Bundessozialgericht
Krankenkassenwahlrecht – Zeitpunkt des Wechsels der Mitgliedschaft – verweigerte oder fehlerhaft verspätet ausgestellte Kündigungsbestätigung – keine Rückwirkung
BSG, Urteil vom 9. 11. 2011 – B 12 KR 3/10 R (lexetius.com/2011,7410)
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 30. September 2009 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens. Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten.
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 5000 Euro festgesetzt.
[1] Tatbestand: Die Beteiligten streiten darüber, ob die beigeladene Versicherte vom 1. 8. bis 31. 12. 2004 Mitglied einer Rechtsvorgängerin der klagenden Innungskrankenkasse (= IKK) oder Mitglied einer Rechtsvorgängerin der beklagten Betriebskrankenkasse (= BKK) war.
[2] Die Beigeladene war seit 1. 1. 2004 versicherungspflichtiges Mitglied der TAUNUS BKK, deren allgemeiner Beitragssatz vor der Fusion zum 1. 4. 2004 mit einer anderen Krankenkasse 12, 8 vH und anschließend 13, 8 vH betrug. Wegen dieser Erhöhung kündigte die Beigeladene im April 2004 zum 30. 6. 2004 ihre dortige Mitgliedschaft und bat um Bestätigung der Kündigung. Dies lehnte die BKK ab, weil eine erstmalige Beitragssatzfestsetzung durch eine nach einer Fusion neu entstandene Krankenkasse kein Sonderkündigungsrecht begründe. Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren begehrte die Beigeladene im Klagewege die Feststellung des Endes ihrer Mitgliedschaft bei der BKK zum 30. 6. 2004 und wählte im Juli 2004 als neue Krankenkasse die IKK Sachsen, deren Rechtsnachfolgerin inzwischen die klagende IKK ist. Nachdem das BSG ein Sonderkündigungsrecht für Fälle der vorliegenden Art bejaht hatte (vgl zB BSG SozR 4—2500 § 175 Nr 1), erteilte die BKK der Beigeladenen eine Kündigungsbestätigung zum 31. 12. 2004 und erstattete ihr die sich aus den unterschiedlichen Beitragssätzen ergebende Beitragsdifferenz des Arbeitnehmeranteils für die Zeit vom 1. 7. bis 31. 12. 2004 in Höhe von insgesamt 112,42 Euro. Die Beigeladene nahm daraufhin ihre Klage zurück. Die von der Beigeladenen gewählte IKK erteilte dieser sodann eine Mitgliedsbescheinigung mit Wirkung zum 1. 1. 2005.
[3] Die IKK hat daraufhin gegen die BKK Klage erhoben und begehrt, festzustellen, dass die Beigeladene bereits seit 1. 8. 2004 ihr Mitglied sei, weil deren Mitgliedschaft bei ihr trotz der zu Unrecht erst zum 31. 12. 2004 ausgestellten Kündigungsbestätigung mit dem Beginn des Monats nach der Wahl der Beigeladenen ab 1. 8. 2004 wirksam zustande gekommen sei. Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 1. 2. 2007). Das LSG hat die Berufung der IKK zurückgewiesen: Die Klage sei zulässig, jedoch unbegründet, weil die Kündigung nicht vor dem 31. 12. 2004 wirksam geworden sei. Voraussetzung für die Wirksamkeit der Kündigung bei einem Krankenkassenwechsel sei der Nachweis der neuen Mitgliedschaft durch eine Mitgliedsbescheinigung der gewählten Krankenkasse und Voraussetzung für deren Ausstellung eine Kündigungsbestätigung durch die bisherige Krankenkasse. Eine Kündigungsbestätigung der BKK habe erst zum 31. 12. 2004 und eine Mitgliedsbescheinigung der IKK erst zum 1. 1. 2005 vorgelegen. Allerdings könne ein objektiv gesetzwidriges Verhalten der gekündigten Krankenkasse zu Lasten der gewählten Krankenkasse nur hingenommen werden, wenn Letztere einen Anspruch habe, von der sich rechtswidrig verhaltenden Krankenkasse eine Korrektur zu verlangen. Für Zwecke des Risikostrukturausgleichs (RSA) dürfe sich die Beklagte bei offensichtlicher Fehlerhaftigkeit der Kündigungsbestätigung nicht darauf berufen, dass die Beigeladene bis zum 31. 12. 2004 ihr Mitglied gewesen sei; die Klägerin müsse insoweit vielmehr so behandelt werden, als sei die Mitgliedschaft bei ihr zum frühestmöglichen Zeitpunkt begründet worden (Urteil vom 30. 9. 2009).
