Bundesverwaltungsgericht
Reisekostenbetrug; Gehaltskürzung; Einstellung des Verfahrens; Vermögen des Dienstherrn; Bagatellgrenze; Dienstvergehen; Ansehen der Bundeswehr; Aufrechterhaltung der militärischen Ordnung.
StGB § 263; WDO § 38 Abs. 1, § 58 Abs. 7
Zur Bemessung der gerichtliche Disziplinarmaßnahme bei einem auf eine Reisebeihilfe von 33 € gerichteten versuchten Betrug eines Berufssoldaten zum Nachteil des Dienstherrn.

BVerwG, Urteil vom 13. 2. 2008 – 2 WD 5.07; TDG Süd (lexetius.com/2008,1289)

[1] Der Ende Juni 2006 nach Ablauf seiner Dienstzeit aus der Bundeswehr ausgeschiedene 54 Jahre alte frühere Berufssoldat mit dem Dienstgrad eines Stabsfeldwebels a. D. hatte im Jahre 2005 bei der zuständigen Truppenverwaltung drei von ihm unterzeichnete, objektiv jedoch unrichtige Reisebeihilfeanträge für drei bei ihm an seinem Kurort angeblich erfolgte Besuchsreisen seiner drei Kinder abgegeben. Tatsächlich waren die Besuchsreisen nicht von seinen Kindern, sondern von seiner Lebensgefährtin durchgeführt worden. Der Truppenverwaltung fiel bei der Bearbeitung dieser Anträge die Unrichtigkeit seiner Angaben auf, sodass es nicht zu einer Auszahlung der ihm nicht zustehenden Reisebeihilfe von insgesamt 33 € kam.
[2] Das Truppendienstgericht setzte den früheren Soldaten wegen des Dienstvergehens – unter ausdrücklicher Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (2. Wehrdienstsenat) – in den Dienstgrad eines Hauptfeldwebels a. D. herab. Auf die auf die Bemessung der Disziplinarmaßnahme beschränkte Berufung des früheren Soldaten hat das Bundesverwaltungsgericht das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und unter Feststellung, dass der frühere Soldat ein Dienstvergehen begangen hat, das Verfahren eingestellt.
Aus den Gründen: …
[3] 27 Entgegen der Auffassung der Truppendienstkammer bedarf es in vorliegendem Fall nach § 58 Abs. 7 i. V. m. § 38 Abs. 1 W DO keiner Herabsetzung des früheren Soldaten in den Dienstgrad eines Hauptfeldwebels a. D. Vielmehr ist es gemäß § 123 Satz 3 i. V. m. § 108 Abs. 3 und § 16 Abs. 1 Nr. 2 W DO geboten, das Verfahren bei Feststellung eines Dienstvergehens des früheren Soldaten einzustellen.
[4] 32 Das Dienstvergehen des früheren Soldaten ist von erheblichem Gewicht. Dabei liegt der Schwerpunkt des Dienstvergehens bei der Verletzung der Pflicht zum treuen Dienen (§ 7 SG). Die Verpflichtung zum treuen Dienen gebietet jedem Soldaten, seine dienstlichen Aufgaben und Pflichten gewissenhaft, sorgfältig und loyal gegenüber seinem Dienstherrn zur erfüllen. Das schließt ein, innerhalb und außerhalb des Dienstes mit den ihm zur Verfügung stehenden Kräften dazu beizutragen, dass die Streitkräfte der Bundeswehr ihre durch die Verfassung festgelegten Aufgaben ordnungsgemäß erfüllen können, sowie alles zu unterlassen, was diese bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben in unzulässiger Weise schwächen könnte. Zu der in § 7 SG normierten Pflicht zum "treuen Dienen" gehört insbesondere die Verpflichtung zur Loyalität gegenüber der geltenden Rechtsordnung, insbesondere die Beachtung der Strafgesetze (Urteile vom 28. September 1990 BVerwG 2 WD 27.89 BVerwGE 86, 321 [326] = Buchholz 236. 