Bundessozialgericht
Grundsicherung für Arbeitsuchende – Nichtberücksichtigung des Erziehungsbeitrages bzw Pflegegeldes nach § 39 SGB VIII als Einkommen

BSG, Urteil vom 29. 3. 2007 – B 7b AS 12/06 R (lexetius.com/2007,1299)

[1] Tatbestand: Die Kläger begehren höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum vom 1. Januar bis 31. Mai 2005. Streitig ist insbesondere, ob der den Klägern gezahlte Erziehungsbeitrag gemäß § 39 Abs 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch Achtes Buch (SGB VIII) als Einkommen zu berücksichtigen ist.
[2] Die verheirateten Kläger standen bis 31. Dezember 2004 im Bezug von Arbeitslosenhilfe. Sie sind Eigentümer eines selbstbewohnten Einfamilienhauses (Wohnfläche 120 m²). In ihrem Haushalt lebten im streitigen Zeitraum zwei Pflegekinder, für die den Klägern vom Jugendamt Pflegegeld (Hilfe zur Erziehung) in Höhe von insgesamt 2.012,35 Euro monatlich gezahlt wurde. Der Zahlbetrag setzte sich zusammen aus Pflegegeld und Erziehungsbeitrag abzüglich angerechneten Kindergelds in Höhe von 38,50 Euro pro Pflegekind. Der Erziehungsbeitrag betrug dabei für beide Kinder insgesamt 1.022,58 Euro. Bei einem der beiden Pflegekinder lagen erhebliche psychische Störungen (Bettnässen etc) vor. Dieses Kind wurde vom Jugendamt dem Personenkreis des § 35a SGB VIII (seelisch behinderte Kinder und Jugendliche) zugerechnet und deshalb ein erhöhter Erziehungsbeitrag in Höhe von 766,94 Euro entsprechend den Richtlinien des Landkreises gezahlt.
[3] Im Oktober 2004 beantragten die Kläger bei der Beklagten die Gewährung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Die Beklagte lehnte dies durch Bescheid vom 10. Oktober 2004 ab, weil der Erziehungsbeitrag als Einkommen zu berücksichtigen und der Bedarf der Kläger durch das Einkommen gedeckt sei. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 15. März 2005). Zur Begründung wurde ausgeführt, die beiden Pflegekinder gehörten nicht der Bedarfsgemeinschaft an, diese bestehe lediglich aus den beiden Ehegatten. Die nachgewiesenen Nebenkosten des Hauses betrügen monatlich 147,01 Euro, wobei keine laufenden monatlichen Heizkosten entstünden. Weiterhin fänden die Schuldzinsen in Höhe von 17,17 Euro monatlich Berücksichtigung. Von dem Gesamtbetrag in Höhe von 164,18 Euro könne lediglich die anteilige Hälfte (82,10 Euro) als Bedarf der Kläger, die eine Bedarfsgemeinschaft bildeten, angesetzt werden, weshalb unter Berücksichtigung der Regelsätze (Beitrittsgebiet) sich ein Gesamtbedarf in Höhe von 678,10 Euro ergebe. Dieser Bedarf sei durch den Erziehungsbeitrag gedeckt.
