Bundesarbeitsgericht
Krankheitsbedingte Kündigung

BAG, Urteil vom 7. 11. 2002 – 2 AZR 493/01 (lexetius.com/2002,2862)

[1] Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 7. Dezember 2000 – 12 Sa 1986/99 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
[2] Tatbestand: Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer krankheitsbedingten Kündigung.
[3] Der 1955 geborene Kläger ist geschieden; das Sorgerecht für die zwei gemeinsamen Kinder wurde seiner Frau zugesprochen. Er ist bei der Beklagten seit dem 1. Februar 1990 beschäftigt. Zunächst war er als Marktgehilfe im Marktbetrieb der Beklagten tätig. Im Hinblick auf Fehlzeiten von jeweils mehr als 100 Kalendertagen in den Jahren 1990 und 1991 wurde er im November 1991 auf Empfehlung des betriebsärztlichen Dienstes in das Amt für Wissenschaft und Kunst versetzt. Dort wurde er als Angestellter im Post- und Botendienst eingesetzt. Sein Aufgabengebiet umfaßte den Postein- und -ausgang, den Boten- und Postverteildienst, Kopier- und Faxarbeiten sowie Sonder- und Eilaufträge. Die Vergütung des Klägers betrug bei einer Eingruppierung in die VergGr. VIII BAT zuletzt ca. 3.400,00 DM brutto monatlich.
[4] § 5 des Arbeitsvertrages vom 12. Oktober 1994 sieht die Verpflichtung des Klägers vor, die übertragenen Aufgaben entsprechend den gesetzlichen und tarifvertraglichen Bestimmungen sowie den allgemeinen und besonderen Dienstanweisungen der Stadt Frankfurt am Main gewissenhaft und ordnungsgemäß durchzuführen. Dem Kläger war die Allgemeine Dienst- und Geschäftsanweisung für die Stadtverwaltung Frankfurt am Main (AGA), die ua. Regelungen zur Unterschriftsbefugnis enthält, bekannt.
[5] Der Kläger hatte ab 1992 folgende krankheitsbedingten Fehltage (Kalendertage): 1992: 61, 1993: 88, 1994: 70, 1995: 91, 1996: 36, 1997: 92, 1998: 174 (bis August 1998 105).
[6] In der Zeit von November 1994 bis Juli 1998 wandte die Beklagte für den Kläger Lohnfortzahlungskosten in Höhe von insgesamt 50.628,23 DM auf, davon in den Jahren 1994 (ab Oktober) 1.700,45 DM, 1995 13.566,13 DM, 1996 5.401,51 DM, 1997 14.518,72 DM und 1998 15.441,42 DM.
[7] Die Betriebsärztin stellte beim Kläger gemäß ihrer Mitteilung vom 12. Januar 1996 "eine generell erhöhte Krankheitsanfälligkeit auf Grund von Überbewertung geringfügiger Beschwerden" fest. Auf ihre Empfehlung führte die Beklagte mit dem Kläger ein Gespräch mit dem Thema "Arbeitsmotivation". 1998 empfahl die Betriebsärztin eine Rehabilitationsmaßnahme. Einer Aufforderung der Beklagten, sich einer derartigen Maßnahme zu unterziehen, befolgte der Kläger auch auf eine Nachfristsetzung hin nicht.
[8] Mit Schreiben vom 25. September 1998 hörte die Beklagte den Personalrat zur beabsichtigten Kündigung des Klägers an. In dem Schreiben ist die Anzahl der kalendertäglichen Fehlzeiten bezogen auf das jeweilige Kalenderjahr seit 1990 aufgeführt und sind die Lohnfortzahlungskosten für die Zeit von November 1994 bis Juli 1998 in Höhe von insgesamt 50.628,23 DM angegeben. Der Personalrat stimmte der Kündigung am 1. Oktober 1998 zu. Daraufhin kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 7. Oktober 1998, das dem Kläger am 12. Oktober 1998 übergeben wurde, zum 31. März 1999. Die Kündigung ist von dem Leitenden Magistratsdirektor, der als Leiter des Amtes für Wissenschaft und Kunst auch den Arbeitsvertrag unterzeichnet hatte, "im Auftrag" unterschrieben. Mit Schreiben vom 13. Oktober 1998 wies der Kläger die Kündigung zurück, weil ihr keine Vollmachtsurkunde beigefügt gewesen sei.
