Bundesarbeitsgericht
Doppelte Schriftformklausel – AGB-Kontrolle
1. Eine vom Arbeitgeber im Arbeitsvertrag als Allgemeine Geschäftsbedingung aufgestellte doppelte Schriftformklausel kann beim Arbeitnehmer den Eindruck erwecken, jede spätere vom Vertrag abweichende mündliche Abrede sei gemäß § 125 Satz 2 BGB nichtig. Das entspricht nicht der wahren Rechtslage. Denn gemäß § 305b BGB haben individuelle Vertragsabreden Vorrang vor Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Dieses Prinzip des Vorrangs (mündlicher) individueller Vertragsabreden setzt sich auch gegenüber doppelten Schriftformklauseln durch. Eine zu weit gefasste doppelte Schriftformklausel ist irreführend. Sie benachteiligt den Vertragspartner deshalb unangemessen iSv. § 307 Abs. 1 BGB.
2. Der Vorrang von Individualabreden gemäß § 305b BGB erfasst zwar nicht betriebliche Übungen. Eine zu weit gefasste Schriftformklausel wird aber nicht auf das richtige Maß zurückgeführt, sondern muss insgesamt als unwirksam angesehen werden.
BAG, Urteil vom 20. 5. 2008 – 9 AZR 382/07 (lexetius.com/2008,2446)
[1] Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 13. April 2007 – 9 Sa 143/07 – wird zurückgewiesen.
[2] Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
[3] Tatbestand: Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger die Miete für eine am Arbeitsort in C angemietete Wohnung zu erstatten.
[4] Der Kläger war bei der Beklagten auf Grund Anstellungsvertrags vom 2. Mai 2002 seit dem 6. Mai 2002 als Büroleiter/K, C, beschäftigt. Sein Lebenspartner war bei der Beklagten seit dem 6. Mai 2002 als Produktionsleiter/K, C, tätig. Der Kläger bewohnte mit ihm eine gemeinsame Wohnung in C. Mieter dieser Wohnung war der Kläger. Die monatliche Miete betrug 22. 550, 00 RMB (= 2.301,91 Euro).
[5] Der Kläger übersandte der Beklagten monatlich eine Excel-Tabelle mit einer Aufstellung des monatlichen Budgets. Darin waren auch die Kosten für die Miete der von ihm und seinem Lebenspartner genutzten Wohnung sowie die Kosten für Mieten anderer Mitarbeiter enthalten. Die Beklagte erstattete diese Aufwendungen monatlich.
[6] Mit Schreiben vom 26. Juli 2005 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Lebenspartners des Klägers fristlos. Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf (- 9 Sa 1637/05 -) stellte durch Urteil vom 12. Januar 2007 fest, dass diese Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht beendete. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete auf Grund fristgerechter Kündigung der Beklagten vom 12. August 2005 mit Ablauf des 31. März 2006.
[7] Die Beklagte verweigert die Erstattung der Miete für die Monate Juli 2005 bis März 2006 unter Berufung auf § 13 Ziff. 1 des Anstellungsvertrags der Parteien vom 2. Mai 2002. Darin heißt es:
"… Änderungen und Ergänzungen dieses Vertrages sind, auch wenn sie bereits mündlich getroffen wurden, nur wirksam, wenn sie schriftlich festgelegt und von beiden Parteien unterzeichnet worden sind. Dies gilt auch für den Verzicht auf das Schriftformerfordernis. …"
[8] Der Kläger hat die Auffassung vertreten, nach § 305b BGB habe die Vereinbarung der Parteien über die Mieterstattung Vorrang vor der Schriftformklausel in § 13 Ziff. 1 des Anstellungsvertrags. Im Übrigen sei die Schriftformklausel nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.
[9] Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 20.717,19 Euro netto nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 2.301,91 Euro seit dem 1. August, 1. September, 1. Oktober, 1. November, 1. Dezember 2005, 1. Januar, 1. Februar, 1. März und 1. April 2006 zu zahlen.
