eine Eingetragene Lebenspartnerschaft (ELP) nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz (LPartG). Er beantragt, den Bundesminister der Verteidigung (BMVg) zu verpflichten, die über ihn im Personalführungs- und – informationssystem Soldaten (PERFIS) gespeicherte Familienstandsangabe "ledig" korrigieren und dort aufnehmen zu lassen, dass er seit dem 4. Oktober 2002 in einer ELP lebe.
[2] Der Senat hat dem Antrag stattgegeben.
[3] Gründe: Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig.
[4] Unter Berücksichtigung des Schriftsatzes seiner Bevollmächtigten vom 21. November 2003 verfolgt der Antragsteller einen Berichtigungsanspruch nach Maßgabe des § 20 BDSG, der sich auf die aus seiner Sicht fehlerhaften bzw. unvollständigen Eintragungen in den Datenfeld-Nummern (DF-Nrn.) 609, 610 in PERFIS bezieht. Behauptete Rechtsverstöße, die ihre Grundlage in der Führung der Personalakten oder in der Handhabung von Personalaktendaten in PERFIS haben, sind vor den Wehrdienstgerichten geltend zu machen (stRspr.: Beschlüsse vom 3. September 1987 – BVerwG 1 WB 145.84, 1 WB 131.86, 1 WB 142.86 – [BVerwGE 83, 323 [324]] und vom 24. Oktober 1989 – BVerwG 1 WB 121.88 – Dok-Ber B 1990, 74 [LS]]). Die Eintragung oder Nichteintragung personenbezogener Daten in Dateien kann ebenso wie die Unterlassung der Berichtigung personenbezogener Daten in Dateien der Bundeswehr als anfechtbare Maßnahme im Sinne des § 17 Abs. 3 Satz 1 WBO angesehen werden (Beschlüsse vom 3. September 1987 – BVerwG 1 WB 145.84, 1 WB 131.85, 1 WB 142.86 – [a. a. O.] und vom 24. Oktober 1989 – BVerwG 1 WB 121.88 – [a. a. O.]).
[5] Der Antragsteller hat vor der Inanspruchnahme wehrdienstgerichtlichen Rechtsschutzes das erforderliche Vorverfahren durchgeführt. (wird ausgeführt)
[6] Dem Antragsteller steht auch das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis zur Seite.
[7] Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn ein Antragsteller – wie hier – in näherer Nachprüfung bedürfender Weise eine Verletzung seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung geltend macht, auf das er sich auch als Soldat gemäß § 6 SG berufen kann (Beschluss vom 3. September 1987 – BVerwG 1 WB 145.84, 1 WB 131.86, 1 WB 142.86 – [a. a. O.]).
[8] Der danach zulässige Antrag ist auch begründet.
[9] Der Antragsteller hat Anspruch auf Berichtigung der über ihn in den DF-Nrn. 609, 610 in PERFIS gespeicherten Personalaktendaten in der Form, dass dort die Angabe "ledig" zu löschen und die von ihm am 4. Oktober 2002 begründete ELP einzutragen ist. Die diese Datenänderung ablehnende Entscheidung der Stammdienststelle der Marine, die sie dem Antragsteller mit Kurzmitteilung vom 24. Oktober 2002 bekannt gegeben hat, ist rechtswidrig und verletzt den Antragsteller in seinen Rechten.
[10] Der Berichtigungsanspruch des Antragstellers folgt aus § 20 Abs. 1 Satz 1 BDSG.
[11] Nach dieser Vorschrift sind personenbezogene Daten zu berichtigen, wenn sie unrichtig sind. Zu den personenbezogenen Daten gehören nach der Legaldefinition in § 3 Abs. 1 BDSG die Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person (Betroffener). Angaben über die persönlichen Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person umfassen alle Angaben über den Betroffenen selbst, seine Identifizierung und Charakterisierung; dazu gehören innerhalb eines weiten Begriffsverständnisses auch die rechtlichen, sozialen, wirtschaftlichen und sonstigen Beziehungen des Betroffenen zur Umwelt (Gola/Schomerus, BDSG, 7. Aufl., § 3 RNr. 5; Dammann in: Simitis [Hrsg.], BDSG, 5. Aufl., § 3 RNrn. 7, 11). Die Identifizierung und Charakterisierung des Betroffenen wird unter anderem durch seinen Familienstand, seine familiäre Situation und seine Verwandtschaftsverhältnisse gekennzeichnet (Gola/Scho-merus, a. a. O.; Dammann, a. a. O., RNr. 11). Der Begriff des Familienstandes lässt sich als familienrechtlicher Status des Betroffenen definieren, aus dem sich ergibt, ob der Betroffene ledig, verheiratet oder in einem anderen familienrechtlichen Status lebt. Insofern korrespondiert der Begriff des Familienstandes mit dem Begriff des Personenstandes, von dem das Personenstandsgesetz ausgeht. Der Personenstand einer Person wird danach durch die Gesamtheit der personenbezogenen Daten bestimmt, die nach den Vorschriften des Personenstandsgesetzes in die Personenstandsbücher einzutragen sind (Hepting/Gaaz, PStG, Stand: April 2003, § 1 RNr. 4).
