Bundesgerichtshof

BGH, Beschluss vom 28. 5. 2013 – 3 StR 80/13 (lexetius.com/2013,2166)

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts am 28. Mai 2013 gemäß § 349 Abs. 4, § 357 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Duisburg vom 4. Juni 2012, auch soweit es den Mitangeklagten A. betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
[1] Gründe: Das Landgericht hat den Angeklagten sowie den nichtrevidierenden Mitangeklagten A. jeweils wegen Computerbetruges in 14 Fällen verurteilt.
[2] Gegen den Angeklagten hat es eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verhängt. Hiergegen wendet sich die Revision des Beschwerdeführers, mit der er ein Verfahrenshindernis geltend macht, mehrere Verfahrensbeanstandungen erhebt und die Verletzung materiellen Rechts rügt.
[3] I. 1. Das Verfahrenshindernis der sachlichen Unzuständigkeit (§ 338 Nr. 4 i. V. m. § 6 StPO) besteht aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts nicht. Die Verfahrensrügen sind – wie der Generalbundesanwalt ebenfalls zutreffend ausgeführt hat – nicht in der Form des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO erhoben und deshalb unzulässig.
[4] 2. Das Rechtsmittel hat indes mit der Sachrüge Erfolg. Der Schuldspruch wegen Computerbetruges in 14 Fällen hält sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand.
[5] a) Nach den Feststellungen des Landgerichts entwickelten der Mitangeklagte A. und der gesondert Verfolgte Av. im Frühjahr 2008 den Plan, mit Hilfe gefälschter Unterlagen auf die Namen fiktiver Personen Mobilfunkverträge abzuschließen, um so die bei Vertragsschluss zur Verfügung gestellten Mobilfunkgeräte zu erlangen. Für diese war ein allenfalls geringes Entgelt sofort zu zahlen; die wesentliche Gegenleistung bestand in der Erfüllung des Mobilfunkvertrages über eine feste Vertragslaufzeit, die A. und Av., wie von Anfang an geplant, jedoch in keinem Fall erbrachten.
[6] Die Verträge wurden in verschiedenen Filialen der DUG-Telekom – sogenannten DUG-Shops – geschlossen, deren verantwortliche "Shop-Manager" der Angeklagte war einer von ihnen – in den Tatplan eingeweiht waren. Der Mitangeklagte A. erstellte mit Hilfe eines Computerprogramms Dateien, deren Ausdrucke aussahen wie Kopien der Urkunden, die nach den Vorgaben der DUG Telekom bei Vertragsschluss vorzulegen waren; dabei verwendete er erfundene Daten nicht existierender niederländischer Staatsangehöriger. Die Ausdrucke wurden von dem gesondert Verfolgten Av. oder einem anderen Mittäter in die jeweiligen DUG-Shops gebracht. Dort gaben der "Shop-Manager" oder ein anderer in den Tatplan eingeweihter Mitarbeiter die aus den Unterlagen ersichtlichen Daten in das elektronische Antragsformular ein. Dies verstieß gegen die internen Vorgaben der DUG-Telekom, die vorsahen, dass die Kunden selbst in den DUG-Shops vorstellig werden mussten und die angeforderten Urkunden im Original vorzulegen hatten. Das Antragsformular wurde auf elektronischem Wege an ein Rechenzentrum verschickt, in dem es automatisch ausschließlich auf Auffälligkeiten im Sinne unvollständiger oder offensichtlich widersprüchlicher Angaben überprüft wurde. Aus dem Rechenzentrum heraus wurde – ebenfalls automatisiert – eine Anfrage an die Schufa Holding AG gerichtet, ob zu der Person, deren Daten übermittelt wurden, negative Einträge vorlägen. War dies der Fall, wurde der Abschluss eines Mobilfunkvertrages automatisch abgelehnt. Andernfalls wurde an den DUG-Shop, der den Antrag eingereicht hatte, über das genutzte Computersystem die automatische Mitteilung gemacht, dass der Vertrag zustande komme; nach den Vorgaben der DUG- Telekom durfte erst zu diesem Zeitpunkt der Vertrag vollzogen und dem Kunden das Mobilfunkgerät ausgehändigt werden. Da die von dem Mitangeklagten A. erstellten Datensätze sämtlich fiktive Personen betrafen, zu denen negative Einträge bei der Schufa Holding AG folglich nicht vorliegen konnten, wurde ein Vertragsschluss in keinem der verfahrensgegenständlichen Fällen abgelehnt.
