Bundessozialgericht
Sozialgerichtliches Verfahren – Anfechtung einer aufsichtsrechtlichen Beanstandungsverfügung – Regelung der Arzneimittel-Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) bzgl Zulässigkeit vertragsärztlicher Arzneimittelverordnungen – Zuständigkeit der Spruchkörper für Angelegenheit des Vertragsarztrechts – Ausnahmen vom generellen Verordnungsausschluss für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel bei Anerkennung als Therapiestandard für schwerwiegende Erkrankungen – Berücksichtigung der Therapievielfalt – keine Verpflichtung des G-BA zur Freistellung von Arzneimitteln der anthroposophischen und der homöopathischen Therapierichtung

BSG, Urteil vom 11. 5. 2011 – B 6 KA 25/10 R (lexetius.com/2011,4214)

[1] Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 11. November 2009 aufgehoben und festgestellt, dass der Bescheid der Beklagten vom 18. Februar 2005 rechtswidrig war.
[2] Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens für alle Rechtszüge mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
[3] Tatbestand: Streitig ist die ministerielle Beanstandung einer vom Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) beschlossenen Regelung in der Arzneimittel-Richtlinie (AMRL).
[4] Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG), handelnd für die beklagte Bundesrepublik Deutschland, beanstandete die vom klagenden GBA am 21. 12. 2004 beschlossene Änderung in Abschnitt F Nr 16. 5 der Arzneimittel-Richtlinien (AMRL, seit der Neufassung vom 18. 12. 2008/22. 1. 2009 nunmehr Arzneimittel-Richtlinie [im Singular]) – sog OTC-Ausnahmeliste – wegen unzureichender Berücksichtigung besonderer Therapierichtungen.
[5] Der GBA hatte am 16. 3. 2004 in die AMRL – entsprechend der Vorgabe des § 34 Abs 1 Satz 2 bis 4 SGB V – eine sog OTC-Ausnahmeliste (Abschnitt F Nr 16 AMRL) eingefügt, in deren Nr 16. 4 die Indikationsgebiete, ggf einschließlich Anwendungsbeschränkungen für die ausnahmsweise Verordnungsfähigkeit nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel benannt waren. In Nr 16. 5 hatte der GBA – gemäß dem Gebot des § 34 Abs 1 Satz 3 SGB V, der therapeutischen Vielfalt Rechnung zu tragen – modifizierende Regelungen für besondere Therapierichtungen normiert (DÄ 2004, A 963 = BAnz Nr 77 vom 23. 4. 2004, S 8905). Diese Bestimmungen lauteten:
Nr 16. 4: Schwerwiegende Erkrankungen und Standardtherapeutika zu deren Behandlung sind:
Nr 16. 4. 27: Mistel-Präparate …, nur in der palliativen Therapie von malignen Tumoren zur Verbesserung der Lebensqualität.
Nr 16. 5: Für die in diesen Richtlinien im Abschnitt F aufgeführten Indikationsgebiete kann der Arzt bei schwerwiegenden Erkrankungen auch Arzneimittel der Anthroposophie und Homöopathie verordnen, sofern die Anwendung dieser Arzneimittel für diese Indikationsgebiete nach dem Erkenntnisstand als Therapiestandard in der jeweiligen Therapierichtung angezeigt ist. Der Arzt hat zur Begründung der Verordnung die zugrunde liegende Diagnose in der Patientendokumentation aufzuzeichnen.
[6] Vor dieser Beschlussfassung hatte sich der GBA – nach den Feststellungen des LSG – bei der Beklagten über die Möglichkeiten rückversichert, wie er einerseits dem § 34 Abs 1 Satz 2 SGB V – Ausnahmen für Therapiestandards bei schwerwiegenden Erkrankungen – und andererseits Satz 3 dieser Vorschrift – Berücksichtigung therapeutischer Vielfalt – gerecht werden könne. Wegen des Gebots des Satz 3, den besonderen Therapiemethoden Rechnung zu tragen, stand für den GBA die Frage im Raum, wie er den anthroposophischen und homöopathischen Therapierichtungen gerecht werden könne: Im Rahmen dieser Therapierichtungen erfolgen nach klassischer Lehre – anders als bei der Phytotherapie, die sich insoweit zunehmend der Allopathie angenähert hat – ärztliche Behandlungen nicht diagnosebezogen orientiert an Erkrankungen, sondern ausschließlich patientenindividuell nach einem sog Arzneimittelbild, geleitet von der Vorstellung, dass eine standardisierte Zuordnung von Arzneimitteln als Therapiestandard für bestimmte Erkrankungen nicht möglich sei, vielmehr für verschiedene Patienten mit der gleichen Erkrankung unterschiedliche Arzneimittel geeignet sein könnten und andererseits auch einem Patienten dasselbe Arzneimittel bei unterschiedlichsten Erkrankungen und Zuständen helfen könne.
[7] Die Beklagte hatte diese Voranfrage des GBA dahin beantwortet, dass dieser die Verordnungsfähigkeit der anthroposophischen und homöopathischen Arzneimittel auf die für allopathische Arzneimittel bestimmten Indikationsgebiete festlegen – also einschränken – könne. Sie schlug ihm den oben als Nr 16. 5 AMRL wiedergegebenen Wortlaut vor (Schreiben der Beklagten vom 8. 3. 2004).