[4] Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 175 SGB V. Die Frist des § 175 Abs 4 S 4 SGB V gelte für die Krankenkassenwahl und deren Nachweis nicht, wenn die gekündigte Krankenkasse durch rechtswidrige Verweigerung einer Kündigungsbestätigung die Ursache dafür gesetzt habe, dass der Krankenkassenwechsel nicht den im Gesetz vorgesehenen Ablauf nehme. Bei einer verweigerten oder fehlerhaften Kündigungsbestätigung müsse deshalb die Mitgliedschaft bei der gewählten Krankenkasse ohne Nachweis durch eine Mitgliedsbescheinigung mit Beginn des der Wahl folgenden Monats wirksam zustande kommen. Eine objektiv rechtswidrig handelnde gekündigte Krankenkasse könne nicht die Rechtsmacht haben, durch ein solches Verhalten verbindlich festzulegen, wann die Kündigung wirksam werde, und so die Mitgliedschaftszeiten bei ihr nach Belieben bestimmen, weil dies erhebliche Auswirkungen auf Zahlungen im Rahmen des RSA habe. Auch stelle das Festhalten der BKK an dem Fortbestand der Mitgliedschaft der Beigeladenen bei gleichzeitiger Erstattung der Beitragsdifferenz an die Beigeladene ein unzulässiges widersprüchliches Verhalten dar.
[5] Die Klägerin beantragt, die Urteile des Sächsischen Landessozialgerichts vom 30. September 2009 und des Sozialgerichts Dresden vom 1. Februar 2007 aufzuheben und festzustellen, dass die Beigeladene in der Zeit vom 1. August bis 31. Dezember 2004 Mitglied der IKK Sachsen war.
[6] Die Beklagte beantragt, die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
[7] Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.
[8] Die Beigeladene hat sich nicht durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten geäußert.
[9] Entscheidungsgründe: Die zulässige Revision der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg. Zwar konnte sie ihr Begehren im Wege der Feststellungsklage verfolgen, die Klage ist jedoch unbegründet. Die beigeladene Versicherte war im streitigen Zeitraum vom 1. 8. bis 31. 12. 2004 nicht Mitglied der IKK Sachsen (= Rechtsvorgängerin der Klägerin).
[10] 1. Die erhobene Feststellungsklage ist zulässig. Die Klägerin hat iS von § 55 Abs 1 SGG ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung, ob die Beigeladene im hier streitigen Zeitraum Mitglied der IKK geworden ist, auch wenn die Frage der Mitgliedschaft nur für die Vergangenheit umstritten ist (vgl BSG SozR 4—2500 § 175 Nr 2 RdNr 18 unter Hinweis auf BSG SozR 3—2500 § 175 Nr 3; vgl auch BSG SozR 3—5428 § 4 Nr 2).
[11] 2. Nach § 186 Abs 10 SGB V (mWv 1. 1. 1996 eingefügt durch Art 1 Nr 118 Gesundheitsstrukturgesetz vom 21. 12. 1992, BGBl I 2266) beginnt nach Kündigung einer Krankenkassenmitgliedschaft die Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger bei der neu gewählten Krankenkasse mit dem Tag nach Eintritt der Rechtswirksamkeit der Kündigung. Zutreffend sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, dass die Mitgliedschaft der Beigeladenen bei der BKK (= Rechtsvorgängerin der Beklagten) erst am 31. 12. 2004 endete und die Mitgliedschaft bei der IKK erst am 1. 1. 2005 begann, weil die Kündigung der bisherigen Mitgliedschaft der Beigeladenen bei erstgenannter nicht vor Ablauf des 31. 12. 2004 wirksam wurde.
