Bundesgerichtshof
UrhG § 2 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 7, Abs. 2, § 7, § 72 Abs. 1; UWG § 1
1. Zur Frage der Urheberrechtsschutzfähigkeit einer – neben dem Text auch Zeichnungen und Fotografien enthaltenden – Bedienungsanweisung für ein technisches Gerät (Motorsäge).
2. Die Behinderung eines Mitbewerbers, die sich aus der rechtmäßigen Ausübung des Urheberrechts (hier: Verbot der Vervielfältigung und Verbreitung einer urheberrechtlich geschützten Bedienungsanweisung für ein Gerät des Rechtsinhabers) ergibt, ist grundsätzlich wettbewerbskonform und dementsprechend von dem betroffenen Mitbewerber hinzunehmen.

BGH, Urteil vom 10. 10. 1991 – I ZR 147/89 – Bedienungsanweisung; OLG Oldenburg (lexetius.com/1991,387)

[1] Tatbestand: Die Klägerin zu 1 stellt Motorsägen her, die (u. a.) von der Klägerin zu 2 im Einzelhandel vertrieben werden. Die Klägerinnen nehmen die Beklagte, die ebenfalls Motorsägen vertreibt, wegen Urheberrechtsverletzung und Wettbewerbsverstoßes auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Feststellung der Schadensersatzpflicht in Anspruch, weil die Beklagte die deutschsprachige Bedienungsanweisung der Klägerin zu 1 für Motorsägen auszugsweise abgelichtet und diese Ablichtungen – im Zusammenhang mit dem Verkauf reimportierter Motorsägen der Klägerin zu 1 – verbreitet hat. Die Klägerin zu 1 verlangt außerdem wegen eines anderen Vorgangs Zahlung einer Vertragsstrafe.
[2] Die Beklagte verkaufte am 27. November 1987 eine aus den USA reimportierte Motorsäge der Klägerin zu 1. Dieser Motorsäge war neben einem englischsprachigen Informationsblatt und einem fotokopierten Blatt mit einem Auszug der DIN 38822 – Handschienenkettensägemaschinen für Einmannbedienung – eine Fotokopie der Seiten 13 bis 23 der deutschsprachigen Bedienungsanweisung der Klägerin zu 1 beigefügt. Auf diesen Seiten der Bedienungsanweisung werden durch Texte, Zeichnungen und Fotografien Anweisungen für die Wartung und für Reparaturen, den verwendeten Kraftstoff, das Kettenschmieröl, die Montage von Führungsschiene und Sägekette, das Spannen der Sägekette, die Funktion der Kettenbremse, die Einhebelbetätigung und das Starten der Motorsäge sowie allgemeine Betriebshinweise gegeben. Die der aus den USA reimportierten Motorsäge ursprünglich beigefügte Bedienungsanweisung in englischer Sprache und eine dazugehörige Garantiekarte waren entfernt worden.
[3] Die Klägerinnen haben die Ansicht vertreten, die Beklagte habe das der Klägerin zu 1 an der deutschsprachigen Bedienungsanweisung zustehende Vervielfältigungs- und Verbreitungsrecht verletzt. Die Bedienungsanweisung sei mit dem von der Beklagten abgelichteten Textteil und den Zeichnungen urheberrechtlich geschützt; an den übernommenen Lichtbildern bestehe Leistungsschutz nach § 72 UrhG. Die Beklagte habe ferner gegen § 1 UWG verstoßen, weil die direkte Übernahme fremder Werbemittel unter dem Gesichtspunkt der sklavischen Nachahmung wettbewerbswidrig sei. Durch die Verwendung der erkennbar nur für den Vertrieb innerhalb der Vertriebsorganisation der Klägerin zu 1 geschaffenen Bedienungsanweisung beim Verkauf der reimportierten Ware verschaffe sich die Beklagte einen Preisvorsprung auf Kosten ihrer Mitbewerber.
[4] Außerdem habe die Beklagte wegen Verstoßes gegen eine von ihr am 31. März 1988 gegenüber der Klägerin zu 1 abgegebenen strafbewehrten Unterlassungserklärung eine Vertragsstrafe von 3. 000, – DM verwirkt.
