Bundesarbeitsgericht
Betriebsbedingte Kündigung – Darlegungslast

BAG, Urteil vom 13. 6. 2002 – 2 AZR 589/01 (lexetius.com/2002,2193)

[1] Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 29. August 2001 – 4 Sa 518/00 – wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
[2] Tatbestand: Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung.
[3] Der Kläger trat im Jahre 1970 in die Dienste der Beklagten, die sich mit der Herstellung und dem Vertrieb von Zäunen befaßt und im August 1999 noch etwa 60 Arbeitnehmer beschäftigte. Der Kläger war als kaufmännischer Angestellter in der Abteilung Finanzen und Betriebswirtschaft bei einer monatlichen Bruttovergütung von 4.798,00 DM tätig.
[4] Im August 1999 kündigte die Beklagte insgesamt sechs Angestellten, darunter dem Kläger. Während die übrigen Kündigungen nach dem 24. August 1999 ausgesprochen wurden, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger durch Schreiben vom 19. August 1999, das dem Kläger am gleichen Tage zuging, zum 31. März 2000.
[5] Mit der am 25. August 1999 beim Arbeitsgericht Würzburg erhobenen Klage hat der Kläger die Sozialwidrigkeit der Kündigung geltend gemacht und beantragt festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung vom 19. August 1999 nicht aufgelöst wird.
[6] Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrages zunächst vorgetragen, es hätten seit März 1999 verschiedene Gespräche stattgefunden, so am 2. März innerhalb der Geschäftsführung, am 10. März mit der Steuerberaterin, am 19. März mit der Hausbank, am 26. und 27. April mit dem Wirtschaftsprüfer, am 21. und 22. Juni mit der Bayerischen Landesbank und am 19. Juli zwischen der Geschäftsführung und leitenden Mitarbeitern. In diesen Gesprächen sei wiederholt die schlechte wirtschaftliche Lage analysiert worden. Sowohl der Wirtschaftsprüfer als auch die Banken seien zu dem Ergebnis gekommen, die Personalkosten in der Verwaltung seien deutlich zu hoch. Nach weiteren Erörterungen mit der finanzierenden Bank und dem Arbeitsamt Ende Juli/August sei am 24. August die Entscheidung getroffen worden, sechs Arbeitnehmern – darunter dem Kläger – zu kündigen und zwei Auszubildende nicht zu übernehmen. In diesem Gespräch sei auch beschlossen worden, welche Arbeiten durch Umstrukturierungsmaßnahmen, insbesondere durch Einführung von EDV-Programmen, eingespart werden könnten bzw. durch sonstige Maßnahmen wegfielen. Ferner sei beschlossen worden, wie die durch den Wegfall eines Arbeitnehmers anfallenden Arbeiten anderweitig unter Berücksichtigung von Ausbildung und zulässiger Arbeitszeit bewältigt werden könnten. Durch Einführung entsprechender EDV (Warenwirtschaftssystem) werde sowohl die Tätigkeit des Klägers im Einkauf als auch das bisher vom Kläger ausgeführte "händische Aufarbeiten" von Zahlen der betriebswirtschaftlichen Auswertung entfallen. Daneben entfalle die Betreuung der kaufmännischen Auszubildenden, da die Beklagte keine Auszubildenden mehr einstelle. Die Einweisung in die EDV, für die der Kläger früher zuständig gewesen sei, sei schon vorher anderen Arbeitnehmern übertragen worden.
[7] In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer hat das Arbeitsgericht die Beklagte darauf hingewiesen, daß die Kündigung gegenüber dem Kläger vor der behaupteten unternehmerischen Entscheidung ausgesprochen worden sei. Daraufhin hat die Beklagte nach Schluß der mündlichen Verhandlung ihren Vortrag wie folgt geändert: Die Entscheidung über die Kündigung des Klägers sei nicht erst am 24. August 1999 – also nach der Kündigung – gefallen. Zwar sei an diesem Tag über den Wegfall von fünf Arbeitsplätzen und die betreffende Reorganisation entschieden worden, die den Kläger betreffende Entscheidung sei dagegen aber schon in Gesprächen am 18. und 19. August gefallen.
