Bundesverwaltungsgericht
Verwaltungsvorschriften; Auslandsdienstverwendungsfähigkeit; Auslandseinsatz; individuelle Förderperspektive; Leistungsprinzip; Gleichbehandlung zwischen den Teilstreitkräften und Organisationsbereichen.
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 33 Abs. 2; SG § 3 Abs. 1
1. Unbestimmte Begriffe in Verwaltungsvorschriften sind in dem Sinne zu verstehen und der Rechtmäßigkeitskontrolle zugrunde zu legen, wie sie in der Verwaltungspraxis tatsächlich angewendet werden.
2. Die Anforderung, dass ein Offizier eindeutig über die Fähigkeit verfügen muss, als Führer oder in seiner Funktion im Einsatz im Erweiterten Aufgabenspektrum zu bestehen, und in diesem Sinne – auch gesundheitlich – auslandsdienstverwendungsfähig zu sein hat, stellt ein mit dem Leistungsprinzip (Art. 33 Abs. 2 GG, § 3 Abs. 1 SG) vereinbares Kriterium für die Zuerkennung der individuellen Förderperspektive zur Verwendung auf Dienstposten der Besoldungsgruppe A 15 (und höher) dar.
3. Es verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG), dass das Bundesministerium der Verteidigung die für die langfristige Verwendungsplanung maßgeblichen Anforderungen an die Fähigkeit zum Auslandseinsatz nicht abschließend selbst geregelt, sondern die Führungsstäbe der Teilstreitkräfte (Heer, Luftwaffe, Marine) und Organisationsbereiche (Streitkräftebasis, Zentraler Sanitätsdienst) ermächtigt hat, weitergehende Anforderungen für das ihnen jeweils unterstellte Personal nach eigener Einschätzung festzulegen.

BVerwG, Beschluss vom 28. 5. 2008 – 1 WB 19.07 (lexetius.com/2008,2212)

[1] Der Antragsteller ist Berufssoldat im Dienstgrad Oberstleutnant (Besoldungsgruppe A 14). Er ist aufgrund körperlicher Einschränkungen dauerhaft nicht auslandsdienstverwendungsfähig. Das Personalamt der Bundeswehr hat dem Antragsteller mitgeteilt, dass ihm die individuelle Förderperspektive zur Verwendung auf Dienstposten der Besoldungsgruppe A 15 unabhängig vom Leistungsbild solange nicht zuerkannt werden könne, wie die Einschränkungen seiner Auslandsdienstverwendungsfähigkeit vorlägen. Gegen diese Feststellung wendet sich der Antragsteller mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung.
[2] Das Bundesverwaltungsgericht hat den Antrag zurückgewiesen.
Aus den Gründen: …
[3] 22 Die Feststellung des Personalamts der Bundeswehr, dass dem Antragsteller die individuelle Förderperspektive A 15 unabhängig vom Leistungsbild so lange nicht zuerkannt werden kann, wie die Einschränkungen seiner Auslandsdienstverwendungsfähigkeit vorliegen, ist rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten. Die Feststellung findet ihre Grundlage in einer an den Verwaltungsvorschriften des Bundesministeriums der Verteidigung orientierten ständigen Verwaltungspraxis (dazu a), die rechtlich nicht zu beanstanden ist (dazu b).
[4] 23 a) Die Feststellung des Personalamts beruht auf Richtlinien und Erlassen, mit denen das Bundesministerium der Verteidigung das ihm bei der Verwendung und Verwendungsplanung der Berufssoldaten zustehende Ermessen für sich und die nachgeordneten Stellen gebunden hat. Außenwirkung gegenüber dem Soldaten erlangen diese Verwaltungsvorschriften mittelbar über den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG (stRspr, vgl. Beschluss vom 29. Januar 2008 BVerwG 1 WB 2.07 -). Eine – wie hier – an Verwaltungsvorschriften orientierte ständige Verwaltungspraxis verpflichtet zur Gleichbehandlung gleichgelagerter Fälle; andererseits kann der Soldat nur (und nicht mehr als) eine Behandlung entsprechend der gleichmäßig vollzogenen Verwaltungsvorschriften beanspruchen. Die tatsächlich geübte Verwaltungspraxis ist auch insofern von Bedeutung, als eine bestehende Ermessensbindung durch eine hiervon abweichende Praxis aus sachgerechten Erwägungen für die Zukunft geändert werden kann (vgl. Beschluss vom 26. Juni 2007 BVerwG 1 WB 12.07 Buchholz 449. 2 § 40 SLV 2002 Nr. 3). Ebenso ist die tatsächliche Verwaltungspraxis maßgeblich, wenn diese eine Verwaltungsvorschrift auf bestimmte Sachverhalte nicht anwendet und so den Anwendungsbereich der Vorschrift einschränkt (vgl. Beschluss vom 10. April 2008 – BVerwG 1 WDS-VR 2. 08).