[12] Unter Beachtung dieser Maßgaben stellt die Angabe "ledig", wie sie im Rahmen der Bundeswehrschlüsselnummer … mit der Ziffer … in der DF-Nr. 609 in PERFIS eingetragen wird, eine Personenstands- bzw. Familienstandsangabe dar, die die Abgrenzung gegenüber den im Einzelnen im Personenstandsgesetz geregelten Personenständen (insbesondere: verheiratet/verwitwet/geschieden) ermöglicht.
[13] Auch die weitere Voraussetzung für einen Berichtigungsanspruch nach § 20 Abs. 1 Satz 1 BDSG, nämlich die Unrichtigkeit der gespeicherten personenbezogenen Daten, liegt vor. Unrichtig in diesem Sinne sind Daten, wenn die Information, welche die einzelnen Angaben über die persönlichen oder sachlichen Verhältnisse des Betroffenen vermitteln, nicht mit der Realität übereinstimmt. Dabei ist nicht erheblich, ob die Unrichtigkeit schon bei der Speicherung gegeben war oder erst später eingetreten ist. Unrichtig in diesem Sinne können Daten auch dann sein, wenn die durch sie vermittelte Information unvollständig, lückenhaft und dadurch missverständlich ist (Mallmann in: Simitis [Hrsg.], a. a. O., § 20 RNrn. 11, 12; Gola/Schomerus, a. a. O., § 20 RNrn. 2, 3).
[14] Die in DF-Nr. 609 in PERFIS über den Antragsteller gespeicherte Information, dieser sei ledig, und das Fehlen einer Datumsangabe im DF-Nr. 610 dokumentieren eine Information, welche seit der Begründung der ELP des Antragstellers mit Herrn L. am 4. Oktober 2002 nicht mehr zutrifft und deshalb unrichtig ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist das durch das LPartG eingeführte Rechtsinstitut der ELP für gleichgeschlechtliche Paare ein Rechtsinstitut sui generis und stellt einen neuen Personenstand dar (Urteil vom 17. Juli 2002 – 1 BvF 1, 2/01 – [BVerfGE 105, 313 [338, 345 f.] = NJW 2002, 2543 = DVBl 2002, 1269]). Auch der Wortlaut in § 1 Abs. 2 Nr. 1 LPartG dokumentiert, dass der Familienstand "ledig" ein aliud gegenüber der ELP darstellt, denn der familienrechtliche Status einer geschlossenen Ehe oder einer anderweitig begründeten ELP steht der Eingehung einer – neuen – ELP als Hindernis entgegen. Das Gesetz verlangt also einen anderen familienrechtlichen Status als eine bestehende Ehe oder eine bestehende ELP, z. B. den Status "ledig", um die wirksame Begründung einer – neuen – Lebenspartnerschaft zu ermöglichen. Der bisher in PERFIS über den Antragsteller gespeicherte Familienstand "ledig" dokumentiert damit eine Information, die dem am 4. Oktober 2002 vom Antragsteller begründeten Personenstand der ELP widerspricht und insoweit nicht mit der Realität übereinstimmt.
[15] Da ein Betroffener auf verfassungsrechtlicher Grundlage (Art. 2 Abs. 1 GG) einen Anspruch darauf hat, dass die über ihn gespeicherten Daten richtig und vollständig sind, besteht ein Anspruch auf Berichtigung unrichtiger bzw. unrichtig gewordener Daten, mit der eine entsprechende Amtspflicht der speichernden Stelle korrespondiert (vgl. Bergmann/Möhrle/Herb, Datenschutzrecht, Band 1, Stand: November 2002, § 20 BDSG RNr. 19). Dabei geht der Senat mit dem BMVg davon aus, dass die Speicherung des Familienstandes in PERFIS für die Aufgabenerfüllung der Personalfragen bearbeitenden Stellen und des BMVg im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 1 BDSG erforderlich ist und der Zweckbestimmung der Datenspeicherung in PERFIS entspricht, weil der familienrechtliche Status eines Soldaten seinen gesetzlichen Anspruch auf Geld- und Sachbezüge, auf Versorgung, auf Reise- und Umzugskostenvergütung nach § 30 Abs. 1 SG beeinflussen kann. Dieser Einschätzung, dass die Speicherung des Familienstandes in PERFIS erforderlich ist, hat auch der Antragsteller nicht widersprochen.