1 § 8 SG Nr. 1 = NZWehrr 1991, 32, vom 28. Januar 2004 BVerwG 2 WD 13.03 BVerwGE 120, 105 [107] = Buchholz 236. 1 § 10 SG Nr. 53 = NZWehrr 2004, 169, vom 22. März 2006 BVerwG 2 WD 7.05 Buchholz 450. 2 § 107 W DO 2002 Nr. 2 – jeweils m. w. N. und Urteil vom 26. September 2006 BVerwG 2 WD 2.06 BVerwGE 127, 1 [22] = Buchholz 449 § 10 SG Nr. 55 = NZWehrr 2007, 79). Denn die Anforderungen an die insoweit von den Soldatinnen und Soldaten geforderte "Treue" (zum Dienstherrn Bundesrepublik Deutschland) werden in der rechtsstaatlichen parlamentarischen Demokratie des Grundgesetzes, in der – anders als in der absolutistischen oder konstitutionellen Monarchie – ein monarchischer "Souverän" als personelles Bezugsobjekt für die Treueverpflichtung nicht (mehr) zur Verfügung steht, in erster Linie durch den vom Volk, von dem gemäß Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG "alle Staatsgewalt" ausgeht, gewählten Gesetzgeber und innerhalb dieses Rahmens von der parlamentarisch verantwortlichen Exekutive festgelegt (vgl. dazu u. a. Urteil vom 22. August 2007 BVerwG 2 WD 27.06 DokBer 2008, 16). Die Pflicht zum "treuen Dienen" gehört zu den zentralen Pflichten eines Soldaten. Ihre Verletzung hat in der Regel schon deshalb erhebliches Gewicht. Sie ist gerade bei solchen Vorgängen, die erfahrungsgemäß schwer kontrolliert werden können, von besonderer Bedeutung. Beim Umgang mit öffentlichem Geld und Gut ist die Bundeswehr auf die Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit ihrer Soldaten in hohem Maße angewiesen. Erfüllt ein Soldat in strafbarer Weise diese dienstlichen Erwartungen nicht, so stört er das Vertrauensverhältnis zu seinem Dienstherrn nachhaltig und begründet ernsthafte Zweifel an seiner Zuverlässigkeit und Integrität. Auch die Öffentlichkeit hat kein Verständnis dafür, wenn ein Soldat durch unrichtige Angaben in Reisebeihilfeanträgen die Gefahr begründet, dass ihm nicht zustehende öffentliche Mittel ausgezahlt werden.
[5] 33 Aber auch die Verletzungen der Pflicht zur Wahrheit (§ 13 Abs. 1 SG) sowie der in § 17 Abs. 2 Satz 1 SG normierten Pflicht jedes Soldaten, dem Ansehen der Bundeswehr sowie der Achtung und dem Vertrauen gerecht zu werden, die sein Dienst als Soldat erfordert, beziehen sich nicht auf bloße Nebenpflichten; diese Pflichten haben wegen ihres funktionellen Bezugs auf den militärischen Dienstbetrieb erhebliche Bedeutung. …
[6] 54 Unter Würdigung aller be- und entlastenden Umstände des Fehlverhaltens des früheren Soldaten ist nach dem Ergebnis der Berufungshauptverhandlung gemäß § 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 64 i. V. m. § 59 W DO eine Kürzung des Ruhegehalts (im mittleren bis oberen Bereich) angemessen und ausreichend. Eine Herabsetzung des Dienstgrades ist dagegen nicht geboten. Die Verhängung eines Beförderungsverbotes sieht § 58 Abs. 2 W DO bei früheren Soldaten nicht vor.