[5] Die Klägerinnen haben beantragt, 1. die Beklagte zu verurteilen, es unter Androhung von Ordnungsmitteln zu unterlassen, deutschsprachige Bedienungsanweisungen der Klägerin zu 1 für S.-Motorsägen zu vervielfältigen, vervielfältigen zu lassen und/oder Vervielfältigungsstücke, die nicht von der Klägerin zu 1 oder mit deren Zustimmung in den Verkehr gebracht worden sind, in den Verkehr zu bringen, insbesondere die Seiten 13 bis 23 der deutschsprachigen Bedienungsanweisung für die S.-Motorsägen 024; 2. die Beklagte ferner zu verurteilen, a) an die Klägerin zu 1 4. 105, – DM nebst 4 % Zinsen auf 1. 105, – DM seit dem 17. Februar 1988 und auf 3. 000, – DM seit dem 18. Mai 1988 zu zahlen; b) der Klägerin zu 1 vollständige Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie Handlungen gemäß dem Klageantrag zu 1 begangen hat, und zwar unter Angabe von Zahl und Typ des jeweils in den Verkehr gebrachten S.-Gerätes; 3. festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, den Klägerinnen allen Schaden zu ersetzen, der ihnen aus Handlungen gemäß dem Antrag zu 1 entstanden ist oder künftig entsteht.
[6] Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Sie hat die Auffassung vertreten, die Bedienungsanweisung der Klägerin zu 1 sei nicht urheberrechtsschutzfähig; sie hebe sich nicht grundlegend von den Bedienungsanweisungen anderer Hersteller ab. Die auszugsweise Ablichtung sei nicht unlauter im Sinne des § 1 UWG. Die Klägerin zu 1 handele im übrigen rechtsmißbräuchlich, wenn sie die Aushändigung ihrer deutschsprachigen Bedienungsanweisung beim Verkauf ihrer eigenen Originalprodukte in der Bundesrepublik Deutschland unter Berufung auf die Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes verhindern wolle.
[7] Hinsichtlich der von der Klägerin zu 1 geltend gemachten Vertragsstrafe hat die Beklagte vorgebracht, aus der Unterlassungserklärung vom 31. März 1988 könnten keine Ansprüche hergeleitet werden, weil diese Erklärung von ihr nur einseitig abgegeben und von der Klägerin zu 1 nicht angenommen worden sei.
[8] Das Landgericht hat der Klage lediglich hinsichtlich der geltend gemachten Abmahnkosten von 1. 105, – DM stattgegeben und sie im übrigen abgewiesen (LG Oldenburg GRUR 1989, 49 ff.). Die Berufung der Klägerinnen ist ohne Erfolg geblieben.
[9] Mit ihrer Revision verfolgen die Klägerinnen die abgewiesenen Klageanträge weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
[10] Entscheidungsgründe: I. Das Berufungsgericht hat Ansprüche nach § 97 Abs. 1 UrhG in Verbindung mit §§ 16, 17 UrhG verneint, weil die deutschsprachige Bedienungsanweisung der Klägerin zu 1 keinen Urheberrechtsschutz genieße. Dazu hat es ausgeführt: Für einen Schriftwerkschutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG fehle es an der nötigen Gestaltungshöhe. Der Text der Bedienungsanweisung der Klägerin zu 1 hebe sich weder insgesamt betrachtet noch in einzelnen Punkten erheblich von anderen Gebrauchsanweisungen für Motorsägen ab. Der Aufbau der Anleitung ergebe sich weitgehend aus der Natur der Sache. Auch die Kombination von Text, Zeichnung und Fotos entspreche dem Alltäglichen und finde sich in den zum Vergleich vorgelegten Bedienungsanweisungen anderer Hersteller wieder. Sprachlich prägnante Eigenheiten seien nicht zu erkennen. Die in der Bedienungsanweisung enthaltenen Zeichnungen seien auch nicht selbständig als Darstellungen technischer Art im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 7 UrhG geschützt. Es handele sich um alltägliches graphisches Schaffen, das in anderen Bedienungsanweisungen in ähnlicher Art vorhanden sei. Allerdings bestehe an den Fotos der Klägerin zu 1 ein Leistungsschutzrecht nach § 72 UrhG. Die Berufung darauf sei jedoch rechtsmißbräuchlich. Die übernommenen Lichtbilder stellten nur einen untergeordneten Teil der Gebrauchsanweisung dar. Die Klägerin zu 1 handele schikanös, wenn sie ihr Leistungsschutzrecht erklärtermaßen zweckfremd dazu benutzen wolle, legale Reimporte ihrer eigenen Produkte zu erschweren. Der Einwand des Rechtsmißbrauchs greife im übrigen auch durch, wenn man die Gebrauchsanweisung der Klägerin zu 1 als ein urheberrechtlich schutzfähiges Werk im Sinne des § 2 UrhG ansehen wolle.
