Bundesgerichtshof
BGH, Beschluss vom 7. 7. 2011 – IX ZR 100/08; OLG Nürnberg (lexetius.com/2011,3528)
[1] Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die Richter Raebel, Dr. Pape, Grupp und die Richterin Möhring am 7. Juli 2011 beschlossen:
[2] Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 9. Mai 2008 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
[3] Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 204.369 € festgesetzt.
[4] Gründe: Ein gesetzlicher Grund zur Zulassung der Revision besteht nicht.
[5] 1. Den Begriff von Verhandlungen im Sinne des § 203 Abs. 1 BGB hat der Bundesgerichtshof bereits in mehreren Entscheidungen ausgelegt. Der Gläubiger muss dafür lediglich klarstellen, dass er einen Anspruch geltend machen und worauf er ihn stützen will. Anschließend genügt jeder ernsthafte Meinungsaustausch über den Anspruch oder seine tatsächlichen Grundlagen, sofern der Schuldner nicht sofort und erkennbar Leistung ablehnt. Verhandlungen schweben schon dann, wenn eine der Parteien Erklärungen abgibt, die der jeweils anderen Seite die Annahme gestatten, der Erklärende lasse sich auf Erör2 terungen über die Berechtigung des Anspruchs oder dessen Umfang ein (BGH; Urteil vom 1. Februar 2007 – IX ZR 180/04, WM 2007, 801 Rn. 32 mwN; vom 14. Juli 2009 – XI ZR 18/08, BGHZ 182, 76 Rn. 16 mwN). Dem entsprechen die Ausführungen des Berufungsgerichts, welche die Beschwerde zu Unrecht als Ausdruck eines abweichenden Obersatzes wertet.
[6] Das Berufungsgericht hat Verhandlungen der Parteien Ende 2002 und danach nicht deshalb verneint, weil die Beklagten keine Zugeständnisse gemacht oder erörtert haben, sondern weil sie sich nicht auf einen Schadensersatzanspruch bezogen, den die Klägerin in diesem Rechtsstreit geltend macht.
[7] Die Klägerin hat aufgrund neuer Belege die Berichtigung bisheriger Erklärungen verlangt. Gegenstand der Verhandlungen war danach die Schadensverhinderung, Schadensbegrenzung, Folgenbeseitigung oder Nachbesserung bisheriger Steuererklärungen, jedenfalls eine Tätigkeit der Beklagten gegenüber dem Finanzamt, nicht jedoch Schadensersatzzahlungen der Beklagten für einen eingetretenen Steuernachteil an die Klägerin. Die Verjährungshemmung gemäß § 639 Abs. 2 BGB a. F. betraf gerade einen dem erstgenannten Rechtsverhältnis ähnlichen Anspruch auf Mangelbeseitigung. Der Verhandlungsgegenstand des § 639 Abs. 2 BGB a. F. ist aber nach § 203 BGB nicht maßgebend, sondern in seiner Verjährung gehemmt ist nach dieser Bestimmung der Anspruch, über den oder über dessen Grundlagen zwischen den Parteien verhandelt wird. Dazu hätte hier als Verhandlungsgegenstand mindestens ein eingetretener Steuernachteil als Schadensfall und eine mögliche Pflichtverletzung als Haftungsgrund gehört. Daran hat es nach den tatrichterlichen Feststellungen des Berufungsgerichts gefehlt. Den Begriff der Fehlbuchungen im Schreiben der Klägerin vom 2. Dezember 2002 konnte das Berufungsgericht im Sinne objektiver Unrichtigkeit deuten. Eine für die Zulassungsprüfung erhebliche Abweichung der Obersätze des Berufungsgerichts und der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs folgt mithin hieraus nicht.
[8] 2. Der mögliche Gehörsverstoß des Berufungsgerichts, das die Behauptung der Klägerin nicht berücksichtigt hat, für die Veranlagungszeiträume 1993 und 1994 sei eine belastende Steuerfestsetzung erst durch den Bescheid vom 27. Mai 1998 ergangen, ist nach diesem Ausgangspunkt für die Entscheidung nicht erheblich. Unbeschadet des späteren Verjährungsbeginns waren die Fristen der Primär- und Sekundärverjährung bei Einleitung der hemmenden Rechtsverfolgung im Dezember 2004 verstrichen.
[9] 3. Der Verwirkungseinwand der Klägerin gegen die Verjährungseinrede der Beklagten ist so substanzlos, dass ein gesondertes Eingehen des Berufungsgerichts hierauf in den Gründen seiner Entscheidung nicht erforderlich war. Seine Ausführungen im Zusammenhang mit § 203 BGB lassen hinreichend erkennen, warum die Klägerin der Verjährungseinrede auf diesem Wege nicht begegnen konnte. Das rechtliche Gehör der Klägerin ist in diesem Punkt nicht verletzt worden.
[10] 4. Die zur Auslegung von § 296 Abs. 2 ZPO aufgeworfene angebliche Grundsatzfrage, ob der neuerliche Beweisantrag der Klägerin wegen grober Nachlässigkeit zurückgewiesen werden durfte, nachdem sie sich zunächst geweigert hatte, den ihr auferlegten Auslagenvorschuss gemäß § 379 Satz 2 ZPO fristgerecht einzuzahlen, wenn der Umfang der Beweiserhebung nach relationstechnischer Prüfung fehlerhaft gewesen wäre, stellt sich nicht. Mit Recht weist die Beschwerdeerwiderung zudem darauf hin, dass die Grundsatzbedeutung dieser Rechtsfrage nicht ausgeführt ist und die Zulassungsrüge damit schon der gesetzlich notwendigen Begründung ermangelt.