[7] 55 Der erkennende Senat hat in ständiger Rechtsprechung in Fällen, in denen sich ein Soldat in Vorgesetztenstellung vorsätzlich am Vermögen oder am Eigentum seines Dienstherrn vergriffen hat, als Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen grundsätzlich eine Dienstgradherabsetzung "bis" in einen Mannschaftsdienstgrad angenommen (vgl. u. a. Urteile vom 26. April 1983 BVerwG 2 WD 3.83 BVerwGE 76, 73, vom 27. Januar 1987 BVerwG 2 WD 11.86 BVerwGE 83, 273, vom 23. Oktober 1990 BVerwG 2 WD 40.90 BVerwGE 86, 341, vom 9. Juli 1991 BVerwG 2 WD 41.90 BVerwGE 93, 126 – = NZWehrr 1994, 254 und vom 27. August 2003 BVerwG 2 WD 5.03 BVerwGE 119, 1 = Buchholz 235. 01 § 38 W DO 2002 Nr. 10 m. w. N.). Erfolgte der vorsätzliche Zugriff im Bereich der dienstlichen Kernpflichten des Soldaten und wurde dadurch bei der gebotenen objektiven Betrachtung eine Fortsetzung des Dienstverhältnisses für den Dienstherrn unzumutbar, ist eine Entfernung aus dem Dienstverhältnis geboten (stRspr, vgl. u. a. Urteile vom 6. Mai 2003 BVerwG 2 WD 29.02 BVerwGE 118, 161 = Buchholz 235. 01 § 107 W DO 2002 Nr. 1 = NZWehrr 2004, 31 und vom 27. August 2003 a. a. O.). Auch bei vorsätzlich versuchter oder vollendeter Schädigung bzw. Gefährdung des Vermögens des Dienstherrn durch einen Reisekosten- oder Trennungsgeldbetrug hat der Senat in seiner – früheren – Rechtsprechung als Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen stets eine Dienstgradherabsetzung "bis" in einen Mannschaftsdienstgrad, gegebenenfalls bei erheblichen Erschwerungsgründen auch die disziplinare Höchstmaßnahme in Betracht gezogen (vgl. Urteile vom 27. April 1994 BVerwG 2 WD 38.93 BVerwGE 103, 104 = NZWehrr 1994, 213, vom 29. Februar 1996 BVerwG 2 WD 35.95 Buchholz 235. 0 § 34 W DO Nr. 13 = § 85 W DO Nr. 1, vom 21. Juni 2000 BVerwG 2 WD 19.00 Buchholz 236. 1 § 7 SG Nr. 37 = NZWehrr 2001, 33 und vom 26. April 2001 BVerwG 2 WD 47.00 -). Es bedurfte danach in solchen Fällen ganz erheblicher Milderungsgründe in den Umständen der Tat, um von einer Dienstgradherabsetzung im Einzelfalle Abstand nehmen zu können.
[8] 56 In seiner neueren Rechtsprechung hat der Senat allerdings aus Gründen der Gleichbehandlung und der Einheitlichkeit der Rechtsprechung (Art. 3 Abs. 1 GG) in allen Fällen des Zugriffs eines Soldaten auf Vermögen des Dienstherrn, auch in Gestalt unrichtiger oder unvollständiger Reisekostenabrechnungen, bei der Bemessung von Art und Höhe der Disziplinarmaßnahme vor allem nach der Schwere des Dienstvergehens und dem Maß der Schuld differenziert (vgl. u. a. Urteile vom 18. September 2003 BVerwG 2 WD 3.03 BVerwG 119, 76 = Buchholz 235. 01 § 38 W DO 2002 Nr. 11 = NZWehrr 2005, 122, vom 18. Februar 2004 BVerwG 2 WD 11.03 Buchholz 235. 01 § 38 W DO 2002 Nr. 15 und vom 22. März 2006 BVerwG 2 WD 7.05 Buchholz 450. 2 § 107 W DO 2002 Nr. 2). Denn gerade auch im Disziplinarrecht ist das verfassungsrechtlich gewährleistete Verhältnismäßigkeitsgebot zu beachten. Dieses ist im Soldaten-Disziplinarrecht vom Gesetzgeber dahingehend konkretisiert, dass die Bemessung der Disziplinarmaßnahme stets in einem angemessenen Verhältnis zum Dienstvergehen und seinem Unrechtsgehalt (vgl. § 38 Abs. 1 W DO "Eigenart und Schwere") stehen (vgl. Urteile vom 27. August 2003 a. a. O., vom 18. Februar 2004 a. a. O. und vom 22. März 2006 a. a. O.) sowie ferner die Auswirkungen des Dienstvergehens, das Maß der Schuld, die bisherige Führung und die Persönlichkeit sowie die Beweggründe des Soldaten berücksichtigen muss. Deshalb ist eine Differenzierung nach der Eigenart und Schwere des Dienstvergehens sowie nach den weiteren im Gesetz genannten Kriterien der Maßnahmebemessung zwingend geboten, und zwar nicht nur nach "oben", sondern auch nach "unten". Davon sind bestimmte Arten von Dienstvergehen, etwa solche zu Lasten des Vermögens des Dienstherrn, nicht ausgenommen. Das Verhältnismäßigkeitsgebot steht nicht zur Disposition der Wehrdienstgerichte.