[11] Das Berufungsgericht hat weiter die Ansicht vertreten, daß auch Ansprüche nach § 1 UWG unter dem Gesichtspunkt der Ausnutzung eines fremden Arbeitsergebnisses nicht gegeben seien. Besondere Umstände, die die Übernahme der Bedienungsanweisung unlauter machen könnten, seien nicht ersichtlich. Durch die Vervielfältigung werde nicht eine fremde Leistung für ein eigenes Produkt ausgebeutet, sondern der Verkauf des Produkts der Klägerin zu 1 gefördert. Der Klägerin zu 1 gehe es um den Absatz von Motorsägen und nicht um den von Gebrauchsanleitungen. Der Reimport der von der Klägerin zu 1 hergestellten Sägen selbst sei nicht zu beanstanden.
[12] Schließlich sei auch der Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe unbegründet. Die Beklagte habe am 31. März 1988 lediglich ein einseitiges Vertragsstrafeangebot abgegeben, das von der Klägerin zu 1 nicht angenommen worden sei.
[13] II. Die Revision der Klägerin zu 1 hat – den Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe ausgenommen – Erfolg. Dagegen hält die Abweisung der Klage der Klägerin zu 2 der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.
[14] 1. Die auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Schadensersatz gerichtete Klage der Klägerin zu 1 ist gemäß § 97 Abs. 1 UrhG i. V. mit §§ 16, 17 UrhG begründet.
[15] a) Urheberrechtliche Ansprüche stehen allerdings nur der Klägerin zu 1 zu. Diese ist nach ihrem – von der Beklagten in der Berufungsinstanz jedenfalls nicht hinreichend bestrittenen – Vorbringen Inhaberin der ausschließlichen Nutzungsrechte an der streitgegenständlichen Bedienungsanweisung.
[16] Die Klägerin zu 2, die die von der Klägerin zu 1 hergestellten Motorsägen nebst Bedienungsanweisung lediglich als Händlerin vertreibt, hat ihre Klagebefugnis zur Geltendmachung urheberrechtlicher Ansprüche dagegen nicht dargetan. Für eine Klage in Prozeßstandschaft für die Klägerin zu 1 ist hier neben der eigenen Rechtsverfolgung durch die Klägerin zu 1 kein Raum (vgl. BGH, Urt. v. 19. 1. 1989 – I ZR 223/86, GRUR 1989, 350, 352 f. – Abbo/Abo).
[17] b) An der Bedienungsanweisung der Klägerin zu 1 besteht Urheberrechts- und Leistungsschutz. Die Anweisung enthält Textteile, Zeichnungen und Fotografien, die jeweils einem gesonderten Schutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 1 Nr. 7 und § 72 UrhG zugänglich sind (vgl. BGH, Urt. v. 21. 11. 1980 – I ZR 106/78, GRUR 1981, 352, 353 – Staatsexamensarbeit; BGH, Urt. v. 27. 9. 1990 – I ZR 244/88, GRUR 1991, 523, 525 – Grabungsmaterialien).
[18] aa) Zum einen kann die Klägerin zu 1 an den in ihrer Bedienungsanweisung enthaltenen Fotografien Lichtbildschutz nach § 72 Abs. 1 UrhG in Anspruch nehmen. Für einen solchen Schutz ist kein eigenschöpferisches Schaffen im Sinne des § 2 Abs. 2 UrhG erforderlich; es genügt vielmehr ein Mindestmaß an persönlicher geistiger Leistung, das in der Regel bei allen einfachen Fotografien gegeben ist (vgl. BGH, Urt. v. 8. 11. 1989 – I ZR 14/88, GRUR 1990, 669, 673 – Bibelreproduktion). Das Berufungsgericht ist daher vorliegend zu Recht – und von der Beklagten in ihrer Revisionserwiderung auch unbeanstandet – von einem grundsätzlich bestehenden Lichtbildschutz ausgegangen.
[19] bb) Sodann besteht aber entgegen der Annahme des Berufungsgerichts auch an den Zeichnungen Urheberrechtsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 7 UrhG.