[9] Der Kläger hält die Kündigung für unwirksam und macht geltend, der Amtsleiter sei zum Ausspruch der Kündigung nicht bevollmächtigt gewesen. Jedenfalls ergebe sich die Unwirksamkeit der Kündigung aus § 174 BGB, weil bei Ausspruch der Kündigung keine auf den Amtsleiter lautende Vollmachtsurkunde vorgelegt worden sei. Es gebe keinen allgemeinen Erfahrungssatz, wonach Amtsleiter größerer Kommunen regelmäßig Kündigungsvollmacht hätten. Darüber hinaus sei der Personalrat nicht ordnungsgemäß beteiligt worden. Da dem Personalrat die Zeiten der Arbeitsunfähigkeit lediglich summarisch für das jeweilige Kalenderjahr und die Lohnfortzahlungskosten nur insgesamt mitgeteilt worden seien, sei dieser nicht ohne eigene Nachforschungen in der Lage gewesen, die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe zu überprüfen. Schließlich sei die Kündigung sozialwidrig. Er sei vertragswidrig mit körperlich schweren Arbeiten beschäftigt worden, obwohl er hierzu auf Grund der der Beklagten bekannten Einschränkungen im Bandscheibenapparat nicht in der Lage gewesen sei.
[10] Der Kläger hat beantragt festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten mit Schreiben vom 7. Oktober 1998 – dem Kläger zugegangen am 12. Oktober 1998 – nicht zum 31. März 1999 aufgelöst wurde.
[11] Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags vorgetragen, der Amtsleiter sei zur Kündigung bevollmächtigt gewesen. Hiervon habe der Kläger auch auf Grund der ihm vorliegenden AGA Kenntnis gehabt. Der gesonderten Vorlage einer Vollmachtsurkunde bei Ausspruch der Kündigung habe es daher nicht bedurft. Sie habe dem Personalrat die aus ihrer Sicht maßgeblichen Kündigungsgründe mitgeteilt. Hierfür sei die Verteilung der einzelnen Fehlzeiten auf das Kalenderjahr ebensowenig maßgeblich gewesen wie die Verteilung der Lohnfortzahlungskosten auf die einzelnen Kalenderjahre. Die sich insgesamt ergebende Höhe der Fehlzeiten und der Lohnfortzahlungskosten sei für sie ein ausreichender Anlaß gewesen, die Kündigung auszusprechen. Zu berücksichtigen sei, daß der Personalrat in einem Erörterungsgespräch keinen weiteren Aufklärungsbedarf geltend gemacht habe. Die Kündigung sei auch sozial gerechtfertigt.
[12] Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Bundesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Kündigungsschutzantrag weiter.
[13] Entscheidungsgründe: Die Revision ist unbegründet.
[14] I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Kündigung sei wirksam. Der Personalrat sei ordnungsgemäß beteiligt worden. Die lediglich pauschale Angabe der Lohnfortzahlungskosten sei nicht zu beanstanden. Die Kündigung sei auch nicht gemäß § 174 BGB unwirksam. Der Vorlage einer Vollmachtsurkunde habe es nicht bedurft, weil sich die Kündigungsbefugnis des Amtsleiters aus der AGA ergebe. Dieser sei für die Amtsgeschäfte und die Aufgabenerledigung in dem von ihm geleiteten Amt verantwortlich. Er sei nach der AGA für die das Amt für Wissenschaft und Kunst betreffenden Geschäfte der laufenden Verwaltung zuständig, zu denen der Abschluß eines Arbeitsvertrages und als actus contrarius auch dessen Kündigung zählten. Dafür spreche auch, daß nur außerordentliche Kündigungen der Unterschrift des Dezernenten bedürften. Die Kündigung sei schließlich nicht sozialwidrig. Die negative Gesundheitsprognose sei nicht in Zweifel zu ziehen. Der Kläger sei offenbar an einer Wiederherstellung seiner Arbeitsfähigkeit nicht interessiert. Die betrieblichen Interessen der Beklagten seien durch die hohen Lohnfortzahlungskosten beeinträchtigt. Das Interesse der Beklagten an einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses überwiege das Bestandsschutzinteresse des Klägers. Die Behauptung des Klägers, die umfangreichen Fehlzeiten seien auf eine vertragswidrige Beschäftigung zurückzuführen, sei unsubstantiiert und damit unbeachtlich. Zu Gunsten der Beklagten falle ins Gewicht, daß die hohen Fehlzeiten trotz der 1991 erfolgten Umsetzung angehalten hätten.