[9] 57 Soweit die Truppendienstkammer im angefochtenen Urteil demgegenüber angeführt hat, zur Vermeidung einer "privilegierenden" Ungleichbehandlung von Soldaten gegenüber in privatrechtlichen Arbeitsverhältnissen stehenden Arbeitnehmern sei unabhängig von den konkreten Auswirkungen des Fehlverhaltens bei jedem Zeit- oder Berufssoldaten, "der sich zu Lasten seines Dienstherrn einen rechtswidrigen Vermögensvorteil verschafft bzw. zu verschaffen versucht" und damit eine "verwerfliche Tat" begangen hat, "in Fällen der vorliegenden Art stets eine deutliche Dienstgradherabsetzung zum Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen zu machen", folgt dem der Senat in dieser Pauschalität nicht. Zwar geht auch der Senat, wie dargelegt, davon aus, dass bei der Schädigung des Eigentums oder Vermögens des Dienstherrn durch einen Soldaten Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen stets eine Dienstgradherabsetzung ist. Eine Differenzierung der gerichtlichen Maßnahmebemessung nach der Eigenart und Schwere des Dienstvergehens sowie nach den weiteren in § 58 Abs. 7 i. V. m. § 38 Abs. 1 W DO genannten Kriterien ist jedoch rechtlich zwingend geboten. Angesichts der Unterschiedlichkeit des Unrechtsgehalts, der Auswirkungen, des Maßes der Schuld des Dienstvergehens sowie der bisherigen Führung, der Persönlichkeit und der Beweggründe des betroffenen Soldaten kann diese Differenzierung nicht nur nach "oben" (Degradierung "bis" in den Mannschaftsdienstgrad oder Verhängung der Höchstmaßnahme), sondern muss auch nach "unten", also zugunsten des betroffenen Soldaten, erfolgen.
[10] 58 Die von der Truppendienstkammer angeführte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urteil vom 11. Dezember 2003 – 2 AZR 36/03) steht dem nicht entgegen.
[11] 59 Die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung geht überwiegend zwar davon aus (anderer Auffassung: u. a. Schwerdtner, in: Münchner Kommentar zum BGB, 4. Aufl. 2005, § 626 Rn. 178 und 185 ff.; Däubler, Das Arbeitsrecht 2, 11. Aufl. 1998, Rn. 1137; Gerhards, BB 1996, 794 [796]), dass von einem Arbeitnehmer begangene Eigentums- und Vermögensdelikte zum Nachteil des Arbeitgebers an sich geeignet sind, eine außerordentliche ("fristlose") Kündigung zu rechtfertigen (sog. Prüfung auf der ersten Stufe des § 626 Abs. 1 B GB). Dies gelte auch dann, wenn es um Gegenstände von geringem Wert gehe. Aber erst die Würdigung, ob dem Arbeitgeber deshalb außerdem die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist bzw. der vertragsgemäßen Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile unzumutbar ist (sog. Prüfung auf der zweiten Stufe des § 626 Abs. 1 B GB), kann zur Feststellung der Berechtigung/Nichtberechtigung der außerordentlichen Kündigung führen (vgl. dazu u. a. Urteile des BAG vom 17. Mai 1984 – 2 AZR 3/83 – AP Nr. 14 zu § 626 B GB, vom 12. August 1999 – 2 AZR 923/98BAGE 92, 184 m. w. N. und vom 11. Dezember 2003 a. a. O. m. w. N.).
[12] 60 Unabhängig davon ist bereits im Ausgangspunkt festzuhalten, dass das Bundesverwaltungsgericht im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG nicht gehalten ist, Dienstvergehen eines Soldaten nach den gleichen Maßstäben zu beurteilen, die bei Arbeitsvertragsverstößen oder Straftaten von Arbeitnehmern von den Arbeitsgerichten angewendet werden. Selbst abweichende Auslegungen derselben Rechtsnorm durch verschiedene Gerichte verletzen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG nicht, weil die Rechtspflege angesichts der verfassungsrechtlichen Garantie der richterlichen Unabhängigkeit (Art. 92 und 97 Abs. 1 GG) konstitutionell "uneinheitlich" ist (vgl. dazu die ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, u. a. Beschlüsse vom 26. April 1988 – 1 BvR 669, 686, 687/87 – BVerfGE 78, 123 [126] und vom 3. November 1992 – 1 BvR 1243/88BVerfGE 87, 273 [278]; Dürig, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. I, Stand: Juni 2007, Art. 3 Abs. 1 Rn. 410).