[20] Das Berufungsgericht ist im Ansatz zutreffend davon ausgegangen, daß bei Darstellungen wissenschaftlicher und technischer Art im Sinne dieser Vorschrift die persönliche geistige Schöpfung (§ 2 Abs. 2 UrhG) in der Formgestaltung selbst liegen muß. Es hat auch zu Recht angenommen, daß im Rahmen dieser Bestimmung kein zu hohes Maß an eigenschöpferischer Formgestaltung verlangt werden darf; denn derartige Darstellungen sind unter den Schutz des Urheberrechtsgesetzes gestellt, obwohl sie regelmäßig einem praktischen Zweck dienen, der den Spielraum für eine individuelle Gestaltung einengt. Es reicht daher aus, daß eine individuelle – sich vom alltäglichen Schaffen im Bereich technischer Zeichnungen abhebende – Geistestätigkeit in dem dargestellten Gedanken zum Ausdruck kommt, mag auch das Maß an Eigentümlichkeit, an individueller Prägung gering sein. Allerdings folgt aus einem geringen Maß an Eigentümlichkeit auch ein entsprechend enger Schutzumfang bei dem betreffenden Werk (BGH, Urt. v. 28. 2. 1991 – I ZR 88/89, GRUR 1991, 529, 530 – Explosionszeichnungen m. w. N.; st. Rspr.).
[21] Bei Beachtung dieses rechtlichen Ausgangspunktes ist die Annahme des Berufungsgerichts nicht gerechtfertigt, den in der Bedienungsanweisung der Klägerin zu 1 enthaltenen zeichnerischen Darstellungen sei jede individuelle Prägung abzusprechen. Das Berufungsgericht hat sich insoweit auf die Feststellung beschränkt, die Zeichnungen der Klägerin zu 1 unterschieden sich nicht wesentlich von denen anderer Hersteller in vergleichbaren Bedienungsanweisungen; sie seien zum Teil sehr ähnlich. Als Beispiel führt das Berufungsgericht lediglich die auf Seite 10 der Bedienungsanweisung der Klägerin zu 1 abgebildeten Zeichnungen an. Dies reicht schon deshalb nicht, weil die Beklagte diese Seite gar nicht übernommen hat. Es wäre vielmehr notwendig gewesen, die auf den von der Beklagten abgelichteten Seiten 13 bis 23 enthaltenen Zeichnungen einer näheren Prüfung zu unterziehen und dabei insbesondere das durch das Privatgutachten H. belegte und unter Sachverständigenbeweis gestellte Vorbringen der Klägerin zu 1 zu berücksichtigen. Indessen bedarf der Rechtsstreit insoweit keiner Zurückverweisung zur weiteren tatrichterlichen Aufklärung, da der Senat die Frage der Urheberrechtsschutzfähigkeit anhand des Parteivorbringens und des vorgelegten Materials aus eigener Sachkunde beurteilen kann.
[22] Bei der streitgegenständlichen Bedienungsanweisung für eine Motorkettensäge handelt es sich um eine ausführliche Beschreibung eines technischen Geräts für jedermann, dessen Handhabung mit besonderen Gefahren verbunden ist und deshalb vor allem auch für den Laien anschaulich erläutert und erklärt sein muß. Bei den den Text begleitenden Zeichnungen wird das Darstellungsvermögen des Grafikers insofern besonders gefordert, als es bei ihnen – anders als bei der schlichten zeichnerischen Abbildung des Geräts – darum geht, das technische Gerät jeweils in Ausschnitten so darzustellen, daß sich dem Betrachter die Handhabung und Funktion möglichst einfach, verständlich und anschaulich erschließt. Dazu stehen dem Grafiker – wie sich den zu den Akten gereichten Bedienungsanweisungen entnehmen läßt – bestimmte Darstellungstechniken zur Verfügung, die Spielraum für ein individuelles Gestalten lassen. Es ist nicht ersichtlich und von den Parteien auch nicht vorgetragen, daß die Darstellungsform vorliegend durch DIN-Normen – wie zum Beispiel bei gewöhnlichen technischen Zeichnungen (vgl. BGH aaO – Explosionszeichnungen) – weitgehend vorgegeben ist; die von der Beklagten vorgelegte DIN-Norm 38822 enthält keine Beschränkungen. Es ist deshalb davon auszugehen, daß der Grafiker bei Zeichnungen