[8] Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, weil die Beklagte nicht dargelegt habe, vor Ausspruch der Kündigung eine unternehmerische Entscheidung getroffen zu haben.
[9] Im Berufungsverfahren hat die Beklagte zunächst vorgetragen: Besprechungen über den Personalabbau hätten bereits Ende Juni/Anfang August 1999 bzw. Ende Juli/Anfang August 1999 sowie am 19. Juli 1999 stattgefunden. Nach dem 19. Juli 1999 habe es Gespräche mit der finanzierenden Bank und dem Arbeitsamt gegeben. Danach sei die Entscheidung getroffen worden, daß der Arbeitsplatz des Klägers wegfalle. Bereits zu diesem Zeitpunkt sei der Kreis der von den Personalreduzierungsmaßnahmen betroffenen Arbeitsplätze festgelegt gewesen. Die endgültige Entscheidung bezüglich der weiteren fünf Arbeitnehmer sei am 24. August gefallen, die den Kläger betreffende dagegen kurzfristig im Rahmen eines vom Geschäftsführer anberaumten Termins am 18. August 1999. Diese Entscheidung sei bis zum Zugang der Kündigung am 19. August 1999 umgesetzt worden. Die Einführung des Warenwirtschaftssystems sei bereits bei Zugang der Kündigung bzw. im Frühjahr 1999 erfolgt. Die dem Kläger obliegende "händische" Aufbereitung von Zahlen sei durch Einführung des Warenwirtschaftssystems hinfällig geworden bzw. sei in der Planung und Umsetzung der unternehmerischen Entscheidung berücksichtigt worden, daß derartige Arbeiten zukünftig hinfällig würden.
[10] Mit weiterem Schriftsatz hat die Beklagte ihr Vorbringen dahin erläutert, bereits Anfang August seien die Zahl der betroffenen Arbeitnehmer und die organisatorischen Maßnahmen zur Umverteilung der Arbeit festgelegt worden.
[11] Auf Hinweis des Berufungsgerichts hat die Beklagte sodann vorgetragen: Nach verschiedenen Vorgesprächen habe der Geschäftsführer der Beklagten am 19. Juli 1999 eine unternehmerische Entscheidung getroffen, die ein umfassendes Konzept zur Reorganisation, zum Wegfall und zur Umverteilung einzelner Tätigkeiten sowie den Ausspruch von Kündigungen umfaßt habe. Der Zeitpunkt für den Ausspruch der Kündigungen sei für Ende August 1999 festgesetzt worden. Nachdem der Geschäftsführer am 19. August 1999 von dem für den 23. August 1999 vorgesehenen Urlaubsantritt des Klägers erfahren habe, sei noch für denselben Tag, nämlich den 19. August, eine Besprechung angesetzt worden. Im Rahmen dieser Besprechung sei zwischen dem Geschäftsführer und dem Prokuristen erörtert worden, daß der am 19. Juli getroffenen Entscheidung keine neuen Erkenntnisse entgegenstünden. Daraufhin sei die Kündigung ausgesprochen worden.
[12] Etwaige Mißverständlichkeiten oder Ungenauigkeiten in ihrem Vorbringen seien, so hat die Beklagte vorgetragen, darauf zurückzuführen, daß sie noch ein weiteres Kündigungsschutzverfahren habe führen müssen, in dem es um eine Kündigung vom 31. August 1999 gegangen sei. Dabei habe der Geschäftsführer übersehen, daß die Entscheidung bezüglich des Klägers vorgezogen worden sei.
[13] Der Kläger hat die Behauptungen der Beklagten bestritten und geltend gemacht, eine unternehmerische Entscheidung sei jedenfalls vor der Kündigung nicht getroffen worden. Bis zum 8. März 2000, seinem letzten Arbeitstag, habe sich, abgesehen von der tatsächlich weggefallenen Betreuung der Auszubildenden, an seiner Tätigkeit im wesentlichen nichts geändert. Ferner hat der Kläger die Sozialauswahl gerügt.