[15] II. Dem folgt der Senat im Ergebnis und in Teilen der Begründung. Zu Unrecht rügt die Revision eine fehlerhafte Anwendung der §§ 174 BGB, 77 Abs. 1 Nr. 1 i Hessisches Personalvertretungsgesetz (HPVG) und § 1 Abs. 2 KSchG.
[16] 1. Die Kündigung ist nicht wegen fehlender Vorlage einer auf den Amtsleiter M. lautenden Vollmachtsurkunde unwirksam (§ 174 Satz 1 BGB). Der Kläger hat zwar die Kündigung aus diesem Grund unverzüglich zurückgewiesen. Die Zurückweisung war jedoch nach § 174 Satz 2 BGB ausgeschlossen.
[17] a) Nach der auch im öffentlichen Dienst anwendbaren Vorschrift des § 174 Satz 1 BGB (vgl. BAG 29. Juni 1989 – 2 AZR 482/88AP BGB § 174 Nr. 6) ist ein einseitiges Rechtsgeschäft, das ein Bevollmächtigter einem anderen gegenüber vornimmt, unwirksam, wenn der Bevollmächtigte eine Vollmachtsurkunde nicht vorlegt und der andere das Rechtsgeschäft aus diesem Grund unverzüglich zurückweist. Eine auf den Amtsleiter lautende Vollmacht war dem Kündigungsschreiben zwar nicht beigefügt und die Zurückweisung durch das der Beklagten spätestens am 16. Oktober 1998 zugegangene Schreiben ist auch unverzüglich erfolgt. Die Zurückweisung der Kündigung nach § 174 Satz 1 BGB ist jedoch nach § 174 Satz 2 BGB ausgeschlossen, wenn der Vollmachtgeber den anderen von der Bevollmächtigung in Kenntnis gesetzt hat. Davon ist hier nach dem vom Landesarbeitsgericht festgestellten Sachverhalt auszugehen.
[18] b) Der Amtsleiter war entgegen der Ansicht der Revision bevollmächtigt, dem Kläger ordentlich zu kündigen. Zwar ist nach § 73 Abs. 1 Satz 1 der Hessischen Gemeindeordnung (HGO) grundsätzlich der Gemeindevorstand, der in Städten die Bezeichnung Magistrat trägt (§ 9 Abs. 2 Satz 2 HGO), für die Entlassung von Gemeindebediensteten zuständig. Diese Aufgabe muß er jedoch nicht selbst erledigen, er kann Gemeindebedienstete mit der Abgabe von Erklärungen beauftragen (§ 71 Abs. 1 Satz 3 HGO). Eine solche Beauftragung des Amtsleiters zum Ausspruch ordentlicher Kündigungen zumindest auf der Ebene der Vergütungsgruppe des Klägers ist durch die allgemeine Dienst- und Geschäftsanweisung für die Stadtverwaltung Frankfurt am Main (AGA) erfolgt.