[5] 24 Das hier in Rede stehende personalplanerische Instrument der individuellen Förderperspektive ist im Einzelnen geregelt in den Richtlinien des Bundesministeriums der Verteidigung – PSZ I 1 – vom 7. August 2003 für die langfristige Verwendungsplanung (R 5/03) und für die Durchführung von Perspektivberatungen (R 6/03) der Berufsoffiziere des Truppendienstes, des Sanitätsdienstes, des Militärmusikdienstes und des Geoinformationsdienstes der Bundeswehr sowie in der Teilkonzeption Personalmanagement der Bundeswehr (TK PersMgmtBw) vom 2. April 2004. Danach (vgl. zum Folgenden insb. Nr. 3. 1 R 5/03) ist die langfristige Verwendungsplanung grundsätzlich an der allgemeinen Laufbahnperspektive des Offiziers auszurichten. Sie ist das Planungsziel, das für jeden geeigneten Berufsoffizier im Rahmen der Laufbahngestaltung durch die Personalführung mindestens verwirklicht werden soll. Für den Berufsoffizier des Truppendienstes ist allgemeine Laufbahnperspektive der Dienstgrad Oberstleutnant in der Besoldungsgruppe A 14; diesen Status hat der Antragsteller derzeit inne. Die individuelle Förderperspektive kann von der allgemeinen Laufbahnperspektive abweichen. Sie ist abhängig von Eignung, Befähigung und Leistung des Offiziers sowie den strukturellen Realisierungsmöglichkeiten. Die individuelle Förderperspektive wird den Berufsoffizieren nach Beratungen in regelmäßig stattfindenden Perspektivkonferenzen als Ergebnis einer ganzheitlichen Betrachtung zur Eignungs- und Leistungsfeststellung im Konkurrentenvergleich zugewiesen. Die festgestellte individuelle Förderperspektive ist die Grundlage für die individuelle Verwendungsplanung. Sie bildet damit regelmäßig die Basis, ist jedoch kein Präjudiz für Verwendungsentscheidungen. Sie begründet weder einen Anspruch auf entsprechende Verwendungen noch ergibt sich daraus ein genereller Ausschluss von zukünftigen entsprechenden Verwendungen (vgl. hierzu auch bereits Beschlüsse vom 9. November 2005 BVerwG 1 WB 34.05 Buchholz 311 § 17 WBO Nr. 59 = NZWehrr 2006, 209 und vom 30. April 2008 BVerwG 1 WB 44.07 -).