[4] Hiergegen erhoben die Kläger im April 2005 Klage zum Sozialgericht (SG). Nach Klageerhebung hat die Beklagte durch Bescheid vom 18. Mai 2005 den Klägern für den Zeitraum vom 1. Januar bis 31. Mai 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 43,07 Euro monatlich bewilligt. Die Beklagte ging nunmehr davon aus, dass entsprechend der Praxis der Bundesagentur für Arbeit (BA) der Erziehungsbeitrag lediglich insoweit als Einkommen zu berücksichtigen sei, als er eine halbe Regelleistung nach dem SGB II übersteige. Von dem Erziehungsbeitrag sei daher eine hälftige Regelleistung in Höhe von 165,50 Euro, Werbungskosten, ein Pauschbetrag für private Versicherungen (30 Euro) und ein Freibetrag gemäß § 30 SGB II abzusetzen. Zuzüglich des anteilig (in Höhe von 2 x 115,50 Euro) zu berücksichtigenden Kindergeldes stehe dem Bedarf von 678,10 Euro ein Einkommen von 653,03 Euro gegenüber. Das SG hat durch Urteil ebenfalls vom 18. Mai 2005 den Bescheid der Beklagten vom 10. Dezember 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. März 2005 dahingehend geändert, "dass die Beklagte verurteilt wird, den Klägern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ohne Berücksichtigung des Erziehungsbeitrags als Einkommen zu gewähren". Zur Begründung hat das SG ausgeführt, das "anrechenbare Gesamteinkommen der Bedarfsgemeinschaft" betrage lediglich 201,00 Euro. Der Kläger zu 1 erhalte pro Pflegekind 154,00 Euro Kindergeld, von dem je 38,50 Euro abzuziehen seien, weil das Pflegegeld um diesen Betrag gekürzt worden sei. Hiervon sei weiterhin eine Pauschale in Höhe von 30,00 Euro gemäß § 11 Abs 2 SGB II abzuziehen. Der Erziehungsbeitrag stelle kein zu berücksichtigendes Einkommen dar. Insbesondere werde durch den Bezug des Erziehungsbeitrags die Lage der Kläger nicht so günstig beeinflusst, dass daneben Leistungen der Grundsicherung nicht mehr gerechtfertigt wären. Würde der Erziehungsbeitrag als Einkommen berücksichtigt, würde die Leistung letztlich nicht dem Pflegekind zu gute kommen, weil der Pflegegeldberechtigte den Erziehungsbeitrag sodann für seinen Unterhalt verwenden müsste.
[5] Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt. Die Beklagte hat sodann durch Bescheid vom 29. Juni 2005 in Abänderung der vorherigen Bescheide den Klägern nunmehr Leistungen für den Zeitraum vom 1. Januar bis 31. Mai 2005 in Höhe von monatlich 61,39 Euro bewilligt.
[6] Das Landessozialgericht (LSG) hat durch Urteil vom 27. März 2006 auf die Berufung der Beklagten das Urteil des SG und auf die Klage den Bescheid der Beklagten vom 29. Juni 2005 geändert und die Beklagte verurteilt, an die Kläger für den streitigen Zeitraum Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 200,93 Euro monatlich (unter Anrechnung erhaltener Leistungen) zu zahlen. Im Übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, Streitgegenstand des Berufungsverfahrens sei nunmehr ausschließlich der Bescheid vom 29. Juni 2005, mit dem die Beklagte alle vorhergehenden Bescheide über den streitigen Zeitraum ersetzt habe. Dieser Bescheid sei lediglich zu ändern, weil die den Klägern gewährten Erziehungsbeiträge in Höhe von insgesamt 1.022,59 Euro monatlich dem Grunde nach als Erwerbseinkommen zu berücksichtigen seien. Die Beklagte habe zutreffend den Bedarf der Bedarfsgemeinschaft, zu der die Pflegekinder nicht gehörten, mit 678,10 Euro monatlich errechnet. Über die Höhe der Heizkosten sei auf Grund eines "Teilvergleichs" außerhalb dieses Rechtsstreits zu entscheiden.
[7] Bei dem den Klägern gewährten Erziehungsbeitrag handele es sich um Einkommen iS des § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II, denn der Erziehungsbeitrag habe nach dem Wesen des SGB VIII letztlich auch Vergütungscharakter, weil er einen Anreiz für die Pflegeeltern darstellen solle. Eine Anrechnung scheitere auch nicht an § 11 Abs 3 Nr 1a SGB II, denn die Erziehungsbeiträge in Höhe von monatlich 1.022,59 Euro hätten die Lage der Kläger so günstig beeinflusst, dass zumindest eine teilweise Anrechnung erfolgen müsse. Allerdings finde sich für die Praxis der BA, eine Anrechnung nur durchzuführen, soweit die Erziehungsbeiträge den Betrag einer halben monatlichen Regelleistung überstiegen, keine gesetzliche Grundlage. Unter Anwendung des "Grundgedankens von § 287 ZPO" sei davon auszugehen, dass die Erziehungsbeiträge auf die beiden Kläger je hälftig aufzuteilen und entsprechend den Vorschriften für selbstständiges Erwerbseinkommen gemäß §§ 11, 30 SGB II zu berücksichtigen seien. Das Kindergeld sei in Höhe von jeweils 115,50 Euro (154,00 Euro – 38,50 Euro) ebenfalls als Einkommen bei jedem der beiden Kläger zu berücksichtigen. Hieraus errechne sich ein zu berücksichtigendes Einkommen von insgesamt 477,17 Euro, was bei einem Bedarf von 678,10 Euro zu dem tenorierten Anspruch in Höhe von 200,93 Euro monatlich führe. Von den den Klägern gewährten Erziehungsbeiträgen in Höhe von 1.022,95 Euro würden mithin nur ca 24 % im Rahmen des § 11 Abs 3 Nr 1 SGB II tatsächlich angerechnet. Jedenfalls in dieser Höhe sei es nicht gerechtfertigt, daneben Leistungen nach dem SGB II zu beziehen.