[10] Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die vertraglich vereinbarte doppelte Schriftformklausel stehe dem Entstehen einer betrieblichen Übung entgegen. Es bestehe auch keine vorrangige Individualabrede iSv. § 305b BGB. Die Schriftformklausel benachteilige den Kläger auch nicht unangemessen iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.
[11] Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht die Beklagte verurteilt, die Miete für den streitgegenständlichen Zeitraum iHv. 20.717,19 Euro zu zahlen. Dagegen wendet sich die Beklagte mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision.
[12] Entscheidungsgründe: A. Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass ein Anspruch des Klägers gegenüber der Beklagten auf Erstattung der Miete für die von ihm in C angemietete Wohnung aus betrieblicher Übung besteht.
[13] I. Die Voraussetzungen einer betrieblichen Übung sind erfüllt.
[14] 1. Unter einer betrieblichen Übung ist die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers zu verstehen, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden. Dieses als Vertragsangebot zu wertende Verhalten des Arbeitgebers wird von den Arbeitnehmern durch widerspruchslose Inanspruchnahme der Leistung angenommen. Der Zugang der Annahmeerklärung ist gem. § 151 Satz 1 BGB entbehrlich. Durch die betriebliche Übung erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen. Eine betriebliche Übung ist für jeden Gegenstand vorstellbar, der arbeitsvertraglich in einer so allgemeinen Form geregelt werden kann (Senat 20. Januar 2004 – 9 AZR 43/03 – AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 65 = EzA BetrAVG § 1 Betriebliche Übung Nr. 5, zu B II 1 der Gründe). Entscheidend für die Entstehung eines Anspruchs ist jedoch nicht der Verpflichtungswille, sondern wie der Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände (§§ 133, 157 BGB) verstehen musste und durfte (Senat 20. Januar 2004 – 9 AZR 43/03 – aaO; BAG 16. Januar 2002 – 5 AZR 715/00 – AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 56 = EzA TVG § 4 Tariflohnerhöhung Nr. 37, zu I 1 der Gründe).
[15] 2. Das Landesarbeitsgericht hat eine betriebliche Übung angenommen. Das hält auch einer unbeschränkten Prüfung durch das Revisionsgericht stand. Deshalb kann dahinstehen, ob für die Frage einer vertraglichen Einheitsregelung der für atypische Erklärungen geltende eingeschränkte Prüfungsmaßstab gilt oder sie einer uneingeschränkten revisionsrichterlichen Überprüfung unterliegt (hinsichtlich einer betrieblichen Übung erneut offengelassen von Senat 22. Januar 2008 – 9 AZR 999/06 – Rn. 22, DB 2008, 1326 mwN zu der Kontroverse).
[16] 3. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, dass zwischen den Parteien eine betriebliche Übung auf Erstattung der Miete entstanden ist. Der Kläger nahm seit Beginn des Arbeitsverhältnisses die Miete für die von ihm in C gemietete Wohnung in das monatliche Budget auf. Die Beklagte ersetzte diese Aufwendungen monatlich, ohne einen Vorbehalt zu erklären. Ebenso verfuhr sie hinsichtlich der Mieten ihrer anderen in C tätigen Arbeitnehmer. Dieses über einen längeren Zeitraum regelmäßig wiederholte, vorbehaltlose Verhalten der Beklagten durfte der Kläger dahingehend verstehen, die Mieten sollten auf Dauer erstattet werden. Der Kläger durfte dieses Verhalten als Vertragsangebot werten und nahm es stillschweigend durch vorbehaltlose Entgegennahme der Erstattungsleistungen an. Der Zugang der Annahme gegenüber der Beklagten war entbehrlich, § 151 Satz 1 BGB.