[7] Der Angeklagte war seit einem nicht genau bestimmbaren Zeitpunkt – jedenfalls aber deutlich vor August 2008 – in den Tatplan eingeweiht und wirkte seitdem bewusst und gewollt zusammen mit dem Mitangeklagten A. und dem gesondert Verfolgten Av. an dem Abschluss einer Vielzahl solcher Verträge in maßgeblicher Weise mit. In den 14 ausgeurteilten Fällen zwischen dem 4. August 2008 und dem 31. Januar 2009 gab er in dem DUG-Shop, dessen verantwortlicher "Shop-Manager" er war, entweder selbst die fiktiven Daten in das im EDV-System hinterlegte Antragsformular ein und später die Mobiltelefone an seine Mittäter heraus, oder er veranlasste seine Mitarbeiter, dies zu erledigen; in jedem Fall stellte er zumindest seine Barcodekarte zur Verfügung, die für die Aktivierung des vor der Herausgabe der Geräte zu durchlaufenden Ausbuchungsvorganges erforderlich war.
[8] b) Diese Feststellungen tragen die Verurteilung wegen Computerbetruges in 14 Fällen nicht.
[9] Der Tatbestand des Computerbetruges gemäß § 263a StGB wurde zur Schließung von Strafbarkeitslücken in das Strafgesetzbuch eingeführt, weil es bei der Manipulation von Datenverarbeitungsvorgängen regelmäßig an der Täuschung und infolgedessen der Erregung eines Irrtums einer natürlichen Person fehlt, was zur Unanwendbarkeit des Betrugstatbestandes nach § 263 StGB führt (Fischer, StGB, 60. Aufl., § 263a Rn. 2 mwN). Bei der Umsetzung dieses Ziels orientierte sich der Gesetzgeber konzeptionell an dem Tatbestand des Betruges, wobei an die Stelle der Täuschung die Tathandlungen des § 263a Abs. 1 StGB treten und mit der Irrtumserregung und dem ungeschriebenen Tatbestandsmerkmal der Vermögensverfügung die Beeinflussung des Ergebnisses eines – vermögenserheblichen – Datenverarbeitungsvorgangs korrespondiert (BT-Drucks. 10/318 S. 19). Aufgrund dieser Struktur- und Wertgleichheit mit dem Betrugstatbestand (vgl. dazu BGH, Beschlüsse vom 21. November 2001 – 2 StR 260/01, BGHSt 47, 160, 162 und vom 20. Dezember 2012 – 4 StR 580/11, NJW 2013, 1017, 1018) entspricht es in Rechtsprechung und Schrifttum einhelliger Auffassung, dass der in tatbestandsmäßiger Weise beeinflusste, vermögensrelevante Datenverarbeitungsvorgang unmittelbar vermögensmindernd wirken muss (BGH, Beschluss vom 22. Januar 2013 – 1 StR 416/12, ZIP 2013, 715, 716; OLG Celle, Beschluss vom 6. Mai 1996 – 3 Ss 21/96, NJW 1997, 1518, 1519; Lenckner/Winkelbauer, CR 1986, 654, 659; MünchKommStGB/Wohlers, 1. Aufl., § 263a Rn. 61; LK/Tiedemann, StGB, 12. Aufl., § 263a Rn. 65 mwN). Daran fehlt es hier:
[10] Die Minderung des Vermögens der DUG-Telekom trat vorliegend nicht dadurch ein, dass die erfundenen Daten nicht existierender niederländischer Staatsangehöriger in die elektronischen Antragsformulare eingegeben wurden und über das so manipulierte Ergebnis der automatisierten Anfrage bei der Schufa die elektronische Mitteilung an die DUG-Shops bewirkt wurde, dass der Vertrag zustande komme. Vielmehr kam es zu der Vermögensminderung erst dadurch, dass der Angeklagte oder die von ihm instruierten Mitarbeiter im Anschluss an diese Mitteilung die Mobiltelefone herausgaben. Zwar kann in Fällen, in denen – wie hier – noch weitere