[14] Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte weiterhin Abweisung der Klage.
[15] Entscheidungsgründe: Die Revision ist unbegründet. Die Kündigung vom 19. August 1999 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst.
[16] I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Vortrag der Beklagten sei nicht geeignet, die Kündigung zu rechtfertigen. Die Beklagte könne sich nicht darauf stützen, das vom Kläger zu erbringende Arbeitsvolumen sei entfallen. Sie habe nicht hinreichend dargelegt, welche Tätigkeiten des Klägers wann entfallen oder anderen Arbeitnehmern zugewiesen worden seien. Die Beklagte habe es auch an Angaben zum zeitlichen Umfang der einzelnen Tätigkeitsbereiche des Klägers fehlen lassen. Auch soweit sich die Beklagte auf eine unternehmerische Entscheidung zur Reduzierung von Personalkosten berufe, könne sie keinen Erfolg haben, da eine solche Entscheidung im Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht substantiiert vorgetragen worden sei.
[17] II. Dem folgt der Senat im Ergebnis und im wesentlichen auch in der Begründung. Die Kündigung ist unwirksam, weil sie sozialwidrig iSd. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG ist. Die Beklagte hat nicht dargelegt, daß bei Ausspruch der Kündigung dringende betriebliche Erfordernisse vorgelegen hätten.
[18] 1. Bei der Beantwortung der Frage, ob eine ordentliche betriebsbedingte Kündigung gem. § 1 Abs. 2 KSchG sozial ungerechtfertigt ist, weil dringende betriebliche Erfordernisse einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers im Betrieb entgegenstehen, geht es um die Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe. Diese kann vom Revisionsgericht nur darauf überprüft werden, ob das Landesarbeitsgericht die Rechtsbegriffe selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm des § 1 KSchG Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat, ob es bei der gebotenen Interessenabwägung, bei der dem Tatsachenrichter ein Beurteilungsspielraum zusteht, alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat, und ob das Urteil in sich widerspruchsfrei ist (st. Rspr. vgl. zB BAG 26. September 1996 – 2 AZR 200/96BAGE 84, 209, 212).
[19] 2. Diesem Prüfungsmaßstab halten die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts stand.
[20] a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. ua. 7. Dezember 1978 – 2 AZR 155/77BAGE 31, 157; 20. Februar 1986 – 2 AZR 212/85AP KSchG 1969 § 1 Nr. 11 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 37 und 29. März 1990 – 2 AZR 369/89BAGE 65, 61; 17. Juni 1999 – 2 AZR 456/98BAGE 92, 79; – 2 AZR 522/98BAGE 92, 61; – 2 AZR 141/99BAGE 92, 71) können sich betriebliche Erfordernisse für eine Kündigung iSv. § 1 Abs. 2 KSchG aus innerbetrieblichen Umständen (Unternehmerentscheidungen wie zB Rationalisierungsmaßnahmen, Umstellung oder Einschränkung der Produktion) oder durch außerbetriebliche Gründe (zB Auftragsmangel oder Umsatzrückgang) ergeben. Im vorliegenden Fall beruft sich die Beklagte auf eine aus Kostengründen erfolgte Reorganisation der Verwaltung ihres Betriebes, also auf eine innerbetriebliche Unternehmerentscheidung. In solchen Fällen ist von den Arbeitsgerichten nachzuprüfen, ob eine derartige unternehmerische Entscheidung tatsächlich vorliegt und durch ihre Umsetzung das Beschäftigungsbedürfnis im behaupteten Umfang entfallen ist. Der – nicht auf Schlagworte beschränkte – Vortrag des Arbeitgebers muß erkennen lassen, ob das Bedürfnis an der Tätigkeit des gekündigten Arbeitnehmers wegfällt (Senat 30. Mai 1985 – 2 AZR 321/84 – AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 24 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 36). Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt ist derjenige des Kündigungszugangs (BAG 30. Mai 1985 aaO; KR-Etzel 6. Aufl. § 1 KSchG Rn. 550; v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG 13. Aufl. § 1 Rn. 406). In diesem Zeitpunkt muß mit dem Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit für den gekündigten Arbeitnehmer bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zu rechnen sein. Für die notwendige Prognose, so hat der Senat für Kündigungen aus innerbetrieblichen Gründen entschieden, kommt es darauf an, ob die betrieblichen Umstände greifbare Formen angenommen haben. Davon ist auszugehen, wenn bei Ausspruch der Kündigung auf Grund einer vernünftigen, betriebswirtschaftlichen Betrachtung zu erwarten ist, zum Zeitpunkt des Kündigungstermins werde mit einiger Sicherheit der Eintritt eines die Entlassung erforderlich machenden betrieblichen Grundes gegeben sein (BAG 11. März 1998 – 2 AZR 414/97AP BetrVG 1972 § 111 Nr. 43 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 99 mwN). Dagegen ist die unternehmerische Entscheidung selbst nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit zu überprüfen, sondern nur darauf, ob sie offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist (st. Rspr. vgl. BAG 7. Dezember 2000 – 2 AZR 391/99 – AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 113 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 108).