[17] II. Die Bindung der Beklagten scheitert nicht an der doppelten Schriftformklausel in § 13 Ziff. 1 des Anstellungsvertrags. Zwar hat nach § 125 Satz 2 BGB der Verstoß gegen eine vertraglich vereinbarte Formvorschrift im Zweifel die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts zur Folge. Die formularmäßige Schriftformklausel hält jedoch einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB nicht stand.
[18] 1. Schriftformklauseln können das Entstehen einer betrieblichen Übung verhindern.
[19] a) Eine einfache Schriftformklausel, nach der Änderungen und Ergänzungen des Vertrags der Schriftform bedürfen, verhindert allerdings nicht, dass eine betriebliche Übung entsteht. Die Vertragsparteien können das für eine Vertragsänderung vereinbarte Schriftformerfordernis jederzeit schlüssig und formlos aufheben (Senat 17. Juli 2007 – 9 AZR 819/06 – Rn. 25, EzA TzBfG § 8 Nr. 17). Das ist sogar dann möglich, wenn die Vertragsparteien bei ihrer mündlichen Abrede an die Schriftform überhaupt nicht gedacht haben. Ein vereinbartes Schriftformerfordernis kann deshalb auch durch eine formfreie betriebliche Übung abbedungen werden (BAG 28. Oktober 1987 – 5 AZR 518/85 – AP AVR § 7 Caritasverband Nr. 1 = EzA BGB § 125 Nr. 10, zu III 2 der Gründe).
[20] b) Bei einer Schriftformklausel, die – wie hier § 13 des Arbeitsvertrags – nicht nur für Vertragsänderungen die Schriftform vorschreibt, sondern auch Änderungen der Schriftformklausel ihrerseits der Schriftform unterstellt, ist dies nicht möglich. Eine solche doppelte Schriftformklausel kann regelmäßig nicht durch eine die Schriftform nicht wahrende Vereinbarung abbedungen werden (BGH 2. Juni 1976 – VIII ZR 97/74 – BGHZ 66, 378, für Vereinbarungen unter Kaufleuten; BFH 31. Juli 1991 – I S 1/91 – BFHE 165, 256, für einen GmbH-Geschäftsführervertrag). An der Verwendung gerade der doppelten Schriftformklausel wird deutlich, dass die Vertragsparteien auf die Wirksamkeit ihrer Schriftformklausel besonderen Wert legen. Ein Verstoß führt gem. § 125 Satz 2 BGB zur Nichtigkeit der Änderungsabrede (MünchKommBGB/Förschler 3. Aufl. Bd. 1 § 125 Rn. 77). Durch die doppelte Schriftformklausel kann deshalb verhindert werden, dass eine betriebliche Übung entsteht. Das hat der Senat bereits entschieden (24. Juni 2003 – 9 AZR 302/02 – BAGE 106, 345, zu A II 2 c bb (3) der Gründe). Hieran ist festzuhalten.
[21] c) Die Unwirksamkeit nicht formwahrender Änderungen des Arbeitsvertrags gem. § 125 Satz 2 BGB setzt allerdings voraus, dass die Parteien eine konstitutive Schriftformklausel vereinbart haben. Bei einer solchen Klausel sind Änderungen und Ergänzungen des Vertrags ohne Beachtung der Schriftform unwirksam. Dient die Einhaltung der Form dagegen nur Beweiszwecken, handelt es sich um eine deklaratorische Schriftformklausel. Die gegen eine solche Klausel verstoßende Abrede ist nicht nichtig (vgl. zur Unterscheidung zwischen konstitutiver und deklaratorischer Bedeutung von Schriftformerfordernissen in Tarifverträgen: BAG 1. Dezember 2004 – 7 AZR 135/04 – BAGE 113, 64, zu I 4 b bb der Gründe; 5. Juni 2002 – 7 AZR 205/01 – AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 236 = EzA BGB § 620 Nr. 195, zu I 3 der Gründe). Es ist durch Auslegung zu ermitteln, ob ein konstitutives oder nur ein deklaratorisches Schriftformerfordernis vereinbart ist. Führt die Auslegung der vertraglichen Schriftformklausel zu keinem Ergebnis, so greift die Vermutung des § 125 Satz 2 BGB ein, wonach das rechtsgeschäftliche Formerfordernis im Zweifel konstitutive Bedeutung hat (MünchKommBGB/Förschler § 125 Rn. 76).