[19] c) Die einschlägigen Vorschriften der nach Feststellung des Landesarbeitsgerichts vom Magistrat der Beklagten erlassenen AGA lauten wie folgt:
[20] "Allgemeine Dienst- und Geschäftsanweisung für die Stadtverwaltung Frankfurt am Main (AGA). 1. Allgemeine Vorschriften. 1. 1 Rechtscharakter und Zweck der AGA. Die Allgemeine Dienst- und Geschäftsanweisung (AGA) regelt als innerdienstliche Vorschrift den allgemeinen Dienstbetrieb und den Geschäftsgang bei der Stadtverwaltung Frankfurt am Main. Sie soll dazu beitragen, die Arbeit der Verwaltung nach einheitlichen Grundsätzen auszurichten und den Geschäftsgang zweckmäßig und wirtschaftlich zu gestalten. … 3. 5 Leitende Dienstkräfte. … (2) Leitende Dienstkräfte sind die Amts- und Abteilungsleiter. Sie sind für den reibungslosen Ablauf der Dienstgeschäfte entsprechend ihren Zuständigkeiten, für die ständige Unterrichtung und Weiterbildung der ihnen unterstellten Mitarbeiter sowie die Ausbildung der Nachwuchskräfte verantwortlich, insbesondere dafür, daß diesen Mitarbeitern die für die Erledigung der Dienstgeschäfte notwendigen und maßgebenden Bestimmungen genügend geläufig sind. … 3. 10 Zusammenarbeit. 3. 10. 1 Allgemeines. Die Ämter sind für die Erfüllung der ihnen durch den Aufgabenverteilungsplan zugewiesenen Aufgaben grundsätzlich allein zuständig und verantwortlich. … 3. 13 Besondere Zuständigkeiten. … 3. 13. 3 Personal- und Organisationsamt. (1) Das Personal- und Organisationsamt ist zuständig für die Bearbeitung der Personalangelegenheiten der Bediensteten und der Versorgungsempfängerinnen und -empfänger. Es ist federführend bei Schriftverkehr mit außerstädtischen Stellen in Personal- und Stellenplanfragen und erläßt städtische Ausführungsbestimmungen in allen Angelegenheiten des Personalwesens. Bestimmte laufende Personalangelegenheiten werden unter Beachtung der vom Personal- und Organisationsamt erlassenen Richtlinien und Anweisungen unmittelbar von den Ämtern wahrgenommen. … 3. 9 Entscheidungsbefugnis und Unterschriftsregelung. … 4. 9. 2 Unterzeichnungsbefugnis. (1) Soweit nicht besondere Unterzeichnungsbefugnisse (z. B. in Rechtsvorschriften, Dienstanweisungen) zwingend vorgesehen sind, liegt die allgemeine Unterzeichnungsbefugnis in den Ämtern bei den sachbearbeitenden Dienstkräften … (5) Den Dezernentinnen und Dezernenten sind zur Unterschrift vorzulegen: … – wichtige Personalsachen, insbesondere … außerordentliche Kündigungen … 4. 9. 3 Form der Unterzeichnung. … (6) Alle Schreiben an Personen und Stellen außerhalb der Stadtverwaltung sind mit dem Zusatz "Im Auftrag" zu unterzeichnen, wenn sie nicht von der zuständigen Dezernentin/dem zuständigen Dezernenten oder von der Oberbürgermeisterin/dem Oberbürgermeister unterschrieben werden. Vertreterinnen und Vertreter dieses Personenkreises zeichnen "In Vertretung". 4. 10 Abgabe verpflichtender Erklärungen. (1) Für die Abgabe verpflichtender Erklärungen gelten die besonderen Formvorschriften der HGO, insbesondere der §§ 71 Abs. 2 Satz 1 und 2 … (2) … Keine rechtsverpflichtenden Erklärungen enthalten z. B. … Kündigungen …"
[21] d) Die Auslegung des Landesarbeitsgerichts, die AGA weise die Aufgabe des Ausspruchs ordentlicher Kündigungen gegenüber Gemeindebediensteten nicht dem Personal- und Organisationsamt, sondern den einzelnen Ämtern zu, ist im Ergebnis zutreffend.
[22] Zwar ist der Revision einzuräumen, daß die AGA in einzelnen Formulierungen das Gesamtkonzept des Zuständigkeitskatalogs der verschiedenen Ämter klarer hätte zum Ausdruck bringen können. Ebenso rügt die Revision zu Recht, daß die Vollmacht des Amtsleiters nicht mit dem angefochtenen Urteil entscheidend darauf gestützt werden kann, daß dieser berechtigt war, den Arbeitsvertrag der Parteien zu unterzeichnen; es gibt keinen Erfahrungssatz, daß die Befugnis zur Einstellung und die Befugnis zur Entlassung zusammenfallen (BAG 29. Juni 1989 – 2 AZR 482/88AP BGB § 174 Nr. 7 mwN).