[12] 3. Regelungen über den Wechsel der Krankenkasse durch Kündigung und Ausübung des Wahlrechts in einem gestuften Verfahren, das Mitwirkungshandlungen sowohl des Versicherten als auch der gekündigten und der gewählten Krankenkasse erfordert (vgl BSG SozR 4—2500 § 175 Nr 1 RdNr 19), enthalten § 175 Abs 2 S 1 und 2 SGB V sowie § 175 Abs 4 S 1 bis 4 SGB V (in der hier anwendbaren Fassung des Gesetzes zur Neuregelung der Krankenkassenwahlrechte vom 27. 7. 2001, BGBl I 1946) und § 175 Abs 4 S 5 SGB V (in der hier anwendbaren Fassung des Art 1 Nr 134, Art 37 Abs 1 GKV-Modernisierungsgesetz vom 14. 11. 2003, BGBl I 2190). Gegenüber der bisherigen Krankenkasse besteht ein Kündigungsrecht nach Ablauf der Bindungsfrist, die gemäß § 175 Abs 4 S 1 SGB V bei Ausübung des Kassenwahlrechts ab 2002 grundsätzlich 18 Monate beträgt. Erhöht eine Krankenkasse ihren Beitragssatz, kann die Mitgliedschaft abweichend von Satz 1 bis zum Ablauf des auf das Inkrafttreten des der Beitragserhöhung folgenden Kalendermonats gekündigt werden (§ 175 Abs 4 S 5 SGB V). Die Kündigung wird wirksam, wenn das Mitglied innerhalb der Kündigungsfrist eine Mitgliedschaft bei einer anderen Krankenkasse durch eine Mitgliedsbescheinigung nachweist (§ 175 Abs 4 S 4 SGB V). Die bisherige Krankenkasse hat dem Mitglied unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von zwei Wochen nach Eingang der Kündigung eine Kündigungsbestätigung auszustellen (§ 175 Abs 4 S 3 SGB V). Nach Ausübung des Wahlrechts ist von der gewählten Kasse unverzüglich eine Mitgliedsbescheinigung auszustellen, die bei vorangegangener Mitgliedschaft bei einer anderen Krankenkasse nur ausgestellt werden kann, wenn deren Kündigungsbestätigung vorgelegt wird (§ 175 Abs 2 S 1 und 2 SGB V).
[13] Ausgehend von diesen gesetzlichen Regelungen wurde die Kündigung der Beigeladenen erst zum Ablauf des 31. 12. 2004 wirksam. Zwar bestand ein von der Beigeladenen wirksam ausgeübtes Kündigungsrecht bereits zum 1. 6. 2004 (dazu a.), auch wählte die Beigeladene die IKK im Juli 2004 als neue Krankenkasse (dazu b.), jedoch lag die für die Erteilung einer Mitgliedsbescheinigung der neuen Krankenkasse und damit für die Wirksamkeit der Kündigung erforderliche Bestätigung der Kündigung erst mit Wirkung zum Ablauf des 31. 12. 2004 vor (dazu c.). Für die Wirksamkeit der Kündigung ist auch dann eine entsprechende Kündigungsbestätigung erforderlich, wenn die gekündigte Krankenkasse der Beigeladenen eine Kündigungsbestätigung zu Unrecht verweigert oder sie fehlerhaft ausgestellt haben sollte (dazu d.). Möglicherweise bestehende Schadensersatzansprüche der Klägerin gegen die Beklagte können jedenfalls einen früheren Zeitpunkt der Wirksamkeit der Kündigung bzw des Beginns der Mitgliedschaft bei der IKK nicht begründen (dazu e.). Der von der Klägerin begehrte frühere Beginn der Mitgliedschaft der Beigeladenen bei der IKK folgt auch nicht aus den Grundsätzen von Treu und Glauben (dazu f.).