[13] 61 Entscheidend ist aber letztlich, dass der Rechtsprechung des Senats bei der disziplinarrechtlichen Würdigung von Dienstvergehen von Soldaten andere Rechtsnormen zugrunde liegen als der Judikatur der Arbeitsgerichte bei Vermögensdelikten in privatrechtlichen Arbeitsverhältnissen. Die vom Gesetzgeber für die Bemessung von gerichtlichen Disziplinarmaßnahmen der Wehrdienstgerichte getroffenen Regelungen in § 58 Abs. 7 i. V. m. § 38 Abs. 1 W DO unterscheiden sich sowohl verfahrens- als auch materiellrechtlich grundlegend von den Rechtsnormen, nach denen sich die Rechtmäßigkeit z. B. einer von einem Arbeitgeber gegenüber einem Arbeitnehmer ausgesprochenen ordentlichen oder außerordentlichen Kündigung bemisst. Ob etwa im Falle einer Verletzung von Eigentum oder Vermögen des Arbeitgebers durch einen Arbeitnehmer nach § 626 B GB eine fristlose Kündigung gerechtfertigt ist oder nicht, ist für die Bemessung einer gerichtlichen Disziplinarmaßnahme gegen einen Soldaten oder früheren Soldaten nach § 58 Abs. 7 i. V. m. § 38 Abs. 1 W DO ohne rechtliche Bedeutung. Es ist Sache des Gesetzgebers, für Pflichtverletzungen in unterschiedlichen Rechtsbereichen die rechtspolitische Angemessenheit gleicher oder unterschiedlicher disziplinarer Sanktionen oder Maßnahmen zu beurteilen und hierüber zu entscheiden. Die Gerichte sind gemäß Art. 20 Abs. 3 und Art. 97 Abs. 1 GG an diese gesetzgeberischen Entscheidungen, sofern diese nicht ihrerseits verfassungswidrig sind, gebunden, und zwar auch dann, wenn es bei den gesetzgeberischen Entscheidungen in den verschiedenen Rechtsbereichen zu vermeintlichen oder tatsächlichen Wertungswidersprüchen gekommen ist.
[14] 62 Im Übrigen weist der Senat darauf hin, dass auch in der Rechtsprechung der für das Beamtenrecht zuständigen Senate des Bundesverwaltungsgerichts bei der Bemessung einer gegen einen Beamten, der das Vermögen oder das Eigentum des Dienstherrn geschädigt hat, zu verhängenden Disziplinarmaßnahme die Höhe des angerichteten Schadens Berücksichtigung findet.
[15] 63 Nach der Rechtsprechung des Disziplinarsenats und des 2. Revisionssenats des Bundesverwaltungsgerichts kann – bei anvertrauten angeeigneten Gegenständen – in Anlehnung an § 248 a St GB (Verfolgung von Diebstahl und Unterschlagung geringwertiger Sachen) von der Entfernung eines Beamten aus dem Dienst dann abgesehen werden, wenn der veruntreute Betrag gering ist und durch das Dienstvergehen keine weiteren wichtigen öffentlichen oder privaten Interessen verletzt sind. Bei der Bemessung der Geringwertigkeitsgrenze ging der Disziplinarsenat zunächst von einem Betrag von 50 DM aus, "ohne damit allerdings eine starre Grenze festzusetzen, wie es auch den Grundsätzen zu § 248 a St GB entspricht" (vgl. Urteil vom 24. November 1992 BVerwG 1 D 66.91 BVerwGE 93, 314); zwischenzeitlich hat er diesen Wert auf 50 Euro erhöht (Urteil vom 11. Juni 2002 BVerwG 1 D 31.01 BVerwGE 116, 308 = Buchholz 232 § 54 Satz 2 B BG Nr. 28). Dem ist der 2. Revisionssenat gefolgt (vgl. u. a. Beschluss vom 22. September 2006 BVerwG 2 B 52.06 DÖD 2007, 187). Diese Grundsätze dürften entsprechende Berücksichtigung finden, wenn das in Rede stehende Vermögen dem betreffenden Beamten nicht anvertraut war.