[8] In der Folgezeit entstand Streit darüber, ob durch den Passus der Nr 16. 5 AMRL
"für diese (= die in Nr 16. 4. 1 ff genannten) Indikationsgebiete nach dem Erkenntnisstand als Therapiestandard in der jeweiligen Therapierichtung angezeigt"
eine vollumfängliche Bezugnahme auf alle in Nr 16. 4 jeweils genannten Merkmale erfolgt sei. Am Beispiel von Therapien mit dem anthroposophischen Mistel-Präparat "Helixor" waren Meinungsverschiedenheiten darüber entstanden, ob die Verweisung der Nr 16. 5 AMRL auf die "Indikationsgebiete" der Nr 16. 4. 1 ff AMRL (a) nur den Passus "maligne Tumore" (= schwerwiegende Erkrankung) oder ob sie (b) außerdem den Passus "in der palliativen Therapie … zur Verbesserung der Lebensqualität" umfasse, sodass auch anthroposophische und homöopathische Mistel-Präparate nur in der palliativen Therapie und nicht zur kurativ-adjuvanten Behandlung verordnet werden könnten: Befürworter der anthroposophischen Therapierichtung machten geltend, die Bezugnahme auf maligne Tumore könne noch hingenommen werden, weil die Anwendung nur bei schweren Erkrankungen auch dem Selbstverständnis bei der anthroposophischen Mistel-Medikation entspreche; aber eine weitergehende Bezugnahme – auch: auf palliative Therapien zur Verbesserung der Lebensqualität – widerspreche dem Selbstverständnis dieser Therapierichtung und damit zugleich den Vorgaben in § 34 Abs 1 Satz 3 SGB V (sowie auch § 2 Abs 1 Satz 2, § 34 Abs 2 Satz 3, § 92 Abs 2 Satz 5 Halbsatz 2 und Satz 6 SGB V).
[9] Wegen dieser Streitfragen nahm der GBA eine Änderung der Nr 16. 5 AMRL vor. Er beschloss am 21. 12. 2004 – dies ist die vorliegend umstrittene, von der Beklagten beanstandete Ergänzung der Nr 16. 5 AMRL –, dass nach dem (zweiten) Wort "Indikationsgebiete" (s den oben in RdNr 3 wiedergegebenen Text) die Worte "und Anwendungsvoraussetzungen" eingefügt werden. Damit sollte klargestellt werden, dass die Anwendungseingrenzung auf den Einsatz "nur in der palliativen Therapie" auch für die anthroposophische und homöopathische Medikation Geltung beanspruche.
[10] Diese vom GBA als Klarstellung gedachte Ergänzung beanstandete das BMG (Bescheid vom 18. 2. 2005): Dadurch könnten Verordnungen in den in Nr 16. 4. 1 bis 16. 4. 41 genannten Indikationsgebieten auch im Rahmen der Anthroposophie und Homöopathie nur nach Maßgabe der Anwendungsbeschränkungen für schulmedizinische und pflanzliche Arzneimittel erfolgen. Diese Anwendungsbeschränkungen auf die anthroposophischen und homöopathischen Arzneimittel zu übertragen, widerspreche den Regeln dieser besonderen Therapierichtungen, sodass der therapeutischen Vielfalt nicht Rechnung getragen sei. Welche Anwendungsbeschränkungen dem Therapiestandard entsprächen, sei nach den bereichsspezifischen Regeln der jeweiligen Therapierichtung zu entscheiden (sog Binnenanerkennung). Nach dem Selbstverständnis der anthroposophischen und der homöopathischen Therapierichtungen dürfe die Verordnung von (Mistel-) Präparaten bei malignen Tumoren nicht auf palliative Therapien beschränkt sein.
[11] Der GBA ist mit seiner Klage beim SG und beim LSG erfolglos geblieben. Er hat im Verfahren vor dem LSG wegen der Ersetzung der bisherigen Regelungen in Nr 16. 5 iVm Nr 16. 4. 27 AMRL durch die Neufassung in Gestalt von § 12 Abs 6 AMRL iVm Anlage I zum Abschnitt F AMRL Nr 32 seine Anfechtungsklage umgestellt in eine Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Beanstandungsverfügung der Beklagten. Das LSG hat in seinem Urteil (vom 11. 11. 2009) ausgeführt, zur Entscheidung über diese Rechtsstreitigkeit sei der Senat für das Vertragsarztrecht berufen. Das Rechtsschutzbedürfnis des Klägers sei für seine Rechtsverfolgung im Verlaufe des Berufungsverfahrens entfallen; denn die von ihm angegriffene Beanstandung habe ihre Regelungswirkung verloren. Der ersetzende § 12 Abs 6 AMRL vom 18. 12. 2008/22. 1. 2009 (BAnz Nr 49a vom 31. 3. 2009, S 3 ff = DÄ 2009, A 675 mit Verweisung auf www. g-ba. de) entspreche aber im Wesentlichen der ursprünglichen Nr 16. 5 AMRL. Insofern habe der Kläger den Rechtsstreit in Form der Fortsetzungsfeststellungsklage weiterführen können. Die Klage sei aber unbegründet, denn die Beanstandungsverfügung sei rechtmäßig. Der beanstandete Beschluss vom 21. 12. 2004 sei aus mehreren Gründen rechtswidrig. Zum einen sei das aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende Gebot der Normenklarheit verletzt, weil die ergänzende Regelung zu einer inhaltlichen Widersprüchlichkeit führe. Es komme einer Quadratur des Kreises gleich, wenn in der ergänzten Nr 16. 5 AMRL einerseits auf den "Erkenntnisstand … in der jeweiligen Therapierichtung" abgestellt werde, andererseits durch den zur Einfügung anstehenden Passus "und Anwendungsvoraussetzungen" doch auf den allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse gemäß Nr 16. 3 iVm 16. 4 ff AMRL Bezug genommen werde. Dies widerspreche zudem dem Gebot des § 34 Abs 1 Satz 3 SGB V, bei der Zusammenstellung des OTC-Ausnahmekatalogs der therapeutischen Vielfalt Rechnung zu tragen. Die Arzneimittel der besonderen Therapierichtungen dürften nicht uneingeschränkt denselben Anwendungsbeschränkungen wie allopathische Arzneimittel unterworfen werden.