[14] a. Die Beigeladene hatte nach Inkrafttreten der Erhöhung des Beitragssatzes der BKK zum 1. 4. 2004 gemäß § 175 Abs 4 S 5 SGB V ein (Sonder) Kündigungsrecht, weil auch die Festsetzung eines höheren Beitragssatzes nach einer Fusion von Krankenkassen ein solches Kündigungsrecht begründet. Dies hat der Senat in mehreren Revisionsverfahren zur Beitragssatzerhöhung durch die hier betroffene BKK entschieden (vgl ua Urteile des Senats vom 2. 12. 2004, zB B 12 KR 23/04 R – SozR 4—2500 § 175 Nr 1). Die Beigeladene erklärte mit Blick auf diesen Sachverhalt entsprechend im April 2004 zum 30. 6. 2004 die Kündigung ihrer bisherigen Mitgliedschaft.
[15] b. Die Beigeladene wählte durch Erklärung vom Juli 2004 mit Wirkung zum 1. 8. 2004 die IKK als neue Krankenkasse. Diese Wahl war wirksam, obwohl sie nicht entsprechend den Vorgaben des § 175 Abs 4 S 5 SGB V innerhalb der Kündigungsfrist bis 30. 6. 2004 erklärt wurde und obwohl nicht innerhalb dieser Frist eine entsprechende Mitgliedsbescheinigung vorlag. Der Senat hat nämlich bereits entschieden, dass die Frist für die Wahl der neuen Krankenkasse und für deren Nachweis gemäß § 175 Abs 4 S 4 SGB V dann nicht eingehalten werden muss, wenn die gekündigte Krankenkasse – wie hier – durch die rechtswidrige Weigerung, eine Kündigungsbestätigung auszustellen, die Ursache dafür gesetzt hat, dass das Verfahren zum Wechsel der Krankenkasse nicht den im Gesetz vorausgesetzten Ablauf nehmen kann. Trotz Versäumung dieser Frist ist die Wahl – allerdings nur zukunftsbezogen – wirksam (vgl BSG SozR 4—2500 § 175 Nr 1 RdNr 18 f).
[16] c. Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) stellte die BKK die gemäß § 175 Abs 4 S 3 und 4 SGB V für einen Krankenkassenwechsel notwendige Bestätigung der Kündigung erst zum 31. 12. 2004 aus und erteilte die IKK die erforderliche Mitgliedsbescheinigung iS von § 175 Abs 2 S 1 und 2 SGB V erst zum 1. 1. 2005. Damit wurde die Kündigung frühestens zum 31. 12. 2004 wirksam und konnte die Mitgliedschaft bei der IKK nicht vor dem 1. 1. 2005 beginnen.