[16] Die Zweckbestimmung der Datenverarbeitung in PERFIS ergibt sich aus § 29 Abs. 1 Satz 4 SG. Danach ist die Verarbeitung (Speicherung, Veränderung, Übermittlung, Sperrung und Löschung) von Personalaktendaten des Soldaten und ihre Nutzung in automatisierten Dateien nur für Zwecke der Personalführung und Personalbearbeitung zulässig. Dem entsprechend bestimmt auf Grund der Ermächtigung in § 29 Abs. 9 Nr. 2 SG i. V. m. § 72 Abs. 2 Nr. 3 SG die Vorschrift des § 7 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Führung der Personalakten der Soldaten und der ehemaligen Soldaten (Personalaktenverordnung Soldaten – SPersAV) vom 31. August 1995 BGBl I S. 1159), dass Personalaktendaten in automatisierten Dateien nur für Zwecke der Personalführung oder der Personalbearbeitung verarbeitet und genutzt werden dürfen. Die speziellen Zwecke der erstmaligen Aufnahme des Familienstandes eines Soldaten bzw. diesbezüglicher Änderungen in PERFIS hat der BMVg in seiner amtlichen Auskunft vom 19. Dezember 2003 gegenüber dem Senat dahingehend konkretisiert, dass diese Datenspeicherung zur Weitergabe an die Wehrbereichsverwaltung (Besoldung), an die Standortverwaltung (Wohnungsfürsorge), an den Berufsförderungsdienst (Feststellen der Zuständigkeit), an den Truppenarzt (nur bei Namensänderung), an die Personalfragen bearbeitende Stelle (zur Aufnahme in die Personalakte) und an die Datenverarbeitungs-Verbindungsstelle PERFIS (zur Aufnahme in das PERFIS) diene. Hiermit übereinstimmend ist in der ZDv 20/15 "Änderungen in den persönlichen und dienstlichen Verhältnissen der Soldaten" im abschließenden Katalog der Änderungen in Kapitel 3 festgelegt, dass Angaben über den "Familienstand" und über die "Wohnung" des Soldaten Änderungskriterien darstellen, die ein Bestandskorrekturverfahren nach Nr. 2305 ZDv 20/15 auslösen können. Diese Änderungskriterien stehen im Einklang mit der vom BMVg dargelegten Zweckbestimmung des Systems PERFIS, welches aus diesen gespeicherten Daten insbesondere Schlussfolgerungen für die Besoldung und Versorgung des Soldaten ermöglichen soll. Die speziellen Zwecke der Aufnahme des Familienstandes eines Soldaten in PERFIS korrespondieren darüber hinaus mit dem gesetzlichen Anspruch des Soldaten auf Geld- und Sachbezüge, auf Versorgung, auf Reise- und Umzugskostenvergütung nach § 30 Abs. 1 SG.
[17] Entgegen der Auffassung des BMVg kann der geänderte Familienstand des Antragstellers durch Begründung seiner ELP auch für seine rechtliche Situation im Bereich der Besoldung und der Wohnungsfürsorge Bedeutung haben. Die Gewährung eines Familienzuschlages nach § 40 Abs. 1 Nr. 4 BBesG, auf die der Antragsteller im gerichtlichen Antragsverfahren Bezug genommen hat, setzt in der Person des den Zuschlag beantragenden Beamten, Richters oder Soldaten einen anderen Familienstand voraus als die in § 40 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BBesG genannten Familienstände. Überdies stellt § 40 Abs. 1 Nr. 4 BBesG bei der in die Wohnung aufgenommenen Person u. a. darauf ab, ob ihr gegenüber gegebenenfalls eine gesetzliche Unterhaltspflicht besteht. Eine derartige gesetzliche Unterhaltspflicht statuiert § 5 LPartG zwischen den Partnern einer ELP. Im Rahmen der Wohnungsfürsorge kann die Frage erheblich sein, ob und an welchem Ort die Partner einer ELP über eine gemeinsame Wohnung verfügen (vgl. § 14 Abs. 3 Satz 1 LPartG).
[18] Danach erweist sich die Ablehnung der Änderung der Dateneingabe in PERFIS zum Familienstand des Antragstellers als rechtswidrig. Der BMVg ist zu ver-pflichten, dem Berichtigungsanspruch des Antragstellers aus § 20 Abs. 1 Satz 1 BDSG zu entsprechen.