[22] d) Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht ein konstitutives Schriftformerfordernis angenommen. Dies folgt schon aus dem unzweifelhaften Wortlaut der Klausel. Danach sollen Änderungen und Ergänzungen des Vertrags "nur wirksam" sein, wenn sie schriftlich festgelegt und von beiden Parteien unterzeichnet worden sind. Die Klausel bestimmt damit selbst als Rechtsfolge ihrer Nichteinhaltung die Unwirksamkeit der formlosen Vereinbarung. Dieses Ergebnis wird dadurch bestätigt, dass die Schriftform auch für den Verzicht auf das Schriftformerfordernis erforderlich sein soll. Gerade durch die Verwendung einer doppelten Schriftformklausel wird deutlich, dass die Parteien einerseits auf die Wirksamkeit der Schriftformklausel besonderen Wert legen, andererseits ein Verstoß auch zur Unwirksamkeit der Änderungsabrede führen soll (Senat 24. Juni 2003 – 9 AZR 302/02 – BAGE 106, 345, zu A II 2 c bb (3) der Gründe).
[23] 2. Die betriebliche Übung führt trotz Nichteinhaltung der Schriftform nicht deshalb zu einem Anspruch, weil nach § 305b BGB individuelle Vertragsabreden Vorrang vor Allgemeinen Geschäftsbedingungen haben.
[24] a) § 13 Ziff. 1 des Anstellungsvertrags vom 2. Mai 2002 ist eine Allgemeine Geschäftsbedingung.
[25] aa) Der Arbeitsvertrag der Parteien wurde im Jahre 2002 geschlossen. Auf ihn sind die Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches in der Fassung des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 anzuwenden. Hierzu gehört auch die in den §§ 305 bis 310 BGB geregelte Gestaltung des Schuldverhältnisses durch Allgemeine Geschäftsbedingungen.
[26] bb) Nach § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Allgemeine Geschäftsbedingungen alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss des Vertrags stellt. Vertragsbedingungen sind für eine Vielzahl von Verträgen bereits dann vorformuliert, wenn ihre dreimalige Verwendung beabsichtigt ist (BAG 1. März 2006 – 5 AZR 363/05 – Rn. 20, BAGE 117, 155).
[27] (1) Das Landesarbeitsgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Beklagte den Arbeitsvertrag zum Zwecke der Mehrfachverwendung vorformulierte. Der Senat kann dennoch Allgemeine Geschäftsbedingungen annehmen. Aus dem Inhalt und der äußeren Gestaltung der in einem Vertrag verwendeten Bedingungen kann sich ein vom Verwender zu widerlegender Anschein dafür ergeben, dass sie zur Mehrfachverwendung formuliert worden sind (BGH 24. November 2005 – VII ZR 87/04 – WM 2006, 247, zu II 2 a aa der Gründe; BAG 1. März 2006 – 5 AZR 363/05 – Rn. 20, BAGE 117, 155). Das kann der Fall sein, wenn der Vertrag zahlreiche formelhafte Klauseln enthält und nicht auf die individuelle Vertragssituation abgestimmt ist (BGH 27. November 2003 – VII ZR 53/03 – BGHZ 157, 102, zu A II 1 b aa der Gründe; BAG 1. März 2006 – 5 AZR 363/05 – aaO).