[17] Die Wirksamkeit der Kündigung setzt bereits nach dem Wortlaut des § 175 Abs 4 S 4 SGB V den Nachweis der Mitgliedschaft bei einer anderen Krankenkasse durch eine entsprechende Mitgliedsbescheinigung der gewählten Krankenkasse voraus. Teleologische und systematische Erwägungen bestätigen diese Auslegung. Bei unverändertem Fortbestand des die Versicherungspflicht begründenden Sachverhalts ist ein Wechsel der Krankenkasse nur im Rahmen eines mehrgliedrigen Verfahrens möglich, das die Begründung der neuen Mitgliedschaft mit der Lösung der unmittelbar vorangehenden bei einer anderen Krankenkasse verzahnt. Dieses formalisierte Verfahren dient dazu, die Mitwirkungshandlungen aller Beteiligten zu koordinieren und Klarheit für alle Beteiligten zu schaffen, zu welchem Zeitpunkt ein Wechsel der Mitgliedschaft eingetreten ist. Es soll sichergestellt werden, dass eine Mitgliedschaft bei der gekündigten Krankenkasse nur dann endet, wenn sich unmittelbar eine neue Mitgliedschaft bei der gewählten Krankenkasse anschließt. Hierzu dienen die Erklärungs- und Nachweispflichten der gekündigten bisherigen Krankenkasse, der gewählten neuen Krankenkasse und des Versicherten (vgl BSG SozR 4—2500 § 175 Nr 2 RdNr 21; vgl auch BSG SozR 4—2500 § 175 Nr 1 RdNr 18 f). Die Voraussetzung der Vorlage einer Mitgliedsbescheinigung für die Wirksamkeit der Kündigung stellt damit sicher, dass die bisherige Mitgliedschaft bei einer Krankenkasse durch Kündigung nur dann endet, wenn sich eine weitere Mitgliedschaft unmittelbar anschließt und die gekündigte Krankenkasse hiervon Kenntnis erlangt. Die für die Ausstellung der Mitgliedsbescheinigung erforderliche Kündigungsbestätigung gewährleistet ihrerseits, dass eine neue Mitgliedschaft nur nach Beendigung einer vorherigen Krankenkassenmitgliedschaft und im unmittelbaren Anschluss an diese begründet wird (vgl Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der Krankenkassenwahlrechte, BT-Drucks 14/5957 S 5 zu Nr 1 Buchst b – zum Nachweis der Einhaltung der 18-monatigen Bindungsfrist). Zwar hat der Senat im Hinblick auf die Wirksamkeit der Wahl einer neuen Krankenkasse ausgeführt, die Frist für deren Wahl und für den Nachweis der Mitgliedschaft durch eine Mitgliedsbescheinigung habe nur Bedeutung für die gekündigte Krankenkasse und solle sicherstellen, dass diese Krankenkasse innerhalb angemessener Zeit Klarheit darüber erhalte, ob die Kündigung wirksam geworden sei oder nicht; er hat hieraus jedoch Folgerungen nur für die Wirksamkeit der Wahl und deren Nachweis außerhalb der geregelten Frist gezogen, nicht aber die Vorlage einer Mitgliedsbescheinigung nach Erteilung einer Kündigungsbestätigung für die Wirksamkeit der Kündigung für entbehrlich gehalten (vgl BSG SozR 4—2500 § 175 Nr 1 RdNr 18; vgl auch zur Vorlage der Mitgliedsbescheinigung nach § 517 Abs 2 RVO BSGE 57, 179, 180 f = SozR 2200 § 517 Nr 8 S 21 f).
[18] d. Hinreichende Gründe für die von der Klägerin vertretene einschränkende Auslegung des § 175 Abs 4 SGB V dahin, dass es für den wirksamen Krankenkassenwechsel einer Kündigungsbestätigung (überhaupt) nicht bedarf und nur auf die Wahlerklärung abzustellen ist, wenn die gekündigte Krankenkasse eine Kündigungsbestätigung zu Unrecht verweigert oder fehlerhaft ausgestellt hat, sind nicht ersichtlich.
