Bundesarbeitsgericht
Zuschläge bei Sonn- und Feiertagsarbeit

BAG, Urteil vom 11. 1. 2006 – 5 AZR 97/05 (lexetius.com/2006,270)

[1] 1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 6. Oktober 2004 – 3 Sa 749/03 – wird zurückgewiesen.
[2] 2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
[3] Tatbestand: Die Parteien streiten über Sonn- und Feiertagszuschläge.
[4] Der Kläger war beim Beklagten seit 1991 als Tankwart zu einem Bruttomonatsverdienst von zuletzt 1.380,00 Euro beschäftigt. Er war im Schichtdienst tätig und leistete auch Sonn- und Feiertagsarbeit. Das Arbeitsverhältnis ist zwischenzeitlich beendet.
[5] Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Beklagte schulde ihm für Arbeit an Sonn- und Feiertagen nach § 11 Abs. 2 iVm. § 6 Abs. 5 ArbZG Zuschläge.
[6] Der Kläger hat, soweit in der Revision noch von Interesse, beantragt,
[7] den Beklagten zu verurteilen, an ihn 4.126,38 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszins in bestimmter Staffelung zu zahlen.
[8] Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
[9] Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers bezüglich der noch in Streit stehenden Sonn- und Feiertagszuschläge zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Zahlungsansprüche weiter.
[10] Entscheidungsgründe: Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung von Sonn- und Feiertagszuschlägen.
[11] I. Der Kläger hat keinen vertraglichen Anspruch auf die begehrten Zuschläge. Der Kläger kann auch nicht nach dem Tarifvertrag für das Tankstellen- und Garagengewerbe Sonn- und Feiertagszuschläge verlangen. Der Tarifvertrag findet auf das Arbeitsverhältnis keine Anwendung. Nach den bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts (§ 559 Abs. 2 ZPO) ist der Beklagte nicht tarifgebunden.
[12] II. Aus § 11 Abs. 2 ArbZG ergibt sich kein Anspruch auf Sonn- und Feiertagszuschläge.
[13] 1. Nach § 11 Abs. 2 ArbZG gelten für die Beschäftigung an Sonn- und Feiertagen die §§ 3 bis 8 ArbZG entsprechend. § 11 Abs. 2 ArbZG enthält eine Rechtsgrundverweisung.
[14] a) Nach der Gesetzessystematik kommen die §§ 3 bis 8 ArbZG nur bei einer Beschäftigung an Werktagen unmittelbar zur Anwendung. Diese Vorschriften stehen im Zweiten Abschnitt des Arbeitszeitgesetzes. Dort sind die werktägliche Arbeitszeit und arbeitsfreie Zeiten geregelt. § 11 ArbZG steht demgegenüber im Dritten Abschnitt "Sonn- und Feiertagsruhe". Soweit nach den Vorschriften des Dritten Abschnitts Sonn- und Feiertagsarbeit zulässig ist, verweist § 11 Abs. 2 ArbZG bei der Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen auf die §§ 3 bis 8 ArbZG. Erst dadurch wird die Geltung dieser Arbeitsschutzbestimmungen bei Sonn- und Feiertagsarbeit bewirkt (vgl. Baeck/Deutsch ArbZG 2. Aufl. § 11 Rn. 12; Neumann/Biebl ArbZG 14. Aufl. § 11 ArbZG Rn. 5; Schliemann in Schliemann/Meyer Arbeitszeitrecht 2. Aufl. Rn. 687 f.; Anzinger/Koberski ArbZG 2. Aufl. § 11 Rn. 19; Buschmann/Ulber ArbZG 4. Aufl. § 11 Rn. 5). Auch bei Sonn- und Feiertagsarbeit gelten ua. der Acht-Stunden-Tag (§ 3 ArbZG) und die Mindestruhezeiten (§ 5 ArbZG).
[15] b) Die in § 11 Abs. 2 ArbZG enthaltene Verweisung auf § 6 Abs. 5 ArbZG hat zur Folge, dass ein Arbeitnehmer, der an Sonn- und Feiertagen Nachtarbeit leistet, wegen dieser Nachtarbeit Anspruch auf eine angemessene Zahl bezahlter freier Tage oder einen angemessenen Zuschlag auf das ihm hierfür zustehende Arbeitsentgelt hat (Baeck/Deutsch aaO § 11 Rn. 14; Neumann/Biebl aaO). Durch die Verweisung in § 11 Abs. 2 ArbZG entsteht jedoch kein Anspruch auf einen gesetzlichen Sonn- und Feiertagszuschlag. Vielmehr hat der Arbeitnehmer bei Sonn- und Feiertagsarbeit nach § 11 Abs. 3 ArbZG einen Anspruch auf einen Ersatzruhetag. Hierdurch soll aus Gründen des Arbeitsschutzes ein Ausgleich für Sonn- und Feiertagsarbeit erfolgen (BT-Drucks. 12/5888 S. 30). Demgegenüber bezweckt § 11 Abs. 2 ArbZG, aus Gründen des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer die §§ 3 bis 8 ArbZG auch auf die Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen anzuwenden (BT-Drucks. 12/5888 S. 29). Der systematische Zusammenhang und die unterschiedlichen Zwecke der Absätze 2 und 3 des § 11 ArbZG schließen die Annahme eines in § 11 Abs. 2 ArbZG geregelten gesetzlichen Zuschlags für die Arbeit an Sonn- und Feiertagen aus.
[16] 2. Eine Anrufung des Großen Senats nach § 45 Abs. 2 ArbGG ist nicht veranlasst. Der Senat weicht nicht entscheidungserheblich von dem vom Kläger angezogenen Urteil des Sechsten Senats vom 27. Januar 2000 (- 6 AZR 471/98 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Rundfunk Nr. 33 = EzA TVG § 4 Rundfunk Nr. 22) ab. Der Kläger jenes Verfahrens hatte seine im Ergebnis abgewiesene Klage nicht auf gesetzliche Sonn- und Feiertagszuschläge gestützt (27. Januar 2000 – 6 AZR 471/98 – aaO, zu II 1 d der Gründe). Ob dem Urteil, wie der Kläger meint, entnommen werden kann, aus § 11 Abs. 2 ArbZG ergebe sich ein gesetzlicher Anspruch auf Sonn- und Feiertagszuschläge, bedarf deshalb keiner Erörterung.
[17] III. Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.