[28] (2) Der Anstellungsvertrag enthält lediglich einleitend den Namen und die (deutsche) Adresse des Klägers sowie in § 1 Ziff. 1 die Angabe, dass der Kläger zum 6. Mai 2002 als Büroleiter/K, C, eingestellt wird. Individuelle Angaben enthält er zudem noch in § 3 Ziff. 1, in dem geregelt ist, dass die Probezeit zum 6. November 2002 endet, sowie in § 5 Ziff. 1, in dem das monatliche Bruttogehalt mit 4.908,93 Euro beziffert wird. Im Übrigen enthält der Arbeitsvertrag zahlreiche formelhafte Klauseln, die nicht auf die individuelle Vertragssituation des Klägers abgestimmt sind. So fehlen dem Arbeitsvertrag beispielsweise Regelungen, die Besonderheiten für den Einsatz des Klägers in C betreffen. Es besteht daher ein äußerer Anschein dafür, dass der Arbeitsvertrag für eine Mehrfachverwendung formuliert worden ist. Die Beklagte hat den Anschein für das Vorliegen Allgemeiner Geschäftsbedingungen nicht widerlegt. Sie hat ohnehin nicht bestritten, dass es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen iSv. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB handelt.
[29] b) Das Prinzip des Vorrangs individueller Vertragsabreden nach § 305b BGB setzt sich auch gegenüber wirksamen konstitutiven Schriftformklauseln durch (vgl. BAG 25. April 2007 – 5 AZR 504/06 – Rn. 17, AP BGB § 615 Nr. 121 = EzA BGB 2002 § 615 Nr. 20).
[30] aa) Bei § 305b BGB handelt es sich nicht um einen zur Unwirksamkeit abweichender Klauseln führenden Maßstab der Inhaltskontrolle, wie er sich in den §§ 307 ff. BGB findet, sondern um eine Konkurrenzregel, die auf der Rechtsfolgenseite zu einer Verdrängung der AGB durch die Individualabrede führt (Bieder SAE 2007, 379). Insoweit ist § 305b BGB nichts anderes als der Ausdruck des funktionellen Rangverhältnisses zwischen Individualvereinbarungen und AGB. Die Vorschrift beruht auf der Überlegung, dass Allgemeine Geschäftsbedingungen als generelle Richtlinien für eine Vielzahl von Verträgen abstrakt vorformuliert und daher von vornherein auf Ergänzung durch die individuelle Einigung der Parteien ausgelegt sind. Sie können und sollen nur insoweit Geltung beanspruchen, als die von den Parteien getroffene Individualabrede dafür Raum lässt (BGH 21. September 2005 – XII ZR 312/02 – BGHZ 164, 133, zu 2 a der Gründe; vgl. auch MünchKommBGB/Basedow 5. Aufl. Bd. 2 § 305b Rn. 1; BAG 25. April 2007 – 5 AZR 504/06 – Rn. 17, AP BGB § 615 Nr. 121 = EzA BGB 2002 § 615 Nr. 20). Der Widerspruch zwischen Individualabrede und AGB führt deshalb nur dazu, dass die AGB zurücktreten, ohne zwingend unwirksam zu sein.
[31] bb) Den Vorrang gegenüber Allgemeinen Geschäftsbedingungen haben individuelle Vertragsabreden auch dann, wenn durch eine AGB-Schriftformklausel bestimmt wird, dass mündliche Abreden unwirksam sind (BGH 21. September 2005 – XII ZR 312/02 – BGHZ 164, 133, zu 2 a der Gründe) 'Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Parteien eine Änderung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen beabsichtigt haben oder sich der Kollision mit den Allgemeinen Geschäftsbedingungen bewusst geworden sind (BGH 21. September 2005 – XII ZR 312/02 – aaO mwN).