[12] Mit seiner Revision macht der Kläger geltend, die am 21. 12. 2004 beschlossene Neufassung der AMRL stehe entgegen der Ansicht der Beklagten mit dem Gesetz im Einklang. Sie berücksichtige, dass die OTC-Ausnahmeliste einerseits gemäß § 34 Abs 1 Satz 2 SGB V die Standardtherapeutika bei schwerwiegenden Erkrankungen für verordnungsfähig erklären, andererseits gemäß § 34 Abs 1 Satz 3 SGB V der therapeutischen Vielfalt und dabei auch den besonderen Therapierichtungen Rechnung tragen müsse. Er – der Kläger – habe in Nr 16. 4 ff AMRL (Fassung vom 16. 3. 2004) einen Katalog schwerwiegender Erkrankungen aufgestellt und diesen die Standardtherapeutika zugeordnet, aber für die besonderen Behandlungsmethoden in Nr 16. 5 AMRL bestimmt, dass sich der Therapiestandard nach dem Erkenntnisstand in der jeweiligen Therapierichtung richte. Eine Freistellung aller homöopathischen und anthroposophischen Medikationen von dem Verordnungsausschluss für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel liefe der Vorgabe des § 34 Abs 1 Satz 2 SGB V, dass die Verordnungsfähigkeit auf Standardtherapien bei schwerwiegenden Erkrankungen zu beschränken sei, zuwider. Dieser Eingrenzung wegen habe er – der GBA – in Nr 16. 5 AMRL den Bezug auf die Indikationsgebiete der Nr 16. 4. 1 ff AMRL aufgenommen und damit, was die Mistel-Präparate betreffe, auch die Beschränkung auf die Behandlung maligner Tumore und auf die palliative Therapie zur Verbesserung der Lebensqualität erfassen wollen. Indessen sei dies in der praktischen Anwendung streitig geblieben; vom Hersteller und von der Beklagten sei propagiert worden, anthroposophische Mistel-Präparate könnten nicht nur zur palliativen Behandlung, sondern auch für die kurative, adjuvante Therapie maligner Tumore verordnet werden. Dies habe ihn – den GBA – zur Klarstellung am 21. 12. 2004 durch Einfügung der Worte "und Anwendungsvoraussetzungen" veranlasst. Dies werde den Anforderungen einerseits des § 34 Abs 1 Satz 2 und andererseits des Satz 3 SGB V gerecht und verstoße auch nicht gegen den Grundsatz der Normenklarheit. Eine Rechtsverletzung scheide schon deshalb aus, weil sich aus der Hinzufügung "Indikationsgebiete und Anwendungsvoraussetzungen" nichts Zusätzliches gegenüber der bis dahin bestehenden Rechtslage ergeben habe; es sei nur das klargestellt worden, was schon der Begriff Indikationsgebiet aussage. Der Begriff Indikationsgebiet umfasse als integralen Bestandteil auch Anwendungsbedingungen und -voraussetzungen wie zB "nur in der palliativen Therapie von malignen Tumoren". Abgesehen von dem Fehlen eines zusätzlichen Eingriffs durch die Hinzufügung des Passus "und Anwendungsvoraussetzungen", sei dieser auch inhaltlich nicht zu beanstanden. Damit sei der Vorgabe des § 34 Abs 1 Satz 2 SGB V entsprochen worden, die Ausnahmen von der Nicht-Verordnungsfähigkeit auf Standardtherapien bei schwerwiegenden Erkrankungen zu begrenzen. Ohne den Einschluss von sowohl "schwerwiegende Erkrankungen" als auch von "nur in der palliativen Therapie … zur Verbesserung der Lebensqualität" wären die Arzneimittel der Anthroposophie und Homöopathie in unzulässigem Maße bessergestellt.
[13] Der Kläger beantragt, das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 11. November 2009 aufzuheben und festzustellen, dass der Bescheid der Beklagten vom 18. Februar 2005 rechtswidrig war.
[14] Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
[15] Wie das LSG zutreffend ausgeführt habe, habe sie mit ihrer Verfügung vom 18. 2. 2005 den Beschluss des GBA vom 21. 12. 2004 zu Recht beanstandet. Dieser verstoße sowohl gegen das verfassungsrechtliche Gebot der Normenklarheit als auch gegen die Vorgaben des § 34 Abs 1 Satz 3 SGB V. Mit Nr 16. 5 AMRL habe der GBA eine Sonderregelung gegenüber Nr 16. 3 AMRL getroffen, nämlich dass es auf den Erkenntnisstand in der jeweiligen Therapierichtung (Nr 16. 5 AMRL) statt auf den allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse (Nr 16. 3 AMRL) ankomme. Indessen habe die beanstandete Hinzufügung des Merkmals "Anwendungsvoraussetzungen" diesen allgemein anerkannten Stand in Bezug genommen. Zudem werde auch die Zusatzvoraussetzung in Nr 16. 4. 27 AMRL "nur in der palliativen Therapie … zur Verbesserung der Lebensqualität" in Bezug genommen, wie es der phytotherapeutischen Medikation entspreche, aber nicht zu den besonderen Behandlungsmethoden der anthroposophischen und der homöopathischen Therapierichtung passe. Diese Therapierichtungen forderten den Verzicht auf Anwendungsbeschränkungen wie "nur in der palliativen Therapie". Die Einfügung des Merkmals "Anwendungsvoraussetzungen" in Nr 16. 5 AMRL führe zu einer sachwidrigen Gleichbehandlung ungleicher Sachverhalte. Die Arzneimittel der anthroposophischen und der homöopathischen Therapierichtung hätten an sich schon von der Voraussetzung "schwerwiegende Erkrankung" freigestellt werden müssen; die Geltung dieses Merkmals auch für die anthroposophische und für die homöopathische Therapierichtung könne aber im Hinblick auf § 34 Abs 1 Satz 2 SGB V noch hingenommen werden.
[16] Die Beigeladenen zu 1. und zu 2. schließen sich den Ausführungen des Klägers an. Die Beigeladene zu 3. erklärt, keine Stellungnahme abzugeben.
[17] Zu Beginn der Verhandlung am 11. 5. 2011 hat der Senat die Beteiligten auf die vom Präsidium des BSG geäußerte Erwartung hingewiesen, die Entscheidung im vorliegenden Verfahren bis zu einer Klärung der Abgrenzung der Angelegenheiten des § 10 Abs 2 SGG von denen der Sozialversicherung im Sinne des Abs 1 durch den Großen Senat des BSG oder den Gesetzgeber aufzuschieben (Beschluss des Präsidiums in seiner Sitzung vom 10. 5. 2011). Die Beteiligten haben sich ausdrücklich dafür ausgesprochen, dass der Senat dem nicht entsprechen und in der Besetzung gemäß § 10 Abs 2 iVm § 12 Abs 3 und § 40 Satz 2 SGG entscheiden möge.