Verfügungen vorgenommen werden, das Merkmal der Unmittelbarkeit der Vermögensminderung gleichwohl zu bejahen sein, wenn das Ergebnis des von dem Täter manipulierten Datenverarbeitungsvorgangs ohne eigene Entscheidungsbefugnis und ohne inhaltliche Kontrolle von einer Person lediglich umgesetzt wird (LK/Tiedemann aaO Rn. 67; Münch- KommStGB/Wohlers aaO Rn. 62). Eine solche Konstellation ist hier indes schon deshalb nicht gegeben, weil der Angeklagte in jedem der zur Verurteilung gelangten Fälle wusste, dass die vermeintlichen Vertragspartner der DUG- Telekom bzw. der von dieser vertretenen Mobilfunkanbieter tatsächlich nicht existierten und dass die Verträge nicht erfüllt werden sollten. Er war bereits vor Ingangsetzen des Datenverarbeitungsvorgangs entschlossen, die Mobiltelefone an seine Mittäter herauszugeben, ohne dass diese eine nennenswerte Gegenleistung erbrachten. Somit lag in jeder Herausgabe jeweils eine eigenverantwortliche Vermögensverfügung des Angeklagten oder seiner Mitarbeiter, mit der allerdings nicht das Ergebnis des vorangegangenen Datenverarbeitungsvorgangs umgesetzt wurde. Vielmehr stand schon vorher fest, dass die Verfügung, die – mit Blick auf die Mitarbeiter – jedenfalls eine Missachtung der internen Vorgaben der DUG-Telekom für das Vorgehen bei Vertragsschlüssen und hinsichtlich des Angeklagten eine bewusste Überschreitung dessen darstellte, was ihm von der DUG-Telekom als "Shop-Manager" gestattet war, durchgeführt werden sollte. Die Beeinflussung des Datenverarbeitungsvorgangs führte also nicht zu einer unmittelbaren Vermögensminderung, sie diente vielmehr in erster Linie der Verschleierung des tatsächlich vermögensmindernd wirkenden, unerlaubten Verhaltens.
[11] II. Die Aufhebung des Urteils wirkt gemäß § 357 StPO auch zugunsten des nichtrevidierenden Mitangeklagten A., weil dieser wegen der nämlichen Taten ebenfalls wegen Computerbetruges verurteilt worden ist.
[12] III. Für die neue Verhandlung weist der Senat auf Folgendes hin: Da die Gesetzesverletzung, auf die die Staatsanwaltschaft die Strafverfolgung mit Anklageerhebung beschränkt hat, nicht gegeben ist, sind die ausgeschiedenen Teile wieder einzubeziehen (Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 154a Rn. 24 mwN).
[13] Der Angeklagte kann sich in den zur Verurteilung gelangten Fällen wegen Untreue nach § 266 Abs. 1 StGB strafbar gemacht haben. Eine Schuldspruchänderung kam insoweit nicht in Betracht, weil – mit Blick auf den rechtlichen Ausgangspunkt des Landgerichts konsequent – bislang Feststellungen zu einer – allerdings nicht fern liegenden – Vermögensbetreuungspflicht des Angeklagten fehlen.
[14] Da für den Mitangeklagten A. das Vorliegen einer Vermögensbetreuungspflicht gegenüber der DUG-Telekom nach den bisherigen Feststellungen nicht in Betracht kommen dürfte, kommt für ihn insoweit allenfalls eine Verurteilung wegen Teilnahme an etwaigen Untreuehandlungen des Angeklagten in Betracht (vgl. Fischer aaO § 25 Rn. 16).
[15] Um das Tatunrecht vollständig zu erfassen, könnte bei beiden Angeklagten zudem eine Strafbarkeit wegen Urkundenfälschung – gegebenenfalls gewerbs- und/oder bandenmäßig begangen – zu prüfen sein.