[6] 25 Die materiellen Anforderungen, die bei der Festlegung der individuellen Förderperspektive zugrunde zu legen sind, sind zum einen – streitkräfteeinheitlich – unmittelbar in der Richtlinie für die langfristige Verwendungsplanung niedergelegt (Nr. 4. 3 Abs. 1 R 5/03; zu den allgemeinen Anforderungen zur Einsteuerung in die Dotierungshöhe der Besoldungsgruppe A 15 vgl. Nr. 4. 3. 2 R 5/03). Zum anderen können darüber hinausgehende Anforderungen, die sich aus der Zugehörigkeit zu einzelnen Teilstreitkräften, Organisationsbereichen, Truppengattungen sowie Dienst- und Verwendungsbereichen ergeben, durch die Führungsstäbe der Teilstreitkräfte und Organisationsbereiche (Streitkräftebasis, Zentraler Sanitätsdienst) festgelegt werden (Nr. 4. 3 Abs. 2 R 5/03 mit Anlagen 8 bis 12). Solche darüber hinausgehenden Anforderungen sind für die Berufsoffiziere des Truppendienstes des Heeres – unter anderem – in dem vom Führungsstab des Heeres festgelegten Katalog der Bedarfsträgerforderungen für Personelle Auswahlkonferenzen im Heer vom 30. Januar 2004 enthalten. Dessen Anlage 1 fordert unter Nr. I. 2. 1 ("Allgemeines Persönlichkeitsbild") für die Auswahl für A 15-Verwendungen im Rahmen der Perspektivkonferenz I unter anderem, dass der Offizier "eindeutig über die Fähigkeit verfügen" muss, "als Führer/Führerin oder in seiner/ihrer Funktion im Erweiterten Aufgabenspektrum", also insbesondere in Auslandseinsätzen, "zu bestehen". Diese Forderung wirkt sich auch auf die Möglichkeit einer Verwendung in der Besoldungsgruppe A 16 und höher aus, weil diese eine Vorverwendung auf der Ebene A 15 voraussetzt oder aber ein vorheriger Auslandseinsatz explizit als Auflage vorgegeben wird. Für Verwendungen der Dotierungshöhe A 14 besteht dagegen eine entsprechende Bedarfsträgerforderung nicht; das Ziel der allgemeinen Laufbahnperspektive für Berufsoffiziere des Truppendienstes kann also auch dann erreicht werden, wenn der Soldat nicht über die beschriebene Fähigkeit zum Einsatz im Ausland verfügt.
[7] 26 Im Hinblick darauf, dass die Forderung nach Einsatzfähigkeit im Erweiterten Aufgabenspektrum in den Abschnitt mit der Überschrift "Allgemeines Persönlichkeitsbild" eingeordnet ist, könnte zweifelhaft sein, ob unter dieser Anforderung nur die geistige und charakterliche oder aber auch die entsprechende körperliche bzw. gesundheitliche Eignung zu verstehen ist, zumal unter Nr. I. 2. 4 der genannten Anlage 1 ausdrückliche Anforderungen an die "körperliche Leistungsfähigkeit", allerdings im Wesentlichen sportlicher Art (Allgemeines Militärisches Ausdauertraining, Deutsches Sportabzeichen), gestellt werden. Nach der vom Senat eingeholten Amtlichen Auskunft des Bundesministeriums der Verteidigung zur Verwaltungspraxis bedeutet die Fähigkeit, als Führer/Führerin oder in seiner/ihrer Funktion im Erweiterten Aufgabenspektrum zu bestehen, "auch die gesundheitliche Eignung im Sinne der Auslandsdienstverwendungsfähigkeit" bzw. stellt die "fehlende körperliche Eignung ein ausschlaggebendes Kriterium" dafür dar, "um nicht positiv beraten zu werden". Da Verwaltungsvorschriften ihre rechtliche (Außen-) Wirkung über die an ihnen orientierte, tatsächlich geübte gleichmäßige (Art. 3 Abs. 1 GG) Verwaltungspraxis entfalten, ist diese Praxis auch für die Auslegung unbestimmter Begriffe dieser Vorschriften maßgeblich. Unbestimmte Begriffe in Verwaltungsvorschriften sind mit anderen Worten grundsätzlich in dem Sinne zu verstehen (und der Rechtmäßigkeitskontrolle zugrunde zu legen), wie sie tatsächlich angewendet werden.
[8] 27 Die Feststellung des Personalamts, dass dem Antragsteller die individuelle Förderperspektive A 15 unabhängig vom Leistungsbild so lange nicht zuerkannt werden kann, wie die Einschränkungen seiner Auslandsdienstverwendungsfähigkeit vorliegen, entspricht damit der Verwaltungspraxis unter den geltenden Richtlinien und Erlassen.
[9] 28 b) Diese Verwaltungsvorschriften und die hieran orientierte Verwaltungspraxis sind, soweit hier einschlägig, rechtlich nicht zu beanstanden.
[10] 29 aa) Die Anforderung, dass der Offizier "eindeutig über die Fähigkeit verfügen" muss, "als Führer/Führerin oder in seiner/ihrer Funktion im Einsatz im Erweiterten Aufgabenspektrum zu bestehen", und in diesem Sinne auslandsdienstverwendungsfähig zu sein hat, stellt ein mit dem Leistungsprinzip vereinbares Kriterium für die Zuerkennung der individuellen Förderperspektive A 15 dar.