[21] b) Die Beklagte hat bereits nicht dargelegt, daß sie vor der Kündigung des Klägers eine unternehmerische Entscheidung getroffen hätte. Dies hat das Landesarbeitsgericht ohne Rechtsfehler angenommen.
[22] aa) Das Vorbringen der Beklagten leidet an unauflösbaren inneren Widersprüchen hinsichtlich des Zeitpunkts der angeblich getroffenen Entscheidung. Für die Entscheidung, den Arbeitsplatz des Klägers durch organisatorische Maßnahmen einzusparen, hat die Beklagte im Verlauf des Rechtsstreits fünf verschiedene Gelegenheiten angegeben: zunächst ein Gespräch vom 24. August 1999, dann eines vom 18. August 1999, vom 19. August 1999, ferner den Zeitpunkt "Anfang August" und schließlich eine Besprechung vom 19. Juli 1999. Die Beklagte hat diesen Widerspruch nicht hinreichend aufgeklärt. Weder hat sie sich im Laufe des Rechtsstreits auf eine der mehreren Gelegenheiten endgültig festgelegt, indem sie erklärt hätte, bei den übrigen Gelegenheiten sei die betreffende Entscheidung definitiv nicht gefallen, noch hat sie mitgeteilt, warum es notwendig war, dieselbe Entscheidung immer wieder zu treffen, oder, worin sich die bei den mehreren Gelegenheiten getroffenen Entscheidungen unterschieden hätten. Lediglich vom 24. August hat die Beklagte nachträglich vorgetragen, an diesem Tage sei nicht mehr über die Kündigung des Klägers entschieden worden, was sich aber ohnedies von selbst verstand. Dagegen hat die Beklagte ihre Darstellung, die Entscheidungen hinsichtlich der übrigen Kündigungen und auch Reorganisationsentscheidungen seien am 24. August getroffen oder geprüft und umgesetzt worden, nicht korrigiert. Dies aber paßt nicht damit zusammen, daß bereits am 19. Juli ein Gesamtkonzept beschlossen worden sein soll. Die Beklagte hat die Widersprüche ihres Vorbringens damit begründet, daß sie einen weiteren Prozeß um eine Kündigung vom 31. August zu führen hatte und der Geschäftsführer zunächst übersehen habe, daß die Entscheidung, was den Kläger betrifft, vorgezogen worden sei. Diese Begründung ist deshalb nicht stichhaltig, weil nach dem Vortrag der Beklagten, wie er sich aus der letzten korrigierten Fassung ergibt, das gesamte Reorganisationskonzept bereits am 19. Juli 1999 beschlossen wurde und es demzufolge keines Vorziehens einer Entscheidung bedurfte. Bemerkenswert bleibt auch, daß die Beklagte ihren Sachvortrag hinsichtlich des Zeitpunkts der getroffenen Entscheidung jeweils den rechtlichen Hinweisen des Gerichts angepaßt hat.