[18] Entscheidungsgründe: Die Revision des Klägers (GBA) hat Erfolg.
[19] A. Das LSG hat für diesen Rechtsstreit zu Recht die Spruchkörper als zuständig angesehen, die gemäß § 10 Abs 2 SGG (im Rechtsmittelzug iVm § 31 Abs 2, § 40 Satz 2 SGG) für Angelegenheiten des Vertragsarztrechts bestehen. Eine Zuständigkeit der Spruchkörper für Rechtsstreitigkeiten des allgemeinen Krankenversicherungsrechts (Angelegenheit der Sozialversicherung gemäß § 10 Abs 1 SGG) besteht nicht (unten 1.), und es besteht auch kein Anlass für eine Vorlage an den Großen Senat (unten 2.).
[20] 1. Die Zuordnung zum Vertragsarztrecht im Sinne des § 10 Abs 2 SGG – mit der Folge, dass das LSG und der erkennende Senat im vorliegenden Verfahren in der Besetzung gemäß § 12 Abs 3 Satz 1 SGG entschieden haben – ergibt sich daraus, dass die hier streitige Vorschrift unmittelbar Rechte und Pflichten der Vertragsärzte regelt. In Nr 16. 5 AMRL (inhaltlich ebenso im heute geltenden § 12 Abs 6 AMRL) ist bestimmt: "Für die in diesen Richtlinien im Abschnitt F (heute Anlage I) aufgeführten Indikationsgebiete kann der Arzt bei schwerwiegenden Erkrankungen auch Arzneimittel der Anthroposophie und Homöopathie verordnen, sofern …". Damit wendet sich diese Rechtsnorm direkt an den Arzt. Dies entspricht der Gesamtkonzeption der AMRL, in deren einleitender Regelung in Abschnitt A. Nr 1. bestimmt ist (heute § 1, dessen Satz 1 eine inhaltlich gleiche Bestimmung enthält): "Diese Richtlinien gelten für die Verordnung von Arzneimitteln … durch die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte (Vertragsärzte). Die Richtlinien sind von Vertragsärzten, Kassenärztlichen Vereinigungen und Krankenkassen zu beachten." Die Zuordnung zum Vertragsarztrecht entspricht auch der Ausrichtung und dem systematischen Standort der Rechtsgrundlage für die AMRL; § 92 Abs 1 Satz 1 letzter Teilsatz und Satz 2 Nr 6 SGB V hat seinen Standort im Vertragsarztrecht (§§ 72 ff SGB V) und wendet sich ebenfalls unmittelbar an den Vertragsarzt: Der GBA "kann die Verordnung von Arzneimitteln einschränken oder ausschließen …. Er soll insbesondere Richtlinien beschließen über die (Nr 6:) Verordnung von Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln …". Alle genannten Regelungen sind unmittelbar auf den Vertragsarzt und sein Verordnungsverhalten ausgerichtet. Dies spricht dafür, dass die auf sie gegründeten Rechtsstreitigkeiten dem Vertragsarztrecht im Sinne des § 10 Abs 2 SGG zuzuordnen sind.
[21] In dieser Auffassung sieht sich der Senat durch die geplante Ergänzung des § 10 Abs 2 SGG durch Art 8 des Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze sowie durch die dem zugrunde liegende Begründung der Bundesregierung bestätigt. Durch die Neufassung (Nr 1 und Nr 2 der Vorschrift) soll klargestellt werden, dass Entscheidungen und Richtlinien des GBA, die allein die vertragsärztliche oder vertragszahnärztliche Versorgung betreffen, weiterhin dem Vertragsarztrecht zugeordnet werden (BR-Drucks 315/11, S 38). Allein die vertragsärztliche Versorgung betreffen in diesem Sinne nach Ansicht der Bundesregierung die Bedarfsplanungs-Richtlinie, die AMRL und die Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung (BR-Drucks aaO). Nach dem Willen des Gesetzgebers soll mithin die Zuordnung zu den Angelegenheiten des Vertragsarztrechts bei solchen Streitigkeiten, in denen eine solche Richtlinienbestimmung oder eine sie betreffende Aufsichtsmaßnahme Verfahrensgegenstand ist, nicht angetastet werden.
[22] Die Zuordnung zum Vertragsarztrecht im Sinne des § 10 Abs 2 SGG kann nicht unter Hinweis darauf in Frage gestellt werden, dass inhaltlicher Maßstab der im vorliegenden Verfahren beanstandeten AMRL-Bestimmungen die Regelungen des § 34 Abs 1 Satz 2 und 3 SGB V sind, die ihren systematischen Standort im Kapitel über den Umfang des Anspruchs auf Krankenbehandlung (§§ 27 ff SGB V) und damit im allgemeinen Krankenversicherungsrecht haben. Ungeachtet dieser Einordnung begründen die Bestimmungen des § 34 Abs 1 Satz 2 und 3 SGB V von ihrer Ausrichtung und Adressierung her zunächst unmittelbar Rechte und Pflichten der Vertragsärzte: Gemäß § 34 Abs 1 Satz 2 SGB V legt der GBA in Richtlinien nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 SGB V fest, welche nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel, die bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten, zur Anwendung bei solchen Erkrankungen "vom Vertragsarzt ausnahmsweise verordnet werden können". Mit dieser Formulierung verortet auch diese im allgemeinen Krankenversicherungsrecht positionierte Bestimmung die OTC-Ausnahmeliste in § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 SGB V und damit im Vertragsarztrecht, und sie wendet sich ("vom Vertragsarzt ausnahmsweise verordnet") zunächst unmittelbar an den Vertragsarzt.