[19] Soweit die Klägerin diese Auslegung damit begründet, anderenfalls hätte es die gekündigte Krankenkasse in der Hand, willkürlich den Zeitpunkt des Krankenkassenwechsels zu bestimmen, übersieht sie, dass (jedenfalls) auf die Klage des Versicherten – eine solche Klage hatte die Beigeladene auch hier erhoben – die gekündigte Krankenkasse verpflichtet werden kann, eine Kündigungsbestätigung mit einem bestimmten Inhalt auszustellen (vgl BSG Urteil vom 2. 12. 2004 – B 12 KR 16/04 R – NZA 2005, 458). Diese Kündigungsbestätigung kann dann Grundlage für eine Mitgliedsbescheinigung sein, die die Mitgliedschaft bei der neuen Krankenkasse nachweist, so dass die zunächst schwebend unwirksame Kündigung wirksam wird. Soweit der Versicherte allerdings seinen Anspruch auf Bestätigung der Kündigung für einen früheren Zeitpunkt – wie hier – nicht (mehr) im Klagewege verfolgt, hat die gewählte Krankenkasse eine fehlende oder unzutreffende Kündigungsbestätigung hinzunehmen mit der Folge, dass wegen der fehlenden oder späteren Wirksamkeit der Kündigung die Mitgliedschaft bei ihr gemäß § 186 Abs 10 SGB V nicht oder ggf erst später beginnt. Diese Bindung der gewählten Krankenkasse an den Zeitpunkt der Wirksamkeit der Kündigung entspricht der Systematik der den Krankenkassenwechsel regelnden Vorschriften. Der Krankenkassenwechsel wird nämlich zukunftsbezogen erst wirksam, wenn alle gesetzlichen Voraussetzungen dafür vorliegen. Soweit ein Kündigungsrecht besteht, bestimmt allein der Versicherte, ob und wann er dieses ausübt und zu welcher neuen Krankenkasse er wechselt. Weder § 175 SGB V noch § 186 Abs 10 SGB V räumen der neu gewählten Krankenkasse – auch verfahrensrechtlich – über die Rechte des Versicherten hinausgehende Rechte im Hinblick auf den Zeitpunkt der Wirksamkeit der Kündigung der bisherigen Krankenkasse, die Auswahl der neuen Krankenkasse oder den Zeitpunkt des Beginns der neuen Mitgliedschaft ein, auch wenn dieser Zeitpunkt finanzielle Auswirkungen ua im Hinblick auf Beitragsforderungen und Leistungspflichten haben kann. Der Senat hat schon in seiner bisherigen Rechtsprechung keine Veranlassung gesehen, nach den Gründen für die Nichterteilung einer Kündigungsbestätigung zu differenzieren, insbesondere bei zu Unrecht verweigerter Kündigungsbestätigung die später gewählte Krankenkasse im Hinblick auf den Beginn der Mitgliedschaft so zu stellen, wie sie gestanden hätte, wenn der Versicherte bei rechtzeitiger Erteilung der Kündigungsbestätigung fristgerecht eine neue Krankenkasse gewählt hätte. Vielmehr hat der Senat eine wirksame Wahl der neuen Krankenkasse durch den Versicherten nur mit Wirkung für die Zukunft angenommen (vgl BSG SozR 4—2500 § 175 Nr 1 RdNr 18).
[20] e. Möglicherweise bestehende Schadensersatzansprüche der Klägerin gegen die Beklagte können einen früheren Zeitpunkt der Wirksamkeit der Kündigung der Mitgliedschaft bei der BKK bzw des Beginns der Mitgliedschaft bei der IKK ebenfalls nicht begründen. Entgegen den Erwägungen des LSG ist es deshalb unerheblich, ob und auf welchem Wege die Klägerin von der Beklagten eventuell einen (finanziellen) Ausgleich dafür verlangen kann, dass die BKK zunächst entgegen den gesetzlichen Regelungen keine und später eine fehlerhafte Kündigungsbestätigung ausstellte; dies ist nicht Streitgegenstand des vorliegenden Rechtsstreits. Insbesondere kann hier offenbleiben, inwieweit eine Korrektur im Rahmen des RSA verlangt werden kann. Soweit die BKK eine der IKK gegenüber obliegende Pflicht verletzt haben sollte, kämen allenfalls Sekundäransprüche in Betracht, um einen etwaigen Schaden auszugleichen, der der IKK entstanden sein könnte (vgl allerdings – Schadensersatzansprüche von Krankenkassen, die um Mitglieder konkurrieren, unter dem Gesichtspunkt pflichtwidrig vorgenommener Handlungen generell verneinend: BSGE 82, 78, 80 ff = SozR 3—2500 § 4 Nr 1 S 4 ff). Als von der IKK geltend gemachter möglicher Schaden könnten hier allenfalls – konkret zu beziffernde – finanzielle Verluste im Zusammenhang mit der Durchführung des RSA in Betracht zu ziehen sein, die ggf im Rahmen der Durchführung des RSA oder durch eine nachträgliche finanzielle Kompensation auszugleichen wären. Eine Naturalrestitution in dem Sinne, dass unter diesem Blickwinkel zu Gunsten der Klägerin eine Verschiebung des Zeitpunkts des Krankenkassenwechsels stattzufinden hätte, scheidet indessen – wie oben ausgeführt – jedenfalls aus. Auch eine von der Klägerin befürwortete "gespaltene" Sichtweise des Zeitpunkts des Krankenkassenwechsels im Verhältnis zur Beigeladenen einerseits sowie im Verhältnis zur Beklagten für kasseninterne Belange andererseits sehen die gesetzlichen Regelungen nicht vor.