[8] Hiergegen wenden sich die Kläger mit ihrer – vom LSG zugelassenen – Revision. Sie rügen eine Verletzung der §§ 19 Satz 1 Nr 1, 9 Abs 1, 11 Abs 3 Nr 1a SGB II iVm § 39 SGB VIII. Das gesamte Pflegegeld (einschließlich des Erziehungsbeitrags) nach § 39 SGB VIII stelle eine zweckbestimmte Einnahme dar, die einem anderen Zweck als die Leistungen nach dem SGB II diene. Durch das Pflegegeld (einschließlich des Erziehungsbeitrags) werde der notwendige Unterhalt und erzieherische Bedarf der Pflegekinder gedeckt. Das LSG habe die bisherige Rechtsprechung zu § 77 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) nicht berücksichtigt, nach der das Pflegegeld insgesamt nicht als Einkommen der sozialhilfeberechtigten Pflegeperson berücksichtigt worden sei. Soweit die BA in ihren Durchführungsbestimmungen daran anknüpfe, ob die privilegierte Einnahme die Höhe einer halben monatlichen Regelleistung übersteige, finde sich hierfür keine gesetzliche Grundlage. Auch wären hierdurch Pflegeeltern benachteiligt, die mehrere Pflegekinder betreuen würden.
[9] Die Kläger beantragen, das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 27. März 2006 zu ändern und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 29. Juni 2005 zu verurteilen, den Klägern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ohne Berücksichtigung der Erziehungsbeiträge als Einkommen zu gewähren sowie die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Neubrandenburg vom 18. Mai 2005 zurückzuweisen.
[10] Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
[11] Sie beruft sich auf ihr Vorbringen in der Berufungsinstanz.
[12] Entscheidungsgründe: Die Revisionen der Kläger sind begründet. Das Urteil des LSG ist abzuändern, soweit das LSG den in dem Pflegegeld für die beiden Pflegekinder enthaltenen Erziehungsbeitrag gemäß § 39 Abs 1 Satz 2 SGB VIII als Einkommen gemäß § 11 SGB II berücksichtigt und den Klägern lediglich Leistungen in Höhe von insgesamt 200,93 Euro zugesprochen hat. Der nach dem Urteil des SG ergangene Bescheid der Beklagten vom 29. Juni 2005 ist ebenfalls zu ändern. Den Klägern stehen, wie das SG zutreffend erkannt hat, dem Grunde nach Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ohne Berücksichtigung der Erziehungsbeiträge als Einkommen zu, weshalb die Berufung der Beklagten zurückzuweisen ist.
[13] Die Kläger haben getrennt Widerspruch eingelegt und jeweils Klage erhoben und damit dem Charakter des Leistungsanspruchs nach dem SGB II als Einzelanspruch (und nicht als Anspruch der Bedarfsgemeinschaft) Rechnung getragen (vgl hierzu Urteil des Senats vom 7. November 2006 – B 7b AS 8/06 R, RdNr 12 ff). Die beklagte Agentur war auch beteiligtenfähig (vgl Bundessozialgericht [BSG] aaO sowie BSG, Urteil vom 23. November 2006 – B 11b AS 1/06 R, RdNr 16); es bestehen auch keine Bedenken hinsichtlich der Rechtsform der Arbeitsgemeinschaft (vgl BSG, Urteil vom 7. November 2006 – B 7b AS 6/06 R, RdNr 12 ff mwN). Streitig ist der Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis 31. Mai 2005, der durch den ersetzenden Bescheid vom 29. Juni 2005 abschließend neu geregelt wurde. Zu Recht hat das LSG über diesen Bescheid auf Klage hin geurteilt. Weitere Bescheide für nachfolgende Zeiträume waren nicht einzubeziehen (zur Ablehnung einer analogen Anwendung des § 96 SGG auf SGB II-Bescheide über nachfolgende Leistungszeiträume, vgl BSG, Urteil vom 7. November 2006 – B 7b AS 14/06 R, RdNr 30 ff). Dahinstehen kann auch, ob das prozessuale Vorgehen der Beteiligten, sich darüber zu einigen, dass im vorliegenden Rechtsstreit keine Heizkosten geltend gemacht werden, zulässig war (zur Begrenzung des Streitgegenstandes vgl BSG, Urteil vom 7. November 2006 – B 7b AS 8/06 R, RdNr 22; kritisch hierzu BSG, Urteil vom 23. November 2006 – B 11b AS 9/06 R, RdNr 16 ff), denn die Kläger begehren lediglich eine Verurteilung der Beklagten dem Grunde nach und es steht den Klägern insofern frei, ihren prozessual geltend gemachten Anspruch höhenmäßig zu begrenzen.