[23] Aus dem Zusammenhang der AGA ergibt sich jedoch, daß auch in Personalangelegenheiten innerhalb der ihnen zugewiesenen Sachaufgaben grundsätzlich die Ämter zuständig und verantwortlich sind (3. 10. 1 AGA). Das Personal- und Organisationsamt ist in seiner Zuständigkeit im wesentlichen auf die Sachbearbeitung, die in bestimmten Angelegenheiten ebenfalls den Ämtern übertragen werden kann, und die Erledigung von Organisations- und Grundsatzfragen beschränkt (3. 13. 3 AGA). Dies ergibt sich insbesondere daraus, daß die AGA zwischen der Bearbeitung der Personalangelegenheiten und der Federführung unterscheidet. Wenn nach 3. 13. 3 Abs. 1 AGA das Personalamt in Personalfragen federführend nur beim Schriftverkehr mit außerstädtischen Stellen ist und darüber hinaus Ausführungsbestimmungen – dies kann nur heißen für die weitere Bearbeitung durch die Ämter – erläßt, so liegt die Federführung beim Ausspruch einer ordentlichen Kündigung gegenüber einem bei der Stadt beschäftigten Arbeitnehmer bei den grundsätzlich allein zuständigen Ämtern, hier dem Amt für Wissenschaft und Kunst. Eine solche Aufgabenverteilung macht auch bei einer Verwaltung der Größenordnung der Beklagten Sinn. Die Sachbearbeitung in Personalangelegenheiten (zB Urlaubslisten, Aufstellung über Krankheiten, Lohn- bzw. Gehaltsabrechnungen etc.) läßt sich regelmäßig in einer größeren Stadtverwaltung mit mehreren Standorten besser zentral erledigen. Beim Ausspruch von Willenserklärungen (Arbeitsverträge, Abmahnung, ordentliche Kündigung etc.) gibt es gute Gründe, diese Aufgaben nicht damit zu belasten, daß zwei größere Verwaltungsbereiche zusammenarbeiten müssen. Gestützt wird diese Auslegung dadurch, daß bei der Unterzeichnungsbefugnis ausdrücklich auf die allgemeine Unterzeichnungsbefugnis der Ämter Bezug genommen wird und nur "wichtige Personalsachen, insbesondere außerordentliche Kündigungen", nicht ordentliche Kündigungen den Dezernentinnen und Dezernenten zur Unterschrift vorzulegen sind (4. 9. 2 AGA). Wenn die AGA gleichzeitig festlegt, Kündigungen enthielten keine rechtsverpflichtenden Erklärungen (4. 10 AGA), spricht auch dies dafür, ordentliche Kündigungen zumindest bis zur Vergütungsgruppe des Klägers zu den Geschäften der laufenden Verwaltung zu zählen, die nach 3. 10. 1 AGA im Rahmen seiner Zuständigkeit, hier des Bereichs Wissenschaft und Kunst, jedenfalls von dem zuständigen Amt zu erledigen sind.
[24] Der aufgezeigten Aufgabenverteilung zwischen Personal- und Organisationsamt und den übrigen Ämtern entsprach ersichtlich auch die Handhabung durch die Beklagte. Federführend in Personaldingen war dem Kläger gegenüber ausweislich der zur Akte gereichten Schreiben stets das Amt für Wissenschaft und Kunst. Das Personal- und Organisationsamt hat lediglich dem Amt für Wissenschaft und Kunst, das eine eigene Personalstelle betreibt und bei dem ein eigener Personalrat gebildet ist, eine sich aus den Unterlagen des Amtes offensichtlich nicht ergebende Liste über die Krankheitszeiten des Klägers und die geleistete Lohnfortzahlung übersandt.
[25] e) Die Beklagte hatte den Kläger auch ausreichend über die Bevollmächtigung des Amtsleiters zum Ausspruch einer ordentlichen Kündigung in Kenntnis gesetzt (§ 174 Satz 2 BGB). Wie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nochmals klargestellt worden ist, war dem Kläger zumindest der Teil der AGA, der die Vorschriften über die Zuständigkeit und die Unterschriftsbefugnis enthält, bekannt. Selbst wenn aus Sicht des Klägers allein aufgrund des Wortlauts der AGA eine Unsicherheit bestanden hätte, ob das Personal- und Organisationsamt oder der Leiter des Amts für Wissenschaft und Kunst kündigungsbefugt waren, so mußte diese Unsicherheit jedenfalls durch die langjährige Handhabung von Personalangelegenheiten zwischen den Parteien beseitigt sein. Sowohl aus seiner Tätigkeit im Marktbetrieb als auch aus seiner langjährigen Tätigkeit im Amt für Wissenschaft und Kunst mußte dem Kläger bekannt sein, daß in Personalangelegenheiten ihm gegenüber federführend stets das Beschäftigungsamt, nicht das Personal- und Organisationsamt war, das im wesentlichen nur sachbearbeitende Funktion hatte. Die im Prozeß vorgelegten Schreiben in Personalangelegenheiten (Arbeitsverträge, Vermerke über Personalgespräche, Kündigungsandrohungen, Empfangsbekenntnis) sind vom Beschäftigungsamt, nicht vom Personal- und Organisationsamt unterzeichnet. Dem Landesarbeitsgericht ist darin zu folgen, daß der Kläger nach den Gesamtumständen nicht davon ausgehen konnte, der Ausspruch einer ordentlichen Kündigung sei von der Vollmacht des Amtsleiters in Personalangelegenheiten nicht umfaßt gewesen.