[21] f. Der von der Klägerin begehrte frühere Beginn der Mitgliedschaft der Beigeladenen bei ihrer Rechtsvorgängerin folgt schließlich auch nicht aus dem Grundsatz von Treu und Glauben. Die Klägerin sieht einen Verstoß gegen diesen Grundsatz darin, dass die Beklagte an der erst zum 31. 12. 2004 beendeten Mitgliedschaft der Beigeladenen bei ihr festhalte, zum anderen jedoch der Beigeladenen die Differenz zu den bei einem früheren Beginn der Mitgliedschaft bei der IKK zu zahlenden geringeren Beiträgen erstattet habe. Hierin liegt jedoch kein gegen Treu und Glauben verstoßendes Verhalten, das zur Annahme eines früheren Beginns der Mitgliedschaft bei der IKK führen könnte. Auch im Sozialrecht ist anerkannt, dass ein Verhalten, das zu eigenem früheren Verhalten im Widerspruch steht ("venire contra factum proprium"), als Sonderfall des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) rechtsmissbräuchlich und mit dem Verlust von Rechten verbunden sein kann (vgl BSGE 65, 272, 277 = SozR 4100 § 78 Nr 8 S 36 mwN). Unabhängig davon, ob ein solches Verhalten der BKK überhaupt einen Anspruch der IKK begründen könnte (und nicht nur einen solchen der Beigeladenen), sind die Voraussetzungen, unter denen ein solcher Anspruch bestehen könnte, indessen nicht gegeben; denn hier hatte zunächst die BKK die Erteilung einer Kündigungsbestätigung deshalb verweigert, weil nach ihrer Auffassung die Voraussetzungen für ein Kündigungsrecht nicht vorlagen. Nach Kenntnis der zwischenzeitlich ergangenen, die Auffassung der Beigeladenen stützenden höchstrichterlichen Rechtsprechung war ihr Verhalten, während des anhängigen Klageverfahrens nunmehr eine zukunftsbezogene Kündigungsbestätigung zum 31. 12. 2004 zu erteilen und der Beigeladenen die Beitragsdifferenz zu erstatten, um deren finanzielle Nachteile auszugleichen, der prozessualen Situation jedenfalls nicht unangemessen. Die BKK erteilte der Beigeladenen eine Kündigungsbestätigung erst zum 31. 12. 2004 – und nicht mit Rückwirkung – und erstattete ihr letztlich nur zum Ausgleich der entstandenen finanziellen Mehrbelastung die sich aus den unterschiedlichen Beitragssätzen ergebende Beitragsdifferenz von 112,42 Euro. Dieses Verhalten war durchaus dazu geeignet, unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung das anhängige Klageverfahren zwischen der Beigeladenen und der BKK interessengerecht zu beenden, auch um eine ggf erforderlich werdende Rückabwicklung der Mitgliedschaft mit damit verbundenen Rückforderungs- und Erstattungsansprüchen zu vermeiden. Ein widersprüchliches Verhalten der BKK – und Beklagten – kann darin nicht gesehen werden.
[23] 5. Der Streitwert für das Revisionsverfahren war gemäß § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 2, § 47 Abs 1 GKG in Höhe des vom LSG für das Berufungsverfahren festgesetzte Auffangstreitwertes festzusetzen, weil der Sach- und Streitstand keine hinreichenden Anhaltspunkte für die wirtschaftliche Bedeutung der Sache bietet.