[16] 64 Im vorliegenden Fall war das Vermögen des Dienstherrn, gegen das sich das Dienstvergehen des früheren Soldaten richtete, diesem nicht anvertraut. Denn über die Bewilligung und Auszahlung der Reisekostenbeihilfe hatte die Truppenverwaltung zu entscheiden. Die in der Rechtsprechung der für das Beamten recht zuständigen Senate des Bundesverwaltungsgerichts herangezogene "Bagatellgrenze" ist im vorliegenden Fall nicht erreicht. Ein Vermögensschaden trat nicht ein; die von dem früheren Soldaten verursachte Vermögensgefährdung war auf einen Betrag von 33 € gerichtet.
[17] 65 Unter Abwägung aller für und gegen den früheren Soldaten sprechenden Gesichtspunkte kommt als angemessene Maßnahme im vorliegenden Fall nach der Überzeugung des Senats allein eine Kürzung des Ruhegehalts im mittleren bis oberen Bereich in Betracht. Eine Herabsetzung des Dienstgrades des aus der Bundeswehr mit Ablauf des 30. Juni 2006 ausgeschiedenen früheren Soldaten ist dagegen angesichts der nicht eingetretenen Vollendung der Straftat, der relativ geringen konkreten Auswirkungen des Dienstvergehens, des bei einer Versuchstat ohnehin geringeren Maßes der Schuld sowie wegen der strafrechtlichen Unbescholtenheit des früheren Soldaten, seiner ansprechenden dienstlichen Leistungen und wegen seiner gezeigten Einsicht in sein Fehlverhalten nicht geboten. Die Verhängung eines Beförderungsverbotes ist bei früheren Soldaten im Gesetz nicht vorgesehen.
[18] 66 Im Hinblick auf den Zweck des Wehrdisziplinarrechts, zur Aufrechterhaltung und Wiederherstellung eines geordneten Dienstbetriebs beizutragen (stRspr, vgl. u. a. Urteile vom 2. Juli 1997 BVerwG 2 WD 12.97 –, vom 13. Juli 1999 BVerwG 2 WD 4.99 Buchholz 236. 1 § 7 SG Nr. 30, vom 28. Oktober 2003 BVerwG 2 WD 8.03 DokBer 2004, 78 und vom 13. November 2007 BVerwG 2 WD 20.06 -), sind bei der konkreten Maßnahmebemessung regelmäßig sowohl auf den Täter bezogene spezial-, als auch generalpräventive Gesichtspunkte bei der Maßnahmebemessung zu berücksichtigen.
[19] 67 Da der frühere Soldat bereits mit Ablauf des 30. Juni 2006 aus der Bundeswehr ausgeschieden ist und sich im Ruhestand befindet, ist eine Dienstgradherabsetzung zur Pflichtenmahnung aus verwendungsbezogenen spezialpräventiven Gründen nicht mehr erforderlich. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass er künftig zum Dienst in der Bundeswehr noch herangezogen wird, sind nicht ersichtlich, auch wenn er weiterhin der Wehrüberwachung unterliegt.
[20] 68 Aber auch generalpräventive Gesichtspunkte erfordern vor allem angesichts des verminderten Unrechtsgehalts der verletzten Dienstpflichten, der relativ geringfügigen konkreten Auswirkungen des Dienstvergehens und der gezeigten Unrechtseinsicht des früheren Soldaten keine Dienstgradherabsetzung. Eine "Bagatellisierung" des Dienstvergehens ist damit nicht verbunden. Mit dem vorliegenden Urteil wird unmissverständlich festgestellt, dass der frühere Soldat mit den festgestellten schuldhaften Pflichtverletzungen ein Dienstvergehen begangen hat. Da das Dienstvergehen nach den getroffenen Feststellungen – über den damit dienstlich unmittelbar befassten Personenkreis hinaus – im dienstlichen Umfeld des früheren Soldaten und in der Öffentlichkeit nicht bekannt geworden ist, steht nicht zu befürchten, dass andere Soldaten in ihrem Rechtsbewusstsein und in ihrer Bereitschaft zur ordnungsgemäßen Erfüllung ihrer Dienstpflichten beeinträchtigt werden.