der in Rede stehenden Art nicht durch allgemein gültige Regeln gebunden, sondern in der Wahl der zur Verfügung stehenden Darstellungstechniken frei ist. Dies gilt u. a. für die Art der Linienführung, der Schattenbildung, der Schraffuren, der Darstellung von Schraubgewinden, für die Winkelstellung und die Auswahl der Perspektive (vgl. BGH aaO – Explosionszeichnungen). Bei den streitgegenständlichen Zeichnungen sind zudem bestimmte Geräteteile zur besseren Hervorhebung mit einem Grauton unterlegt, farbige Pfeile oder Markierungen unterstützen die Bildaussage oder veranschaulichen den Richtungsablauf eines bestimmten Bedienungshandgriffs (vgl. auch Privatgutachten H. Seite 12). Der Umstand, daß es sich dabei um bekannte Gestaltungsmittel handelt, die zum Repertoire eines Grafikers gehören, steht der Annahme einer eigenschöpferischen Leistung nicht entgegen. Denn auch mit herkömmlichen Gestaltungsmitteln, insbesondere durch eine individuelle Auswahl und Kombination bekannter Methoden, kann insgesamt eine hinreichend eigentümliche Formgestaltung erzielt werden (BGH aaO – Explosionszeichnungen m. w. N.; st. Rspr.). Im Streitfall läßt der Vergleich mit den zu den Akten gereichten Bedienungsanweisungen erkennen, daß die Klägerin zu 1 den ihr verbliebenen Spielraum für ein individuelles Gestalten, mag dieser auch durch die technische Gestaltung des Geräts und die Zweckbestimmung der Zeichnungen eingeengt sein, genutzt hat. Die Klägerin zu 1 ist insbesondere in der Art der – unterschiedlich ausgeprägten – Linienführung, der Wahl der jeweiligen Ausschnitte und der Perspektiven, der Hervorhebung durch Schraffuren und Grautöne sowie der Richtungsmarkierungen nicht nur schematisch, schablonenhaft vorgegangen, sondern hat die dem Grafiker zur Verfügung stehenden Gestaltungsmittel individuell eingesetzt und miteinander kombiniert. Ihre Zeichnungen beruhen nicht auf einem mehr oder weniger handwerklichen Vorgehen, sondern sind das individuelle Ergebnis der von technisch-gestalterischem Vorstellungsvermögen getragenen und mit den Mitteln der Grafik vorgenommenen Umsetzung bestimmter Einzelheiten eines Gegenstands einer technischen Konstruktion in eine technische Darstellung, die dem Leser der Bedienungsanweisung die Textinformationen zur Handhabung und Wirkungsweise des Gegenstandes durch passende Bildinformationen verständlich und anschaulich erschließt. Sie erreichen daher jedenfalls ein – für die Annahme der Urheberrechtsschutzfähigkeit einer technischen Darstellung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 7 UrhG ausreichendes – geringes Maß an eigenschöpferischer Prägung.
[23] cc) Die vom Berufungsgericht verneinte Frage, ob die Klägerin zu 1 für die Textteile ihrer Bedienungsanweisung auch Schriftwerkschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG in Anspruch nehmen kann, läßt sich aufgrund der getroffenen Feststellungen nicht abschließend beantworten.
[24] Das Berufungsgericht ist in rechtlicher Hinsicht zutreffend davon ausgegangen, daß bei Schriftwerken wissenschaftlicher oder technischer Art die nach § 2 Abs. 2 UrhG für einen Urheberrechtsschutz erforderliche persönliche geistige Schöpfung in erster Linie in der Form und Art der Sammlung, Einteilung und Anordnung des dargebotenen Stoffs seinen Niederschlag und Ausdruck finden kann (vgl. u. a. BGH, Urt. v. 29. 3. 1984 – I ZR 32/82, GRUR 1984, 659, 660 – Ausschreibungsunterlagen; BGHZ 94, 276, 285 – Inkassoprogramm; BGH, Urt. v. 17. 4. 1986 – I ZR 213/83, GRUR 1986, 739, 740 – Anwaltsschriftsatz; BGH, Urt. v. 12. 3. 1987 – I ZR 71/85, GRUR 1987, 704, 705 – Warenzeichenlexika; BGH, Urt. v. 12. 7. 1990 – I ZR 16/89, GRUR 1991, 130, 132 – Themenkatalog).