[32] cc) Der Vorrang von Individualabreden gilt nicht für die betriebliche Übung. Sie ist keine Individualabrede. Durch das einseitige Verhalten gegenüber allen Arbeitnehmern entsteht zugunsten einer Vielzahl von Arbeitnehmern eine betriebliche Übung und damit keine individuell ausgehandelte Verpflichtung (Senat 24. Juni 2003 – 9 AZR 302/02 – BAGE 106, 345, zu A II 2 c cc der Gründe). Die betriebliche Übung begründet zwar einen vertraglichen Anspruch. Dieser entsteht jedoch nicht auf Grund einer individuell ausgehandelten Abrede zwischen den Arbeitsvertragsparteien, sondern kollektivrechtlich. Eine Individualabrede liegt aber nur vor, wenn eine Klausel nicht gestellt, sondern ausgehandelt wurde, § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB. Der Inhalt der betrieblichen Übung wird nicht ausgehandelt, sondern einseitig durch das Verhalten des Arbeitgebers bestimmt und somit gestellt. Eine betriebliche Übung setzt sich daher nicht nach § 305b BGB durch (Ulrici BB 2005, 1902, 1903).
[34] a) Schriftformklauseln sind nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB daran zu messen, ob sie den Arbeitnehmer als Vertragspartner des die Klausel verwendenden Arbeitgebers "unangemessen benachteiligen". Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ist eine formularmäßige Vertragsbestimmung unangemessen, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zu gewähren. Die Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung setzt eine wechselseitige Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen der Vertragspartner voraus. Bei diesem Vorgang sind auch grundrechtlich geschützte Rechtspositionen zu beachten. Zur Beurteilung der Unangemessenheit ist ein genereller, typisierender, vom Einzelfall losgelöster Maßstab anzulegen. Im Rahmen der Inhaltskontrolle sind dabei Art und Gegenstand, Zweck und besondere Eigenarten des jeweiligen Geschäfts zu berücksichtigen. Zu prüfen ist, ob der Klauselinhalt bei der in Rede stehenden Art des Rechtsgeschäfts generell und unter Berücksichtigung der typischen Interessen der beteiligten Verkehrskreise eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners ergibt (Senat 18. März 2008 – 9 AZR 186/07 – Rn. 19, EzA-SD 2008 Nr. 16, 7; 11. April 2006 – 9 AZR 610/05 – Rn. 23, BAGE 118, 36).
[35] b) Hier kann dahinstehen, ob doppelte Schriftformklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen schlechthin gem. § 307 BGB unwirksam sind. Ein generelles Verbot von doppelten Schriftformklauseln in Arbeitsverträgen ist jedoch zweifelhaft.
[36] aa) Teilweise wird die generelle Unwirksamkeit doppelter Schriftformklauseln angenommen, weil sie von dem gesetzlichen Grundgedanken (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB iVm. § 305b BGB), dass ein Formzwang formfrei aufgehoben werden könne, abwichen (vgl. Hromadka DB 2004, 1261, 1264). Dem steht entgegen, dass Klauseln in AGB gem. § 309 Nr. 13 BGB nur unwirksam sind, wenn für Anzeigen oder Erklärungen eine strengere Form als die Schriftform gefordert wird. Im Umkehrschluss folgt hieraus, dass eine Klausel, die für die Abgabe von Erklärungen die Schriftform vorsieht, nicht generell mit den §§ 307 ff. BGB unvereinbar sein kann (Böhm ArbRB 2008, 91, 93, der daraus auf die generelle Wirksamkeit von Schriftformklauseln schließt). Zumindest für die betriebliche Übung kann die Zulässigkeit doppelter Schriftformklauseln gerechtfertigt sein, weil der Arbeitgeber ein anerkennenswertes Interesse daran hat zu vermeiden, dass sein tatsächliches Verhalten ohne einen entsprechenden Rechtsbindungswillen zu einem vertraglichen Anspruch führt. Durch die doppelte Schriftformklausel kann die Entstehung einer betrieblichen Übung verhindert werden. Das kann der Arbeitgeber ebenso erreichen, indem er bei jeder Leistungsgewährung gesondert darauf hinweist, mit der Leistungserbringung keinen Anspruch für die Zukunft begründen zu wollen (BAG 12. Januar 1994 – 5 AZR 41/93 – AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 43 = EzA BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 30, zu II 1 der Gründe). Er macht damit deutlich, keinen Rechtsbindungswillen zu haben. Nichts anderes bewirkt eine doppelte Schriftformklausel, wenn sie für den Arbeitnehmer erkennbar entsprechend formuliert ist.