[21] 69 Erfolgte das unrichtige oder unvollständige Ausfüllen und Einreichen eines Reisekostenantrages mit einem geringeren Maß der Schuld (z. B. teils vorsätzlich, teils fahrlässig), so hat der Senat bereits früher eine Dienstgradherabsetzung nicht für zwingend geboten gehalten, sondern eine mildere Maßnahme verhängt, zum Beispiel eine Gehaltskürzung (vgl. etwa Urteil vom 16. März 1989 BVerwG 2 WD 42.88 DokBer B 1989, 237). Im vorliegenden Fall ist insoweit zu berücksichtigen, dass die Staatsanwaltschaft unanfechtbar das sachgleiche Strafverfahren nach § 153a Abs. 1 St PO nach Erfüllung von Auflagen eingestellt hat, weil die Schwere der Schuld dem nicht entgegenstand.
[22] 70 Wegen des – gegenüber durchschnittlichen Fällen – objektiv geringeren Gewichts des Dienstvergehens erschiene es aus Gründen der Verhältnismäßigkeit zudem nicht angemessen, durch eine Dienstgradherabsetzung das Ruhegehalt des früheren Soldaten auf unabsehbare Zeit zu kürzen. Bei einem Soldaten im Ruhestand wirkt sich eine Dienstgradherabsetzung wie eine Kürzung des Ruhegehalts auf Dauer aus, weil der davon Betroffene – anders als ein aktiver Soldat – nicht mehr die Möglichkeit hat, seinen früheren Dienstgrad nach erfolgter Bewährung erneut zu erreichen. Demgegenüber kann ein früherer Soldat auch nicht auf die abstrakte Möglichkeit eines späteren Gnadengesuchs verwiesen werden. Denn bereits bei einer Entscheidung über die gebotene und angemessene gerichtliche Disziplinarmaßnahme ist das verfassungsrechtliche und in § 58 Abs. 7 i. V. m. § 38 Abs. 1 W DO konkretisierte Verhältnismäßigkeitsgebot zu beachten. Hierauf besteht ein Anspruch von Rechts wegen, nicht aber erst im Wege einer Gnadenentscheidung.
[23] 71 Da die Staatsanwaltschaft im vorliegenden Fall unanfechtbar das sachgleiche Strafverfahren nach § 153a Abs. 1 Satz 5 St PO nach Erfüllung von Auflagen eingestellt hat, kommt die – an sich gebotene – nach Maßgabe der §§ 58 Abs. 2 Nr. 1, 64, 59 WDO vorzunehmende (befristete) Kürzung des Ruhegehalts nur in Betracht, soweit dies § 16 Abs. 1 Nr. 2 W DO zulässt. Nach dieser Vorschrift darf dann, wenn – wie hier – eine Tat nach § 153a Abs. 1 Satz 5 oder Abs. 2 Satz 2 St PO nach Erfüllung von Auflagen nicht mehr als Vergehen verfolgt werden darf, wegen desselben Sachverhalts eine Kürzung des Ruhegehalts nur verhängt werden, wenn dies zusätzlich erforderlich ist, um die militärische Ordnung aufrechtzuerhalten oder wenn durch das Fehlverhalten das Ansehen der Bundeswehr ernsthaft beeinträchtigt worden ist.
[24] 72 Anders als in dem vom erkennenden Senat mit Urteil vom 22. März 2006 entschiedenen Verfahren (- BVerwG 2 WD 7.05 Buchholz 450. 2 § 107 W DO 2002 Nr. 2) sind vorliegend keine dieser beiden Voraussetzungen erfüllt.
[25] 73 Das Ansehen der Bundeswehr ist durch das festgestellte Fehlverhalten des früheren Soldaten nicht ernsthaft beeinträchtigt worden.