[25] Die Frage, ob ein Schriftwerk einen hinreichenden schöpferischen Eigentümlichkeitsgrad besitzt, bemißt sich dabei nach dem geistig-schöpferischen Gesamteindruck der konkreten Gestaltung, und zwar im Gesamtvergleich gegenüber vorbestehenden Gestaltungen. Lassen sich nach Maßgabe des Gesamtvergleichs mit dem Vorbekannten schöpferische Eigenheiten feststellen, so sind diese der durchschnittlichen Gestaltertätigkeit gegenüberzustellen. Die Urheberrechtsschutzfähigkeit erfordert bei Gebrauchszwecken dienendem Schriftgut grundsätzlich ein deutliches Überragen des Alltäglichen, des Handwerksmäßigen, der mechanisch-technischen Aneinanderreihung des Materials (vgl. BGHZ 94, 276, 287 – Inkassoprogramm; BGH aaO – Anwaltsschriftsatz; BGH, Urt. v. 4. 10. 1990 – I ZR 139/89, GRUR 1991, 449, 451, 452 – Betriebssystem). Bei Schriftwerken der in Frage stehenden Art gelten nicht die bei Darstellungen wissenschaftlicher und technischer Art im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 7 UrhG bestehenden geringeren Anforderungen an die Schutzfähigkeit (BGH aaO – Betriebssystem).
[26] Die Feststellung des Berufungsgerichts, daß der Aufbau der Betriebsanleitung, die Ausdrucksweise und die sonstige Darstellungsart durch ihre Zweckbestimmung weitgehend vorgegeben und üblich sei, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Zu Recht hat es auch der drucktechnischen Hervorhebung von Überschriften, Untergliederungen und einzelner Wörter sowie der Einsprachigkeit der Bedienungsanweisung die individuelle Eigenart abgesprochen. Das Berufungsgericht hat jedoch nicht hinreichend berücksichtigt, daß der Text – mag er auch inhaltlich anspruchslos und in der Darstellung durch die technischen Gegebenheiten weitgehend vorgegeben sein – durch die Auswahl und Anordnung der ihn ergänzenden Zeichnungen und Bilder mit der wechselseitigen Aufgabenzuweisung der Text- und Bildinformationen etwas Eigenschöpferisches enthalten kann. Die zu Vergleichszwecken vorgelegten Bedienungsanweisungen anderer Hersteller zeigen, daß Text, Fotos und Zeichnungen nicht einem starren Ordnungsprinzip unterworfen sind, sondern daß Spielraum für eine von didaktischen Zwecken bestimmte anschauliche und übersichtliche Gestaltung verbleibt. Dies wird von der Klägerin zu 1 insbesondere unter Berufung auf das von ihr vorgelegte Privatgutachten H. und ergänzenden Beweisantritt (Sachverständigengutachten) ausführlich vorgetragen. In dem vom Berufungsgericht unberücksichtigt gelassenen Privatgutachten wird näher dargelegt, daß und wodurch sich die Bedienungsanweisung der Klägerin zu 1 deutlich von der Mehrzahl alltäglicher Bedienungsanweisungen abhebe und daß bei ihr die Synchronisation zwischen Text- und Bildinformation vorbildlich sei.
[27] Letztlich kann im Streitfall jedoch offenbleiben, ob die Bedienungsanweisung auch mit ihrem Textteil Urheberrechtsschutz genießt. Denn die Klageanträge auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Feststellung der Schadensersatzverpflichtung haben die konkrete Verletzungsform zum Gegenstand, ohne danach zu unterscheiden, ob die Rechtsverletzung hinsichtlich der Fotografien, der Zeichnungen oder des Textes besteht. Daher rechtfertigt auch allein die Verletzung der an den zeichnerischen Darstellungen und an den Lichtbildern bestehenden Rechte den begehrten Verbotsausspruch.
[28] c) Kann die Klägerin zu 1 nach alledem zumindest an den Zeichnungen Urheberrechtsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 7 UrhG und an den Lichtbildern Leistungsschutz nach § 72 UrhG in Anspruch nehmen, so hat die Beklagte die durch die Ablichtung und den Vertrieb der – 12 Zeichnungen und 16 Fotos enthaltenden – Seiten 13 bis 23 der Bedienungsanweisung der Klägerin zu 1 das dieser zustehende Vervielfältigungs- und Verbreitungsrecht (§§ 16, 17 UrhG) verletzt. Auf die Erschöpfungswirkung nach § 17 Abs. 2 UrhG kann sich die Beklagte nicht mit Erfolg berufen. Die nach dieser Bestimmung im Falle der Veräußerung eines Originals oder Vervielfältigungsstücks grundsätzlich eintretende Erschöpfung erfaßt lediglich die Weiterverbreitung des konkreten Werkexemplars (vgl. BGH, Urt. v. 15. 5. 1986 – I ZR 22/84, GRUR 1986, 742, 743 – Videofilmvorführung). Das Vervielfältigungsrecht bleibt davon ohnehin unberührt.