[11] 30 Verwendungsentscheidungen sind gemäß Art. 33 Abs. 2 GG und § 3 Abs. 1 SG nach den Grundsätzen der Eignung, Befähigung und Leistung zu treffen. Dies gilt auch für die hier in Rede stehende langfristige Verwendungsplanung der Berufsoffiziere in Form von Perspektivkonferenzen, deren Ergebnisse die Basis für künftige Verwendungsentscheidungen bildet. Die unbestimmten Rechtsbegriffe der Eignung, Befähigung und Leistung werden in vielfältiger Weise – so etwa durch die Soldatenlaufbahnverordnung, Zentrale Dienstvorschriften wie die "Bestimmungen für die Beförderung und für die Einstellung, Übernahme und Zulassung von Soldatinnen und Soldaten" (ZDv 20/7), Richtlinien und Erlasse (Zusammenstellung bei Scherer/Alff/Poretschkin, SG, 8. Aufl. 2008, § 3 Rn. 55) bis hin zu Anforderungsprofilen für einzelne Dienstposten – konkretisiert und in einzelne laufbahn-, laufbahngruppen- oder dienstpostenbezogene Kriterien und Anforderungen umgemünzt. Die Festlegung solcher Kriterien und Anforderungen ist grundsätzlich eine Frage militärischer Zweckmäßigkeit, die insoweit keiner inhaltlichen Nachprüfung durch die Wehrdienstgerichte unterliegt (vgl. Beschlüsse vom 24. Juni 2003 BVerwG 1 WB 1.03 m. w. N., vom 25. April 2007 BVerwG 1 WB 31.06 BVerwGE 128, 329 [337 f.] = Buchholz 449 § 3 SG Nr. 41 sowie zuletzt vom 26. Februar 2008 BVerwG 1 WB 1.07 -). Art. 33 Abs. 2 GG enthält keine Richtlinien darüber, in welcher Weise der Leistungsgrundsatz zu verwirklichen ist, sofern nur das Prinzip selbst nicht in Frage gestellt ist (Beschluss vom 3. Oktober 1979 BVerwG 2 B 24.78 Buchholz 237. 1 Art. 12 BayBG Nr. 2 und Urteil vom 7. Mai 1981 BVerwG 2 C 42.79 Buchholz 232 § 8 BBG Nr. 19). Auf welche Weise der Dienstherr in diesem Rahmen dem Leistungsprinzip gerecht wird, unterliegt deshalb seinem Gestaltungsermessen (Urteil vom 22. März 2007 BVerwG 2 C 10.06 BVerwGE 128, 231 [237 f.] = Buchholz 237. 7 § 25a NWLBG Nr. 1). Dies gilt auch für die Gewichtung einzelner Gesichtspunkte (Urteil vom 28. Oktober 2004 BVerwG 2 C 23.03 BVerwGE 122, 147 [150 f.] = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 30 m. w. N.).
[12] 31 Die Voraussetzung, dass Berufsoffiziere für die Zuerkennung einer individuellen Förderperspektive zur Verwendung auf herausgehobenen Dienstposten (Besoldungsgruppe A 15 und höher) uneingeschränkt auslandsdienstverwendungsfähig sein müssen, ist nach diesen Maßstäben rechtlich nicht zu beanstanden.
[13] 32 Die Anforderung der Auslandsdienstverwendungsfähigkeit trägt der gewandelten Aufgabenrealität der Bundeswehr Rechnung. Die herkömmliche Landesverteidigung gegen einen konventionellen Angriff als strukturbestimmende Aufgabe der Bundeswehr entspricht nicht mehr der aktuellen sicherheitspolitischen Lage. Seit etwa 15 Jahren und auf absehbare Zukunft hinaus stellen vielmehr die Aufgaben der internationalen Konfliktverhütung und Krisenbewältigung – einschließlich des Kampfes gegen den internationalen Terrorismus – die wahrscheinlichen Aufgaben dar. Deutschland ist zu einem der größten Truppensteller für internationale Friedensmissionen, die Bundeswehr zu einer Armee im Einsatz – und zwar im nahezu weltweiten Auslandseinsatz – geworden. Dieses sog. Erweiterte Aufgabenspektrum prägt maßgeblich die Fähigkeiten und das Führungssystem der Bundeswehr. Es wirkt strukturbestimmend für die Transformation der Bundeswehr, so etwa bei der strikt einsatzorientierten Neuorientierung und Gliederung der Streitkräfte nach den drei Kräftekategorien Eingreifkräfte, Stabilisierungskräfte und Unterstützungskräfte. All dies betrifft in besonderem Maße das Heer, das der Hauptträger der Auslandseinsätze der Bundeswehr ist (vgl. zum Ganzen näher die Verteidigungspolitischen Richtlinien für den Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung vom 21. Mai 2003, insb. Nr. 9 f., 54 ff., 77 ff., 84 ff., sowie das Weißbuch 2006 zur Sicherheitspolitik Deutschlands und zur Zukunft der Bundeswehr, insb. S. 62 ff., 76 ff., 82 ff., 88 ff., 106 ff.).