[23] bb) Soweit die Revision rügt, das Landesarbeitsgericht habe nicht genügend beachtet, daß die Verwaltung der Beklagten noch über ein Jahr nach dem Ausscheiden des Klägers ohne Neueinstellung auskomme, übersieht sie, daß es für die Beurteilung der Sozialwidrigkeit der Kündigung nach § 1 KSchG allein auf den Zeitpunkt des Kündigungszugangs ankommt. Das gilt auch für betriebsbedingte Kündigungen. Spricht der Arbeitgeber eine Kündigung aus und treten die Umstände, die zu einem Arbeitskräfteüberhang führen, erst später ein – sei es durch eine spätere Reorganisation, sei es durch Wegfall eines Auftrags – so erweist sich die ausgesprochene Kündigung zwar im Nachhinein aus Sicht des Arbeitgebers als zweckmäßig, ihre Sozialwidrigkeit kann aber nicht nachträglich entfallen ("Vorratskündigung").
[24] c) Die Beklagte hat auch nicht dargelegt, daß auf Grund einer – wann auch immer getroffenen – unternehmerischen Entscheidung zur Reduzierung von Personalkosten im Zeitpunkt des Kündigungszugangs mit dem Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit für den Kläger bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zu rechnen war. Das hat das Landesarbeitsgericht zu Recht angenommen.
[25] aa) Die Beklagte hat vorgetragen, ihre Entscheidung habe sich nicht in einem reinen Kündigungsentschluß erschöpft, sondern es habe ein organisatorisches Konzept zur Arbeitsverdichtung und zum Wegfall einzelner Tätigkeiten zugrunde gelegen. Ein solches Konzept hat die Beklagte aber, wie das Landesarbeitsgericht zu Recht bemängelt hat, nicht dargelegt. Die Beklagte hat als Teiltätigkeiten des Klägers fünf Bereiche genannt: Die EDV-Einweisung von Mitarbeitern (Erstellung von Excel-Tabellen), die Nachkalkulation, die "händische" Aufbereitung der Zahlen für die betriebswirtschaftliche Auswertung, den Einkauf und die Betreuung von Auszubildenden. Von keiner der Tätigkeiten hat die Beklagte auch nur näherungsweise dargetan, welchen Umfang sie ursprünglich hatte. Bereits dies macht es unmöglich, den weiteren Vortrag der Beklagten zum Wegfall von Teiltätigkeiten nachzuvollziehen. Bei allen Tätigkeiten – außer der Betreuung von Auszubildenden – ist außerdem der Vortrag der Beklagten zu der Frage, wie und wann sich nach ihrem Reorganisationskonzept der Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses für den Kläger realisieren sollte, wechselnd, unklar und widersprüchlich geblieben.
[26] Soweit sich aus diesem Vortrag ein Wegfall von Beschäftigungsmöglichkeiten für den Kläger ergibt, muß er zu einem großen Teil bereits Anfang 1999 erfolgt sein. Das steht in unauflösbarem Widerspruch zu der unbestrittenen Tatsache, daß der Kläger bis zum 8. März 2000 vollzeitig beschäftigt war. Es steht ebenfalls im Widerspruch zu der Behauptung der Beklagten, sie habe erst im Juli oder im August eine unternehmerische Entscheidung zur Reorganisation getroffen, aus der sich der Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit für den Kläger ergebe.