[23] Nichts anderes ergibt sich daraus, dass die Bestimmungen in den AMRL auch den Leistungsanspruch der Versicherten ausgestalten und für diese verbindlich sind (§ 91 Abs 6 SGG). Dies ist die logische Konsequenz der von allen Senaten des BSG anerkannten Einheit von Leistungs- und Leistungserbringungsrecht (s hierzu BSG – 1. Senat – BSGE 81, 54, 60—62 = SozR 3—2500 § 135 Nr 4 S 15—18; BSG – 6. Senat – BSGE 78, 70, 85 = SozR 3—2500 § 92 Nr 6 S 40 f; BSGE 102, 219 = SozR 4—2500 § 118 Nr 1, RdNr 21). So verweist die Bundesregierung in ihrer Begründung zur geplanten Klarstellung des § 10 Abs 2 SGG zu Recht auch darauf, dass die Richtlinien des GBA gemäß § 92 Abs 8 SGB V Bestandteil der Bundesmantelverträge und damit zugleich gemäß § 82 Abs 1 Satz 2 SGB V Bestandteil der Gesamtverträge nach § 83 SGB V sind. Die sich hieraus ergebenden Auswirkungen auf die Versicherten ändern ebenso wie sonstige mittelbare oder unmittelbare Auswirkungen von Richtlinien des GBA oder von Vorschriften der Bundesmantelverträge nichts daran, dass Streitigkeiten über diese Vorschriften dem Vertragsarztrecht im Sinne des § 10 Abs 2 SGG zuzuordnen sind. So betreffen etwa die Regelungen im Vertrag über die hausärztliche Versorgung, der auf § 73 Abs 1c SGB V in der bis zum 30. 6. 2008 geltenden Fassung beruht, mittelbar auch die Versicherten: Diese können Leistungen, die in diesem Vertrag der fachärztlichen Versorgung zugewiesen sind, nicht von ihrem Hausarzt erhalten, weil er sie nicht erbringen darf. Diese zwangsläufige Konsequenz daraus, dass das Vertragsarztrecht immer auch den Versicherten dient, weil es ihre Versorgung organisiert, führt nicht dazu, dass die Unterscheidung zwischen allgemeinem Krankenversicherungsrecht und speziellem Vertragsarztrecht im Sinne des § 10 Abs 2 SGG obsolet wäre.
[24] Die Bestimmung des § 10 Abs 2 SGG beschreibt, wie der Senat in seinem Urteil vom 6. 5. 2009 näher dargelegt hat, einen Teil des Leistungserbringungsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung. Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift ist immer dann verlassen, wenn Versicherte Leistungsansprüche gegen ihre Krankenkasse geltend machen, und zwar auch dann, wenn es in einem solchen Verfahren auf die Wirksamkeit einer Richtlinie des GBA ankommt (BSGE 103, 106 = SozR 4—2500 § 94 Nr 2, RdNr 29). Deshalb hat der 1. Senat des BSG zu Recht über die Revisions-Nichtzulassungsbeschwerde eines Versicherten entschieden, der unmittelbar den GBA auf Ergänzung der AMRL in Anspruch genommen hatte (BSG SozR 4—1500 § 10 Nr 3). Soweit der 1. Senat über diese Streitkonstellation hinausgehend – im Rahmen eines sog obiter dictum, also nicht-tragend – ausgeführt hat, "ein Streit darüber, ob der GBA eine spezielle Richtlinie nach § 34 Abs 1 Satz 2 SGB V zu erlassen hat, (zähle) zu den Sachen der Krankenversicherung und nicht des Vertrags (arzt) rechts … ganz unabhängig davon, wer den Erlass einer solchen Richtlinie begehrt, sei es ein Versicherter, ein Vertragsarzt, der Hersteller, eine Vereinigung von Vertragsärzten wie die Kassenärztlichen Vereinigungen, die Kassen (zahn) ärztliche Bundesvereinigung, eine Krankenkasse, ein Krankenkassenverband oder der Spitzenverband Bund der Krankenkassen oder auch ein Dritter" (BSG aaO RdNr 6), folgt dem der erkennende Senat nicht. Diese Ansicht des 1. Senats ist auch vereinzelt geblieben. Es ist kein Urteil eines SG oder eines LSG ersichtlich, das dieser Ansicht im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten, die die Befugnis der Vertragsärzte zur Ausstellung von Verordnungen oder Streitigkeiten unter Beteiligung von ihnen und dem GBA oder diesbezügliche Aufsichtsstreitigkeiten betreffen, gefolgt wäre oder die Zuordnung solcher Streitigkeiten zum Vertragsarztrecht im Sinne des § 10 Abs 2 SGG in Frage gestellt hätte.
[25] 2. Im Hinblick auf diese Zuordnung des Rechtsstreits zum Vertragsarztrecht gemäß § 10 Abs 2 SGG besteht auch kein Anlass für eine Vorlage an den Großen Senat gemäß § 41 SGG. Keiner der in § 41 Abs 2 und 4 SGG aufgeführten Tatbestände ist erfüllt.
[26] Eine Abweichung von der Entscheidung eines anderen Senats im Sinne des § 41 Abs 2 SGG liegt nicht vor. Hierfür könnten die zitierten Ausführungen des 1. Senats in Betracht kommen, diese sind aber, wie dargestellt, nicht-tragend gewesen, ebenso wie dies bei den Ausführungen des 3. Senats im Beschluss vom 10. 3. 2010 – B 3 KR 36/09 B – der Fall ist (s hierzu den Hinweis auf das Fehlen einer Divergenz mangels tragender Ausführungen in GesR 2010, 415 RdNr 17). Eine Vorlage wegen Divergenz erfordert indessen eine Abweichung in entscheidungserheblichen Ausführungen (so die Rechtsprechung der Großen Senate aller obersten Bundesgerichte, s die Nachweise im Urteil des erkennenden Senats vom 23. 3. 2011 – B 6 KA 11/10 R – RdNr 23, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).
[27] Eine Vorlage an den Großen Senat ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung einer Rechtsfrage im Sinne des § 41 Abs 4 SGG veranlasst. Voraussetzung für eine solche Vorlage ist, dass eine Gefahr für die Einheitlichkeit der Rechtsprechung durch sich abzeichnende entscheidungstragende Divergenzen besteht (s die Ausführungen im Urteil vom 23. 3. 2011 aaO RdNr 24 mwN iVm RdNr 26). Dafür liegen indessen, bezogen auf ein Verfahren der vorliegenden Art, in dem eine GBA-Richtlinie aufsichtsrechtlich beanstandet wird, die sich unmittelbar an die Vertragsärzte wendet, keine Anhaltspunkte vor; dementsprechende Ausführungen in Entscheidungen eines SG oder LSG sind, wie ausgeführt, nicht ersichtlich (vgl oben RdNr 18 ff, insbesondere RdNr 22 am Ende).