[14] 33 Vor diesem Hintergrund stellt es ein legitimes – durch entsprechende Eignungskriterien absicherbares – Interesse der Personalführung dar, dass die begrenzte Zahl der Offiziere in herausgehobenen Funktionen bzw. auf höherdotierten Dienstposten grundsätzlich für Einsätze in dem beschriebenen Erweiterten Aufgabenspektrum zur Verfügung steht. Da Auslandseinsätze einen stetigen Wechsel im Personal erfordern und dabei nicht auf festgelegte Dienstposten im Grundbetrieb zurückgegriffen werden kann, ist die grundsätzliche Verfügbarkeit der Soldaten für Auslandseinsätze wichtig, um Reaktionsvermögen und Flexibilität im Kräfteeinsatz zu erhalten. Der Gesichtspunkt der Verfügbarkeit spielt insbesondere bei der langfristigen Verwendungsplanung in Gestalt der Zuerkennung einer individuellen Förderperspektive eine tragende Rolle. Denn dabei geht es noch nicht um bestimmte einzelne Folgeverwendungen oder einen konkreten Verwendungsaufbau, von denen sich in der Regel angeben lässt, ob sie eine Auslandsdienstverwendungsfähigkeit auch tatsächlich erfordern oder nicht. Vielmehr geht es darum, die Perspektive in ein Spektrum möglicher förderlicher Verwendungen zu eröffnen, zu dem an maßgeblicher Stelle auch Auslandseinsätze gehören und in dem deshalb die grundsätzliche Auslandsdienstverwendungsfähigkeit eines jeden Offiziers, der für Verwendungen auf dieser Ebene vorgesehen ist, von zentraler Bedeutung ist. Es kommt deshalb nicht darauf an, dass es – wie der Antragsteller vorträgt – insbesondere in Ämtern und Stäben zahlreiche nach der Besoldungsgruppe A 15 bewertete Dienstposten gibt, die nicht für Auslandseinsätze in Betracht kommen und für die deshalb eine Auslandsdienstverwendungsfähigkeit nicht erforderlich ist. Denn das Modell der langfristigen Verwendungsplanung für Berufsoffiziere, das den geltenden Richtlinien zugrunde liegt, möchte einer solchen Bindung der zu fördernden Soldaten an bestimmte Dienstposten oder Verwendungsarten gerade entgegenwirken; auch Offiziere in Ämtern oder höheren Kommandobehörden werden deshalb, wie bereits das Personalamt in dem angefochtenen Bescheid ausgeführt hat, regelmäßig für Einsätze im Erweiterten Aufgabenspektrum herangezogen. Die Stimmigkeit dieses Modells wird ferner auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass – wie der Bundesminister der Verteidigung einräumt – bei Spezialverwendungen, für die besondere Befähigungen vorausgesetzt werden, im Ausnahmefall auf die Auslandsdienstverwendungsfähigkeit verzichtet wird, wenn sonst kein geeigneter Kandidat zur Verfügung steht. Solche Ausnahmen bei Entscheidungen über die Besetzung einzelner spezieller Dienstposten berühren nicht die Grundsätze der (nicht auf bestimmte Dienstposten bezogenen) langfristigen Verwendungsplanung.