[37] bb) Zudem sind die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten zu berücksichtigen, § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB.
[38] (1) So verpflichtet § 2 Abs. 1 NachwG den Arbeitgeber, bei Vertragsschluss die wesentlichen Arbeitsbedingungen zu dokumentieren und dem Arbeitnehmer einen entsprechenden Nachweis auszuhändigen. Bei dieser Dokumentationsverpflichtung handelt es sich zwar weder um ein konstitutives Formerfordernis, noch ist die Durchsetzung durch besondere Sanktionen gesichert. Diese Verpflichtung soll zugunsten der Arbeitnehmer der Rechtsklarheit und Beweiserleichterung über die vereinbarten Arbeitsbedingungen dienen (BT-Drucks. 13/668 S. 8). Diese Ziele würden eingeschränkt, wenn es generell nicht zulässig sein sollte, für die Änderung der Arbeitsbedingungen zugunsten der Rechtsklarheit wirksame konstitutive Schriftformerfordernisse zu vereinbaren.
[39] (2) Das Arbeitsverhältnis unterliegt als Dauerschuldverhältnis einer ständigen Dynamik und Veränderung. Wegen dieser Besonderheiten hat die Rechtsprechung zahlreiche Instrumente entwickelt, die die "gelebte Anpassung" an veränderte Umstände rechtlich determinieren. Doppelte Schriftformklauseln können demgegenüber dem vertraglichen Willen der Arbeitsvertragsparteien einen gewissen Bestandsschutz gewähren und eine unbeabsichtigte schleichende Veränderung der Arbeitsbedingungen vermeiden (Bieder SAE 2007, 379, 381).
[40] Das wirkt sich nicht generell zum Nachteil der Arbeitnehmer aus. Die wiederholte vorbehaltlose Gewährung von Leistungen an eine Vielzahl von Arbeitnehmern kann zwar auf Grund betrieblicher Übung zu entsprechenden vertraglichen Ansprüchen führen. Diese können nach der Rechtsprechung allerdings auch durch eine abändernde betriebliche Übung wieder aufgehoben werden (vgl. BAG 4. Mai 1999 – 10 AZR 290/98 – BAGE 91, 283, zu II 2 der Gründe). Doppelte Schriftformklauseln können die Arbeitnehmer vor einer solchen abändernden betrieblichen Übung schützen. Die dauerhafte Beschäftigung eines Arbeitnehmers zu bestimmten Arbeitsbedingungen kann eine Konkretisierung der Leistungspflicht auch zum Nachteil des Arbeitnehmers herbeiführen (vgl. Senat 11. April 2006 – 9 AZR 557/05 – Rn. 47, BAGE 118, 22). Eine dagegen schützende doppelte Schriftformklausel könnte sich deshalb zum Vorteil des Arbeitnehmers auswirken.
[41] c) Die Wirksamkeit von Schriftformklauseln hängt von der Ausgestaltung und dem Anwendungsbereich der konkreten Klausel ab. Unwirksam ist eine Schriftformklausel, wenn sie dazu dient, nach Vertragsschluss getroffene Individualvereinbarungen zu unterlaufen, indem sie beim anderen Vertragsteil den Eindruck erweckt, eine mündliche Abrede sei entgegen § 305b BGB unwirksam (vgl. BGH 15. Februar 1995 – VIII ZR 93/94 – NJW 1995, 1488, zu II 2 a der Gründe). Solche Klauseln sind geeignet, den Vertragspartner von der Durchsetzung der ihm zustehenden Rechte abzuhalten (vgl. BGH 15. Mai 1991 – VIII ZR 38/90 – NJW 1991, 1750, zu II 2 b bb der Gründe; Hromadka DB 2004, 1261, 1264). Die Bedeutung der Schriftformklausel liegt in einer stets unzutreffenden Belehrung über die Rechtslage. Diese Irreführung des Vertragspartners benachteiligt ihn unangemessen iSv. § 307 Abs. 1 BGB. Der Arbeitnehmer wird davon abgehalten, sich auf die Rechte zu berufen, die ihm auf Grund einer wirksamen mündlichen Vereinbarung zustehen (vgl. BGH 27. September 2000 – VIII ZR 155/99 – BGHZ 145, 203, zu I 1 der Gründe).