[14] Den Klägern standen im streitigen Zeitraum Ansprüche auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu, die in jedem Falle höher sind, als vom LSG angenommen. Leistungen nach dem SGB II erhalten gemäß § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II (idF der Norm durch das kommunale Optionsgesetz vom 30. Juli 2004 – BGBl I 2014) Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (Nr 1), die erwerbsfähig (Nr 2) und hilfebedürftig (Nr 3) sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr 4). Das LSG hat die Voraussetzungen nach § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 1, Nr 2 und Nr 4 nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen zutreffend (konkludent) bejaht. Die beiden Kläger waren auch hilfebedürftig gemäß § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB II iVm § 9 Abs 1 SGB II. Nach § 9 Abs 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, ua nicht aus dem zu berücksichtigenden Einkommen, sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen erhält. Nach § 9 Abs 2 Satz 1 SGB II ist bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, ua auch das Einkommen des Partners zu berücksichtigen. Zur Bedarfsgemeinschaft gehörten hier die beiden verheirateten Kläger gemäß § 7 Abs 3 Nr 1 SGB II, während die beiden Pflegekinder keiner der in den Nr 1 bis 4 des § 7 Abs 3 SGB II genannten Fallgruppen zuzuordnen sind (anders, allerdings ohne Angabe von Gründen Hänlein in Gagel, SGB III mit SGB II, § 7 RdNr 58, Stand Juni 2006) und daher mit ihren Pflegeeltern keine Bedarfsgemeinschaft bilden.
[15] Nach § 9 Abs 2 Satz 3 SGB II ist zur Berechnung des individuellen Leistungsanspruchs der beiden Kläger einerseits der Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft und andererseits deren Gesamteinkommen zu ermitteln (zur Berechnung vgl etwa BSG, Urteil vom 23. November 2006 – B 11b AS 1/06 R; zu den Berechnungsschritten Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, § 9 RdNr 100 ff; Mecke in Eicher/Spellbrink, SGB II, § 9 RdNr 33 ff). Die unangegriffenen tatsächlichen Feststellungen des LSG ergeben, dass der Gesamtbedarf (zumindest) 678,10 Euro betrug. Dieser Bedarf war nicht durch das Einkommen der Kläger gedeckt, denn deren Einkommen war ohne Berücksichtigung des Erziehungsbeitrags als Bestandteil des Pflegegeldes zu bestimmen.