[28] Eine Anrufung des Großen Senats zur Klärung von Zuständigkeitsfragen außerhalb des Streitgegenstandes der konkret vorliegenden Rechtsstreitigkeit geriete ferner in Widerstreit zu dem Grundsatz, dass ein Großer Senat nicht die Aufgabe hat, Rechtsgutachten zu erstatten (so die Rechtsprechung der Großen Senate aller obersten Bundesgerichte, s die Nachweise in BSG aaO RdNr 28).
[29] 3. Schließlich hat der Senat angesichts der Zuordnung des vorliegenden Rechtsstreits zum Vertragsarztrecht im Sinne des § 10 Abs 2 SGG auch keinen Anlass gesehen, den Ausgang des beim Großen Senat bereits anhängigen Verfahrens GS 1/10 abzuwarten. Das dem zugrunde liegende Ausgangsverfahren B 3 KR 36/09 B betrifft einen anderen Streitgegenstand, nämlich die Rechtmäßigkeit einer Schiedsstellenentscheidung gemäß § 18a Krankenhausfinanzierungsgesetz zur Vergütung von Leistungen einer zahnärztlichen Hochschulambulanz. Der Fortgang dieses Verfahrens ist im Übrigen ungewiss, nachdem die Beteiligten des Ausgangsverfahrens B 3 KR 36/09 B sich außergerichtlich geeinigt und dieses in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben.
[30] Für eine Zurückstellung der Entscheidung ist bereits deshalb im vorliegenden Verfahren kein Raum, weil dieses schon seit knapp 16 Monaten und damit deutlich überdurchschnittlich lange beim BSG anhängig ist (Einlegung der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision am 15. 1. 2010; Zulassung der Revision am 23. 6. 2010). Die Beteiligten haben, wie oben ausgeführt (RdNr 15), auch ausdrücklich den Wunsch nach einer unverzüglichen Entscheidung in der Besetzung gemäß § 10 Abs 2 SGG geäußert. Dem kommt – mit Blick auf den Anspruch der Verfahrensbeteiligten auf Gewährung zeitgerechten Rechtsschutzes gemäß Art 19 Abs 4 GG – besonderes Gewicht zu.
[31] B. Das Verfahren wird zutreffend im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage weitergeführt. Die vom Kläger im Verfahren des LSG vorgenommene Umstellung des Anfechtungsantrags in einen Fortsetzungsfeststellungsantrag ist als Antragsänderung nach § 99 Abs 3 Nr 3 SGG zulässig (s zB BSGE 99, 145 = SozR 4—2500 § 116 Nr 4, RdNr 14; BSGE 103, 269 = SozR 4—1500 § 54 Nr 16, RdNr 14 mwN). Die Umstellung in eine Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Beanstandungsverfügung ist erfolgt, nachdem sich das gegen diese Verfügung gerichtete Anfechtungsverfahren in der Hauptsache erledigt hatte.
[32] Die Erledigung im Sinne des § 131 Abs 1 Satz 3 SGG war dadurch eingetreten, dass der GBA die AMRL am 18. 12. 2008/22. 1. 2009 (BAnz Nr 49a S 3 ff = DÄ 2009, A 675) neu gefasst hatte, und zwar ohne die von der Beklagten beanstandete Einfügung "und Anwendungsvoraussetzungen" (so der neu gefasste § 12 Abs 6 AMRL). Damit hatte, wie das LSG zu Recht ausführt, die Beanstandungsverfügung der Beklagten ihre Regelungswirkung verloren, und das Rechtsschutzinteresse für die gegen sie gerichtete Anfechtungsklage war entfallen.
[33] Das gemäß § 131 Abs 1 Satz 3 SGG neben dem Erledigungseintritt zusätzlich erforderliche Fortsetzungsfeststellungsinteresse ist unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr gegeben, denn die Klärung der im vorliegenden Rechtsstreit zu entscheidenden Rechtsfrage ist für das Verhältnis der Beteiligten weiterhin relevant (vgl dazu zB BSGE 99, 145 = SozR 4—2500 § 116 Nr 4, RdNr 14; BSGE 103, 269 = SozR 4—1500 § 54 Nr 16, RdNr 14 mwN): Der Kläger hält an seiner Rechtsansicht fest, dass er eine Einfügung der beanstandeten Art ("und Anwendungsvoraussetzungen") vornehmen dürfe; er hat, wie er in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat, nur vorübergehend – bis zum Abschluss des hier anhängigen Rechtsstreits – auf eine erneute gleiche Einfügung in seine Neufassung der AMRL verzichtet.
[34] Für das Vorliegen eines Feststellungsinteresses kommt es nicht darauf an, ob die Anwendungsbeschränkung "nur in der palliativen Therapie" schon in der früheren Fassung der Nr 16. 5 AMRL von dessen Begriff "Indikationsgebiete" miterfasst war oder ob sie erst von deren späterer – von der Beklagten beanstandeten – Fassung aufgrund der kumulativen Begriffe "Indikationsgebiete und Anwendungsvoraussetzungen" erfasst wurde. Wurden die Anwendungsbeschränkungen erst von der späteren Fassung aufgrund der kumulativen Begriffe "Indikationsgebiete und Anwendungsvoraussetzungen" erfasst, so kam diesem Änderungsbeschluss des GBA konstitutive Bedeutung zu. Wurde die Anwendungsbeschränkung bereits von dem Begriff "Indikationsgebiete" miterfasst, so handelte es sich bei der späteren Hinzufügung des Passus "und Anwendungsgebiete" (Beschluss des GBA vom 21. 12. 2004) eben nur um eine Klarstellung des Aussagegehalts der Regelung. Auch bei Zugrundelegung einer bloßen Klarstellung bestand und besteht aber ein Bedarf nach gerichtlicher Klärung und ist die Anfechtungs- bzw Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig: Eine aufsichtsrechtliche Verfügung stellt auch dann, wenn sie nur eine Regelung mit lediglich deklaratorischem Inhalt zum Gegenstand hat, einen Eingriff dar, für dessen Anfechtung eine Klagebefugnis bzw – nach Erledigung – für dessen Rechtswidrigkeitsfeststellung ein Feststellungsinteresse besteht.