[42] Das gilt auch für doppelte Schriftformklauseln. Sieht man es im Hinblick auf § 307 BGB bereits als unzulässig an, Klauseln in Formulararbeitsverträgen aufzunehmen, durch die ein genereller Formzwang für individuelle Vertragsänderungen begründet werden soll, so kann erst recht eine Verwendung von Klauseln nicht zulässig sein, durch die einem solchen Formzwang ein erhöhter Bestandsschutz verliehen werden soll.
[43] d) Unerheblich ist, dass der Vorrang der Individualabrede nach § 305b BGB auf das Rechtsinstitut der betrieblichen Übung keine Anwendung findet.
[44] Die Klausel in § 13 des Anstellungsvertrags, nach der Änderungen und Ergänzungen des Vertrags ebenso der Schriftform bedürfen wie der Verzicht auf das Schriftformerfordernis, erfasst nicht nur Änderungen und Ergänzungen durch betriebliche Übungen. Vielmehr werden von der Klausel auch ausdrückliche, mündliche Abreden erfasst. Jedenfalls soweit die Wirksamkeit ausdrücklicher, mündlicher Abreden ausgeschlossen wird, ist die Klausel unangemessen benachteiligend iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB, weil sie über die Rechtslage täuscht. Dass die Klausel teilweise – soweit dadurch das Entstehen eines Anspruchs aus betrieblicher Übung verhindert werden soll – nicht unangemessen sein könnte, führt nicht zu ihrer Teilwirksamkeit. Vielmehr gilt nach ganz überwiegender Auffassung für den Bereich Allgemeiner Geschäftsbedingungen das aus § 306 Abs. 2 BGB abgeleitete Verbot der geltungserhaltenden Reduktion (BGH 17. Mai 1982 – VII ZR 316/81 – BGHZ 84, 109, zu II 3 der Gründe; 6. April 2005 – VIII ZR 27/04 – NJW 2005, 1574, zu II 3 der Gründe). Dieses Verbot gilt auch im Bereich des Arbeitsrechts (BAG 28. September 2005 – 5 AZR 52/05 – BAGE 116, 66, zu II 6 der Gründe). Ansonsten könnte der Verwender gefahrlos beliebige Klauseln vereinbaren. Der Vertragspartner würde über die Reichweite der Klausel getäuscht. Das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB liefe leer (Reinecke DB 2002, 583, 586). Somit ist die Schriftformklausel im Arbeitsvertrag insgesamt unwirksam und steht dem Anspruch aus betrieblicher Übung nicht entgegen.
[45] III. Das Landesarbeitsgericht hat auch zutreffend einen Anspruch auf Erstattung der Miete in voller Höhe zuerkannt. Der Erstattungsanspruch verringerte sich nicht ab dem Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zwischen der Beklagten und dem Lebenspartner des Klägers auf die Hälfte. Der Kläger war Mieter der gemeinsamen Wohnung in C. Ihm sind die Kosten in voller Höhe entstanden. Aus dem Verhalten der Beklagten konnte der Kläger nicht schließen, die Beklagte wolle die Wohnkosten in voller Höhe nur übernehmen, solange der Kläger und sein Lebenspartner gleichzeitig in einem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten stehen. Vielmehr konnte der Kläger davon ausgehen, die Beklagte wolle die beruflich bedingten Wohnkosten in der bisherigen Höhe erstatten, solange der Kläger sie tatsächlich aufwenden musste.