[16] Die Qualifizierung des Erziehungsbeitrags nach § 39 Abs 1 Satz 2 SGB VIII als nach § 11 SGB II nicht zu berücksichtigendes Einkommens folgt für den vorliegenden Fall aus § 11 Abs 3 Nr 1a SGB II (idF der Norm durch das Kommunale Optionsgesetz vom 30. Juli 2004 – BGBl I 2014). § 11 Abs 4 SGB II in der Fassung des Fortentwicklungsgesetzes vom 20. Juli 2006 (BGBl I 1706) ist hier demgegenüber noch nicht heranzuziehen. Nach § 11 Abs 4 Nr 1 SGB II nF wird "abweichend von den Absätzen 1 bis 3" des § 11 der Teil des Pflegegeldes, der für den erzieherischen Einsatz gewährt wird, für das erste und zweite Pflegekind nicht (als Einkommen) berücksichtigt. Da die Kläger im vorliegenden Fall lediglich zwei Pflegekinder betreut haben (für drei und mehr Pflegekinder sieht § 11 Abs 4 Nr 2 und Nr 3 SGB II aF eine teilweise bzw vollständige Berücksichtigung des Erziehungsbeitrages als Einkommen vor), wäre bei ihnen das Pflegegeld insgesamt nicht als Einkommen zu berücksichtigen, wenn sich § 11 Abs 4 Nr 1 SGB II insoweit rückwirkende Geltung beilegen würde oder vom Gesetzgeber ausdrücklich als Klarstellung der geltenden Rechtslage konzipiert worden wäre. Beides ist nicht der Fall. § 11 Abs 4 SGB II ist gemäß Art 16 Abs 4 des Fortentwicklungsgesetzes erst zum 1. Januar 2007 in Kraft getreten. In den Gesetzesmaterialien wird hierzu als Begründung angegeben, dass dieses verzögerte Inkrafttreten "zur Vermeidung von Umsetzungsproblemen bei der Bundesagentur für Arbeit" erforderlich sei (BT-Drucks 16/1410, S 35 zu Art 16). § 11 Abs 4 SGB II nF ist daher erst mit Wirkung ex nunc ab dem 1. Januar 2007 anwendbar. Der Gesetzgeber hat (anders als etwa im Rahmen der Neuregelung des § 7 durch das Fortentwicklungsgesetz, vgl BT-Drucks 16/1410 S 19 zu Nr 7) auf die zu § 11 Abs 3 Nr 1a SGB II ergangenen Entscheidungen der Sozialgerichte nicht Bezug genommen (vgl etwa SG Schleswig, Urteil vom 12. Januar 2006 – S 7 AR 37/05 ER; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 30. Januar 2006 – L 8 AS 4627/05 ER-B; SG Gießen, Urteil vom 10. April 2006 – S 26 AS 323/05; SG Leipzig, Beschluss vom 18. Juli 2005 – S 16 AS 236/05 ER; anders LSG Hamburg, Beschluss vom 16. Mai 2006 – L 5 B 136/05 ER AS = FEVS 58, 71), und auch jede Festlegung dahingehend vermieden, ob es sich bei dem Erziehungsbeitrag immer schon um eine zweckbestimmte Einnahme iS des § 11 Abs 3 Nr 1a SGB II gehandelt hat (mit der Folge, dass die Neuregelung lediglich eine Klarstellung der geltenden Rechtslage mit einer gleichzeitigen Verschlechterung für Pflegeeltern mit mehr als zwei Pflegekindern darstellen würde) oder ob eine Neuregelung bezweckt wird mit dem Ziel, den Erziehungsbeitrag entgegen der bisherigen Rechtslage erstmals von einer Berücksichtigung als Einkommen iS des § 11 SGB II auszunehmen.
[17] Trotz der fehlenden Festlegung des Gesetzgebers des Fortentwicklungsgesetzes war der Erziehungsbeitrag auch vor Inkrafttreten des § 11 Abs 4 SGB II nach § 11 Abs 3 Nr 1a SGB II zumindest in den Fällen, in denen nicht mehr als zwei Kinder in einer Familie erzogen wurden, nicht als Einkommen zu berücksichtigen. § 11 Abs 3 Nr 1a SGB II bestimmt, dass Einnahmen nicht als Einkommen zu berücksichtigen sind, soweit sie als zweckbestimmte Einnahmen einem anderen Zweck als die Leistungen nach diesem Buch dienen und die Lage des Empfängers nicht so günstig beeinflussen, dass daneben Leistungen nach diesem Buch nicht gerechtfertigt wären. Das Pflegegeld nach § 39 SGB VIII einschließlich des Erziehungsbeitrags dient einem anderen Zweck als die Leistungen nach dem SGB II. Durch die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach den §§ 19 ff SGB II soll (lediglich) das soziokulturelle Existenzminimum der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen sichergestellt werden (zur Verfassungsgemäßheit der Regelleistungen gemäß § 20 SGB II vgl Urteil des 11b. Senats des BSG vom 23. November 2006 – B 11b AS 1/06 R, RdNr 45 ff), wobei diese Leistungen gemäß § 3 Abs 3 SGB II nur erbracht werden sollen, soweit die Hilfebedürftigkeit nicht anderweitig beseitigt werden kann. Zweck der Leistung ist mithin eine Basissicherung, solange und soweit ein an sich erwerbsfähiger Hilfebedürftiger keine Arbeitsstelle finden kann, mit der er selbst seinen Unterhalt zu decken in der Lage ist.