[35] C. Die Revision des Klägers und der damit weiter verfolgte Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Beanstandungsverfügung vom 18. 2. 2005 sind begründet. Denn dieser Bescheid war rechtswidrig.
[36] 1. Als Rechtsgrundlage für die Beanstandungsverfügung kommt allein § 94 Abs 1 SGB V in Betracht, wonach die vom GBA beschlossenen Richtlinien dem BMG vorzulegen sind, das sie innerhalb von zwei Monaten beanstanden kann (§ 94 Abs 1 Satz 1 und 2 SGB V).
[37] Die aufsichtsrechtlichen Befugnisse des BMG sind auf eine Rechtskontrolle beschränkt, wie der Senat in seinem Urteil BSGE 103, 106 = SozR 4—2500 § 94 Nr 2 im Einzelnen ausgeführt hat (dort RdNr 34 bis 51). Zu einer Zweckmäßigkeitsprüfung ist das BMG nicht berechtigt (aaO RdNr 51). Deshalb ist eine Aufsichtsmaßnahme wie die hier von der Beklagten erlassene Beanstandungsverfügung nur dann rechtmäßig, wenn das Handeln der beaufsichtigten Selbstverwaltungskörperschaft (hier: des GBA) rechtlich fehlerhaft war. Bei der Beurteilung der beanstandeten Rechtshandlung ist zu beachten, dass der GBA bei der ihm zugewiesenen Normsetzung durch Erlass von Richtlinien einen Bewertungsspielraum hat, wie er jedem Normgeber zukommt (s BSG aaO RdNr 51 mwN; vgl auch BSGE 105, 243 = SozR 4—2500 § 116b Nr 2, RdNr 43 ff).
[38] 2. Nach diesem Maßstab war die angefochtene Beanstandungsverfügung der Beklagten rechtswidrig; denn die beanstandete Richtliniengebung, die Einfügung der Worte "und Anwendungsvoraussetzungen" in Nr 16. 5 AMRL, ließ keinen Rechtsfehler erkennen. Die Regelung des GBA hielt sich im Rahmen der normativen Gestaltungsfreiheit (vgl RdNr 35). Die Vorgaben des § 34 Abs 1 Satz 2 und 3 SGB V sind eingehalten.
[39] § 34 Abs 1 Satz 2 SGB V gibt dem GBA auf, in Richtlinien schwerwiegende Erkrankungen aufzuführen, für deren Behandlung nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel als Therapiestandard zur Verfügung stehen (sog OTC-Ausnahmeliste). Im Rahmen dieser Richtlinienregelungen hat der GBA gemäß § 34 Abs 1 Satz 3 SGB V der Therapievielfalt Rechnung zu tragen. Das Verhältnis zwischen Satz 2 und Satz 3 hat der Gesetzgeber so geregelt, dass er die Vorgaben des Satz 2 vorangestellt hat und ihnen die Regelung des Satz 3 in der Weise angeschlossen hat, dass "dabei … der therapeutischen Vielfalt Rechnung zu tragen" ist. Daraus ergibt sich ein gewisser Vorrang der Vorgaben des Satz 2: In deren Rahmen ist die therapeutische Vielfalt zu berücksichtigen. Ausgehend von dem so auszulegenden Verhältnis des § 34 Abs 1 Satz 2 zu Satz 3 SGB V ist die vom Kläger getroffene Regelung der Nr 16. 5 AMRL nicht zu beanstanden.
[40] a) Die Ansicht der Beklagten, der Kläger müsse der therapeutischen Vielfalt in weitergehendem Maße Rechnung tragen, als dies durch Nr 16. 5 AMRL geschehen war, ist unzutreffend.
[41] Das Gebot, der therapeutischen Vielfalt Rechnung zu tragen, bedeutet insbesondere, dass die Eigenheiten besonderer Therapierichtungen – soweit dies im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften möglich ist – zu berücksichtigen sind. Bei der Bewertung der Qualität und Wirksamkeit von Behandlungsmethoden und Medikationen ist deshalb der Erkenntnisstand der jeweiligen Therapierichtung, also die aus Sicht der Therapierichtung gegebene besondere Wirksamkeit zugrunde zu legen (Maßstab der sog Binnenanerkennung, vgl BSGE 81, 54, 71 = SozR 3—2500 § 135 Nr 4 S 27 f; BVerwG vom 16. 10. 2008 – 3 C 23.07 – Buchholz 418. 32 AMG Nr 53 RdNr 13 ff, 15; OVG Nordrhein-Westfalen vom 26. 8. 2009 – 13 A 4556/06 – Juris RdNr 17; allgemein zu besonderen Therapierichtungen s BSGE 85, 56, 63 ff = SozR 3—2500 § 28 Nr 4 S 21 ff; BSG SozR 3—2500 § 92 Nr 12 S 72 ff; BSGE 94, 221 RdNr 26 ff, 29—31 = SozR 4—2400 § 89 Nr 3, RdNr 27 ff, 30—32; BSG SozR 4—2500 § 27 Nr 8 RdNr 18; s auch BVerwG aaO RdNr 13 ff). Der GBA hat in Nr 16. 5 AMRL spezielle Regelungen zugunsten besonderer Therapierichtungen aufgenommen. Er hat für die Beurteilung, ob ein Arzneimittel für die Behandlung einer schwerwiegenden Erkrankung als Therapiestandard anzusehen ist (vgl § 34 Abs 1 Satz 2 SGB V), in Nr 16. 5 AMRL eine Sonderregelung für die Arzneimittel der Anthroposophie und Homöopathie getroffen: Das Vorliegen eines Therapiestandards ist "nach dem Erkenntnisstand … in der jeweiligen Therapierichtung" zu beurteilen. Diese Vorgabe ist nicht etwa durch die Einfügung "und Anwendungsvoraussetzungen" relativiert worden, wie das LSG und die Beklagte annehmen; ein solcher Querbezug lässt sich der Regelung nicht entnehmen.