[29] d) Die danach feststehende Rechtsverletzung gewährt der Klägerin zu 1 nach § 97 Abs. 1 UrhG die geltend gemachten Ansprüche. Die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr ist gegeben; sie wird auch von der Beklagten nicht in Abrede gestellt. Der Verbotsantrag ist nicht zu weit gefaßt. Die Formulierung "insbesondere die Seiten 13—23 der deutschsprachigen Bedienungsanweisung für die S.-Motorsägen 024" bedeutet nicht, daß der Beklagten im übrigen die Vervielfältigung und Verbreitung von Bedienungsanweisungen der Klägerin zu 1 schlechthin verboten werden soll, sondern – wie dem Klagevorbringen zu entnehmen ist – nur solcher, die den Seiten 13—23 der konkreten Verletzungsform entsprechen, d. h. ihnen – mögen auch im einzelnen Abweichungen bestehen (z. B. weil es sich um einen anderen Gerätetyp handelt) – jedenfalls vergleichbar sind.
[30] Auch das für die Feststellung der Schadensersatzverpflichtung notwendige Verschulden ist zu bejahen. Nach der Rechtsprechung ist an die Sorgfaltspflicht grundsätzlich ein strenger Maßstab anzulegen; leichte Fahrlässigkeit reicht aus. Umstände, die die Beklagte entschuldigen könnten, sind nicht ersichtlich. Ein etwaiger Rechtsirrtum würde die Beklagte grundsätzlich nicht entlasten, und zwar selbst dann nicht, wenn sie vor der Rechtsverletzung eine Rechtsauskunft eingeholt hätte (vgl. BGH, Urt. v. 3. 7. 1981 – I ZR 106/79, GRUR 1982, 102, 104 – Masterbänder). Schließlich ist auch der Anspruch auf Auskunftserteilung begründet, da die Klägerin zu 1 die begehrten Angaben zur Bezifferung ihres Schadensersatzanspruchs benötigt.
[31] Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts ist die Geltendmachung der Klageansprüche auch nicht rechtsmißbräuchlich. Das Berufungsgericht hat der Klägerin zu 1 zu Unrecht die Berufung auf den Urheberrechtsschutz mit der Begründung versagt, es gehe ihr letztlich allein darum, den Verkauf reimportierter Motorsägen zu erschweren; für die Durchsetzung des von der Klägerin zu 1 geltend gemachten Interesses an der Einhaltung der von ihr vorgesehenen Vertriebswege könne das Urheberrechtsgesetz nicht herangezogen werden. Das Berufungsgericht hat dabei nicht beachtet, daß der freie Warenverkehr seine Grenze grundsätzlich dort findet, wo bestehende Sonderschutzrechte verletzt werden. Eine Behinderung, die sich aus der rechtmäßigen Ausübung des Urheberrechts ergibt, ist grundsätzlich wettbewerbskonform und dementsprechend von den betroffenen Mitbewerbern hinzunehmen. Selbst bei einem marktbeherrschenden Unternehmen ist die Ausübung des durch das Urheberrechtsgesetz zugebilligten und in seinem Bestand vom Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen hingenommenen Urheberrechts nicht als mißbräuchlich und damit als unbillige Behinderung im Sinne des § 26 Abs. 2 GWB zu beurteilen (vgl. zum Warenzeichenrecht BGHZ 100, 51, 59 – Handtuchspender). Auch sonst liegen keine Anhaltspunkte für eine mißbräuchliche Rechtsausübung vor. Der zulässige Reimport als solcher wird durch die Rechtsverfolgung der Klägerin zu 1 nicht verhindert. Allerdings wird dadurch der Absatz der reimportierten Ware erschwert, da die Beklagte nunmehr gezwungen ist, eine eigene Bedienungsanweisung zu erarbeiten. Die Beklagte hat nicht dargetan, daß ihr dies unmöglich ist. Daß dies mit Kosten und Mühe verbunden ist und damit die reimportierten Geräte unter Umständen verteuert, hat die Beklagte hinzunehmen. Wenn das Berufungsgericht meint, daß die Klägerin zu 1 davon keine Vorteile habe und daß ihre Rechtsverfolgung deshalb schikanös sei, so übersieht sie, daß – worauf die Klägerin zu 1 in ihrer Revisionsbegründung hinweist – im Falle einer Verteuerung der reimportierten Geräte das Preisgefälle zu den für den deutschen Markt hergestellten Produkten verringert werden kann und damit der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Vertragshändlerorganisation der Klägerin zu 1 zugute kommt. Eine solche Wirkung ist mit der rechtmäßigen Ausübung des Urheberrechts vereinbar.