[26] f) Dieses Ergebnis widerspricht auch nicht, wie die Revision sinngemäß geltend macht, der bisherigen Senatsrechtsprechung zu § 174 Satz 2 BGB (BAG 29. Juni 1989 – 2 AZR 482/88AP BGB § 174 Nr. 7; BAG 20. August 1997 – 2 AZR 518/96 – AP BGB § 620 Kündigungserklärung Nr. 11), nach der regelmäßig der Personalabteilungsleiter, nicht jedoch ohne weiteres ein anderer Abteilungsleiter als Bevollmächtigter des Arbeitgebers iSv. § 174 Satz 2 BGB gilt. Der Arbeitgeber ist frei darin, wie er die Erledigung von Personalangelegenheiten in seinem Betrieb bzw. seiner Verwaltung organisiert. Ist in einer größeren Verwaltung die Personalabteilung lediglich für die Sachbearbeitung und für Grundsatzfragen zuständig, während die Federführung in Personalfragen den einzelnen Abteilungsleitern vorbehalten bleibt, so sind gegenüber den Arbeitnehmern ihrer Abteilung die einzelnen Abteilungsleiter, nicht jedoch der Leiter der Personalabteilung kündigungsbefugt. Die Abteilungsleiter können deshalb nach § 174 Satz 2 BGB bei entsprechender Kenntnis des Arbeitnehmers ohne Vollmachtsvorlage kündigen.
[27] 2. Die Kündigung ist auch nicht, wie die Revision geltend macht, nach § 66 Abs. 2 HPVG unwirksam. Dem Landesarbeitsgericht ist jedenfalls im Ergebnis darin zu folgen, daß die Beklagte den Personalrat ausreichend über die Kündigungsgründe informiert hat.
[28] a) Die Revision rügt allerdings zu Recht, daß es zumindest äußerst mißverständlich ist, wenn das Landesarbeitsgericht entscheidend darauf abstellt, bei einer krankheitsbedingten Kündigung betreffe die zu überprüfende Prognose nur die Dauer der zu erwartenden Fehlzeiten; die Frage, wann und für welchen Zeitraum in welchem Jahr Lohnfortzahlungskosten angefallen seien oder zukünftig anfielen, sei insoweit gänzlich unerheblich; es sei Sache des Personalrats, den Arbeitgeber um ergänzende Erläuterungen und Informationen zu bitten, wenn er solche im Zuge der Erörterung der Kündigungsgründe noch für geboten halte.
[29] Ebenso wie nach § 102 BetrVG ist es nach § 77 Abs. 1 Nr. 2 i HPVG Sache des Arbeitgebers, den Betriebs-/Personalrat so umfassend über die Kündigungsgründe zu informieren, daß eine abschließende Entscheidung darüber möglich ist, welche Stellungnahme zu der Kündigungsabsicht abgegeben werden soll. Nur wenn der Betriebs-/Personalrat in diesem Sinne zwar ausreichend über die Kündigungsgründe informiert ist, trotzdem aber zur Vorbereitung seiner Entscheidung weitere Informationen benötigt, ist es seine Sache, den Arbeitgeber schriftlich oder im Zuge der Erörterung um ergänzende Erläuterungen zu bitten. Es trifft auch nicht zu, daß es für die Beurteilung der vom Arbeitgeber geltend gemachten Kündigungsgründe für den Personalrat g ä n z l i c h unerheblich ist, wann und für welchen Zeitraum in welchem Jahr Lohnfortzahlungskosten angefallen oder zukünftig anfallen werden. Je nach der Lage und Dauer der Krankheitszeiten des Arbeitnehmers und der Lohnfortzahlungskosten in den letzten Jahren kann die anzustellende Prognose über in Zukunft zu erwartende Krankheitszeiten durchaus unterschiedlich ausfallen.