[18] Das Pflegegeld nach § 39 SGB VIII ist hingegen Teil der Hilfe zur Erziehung und soll von seiner Zweckrichtung her den Pflegekindern und nicht den Pflegeeltern, um deren existenzielle Sicherung nach dem SGB II es hier geht, zukommen. Nach § 27 Abs 1 SGB VIII hat ein Personensorgeberechtigter bei der Erziehung eines Kindes oder eines Jugendlichen Anspruch auf Hilfe (Hilfe zur Erziehung), wenn eine dem Wohl des Kindes oder des Jugendlichen entsprechende Erziehung nicht gewährleistet, die Hilfe für seine Entwicklung geeignet und notwendig ist. Die Hilfe zur Erziehung wird insbesondere nach Maßgabe der §§ 28 bis 35 SGB VIII gewährt (§ 27 Abs 2 Satz 1 SGB VIII). Art und Umfang der Hilfe richten sich nach dem erzieherischen Bedarf im Einzelfall; dabei soll das engere soziale Umfeld des Kindes oder des Jugendlichen einbezogen werden (§ 27 Abs 2 Satz 2 SGB VIII). Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege soll entsprechend dem Alter und dem Entwicklungsstand des Kindes oder des Jugendlichen und seinen persönlichen Bindungen sowie den Möglichkeiten der Verbesserung der Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie Kindern und Jugendlichen in einer anderen Familie eine zeitlich befristete Erziehungshilfe oder eine auf Dauer angelegte Lebensform bieten (§ 33 Satz 1 SGB VIII). Im Rahmen dieser Hilfe ist auch der notwendige Unterhalt des Kindes oder Jugendlichen außerhalb des Elternhauses sicherzustellen, der auch die Kosten der Erziehung umfasst (§ 39 Abs 1 SGB VIII). Wird ein Kind nach § 33 SGB VIII in Vollzeitfamilienpflege betreut, so erhält die Pflegeperson Leistungen zum Unterhalt des Kindes nach § 39 SGB VIII. Pflegegeld und Erziehungsbeitrag stellen zusammen den notwendigen Unterhalt nach § 39 Abs 1 Satz 1 SGB VIII dar. § 39 Abs 1 Satz 1 SGB VIII begründet hierbei keinen selbständigen Anspruch auf Leistungen zum Unterhalt, sondern einen sog Annex-Anspruch (vgl Fischer in Schellhorn/Fischer/Mann, SGB VIII, 3. Aufl 2007, § 39 RdNr 6; Münder ua, FK-SGB VIII, 5. Aufl 2006, § 39 RdNr 4 f; Stähr in Hauck/Noftz, K § 39 RdNr 5, Stand November 2006). Anspruchsinhaber ist entweder der Personensorgeberechtigte (vgl Münder ua aaO, Stähr, aaO) oder der Minderjährige selbst (so etwa Fieseler in GK-SGB VIII, § 39 RdNr 13 mwN, Stand Dezember 2006), was aber im Einzelnen streitig ist (vgl Stähr, aaO, mwN). Einigkeit besteht jedenfalls darüber, dass der Anspruch im Fall der Vollzeitpflege nicht der Pflegeperson selbst zusteht (ebenso Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 12. September 1996, FamRZ 1997, 814, OVG Münster, Urteil vom 25. April 2001, FEVS 53, 251).
[19] Anspruchsinhaber waren daher im vorliegenden Fall die Personensorgeberechtigten der Pflegekinder, allenfalls im Falle des § 35a SGB VIII unterfallenden Pflegekindes dieses selbst. Die rechtliche Zuordnung bringt zum Ausdruck, dass die Gewährung des Pflegegeldes einschließlich des Erziehungsbeitrages nicht den Zweck hat, das Einkommen der Pflegeperson zu vermehren. Vielmehr ist der Betrag für die Kosten der Erziehung notwendiger Unterhalt des Pflegekindes (im Einzelnen Schindler, JAmt 2005, 1, 3 ff), was zur Folge hat, dass die Höhe des Erziehungsbeitrages sich an dem Bedarf des Kindes ausrichten muss. Der Pauschalbetrag zur Deckung der Kosten zur Erziehung in § 39 Abs 1 Satz 1 SGB VIII umfasst danach die gesamten Kosten, die für die Erziehungsstelle anfallen. Damit ist der Erziehungsbeitrag nicht nur eine Anerkennung der Erziehungsleistung in ihrer ideellen Form, sondern deckt (zumindest auch) Ausgaben ab, die der Erziehung dienen. Da die Erziehung außerhalb des Elternhauses geleistet wird, ist auch die Erziehungsleistung kostenpflichtiger Bestandteil des notwendigen Lebensunterhalts (vgl Kunkel in LPK-SGB VIII § 39 RdNr 6). Der Begriff der Kosten der Erziehung ist dabei bewusst an die Terminologie des zivilrechtlichen Unterhaltsrechts (§ 1610 Abs 2 Bürgerliches Gesetzbuch) angelehnt (vgl Schindler, JAmt 2005, 1, 3; Stähr in Hauck/Noftz, SGB VIII, § 39 RdNr 13). Danach zählen zu den Kosten der Erziehung zB die Kosten, die durch die Anschaffung von Sachen, die der Erziehung dienen (Spielzeug, Bücher, Musikinstrumente, Sportgeräte usw), durch Dienste dritter Personen oder Einrichtungen (etwa Musik- oder Nachhilfeunterricht), oder durch den Besuch von Theatern, Konzerten etc entstehen.