[26] 74 Eine Beeinträchtigung des "Ansehens" der Bundeswehr, also ihres "guten Rufs" bei Außenstehenden, liegt dann vor, wenn der betreffende Soldat als "Repräsentant" der Bundeswehr oder eines bestimmten Truppenteils anzusehen ist und sein Verhalten negative Rückschlüsse auf die Streitkräfte als Angehörige eines – an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG), insbesondere an die Grundrechte (Art. 1 Abs. 3 GG) gebundenen – Organs des sozialen und demokratischen Rechtsstaats Bundesrepublik Deutschland (vgl. Urteile vom 28. September 1990 BVerwG 2 WD 27.89 BVerwGE 86, 321 [329 f.] = Buchholz 236. 1 § 8 SG Nr. 1 = NZWehrr 1991, 32, und vom 22. August 2007 BVerwG 2 WD 27.06 – DokBer 2008, 16; Scherer/Alff, SG, 7. Aufl. 2003, § 17 Rn. 25) zulässt. Der "gute Ruf" der Bundeswehr bezieht sich namentlich auch auf die Qualität der Ausbildung, die sittlich-moralische Integrität und die allgemeine Dienstauffassung ihrer Soldatinnen und Soldaten sowie die – an Recht und Gesetz gebundene – militärische Disziplin der Truppe (vgl. u. a. Urteile vom 18. Juli 1995 BVerwG 2 WD 32.94 BVerwGE 103, 257 [259] = Buchholz 236. 1 § 12 SG Nr. 2 = NZWehrr 1996, 34 und vom 22. August 2007 a. a. O.; Scherer/Alff, a. a. O.). Wie sich aus dem insoweit eindeutigen Wortlaut der Vorschrift des § 16 Abs. 1 Nr. 2 W DO ("wenn durch das Fehlverhalten das Ansehen der Bundeswehr ernsthaft beeinträchtigt wurde …") ergibt, muss eine Ansehensschädigung im konkreten Fall tatsächlich eingetreten sein.
[27] 75 Der frühere Soldat war im dargelegten Sinne kein "Repräsentant" der Bundeswehr. Denn er handelte als Antragsteller für drei Reisebeihilfen allein gegenüber der Truppenverwaltung. Das festgestellte Verhalten wurde zudem nach den getroffenen Feststellungen bei Außenstehenden nicht bekannt.
[28] 76 Die Verhängung dieser Disziplinarmaßnahme ist auch nicht erforderlich, um die militärische Ordnung aufrechtzuerhalten. Anders als in dem mit Urteil vom 22. März 2006 vom erkennenden Senat entschiedenen Fall (BVerwG 2 WD 7.05) führte das Fehlverhalten des früheren Soldaten zu keinem Vermögensschaden des Dienstherrn. Anders als in jenem Fall wurde der frühere Soldat auch nicht aufgrund des Dienstvergehens von seinem Dienstposten abgelöst und wegversetzt. Sein unmittelbarer Disziplinarvorgesetzter und der Kommandeur der … hatten das erforderliche Vertrauen in seine persönliche und dienstliche Integrität nicht gänzlich verloren und setzten ihn bis zu seinem damals in wenigen Monaten bevorstehenden Dienstzeitende weiterhin in seinem bisherigen Verwendungsbereich ein. Der frühere Soldat bestätigte in der Folgezeit das in ihn gesetzte Vertrauen seiner Vorgesetzten. Angesichts des von ihm gezeigten Verhaltens nach der Tat und seiner dabei glaubhaft offenbarten Einsicht in sein – von ihm nachdrücklich bedauertes – Fehlverhalten steht jedenfalls zum allein maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats nicht (mehr) zu befürchten, dass sich der frühere Soldat ungeachtet der erfolgten strafrechtlichen Reaktion und der mit dem vorliegenden Urteil erfolgenden ausdrücklichen Feststellung eines Dienstvergehens künftig damit brüsten könnte, er habe letztlich "obsiegt". Ebenso wenig steht zu befürchten, dass Angehörige der Bundeswehr den Eindruck gewinnen könnten, ein Soldat, der demnächst in den Ruhestand tritt, brauche bei einer im Dienst begangenen (versuchten) Betrugshandlung im Zusammenhang mit der Abrechnung von Reisekosten nach seinem Ausscheiden aus der Bundeswehr nicht mehr mit einer disziplinargerichtlichen Ahndung zu rechnen.
[29] 77 Damit ist das Verfahren nach § 123 Satz 3 i. V. m. § 108 Abs. 3 W DO wegen des Verhängungsverbotes (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 W DO) bei gleichzeitiger Feststellung eines Dienstvergehens einzustellen. …