[42] Die Beklagte macht in ihrer Beanstandungsverfügung geltend, der GBA müsse den besonderen Therapierichtungen der Anthroposophie und der Homöopathie weitergehend Rechnung tragen. Er dürfe eine Einschränkung, wie sie für Mistel-Präparate bestehe, indem diese "nur in der palliativen Therapie … zur Verbesserung der Lebensqualität" verordnungsfähig seien (Nr 16. 4. 27 AMRL bzw heute: Nr 32 der Anlage I zum Abschnitt F AMRL), nicht auch für anthroposophische und homöopathische Arzneimittel gelten lassen, weil es solche Einschränkungen nach dem Selbstverständnis dieser Therapierichtungen nicht gebe. Hier richte sich vielmehr – jedenfalls nach ihrer klassischen Lehre – die Arzneimittelanwendung nach dem sog Arzneimittelbild des Patienten; das für ihn als geeignet festgestellte Arzneimittel sei dann gleichermaßen für die kurativ-adjuvante wie die palliative Therapie geeignet; eine Differenzierung sei nicht möglich.
[43] Diese Forderung ist indessen nicht berechtigt. Aus § 34 Abs 1 Satz 3 SGB V kann nicht abgeleitet werden, der GBA müsse im Rahmen der anthroposophischen und homöopathischen Therapierichtungen Arzneimittel wie zB Mistel-Präparate sowohl für die kurativ-adjuvante als auch für die palliative Therapie für verordnungsfähig erklären, während entsprechende allopathische Präparate nur für die palliative Therapie verordnungsfähig sind. Dies ergäbe eine im Gesetz so nicht angelegte Begünstigung für die anthroposophischen und die homöopathischen Arzneimittel gegenüber den allopathischen. Gemäß § 34 Abs 1 Satz 2 SGB V sollen in der OTC-Ausnahmeliste schwerwiegende Erkrankungen aufgeführt werden, für deren Behandlung nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel als Therapiestandard zur Verfügung stehen. Kommt der GBA in diesem Rahmen zum Ergebnis, einen Behandlungsstandard gebe es bei einer bestimmten schwerwiegenden Erkrankung nur in der palliativen Therapie, so beschränkt er die Verordnungsfähigkeit in der Weise, wie er es in Nr 16. 4. 27 AMRL bezogen auf Mistel-Präparate getan hat. Dies ist dann der Rahmen, dessen Grenzen der GBA dann auch für die besonderen Therapierichtungen gelten lassen kann. Würde der GBA diesen Rahmen allein für die Arzneimittel besonderer Therapierichtungen lockern, wie die Beklagte das für erforderlich erachtet, so ergäbe sich insoweit eine – jedenfalls nicht gebotene – Begünstigung für diese Arzneimittel. Eine solche Forderung kann, wie dargestellt, insbesondere nicht auf § 34 Abs 1 Satz 3 SGB V gestützt werden: Das ginge über das dargestellte Verhältnis des Satz 3 zu Satz 2 hinaus, wonach der therapeutischen Vielfalt nur im Rahmen der Vorgaben des Satz 2 Rechnung zu tragen ist (vgl oben RdNr 37).
[44] b) Nach alledem ist die Regelung in Nr 16. 5 AMRL unbedenklich, wonach die in den Nr 16. 4 ff AMRL erfolgten Konkretisierungen gleichermaßen für die Arzneimittel der Anthroposophie und der Homöopathie gelten, auch soweit darin Anwendungsbeschränkungen wie zB "nur in der palliativen Therapie" normiert sind.
[45] 3. Keiner näheren Erörterung bedarf es auch an dieser Stelle (vgl bereits oben RdNr 32), ob die Anwendungsbeschränkung "nur in der palliativen Therapie" schon von der früheren Fassung der Nr 16. 5 AMRL durch dessen Begriff "Indikationsgebiete" miterfasst war oder ob sie erst von deren späterer – von der Beklagten beanstandeten – Fassung aufgrund der kumulativen Begriffe "Indikationsgebiete und Anwendungsvoraussetzungen" erfasst wurde. Mit Blick auf etwaige künftige ähnliche Streitfälle weist der Senat aber darauf hin, dass er dazu neigt, dass bereits der Begriff "Indikationsgebiete" die Anwendungsbeschränkung mitumfasst hat. Hierfür sprechen Andeutungen in der BSG-Rechtsprechung (vgl BSGE 89, 184, 191: "Ausdehnung des Anwendungsbereichs eines Arzneimittels auf weitere Indikationen"; s auch zB BSG SozR 4—2500 § 31 Nr 6 RdNr 9 und BSG SozR 4—2500 § 31 Nr 15 RdNr 21 f, wonach die Zulassung das Indikationsgebiet umschreibt, in dem das Arzneimittel im konkreten Fall eingesetzt werden soll; s ferner weitere Nachweise im Urteil des SG Dresden A & R 2007, 134, 136 f [unter 5.]) und lassen sich – allerdings nur mit Vorsicht – auch die Materialien aus dem Gesetzgebungsverfahren zur Änderung des § 34 SGB V anführen (vgl BT-Drucks 15/1525 S 86: "In den Arzneimittelrichtlinien ist das Nähere zur Verordnungsfähigkeit von nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln insbesondere bezogen auf bestimmte Indikationen und Indikationsgebiete festzulegen.").
[46] D. Spätestens mit der Veröffentlichung der unter C. gegebenen Urteilsbegründung in einer allgemein zugänglichen Fachzeitschrift entfällt ein etwaiger Vertrauenstatbestand, wie er möglicherweise bis jetzt noch aufgrund der angefochtenen Beanstandungsverfügung bestanden hat und vertragsärztliche Verordnungen von anthroposophischen und homöopathischen Mistel-Präparaten auch im Rahmen kurativ-adjuvanter Therapien möglicherweise gestützt haben könnte.
[47] E. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach trägt die Beklagte als der unterliegende Teil die Kosten des Verfahrens (§ 154 Abs 1 VwGO). Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten von Beigeladenen ist nicht veranlasst; sie haben im Revisionsverfahren keinen Antrag gestellt (§ 162 Abs 3 VwGO, vgl BSGE 96, 257 = SozR 4—1300 § 63 Nr 3, RdNr 16).