[27] bb) Zu Unrecht rügt die Revision, das Landesarbeitsgericht habe die Anforderungen an einen schlüssigen Tatsachenvortrag überspannt. Die darlegungsbelastete Partei muß ihren Vortrag so konkret halten, daß er vom Gegner bestritten und vom Gericht durch Beweiserhebung überprüft werden kann. Diesen Anforderungen werden die pauschalen Behauptungen der Beklagten nicht gerecht. Sie umfassen jeweils eine Bandbreite von Einzeltatsachen, von denen nicht klar ist, welche die Beklagte gelten lassen will: So können die Behauptungen der Beklagten dahin verstanden werden, sie habe im Juli vor der Kündigung Maßnahmen beschlossen, aus denen sich der Wegfall des Beschäftigungsbedarfs des Klägers mit Ablauf der Kündigungsfrist ergebe. Ebensogut können die Behauptungen der Beklagten aber bedeuten, sie habe erst nach der Kündigung solche Maßnahmen beschlossen. Schließlich läßt sich aus den Darlegungen der Beklagten auch entnehmen, die Tätigkeiten des Klägers seien im wesentlichen schon lange vor der behaupteten Reorganisationsentscheidung entfallen. Der Prozeßgegner kann in einem solchen Fall nicht erkennen, was konkret behauptet werden soll und ob und was er unter Beachtung der prozessualen Wahrheitspflicht bestreiten will/muß. Das gilt umso mehr, als die Darlegungen der Beklagten auch in Einzelheiten widersprüchlich sind: Es ist ausgeschlossen, daß die Beklagte im Juli oder August 1999 eine Organisationsmaßnahme beschlossen hat, durch die eine Teiltätigkeit des Klägers in Zukunft entfallen sollte, wenn diese Tätigkeit bereits Monate vorher entfallen war, andererseits aber unstreitig ist, daß sie vom Kläger bis in den März 2000 hinein noch ausgeführt wurde. Stellt eine Partei mehrere einander widersprechende Behauptungen auf, ohne den Widerspruch zu erläutern, so kann von keiner dieser Behauptungen angenommen werden, sie sei richtig. Ein solcher Vortrag ist einer Beweisaufnahme schlechthin unzugänglich. Eine andere Beurteilung ist im Ergebnis auch dann nicht möglich, wenn man zu Gunsten der Beklagten unterstellen wollte, sie habe ihren wechselhaften Vortrag nicht im Sinne einander ausschließender Einzelbehauptungen, sondern im Sinne der Behauptung einer Bandbreite von Möglichkeiten gemeint.
[28] cc) Entgegen der Auffassung der Revision ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Landesarbeitsgericht bemängelt hat, die Beklagte habe die Teiltätigkeiten des Klägers nicht nach ihrer zeitlichen oder prozentualen Aufteilung eingegrenzt. Eine solche Eingrenzung ist bei Mischarbeitsplätzen zwar schwierig aber nicht, wie die Revision meint, unmöglich. Da jede von mehreren Teiltätigkeiten denkgesetzlich einen bestimmten Teil der Gesamttätigkeit ausmachen müssen, muß es auch möglich sein, den Umfang jeder Teiltätigkeit – zumindest näherungsweise – zu beschreiben.
[29] dd) Unzutreffend ist die Auffassung der Revision, durch die vom Landesarbeitsgericht gestellten Anforderungen an die Darlegung ihrer unternehmerischen Entscheidung werde die Beklagte in ihrer unternehmerischen Freiheit beeinträchtigt. Die Beklagte hat vorgetragen, der Kündigungsgrund liege in einer von ihr vorgenommenen Reorganisation. Das Landesarbeitsgericht hat von der Beklagten keine Begründung für diese Reorganisationsentscheidung verlangt und sich auch nicht mit der vom Kläger aufgeworfenen Frage befaßt, ob die etwa getroffenen Entscheidungen zweckmäßig waren. Es hat lediglich die Darlegung des Kündigungsgrundes verlangt, daß nämlich eine Reorganisationsentscheidung auch tatsächlich vorliegt, vor Ausspruch der Kündigung getroffen wurde und wie sie sich auf das Beschäftigungsbedürfnis ausgewirkt hat. Damit hat sich das Landesarbeitsgericht im Rahmen der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gehalten und den unternehmerischen Freiraum der Beklagten gerade beachtet.
[30] ee) Zu Unrecht bemängelt die Beklagte, das Landesarbeitsgericht habe den Sachverhalt nicht hinlänglich aufgeklärt. Das Landesarbeitsgericht hat, wie schon das Arbeitsgericht, die Beklagte auf Widersprüche und Ungenauigkeiten in ihrem Vortrag hingewiesen. Daß die Beklagte diese Widersprüche und Ungenauigkeiten nicht berichtigt und geklärt hat, liegt nicht in der Verantwortung des Landesarbeitsgerichts.
[31] III. Die Kosten des ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels muß die Beklagte nach § 97 Abs. 1 ZPO tragen.