[30] b) Trotzdem erweist sich die Annahme des Landesarbeitsgerichts, der Personalrat sei hier ausreichend über die Kündigungsgründe informiert worden, jedenfalls im Ergebnis als richtig (§ 563 ZPO aF).
[31] aa) Wie bereits dargelegt, hat der Arbeitgeber die Pflicht, dem Personalrat den maßgeblichen Kündigungssachverhalt so umfassend mitzuteilen, daß der Personalrat ohne eigene Nachforschungen in der Lage ist, selbst die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe zu prüfen und sich über den Kündigungssachverhalt ein hinreichendes Bild zu machen. Der Arbeitgeber genügt daher der ihm obliegenden Mitteilungspflicht nicht, wenn er den Kündigungssachverhalt nur pauschal, schlagwort- oder stichwortartig umschreibt oder lediglich ein Werturteil abgibt, ohne die für seine Bewertung maßgeblichen Tatsachen mitzuteilen (vgl. etwa BAG 2. November 1983 – 7 AZR 65/82BAGE 44, 201; BAG 4. August 1975 – 2 AZR 266/74BAGE 27, 209). Dabei sind allerdings an die Mitteilungspflichten des Arbeitgebers insoweit nicht dieselben Anforderungen zu stellen wie an die Darlegungslast im Kündigungsschutzprozeß. Außerdem gilt der Grundsatz der subjektiven Determination; danach ist die Arbeitnehmervertretung immer dann ordnungsgemäß angehört worden, wenn der Arbeitgeber die aus seiner Sicht tragenden Gründe mitgeteilt hat (vgl. etwa BAG 17. Februar 2000 – 2 AZR 913/98BAGE 93, 366).
[32] c) Bei einer Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen sind dem Personalrat regelmäßig die einzelnen Ausfallzeiten der letzten Jahre mitzuteilen, auf die der Arbeitgeber seine Prognose stützt, es sei auch in Zukunft mit Krankheitszeiten im selben Umfang zu rechnen. Gleiches gilt für die aufgewandten Lohnfortzahlungskosten, wenn der Arbeitgeber hieraus die erforderlichen betrieblichen Beeinträchtigungen infolge der krankheitsbedingten Ausfälle des Arbeitnehmers herleitet. War ein Arbeitnehmer zB jahrelang selten arbeitsunfähig krank, so kann der Personalrat bei einer erhöhten Krankheitsanfälligkeit des Betreffenden in den letzten Jahren im Regelfall nur anhand der konkreten Krankheitszeiten und der konkret aufgewandten Lohnfortzahlungskosten den Kündigungssachverhalt ohne weitere eigene Nachforschungen beurteilen. Ob die vom Arbeitgeber angestellte Prognose über die zukünftige Krankheitsanfälligkeit des Arbeitnehmers der Wahrscheinlichkeit entspricht oder ob es sich eher um eine schicksalhafte Verkettung mehrerer zeitgleich aufgetretener Krankheiten handelt, die keine derart schlechte Prognose zuläßt, ergibt sich in einem solchen Fall in der Regel erst aus der konkreten Betrachtung der Krankheitszeiten und der durch die Krankheiten verursachten Kosten.
[33] Dies gilt jedoch nicht ausnahmslos. Nicht jede Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen ist infolge fehlerhafter Betriebsratsanhörung bzw. Personalratsbeteiligung rechtsunwirksam, wenn der Arbeitgeber es unterlassen hat, dem Betriebs-/Personalrat von sich aus eine ins Einzelne gehende Aufschlüsselung der Krankheitszeiten und Lohnfortzahlungskosten vorzulegen. Insbesondere in Fällen, in denen der Arbeitnehmer seit Beginn des Arbeitsverhältnisses fortlaufend jedes Jahr überdurchschnittliche Krankheitszeiten aufzuweisen hatte und hohe Lohn-/Entgeltfortzahlungskosten verursacht hat, kann es je nach den Umständen aus der verständigen Sicht sowohl des Arbeitgebers als auch der Arbeitnehmervertretung ausreichen, daß der Arbeitgeber lediglich nach Jahren gestaffelt die überdurchschnittliche Krankheitshäufigkeit darlegt und die Entgeltfortzahlungskosten der letzten Jahre in einem Gesamtbetrag mitteilt. Kann der Betriebs-/Personalrat aus den mitgeteilten Krankheitszeiten und Entgeltfortzahlungskosten ohne weiteres ableiten, eine Negativprognose hinsichtlich der in Zukunft zu erwartenden Krankheitszeiten sei gerechtfertigt und nicht mehr hinnehmbare betriebliche Beeinträchtigungen durch entsprechende Entgeltfortzahlungskosten seien zu erwarten, so reicht dies aus. Sollten die Senatsurteile vom 24. November 1983 (- 2 AZR 347/82BAGE 44, 249) und 18. September 1986 (- 2 AZR 638/85 – RzK II 1 b 8) anders zu verstehen sein, so wird daran nicht festgehalten.