[32] Auch sonst sind keine Bestimmungen ersichtlich, die einer beabsichtigten Marktabschottung entgegenstehen könnten. Insbesondere kommen die Art. 30, 36 EWGV nicht zur Anwendung, da die reimportierte Ware nicht aus einem EG-Land stammt.
[33] 2. Ob weiterhin auch Ansprüche nach § 1 UWG unter dem Gesichtspunkt des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes in Betracht kommen, kann dahinstehen. Denn der wettbewerbsrechtliche Leistungsschutz kann grundsätzlich nur von demjenigen in Anspruch genommen werden, dessen Leistung nachgeahmt wird; dies ist bei der Übernahme der Herstellerleistung in aller Regel nur der Hersteller (Urheber) und nicht der Händler (vgl. BGH, Urt. v. 18. 10. 1990 – I ZR 283/88, GRUR 1991, 223, 224 f. – Finnischer Schmuck). Inhaberin des Anspruchs wäre danach grundsätzlich nur die Klägerin zu 1, deren Klage jedoch bereits in vollem Umfange aufgrund des Urheberrechtsgesetzes begründet ist. Die Klageberechtigung der Klägerin zu 2 ergibt sich für den Unterlassungsanspruch auch nicht aus § 13 Abs. 2 Nr. 1 UWG, da nicht ersichtlich ist, daß schützenswerte Belange der Allgemeinheit berührt sind (vgl. BGH aaO – Finnischer Schmuck). Soweit die Klägerinnen sich auf eine Täuschung des Verkehrs über Ausstattungsunterschiede zwischen den auf dem deutschen Markt vertriebenen Motorsägen und den reimportierten Geräten berufen, ist nicht ersichtlich, inwiefern eine Irreführung durch die auszugsweise Ablichtung und Verbreitung der Bedienungsanweisung der Klägerin zu 1 herbeigeführt werden könnte.
[34] 3. Die Revision der Klägerin zu 1 hat keinen Erfolg, soweit das Berufungsgericht die Zahlungsklage hinsichtlich der geltend gemachten Vertragsstrafe von 3. 000, – DM für unbegründet erachtet hat. Das Berufungsgericht hat insoweit rechtsfehlerfrei festgestellt, daß zwischen der Beklagten und der Klägerin zu 1 noch kein Vertrag über die Verpflichtung zur Zahlung der von der Beklagten am 31. März 1988 angebotenen Vertragsstrafe zustande gekommen war, als der zweite Testkauf am 29. April 1988 bei der Beklagten stattgefunden hat. Entgegen der Ansicht der Revision kann nicht davon ausgegangen werden, daß die Klägerin zu 1 die Unterlassungserklärung nicht zurückgewiesen, sondern lediglich noch eine weitergehende Verpflichtung der Beklagten verlangt habe. Die Klägerin zu 1 hat mit Schriftsatz vom 15. April 1988 vorgetragen, die von der Beklagten formulierte Unterlassungserklärung sei nicht geeignet, die Wiederholungsgefahr in ausreichendem Maße zu beseitigen. Die tatrichterliche Würdigung dieses Vorbringens durch das Berufungsgericht, die Klägerin zu 1 habe die Unterlassungserklärung nicht angenommen, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Anhaltspunkte dafür, daß die Beklagte – wie die Revision meint – auf eine Annahmeerklärung der Klägerin zu 1 verzichtet haben könnte, sind nicht ersichtlich und lassen sich auch nicht aus der Lebenserfahrung herleiten.
[35] III. Die Revision der Klägerin zu 1 hat danach weitgehend Erfolg und bedarf lediglich hinsichtlich der Abweisung der Zahlungsklage einer Zurückweisung. Die Revision der Klägerin zu 2 erweist sich dagegen in vollem Umfange als unbegründet. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1, §§ 92, 97 Abs. 1 ZPO.