Kein Anspruch auf Verheiratetenortszuschlag bei gleichgeschlechtlicher Gemeinschaft
BAG, Mitteilung vom 16. 5. 1997 – 24/97 (lexetius.com/1997,410)
[1] Der seit 19 Jahren mit einem Partner in gleichgeschlechtlicher Gemeinschaft zusammenlebende Kläger ist bei dem Beklagten als Verwaltungsangestellter beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Bundes-Angestelltentarifvertrag Anwendung. Der Kläger erhält neben der Grundvergütung einen Ortszuschlag der Stufe 1, die nach § 29 B Abs. 1 BAT für ledige Angestellte vorgesehen ist. Der Kläger hat Zahlung des erhöhten Ortszuschlags nach Stufe 2 verlangt, die nach § 29 B Abs. 2 Nr. 1 BAT für verheiratete Angestellte bestimmt ist. Er hat geltend gemacht, seine Partnerschaft sei mit einer Ehe vergleichbar, deshalb müsse er hinsichtlich des Ortszuschlags mit einem verheirateten Angestellten gleichbehandelt werden. Die Tarifnorm sei, soweit sie ihn von der Leistung des Verheiratetenortszuschlags ausschließe, nichtig.
[2] Die Klage blieb in allen Instanzen erfolglos. Die Bestimmung des § 29 B Abs. 2 Nr. 1 BAT ist, soweit sie den Ortszuschlag nach Stufe 2 nur für verheiratete Angestellte vorsieht und damit den Kläger als Unverheirateten von dieser Leistung ausschließt, mit höherrangigem Recht vereinbar. Sie verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG), weil die Beschränkung der Leistung auf verheiratete Angestellte im Hinblick auf den verfassungsrechtlichen Schutz der Ehe (Art. 6 Abs. 1 GG) auf einem sachlichen Grund beruht.
[3] Der Kläger wird durch die Tarifregelung auch nicht wegen seines Geschlechts diskriminiert (Art. 3 Abs. 3 GG, Art. 119 EGV, Art. 26 des Internationalen Pakts für bürgerliche und politische Rechte vom 19. Dezember 1966), denn die Tarifnorm schließt nach ihrem eindeutigen Wortlaut männliche und weibliche Angestellte gleichermaßen von der Leistung aus, wenn diese unverheiratet sind, unterscheidet also nicht nach dem Geschlecht des Angestellten.
[4] Ob die genannten Bestimmungen über die Diskriminierung wegen des Geschlechts hinaus auch eine Diskriminierung wegen der sexuellen Orientierung verbieten, konnte der Senat offenlassen. Denn der tarifliche Leistungsausschluß erfaßt alle Unverheirateten ohne Rücksicht auf den Grund der Ehelosigkeit.
[5] Der Kläger wird auch nicht mittelbar wegen seiner sexuellen Orientierung diskriminiert. Voraussetzung dafür wäre, daß die Tarifnorm dadurch, daß sie Unverheiratete von der Leistung ausschließt, erheblich mehr Homosexuelle als Heterosexuelle trifft. Dafür bestehen jedoch keine Anhaltspunkte. Auch der Kläger hat nicht substantiiert behauptet, daß die Mehrzahl der unverheirateten Angestellten homosexuell sei.
BAG, Urteil vom 15. 5. 1997 – 6 AZR 26/96; LAG Köln