[34] d) Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts vor. Das mehrseitige Schreiben der Beklagten, mit dem der Personalrat über den Kündigungssachverhalt informiert wird, ist hinreichend detailgenau, um eine abschließende Beurteilung der Kündigungsgründe durch den Personalrat zu ermöglichen. So hat dies offenbar auch der Personalrat gesehen, indem er nach entsprechender Erörterung der Kündigung zugestimmt hat. Hat der Arbeitgeber, wovon hier auszugehen ist, den Personalrat zunächst hinreichend über die Kündigungsgründe informiert und ist dem Personalrat dann diese erste Information nicht konkret genug, so kann er mündlich, schriftlich oder bei der Erörterung vom Arbeitgeber weitere Aufklärung verlangen.
[35] 3. Die Kündigung ist auch nicht sozial ungerechtfertigt (§ 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG).
[36] a) Bei der Frage, ob die Kündigung eines Arbeitnehmers auf Grund krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit aus Gründen in der Person bedingt und deshalb sozial gerechtfertigt ist (§ 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG), handelt es sich um die Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs, der vom Revisionsgericht nur darauf überprüft werden kann, ob das Berufungsgericht den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm des § 1 KSchG Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat, ob es bei der gebotenen Interessenabwägung, bei der dem Tatsachenrichter ein Beurteilungsspielraum zusteht, alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat und ob die Entscheidung in sich widerspruchsfrei ist (vgl. etwa BAG 20. Januar 2000 – 2 AZR 378/99BAGE 93, 255). Diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält das angefochtene Urteil stand.
[37] b) Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte habe angesichts des bisherigen Verlaufs des Arbeitsverhältnisses mit überdurchschnittlichen weiteren Krankheitszeiten des Klägers rechnen müssen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht berücksichtigt, daß der Kläger in verhältnismäßig jungem Alter eingestellt worden ist und trotzdem von Beginn des Arbeitsverhältnisses an ohne jede Unterbrechung weit über dem Durchschnitt liegende Krankheitszeiten aufzuweisen hatte. Wenn der Kläger darüber hinaus der Aufforderung, eine ärztlich für notwendig gehaltene Rehamaßnahme durchzuführen, nicht nachgekommen ist, so verschlechterte dies die Aussichten für eine Reduzierung der Krankheitszeiten in Zukunft noch weiter.
[38] c) Die von der Beklagten bisher aufgewandten und aller Voraussicht nach in Zukunft aufzuwendenden Lohn-/Entgeltfortzahlungskosten stellten auch – wie das Landesarbeitsgericht ebenfalls zutreffend angenommen hat – eine nicht weiter hinnehmbare betriebliche Beeinträchtigung dar. Dabei sind nicht einmal die konkreten Beeinträchtigungen des Arbeitsablaufs in der Behörde berücksichtigt, die die Beklagte ebenfalls vorgetragen hatte.
[39] d) Auch die Interessenabwägung hält sich im Beurteilungsspielraum der Tatsacheninstanz. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht darauf abgestellt, daß sich die Beklagte hinreichend lange bemüht hat, die erheblich überdurchschnittliche Krankheitsanfälligkeit des Klägers aufzufangen, ohne dem Kläger kündigen zu müssen. Es ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, daß das Landesarbeitsgericht entscheidend darauf abgestellt hat, die Beklagte habe den damals noch jungen Kläger bereits nach kurzer Zeit auf einen Leichtarbeitsplatz umgesetzt; auch nach dieser Umsetzung hätten – mit einer kurzen Unterbrechung in der Folge eines Motivationsgesprächs – die hohen Ausfallzeiten des Klägers über weitere Jahre angehalten, wobei die Betriebsärztin dem Kläger eine erhöhte "Krankheitsanfälligkeit auf Grund von Überbewertung geringfügiger Beschwerden" bescheinigt habe.