[20] Schließlich spricht auch der Gesichtspunkt der Einheit der Rechtsordnung dafür, den Erziehungsbeitrag gemäß § 39 Abs 1 Satz 1 SGB VIII im SGB II nicht als Einkommen zu behandeln. So sind nach einem Schreiben des Bundesministers der Finanzen an die obersten Finanzbehörden der Länder vom 7. Februar 1990 (Der Amtsvormund 1990, 429) die Erziehungsbeiträge steuerfreie Einnahmen nach § 3 Nr 1 Einkommensteuergesetz. Dies gilt allerdings nur, soweit die Pflege auf Dauer angelegt und nicht erwerbsmäßig betrieben ist. Erwerbsmäßigkeit wird angenommen, wenn Pflegegeld und Erziehungsbeitrag die wesentliche Erwerbsgrundlage darstellen. Dies mag ein Grund für die Gesetzesneufassung in § 11 Abs 4 SGB II gewesen sein, kann im vorliegenden Fall bei der Betreuung von lediglich zwei Kindern jedoch dahinstehen. Ebenso wurde im Sozialhilferecht der Erziehungsbeitrag bislang nicht als Einkommen der Pflegeperson behandelt. Dies galt sowohl zu § 77 Abs 1 BSHG (vgl OVG Münster, Urteil vom 24. November 1995, FEVS 46, 452 ff) wie auch zur Nachfolgeregelung des § 83 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch ([SGB XII] vgl Grube/Wahrendorf, SGB XII, § 83 RdNr 7). Zutreffend hat insofern bereits das SG Schleswig (Beschluss vom 12. Januar 2006 – S 7 AR 37/05 ER) darauf hingewiesen, dass bei einer Behandlung des Erziehungsbeitrags als Einkommen im SGB II eine Ungleichbehandlung gegenüber Pflegekindern entstehen würde, die in Familien lebten, die im Leistungsbezug nach dem SGB XII stünden. Zutreffend hat das SG hier in seiner erstinstanzlichen Entscheidung auch ausgeführt, dass eine Berücksichtigung des Erziehungsbeitrags als Einkommen dazu führt, dass der dem Pflegekind zur Verfügung stehende Geldbetrag geschmälert wird. Der Erziehungsbeitrag verfolgt damit einen anderen Zweck als die Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Er dient gerade nicht dazu, den Basis-Unterhalt der Pflegepersonen sicherzustellen. Auch die nach allgemeiner Ansicht im Erziehungsbeitrag enthaltene "Anreizfunktion" dient nicht vorrangig dem Zweck, den Lebensunterhalt der pflegenden Personen sicherzustellen. Ausweislich der Gesetzesmaterialien zum SGB VIII wollte der Gesetzgeber durch die verbesserten materiellen Leistungen für Pflegekinder im SGB VIII breitere Bevölkerungsschichten zur Aufnahme von fremden Kindern motivieren (BR-Drucks 503/89, S 73). Diese Anreizfunktion des § 39 Abs 1 Satz 1 SGB VIII beizubehalten ist auch bei Personen, die im SGB II-Leistungsbezug stehen, geboten. Die Pflegefamilien sollen generell – auch – einen wirtschaftlichen Anreiz haben, Pflegekinder aufzunehmen (Kunkel, LPK SGB VIII, § 39 RdNr 6).