[15] 34 Dem Bundesminister der Verteidigung kommt schließlich auch in der Beurteilung der personalplanerischen Folgen, die die Forderung nach uneingeschränkter Auslandsdienstverwendungsfähigkeit nach sich zieht, eine Einschätzungsprärogative zu. Der Bundesminister der Verteidigung hat hierzu im dienstaufsichtlichen Teil des Beschwerdebescheids erklärt, es sei unbestritten, dass dem Dienstherrn wegen dieser Anforderung qualifizierte Offiziere, die ohne gesundheitliche Einschränkungen möglicherweise für eine A 15-Verwendung ausgewählt werden könnten, auf dieser Besoldungsebene "verloren gehen" könnten; angesichts der immer größer werdenden Bedeutung der Auslandseinsätze sei dies aber nicht vermeidbar. Diese Folgeneinschätzung ist rechtlich nicht zu beanstanden. Das Wehrdienstgericht ist nicht befugt, seine Auffassung über die militärische Zweckmäßigkeit an die Stelle derjenigen des hierzu berufenen Bundesministers der Verteidigung zu setzen.
[16] 35 bb) Es verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG), dass das Vorliegen der Auslandsdienstverwendungsfähigkeit nur für Berufsoffiziere der Teilstreitkraft Heer – wie den Antragsteller, nicht aber für Berufsoffiziere der beiden anderen Teilstreitkräfte eine unabdingbare Voraussetzung für die Zuerkennung der individuellen Förderperspektive A 15 bildet.
[17] 36 Ein Anspruch auf Gleichbehandlung steht dem Einzelnen stets nur gegenüber dem nach der Kompetenzverteilung konkret zuständigen Träger öffentlicher Gewalt zu (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 1987 – 2 BvR 1226/83 u. a. – BVerfGE 76, 1 [73]). Die Richtlinie für die langfristige Verwendungsplanung legt, wie oben (unter a) dargestellt, einerseits unmittelbar streitkräfteeinheitliche, also für die Berufsoffiziere aller Teilstreitkräfte gleichermaßen geltende Anforderungen fest und enthält andererseits eine Öffnungsklausel für darüber hinausgehende Anforderungen, die von den Führungsstäben der Teilstreitkräfte und Organisationsbereiche (Streitkräftebasis, Zentraler Sanitätsdienst) festgelegt werden können. Die hier strittige Anforderung der Auslandsdienstverwendungsfähigkeit stellt eine Bedarfsträgerforderung dar, die von dem Führungsstab des Heeres aufgrund der genannten Öffnungsklausel aufgestellt wurde (Nr. 4. 3 Abs. 2 R 5/03 mit Anlage 8). Die Pflicht zur Gleichbehandlung reicht deshalb insoweit nicht über den Kompetenzbereich des Führungsstabes des Heeres und damit nicht über den Bereich der Teilstreitkraft Heer hinaus. Der Antragsteller kann daher keine Gleichbehandlung mit Berufsoffizieren der Luftwaffe oder Marine verlangen.
[18] 37 Soweit der Antragsteller außerdem geltend macht, dass es – wegen der nur für Heeresoffiziere geltenden Anforderungen – im Organisationsbereich der Streitkräftebasis zwangsläufig zu Ungleichbehandlungen kommen müsse, weil dort Heeres-, Luftwaffen- und Marinesoldaten auf gleichartigen oder auf sog. Wechseldienstposten verwendet würden, kann sich daraus jedenfalls bereits keine Verletzung eigener Rechte des Antragstellers ergeben; denn dieser gehört der Teilstreitkraft Heer und nicht der Streitkräftebasis an. Im Übrigen dürfte aber auch die Schlussfolgerung des Antragstellers auf unzutreffenden Annahmen beruhen. Denn die Vorschrift, dass die Führungsstäbe der Teilstreitkräfte und Organisationsbereiche weitergehende Anforderungen festlegen können, die sich aus der Zugehörigkeit zu einzelnen Teilstreitkräften, Organisationsbereichen, Truppengattungen sowie Dienst- und Verwendungsbereichen ergeben (Nr. 4. 3 Abs. 2 Satz 1 R 5/03), lässt sich nur so verstehen, dass für die Soldaten der Teilstreitkräfte und Organisationsbereiche die Festlegungen des jeweiligen Führungsstabes maßgeblich sind, für die der Streitkräftebasis angehörenden Heeresuniformträger (entsprechend: Luftwaffen- oder Marineuniformträger) also (nur) die Festlegungen des Führungsstabes der Streitkräftebasis und nicht die davon möglicherweise abweichenden Festlegungen des Führungsstabes des Heeres (bzw. entsprechend: des Führungsstabes der Luftwaffe oder der Marine). Es würde demgemäß auch keinen Gleichheitsverstoß darstellen, wenn für Heeresuniformträger im Organisationsbereich der Streitkräftebasis, etwa in der vom Antragsteller angeführten Zentralen Militärkraftfahrstelle, andere Festlegungen gelten sollten als für Soldaten der Teilstreitkraft Heer in funktionsgleichen Verwendungen. Inwieweit Differenzierungen zwischen Heeres-, Luftwaffen- und Marineuniformträgern innerhalb der Streitkräftebasis aufgrund von Festlegungen des Führungsstabes der Streitkräftebasis zulässig sind, ist hier nicht Gegenstand des Verfahrens.
[19] 38 Der Antragsteller kann schließlich auch keine Gleichbehandlung in dem Sinne verlangen, dass das Bundesministerium der Verteidigung verpflichtet gewesen wäre, die die Fähigkeit zum Auslandseinsatz betreffenden Anforderungen streitkräfteeinheitlich unmittelbar und abschließend in der Richtlinie für die langfristige Verwendungsplanung festzulegen. Eine solche streitkräfteeinheitliche Regelung ist von der Sache her nicht geboten; die Teilstreitkräfte und Organisationsbereiche leisten ihren jeweiligen Fähigkeiten und Strukturen entsprechende, nach Art und Maß unterschiedliche Beiträge zu den Einsätzen im Erweiterten Aufgabenspektrum (vgl. dazu Weißbuch 2006, S. 106 bis 121). Es spricht deshalb rechtlich nichts dagegen, die Führungsstäbe der Teilstreitkräfte und Organisationsbereiche – wie geschehen – zu ermächtigen, die diesbezüglichen Anforderungen an das ihnen jeweils unterstellte Personal nach eigener Einschätzung festzulegen.
[20] 39 cc) Durch das Erfordernis der Auslandsdienstverwendungsfähigkeit wird der Antragsteller auch nicht rechtswidrig wegen seiner körperlichen Einschränkungen diskriminiert.
[21] 40 Anforderungen an die körperliche und gesundheitliche Konstitution und Leistungsfähigkeit stellen im Hinblick auf die militärische Einsatzfähigkeit des Soldaten grundsätzlich sachgerechte Kriterien für die Beurteilung der Eignung dar. Dementsprechend knüpfen auch die ausdrücklichen – an Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG angelehnten – Diskriminierungsverbote des § 3 Abs. 1 SG für Verwendungsentscheidungen nicht an körperliche und gesundheitliche Merkmale an. Eine Ausnahme im Sinne der Möglichkeit, dass bei Verwendungsentscheidungen auch ein geringeres Maß an körperlicher Eignung verlangt werden kann, sieht § 3 Abs. 2 SG unter dem Gesichtspunkt des Ausgleichs für ein Sonderopfer – lediglich im Falle einer Wehrdienstbeschädigung oder einer dieser gleichgestellten gesundheitlichen Schädigung vor; der Antragsteller hat jedoch nicht vorgetragen und es ist auch sonst nicht ersichtlich, dass seine körperlichen Einschränkungen auf einer solchen Schädigung beruhen. Schließlich kann sich der Antragsteller auch nicht mit Erfolg auf das Gesetz über die Gleichbehandlung der Soldatinnen und Soldaten (Soldatinnen- und Soldaten-Gleichbehandlungsgesetz – SoldGG) vom 14. August 2006 (BGBl I S. 1904) berufen. Dieses Gesetz enthält – bezogen auf körperliche oder gesundheitliche Einschränkungen – lediglich eine Schutzvorschrift (§ 1 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 18 SoldGG) zugunsten schwerbehinderter Soldatinnen und Soldaten (im Sinne von § 2 Abs. 2 des Sozialgesetzbuchs Neuntes Buch – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen vom 19. Juni 2001), die im Wesentlichen den Benachteiligungsschutz übernimmt, der sich bis dahin aus § 128 Abs. 4 Satz 2 i. V. m. § 81 Abs. 2 SGB IX (in der bis zum 17. August 2006 geltenden Fassung) ergab (vgl. hierzu näher Beschluss vom 11. März 2008 BVerwG 1 WB 8.08 -); eine Schwerbehinderung liegt bei dem Antragsteller jedoch nicht vor.