[21] Aus der soeben aufgezeigten Zielsetzung des Erziehungsbeitrags gemäß § 39 Abs 1 Satz 2 SGB VIII folgt zugleich, dass – jedenfalls bei der Betreuung von lediglich zwei Kindern – eine "Gerechtfertigkeitsprüfung" gemäß § 11 Abs 3 SGB II im Regelfall ausscheidet. Geht man davon aus, dass der Erziehungsbeitrag wesentlich eine staatliche Leistung an das Pflegekind ist, die dazu dienen soll, diesem vermittelt über eine geeignete Pflegefamilie zur Reintegration in die Gesellschaft zu verhelfen, so ist jedenfalls im vorliegenden Fall eine Prüfung, ob daneben der Bezug von Leistungen nach dem SGB II gerechtfertigt sein könnte, entbehrlich. Etwas anderes mag für den Fall gelten, in dem (auch im Sinne der steuerrechtlichen Regelungen) die Betreuung von Pflegekindern derart professionell betrieben wird (von der Anzahl der Pflegekinder und der Einrichtung des Hauses her), dass die Betreuung von Pflegekindern eine dauerhafte Erwerbsquelle für die Pflegeperson darstellt. Dies kann jedoch im vorliegenden Fall dahinstehen.
[22] Die Kläger erzielten im streitigen Zeitraum folglich lediglich Einkommen in Form des Kindergeldes für die beiden Pflegekinder in Höhe von je 154,00 Euro. § 39 Abs 6 SGB VIII bestimmt hierzu, dass auf die laufenden Leistungen (Pflegegeld und Erziehungsbeitrag) für das Pflegekind ein Betrag gemäß § 66 EStG anzurechnen ist. Das Pflegegeld wurde insoweit zutreffend gemäß § 39 Abs 6 SGB VIII für jedes der beiden Kinder um 38,50 Euro gekürzt. In Höhe von 38,50 Euro wurde, wie die Vorinstanzen zutreffend erkannt haben, das Kindergeld gemäß § 11 Abs 1 Satz 3 SGB II bei dem jeweiligen Kind zur Sicherung des Lebensunterhalts benötigt. Folglich konnte das Kindergeld bei dem Kindergeldberechtigten lediglich in Höhe von zweimal 115,50 Euro als Einkommen gemäß § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II berücksichtigt werden. Von diesem Einkommen in Höhe von 231,00 Euro war sodann gemäß § 3 Abs 1 Nr 1 der Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung – Alg II-V (in der Fassung vom 20. Oktober 2004, BGBl I 2622) ein Pauschbetrag von 30,00 Euro abzusetzen.
[23] Die Vorinstanzen sind auch – ohne dies im Einzelnen zu problematisieren – zu Recht davon ausgegangen, dass das von den Klägern bewohnte Hausgrundstück nicht als Vermögen zu verwerten war. Gemäß § 12 Abs 3 Nr 4 SGB II sind bei dem Hilfeempfänger nicht als Vermögen zu berücksichtigen ein selbstgenutztes Hausgrundstück von angemessener Größe oder eine entsprechende Eigentumswohnung. Der Senat hat in seinem Urteil vom 7. November 2006 (B 7b AS 2/05 R) im Einzelnen begründet, nach welchen Kriterien sich die angemessene Größe eines selbstgenutzten Hausgrundstückes oder einer Eigentumswohnung bemisst. Der Senat hat sich dabei im Grundsatz weiterhin an den Wohnflächengrenzen des Zweiten Wohnungsbaugesetz (2. WoBauG) orientiert (aaO, RdNr 21 ff) und bei einem Haushalt von vier Personen eine Wohnungsgröße von 120 m² bzw eine Hausgröße um 130 m² für sachgerecht gehalten. Jedenfalls im hier streitigen Zeitraum bewohnten die beiden zur Bedarfsgemeinschaft gehörenden Kläger mit zwei Pflegekindern ein 120 m² großes Haus. Auch wenn die beiden Pflegekinder nicht zur Bedarfsgemeinschaft gehörten, waren sie im Hinblick auf die dargestellte Zwecksetzung des SGB VIII, die Aufnahme von Pflegekindern in Pflegefamilien zu fördern, beim Wohnbedarf zu berücksichtigen. (ebenso Link, Sozialrecht aktuell 2007, 8, 12). Damit entsprach für eine vierköpfige Familie jedenfalls ein Wohnhaus mit der Größe von 120 m² den vom Senat aufgestellten Kriterien für die Angemessenheit eines Hausgrundstücks.
[24] Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz.