Bundesverwaltungsgericht
Achtungs- und Vertrauenswahrungsgebot nach Ausscheiden aus dem Dienst; treues Dienen; Fahren ohne Fahrerlaubnis; unbefugtes Führen einer Amtsbezeichnung; unbefugtes Führen eines Dienstgrades; unbefugtes Tragen einer Uniform; Ausklammerung aus dem Verfahren; Wiedereinbeziehung.
SG §§ 7, 17 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3; WDO § 39 Abs. 1, § 107 Abs. 2; StGB § 132a Abs. 1 Nr. 1 und 4
1. Zu den Voraussetzungen der Wiedereinbeziehung eines von der Vorinstanz aus dem Verfahren ausgeklammerten Tatvorwurfs in das Berufungsverfahren vor dem BVerwG.
2. Eine außerdienstlich begangene Straftat des Fahrens ohne Fahrerlaubnis, die das Achtungs- und Vertrauenswahrungsgebot eines Soldaten, jedoch im Regelfall nicht seine Pflicht zum treuen Dienen verletzt, wird disziplinarrechtlich grundsätzlich mit einer Gehaltskürzung oder ggf. mit einem Beförderungsverbot, jedoch nicht mit einer Dienstgradherabsetzung geahndet.
3. Das strafbare unbefugte Tragen einer Uniform oder das unbefugte Benutzen eines Dienstgrades der Bundeswehr durch einen früheren Soldaten rechtfertigt nicht in jedem Fall die Schlussfolgerung, dass er damit seine in § 17 Abs. 3 SG normierte Pflicht verletzt, der Achtung und Vertrauen gerecht zu werden, die für eine Wiederverwendung in seinem Dienstgrad erforderlich sind.

BVerwG, Urteil vom 25. 9. 2008 – 2 WD 19.07; TDG Süd (lexetius.com/2008,3608)

[1] Der frühere Soldat mit dem Dienstgrad eines Oberfeldwebels der Reserve war vom zuständigen Strafgericht wegen eines außerdienstlichen, jedoch während seiner Dienstzeit bei der Bundeswehr erfolgten Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Geldstrafe und nach seinem Ausscheiden aus der Bundeswehr außerdem wegen des unbefugten Tragens einer Uniform und tateinheitlich wegen unbefugter Benutzung des Dienstgrades eines Majors zu einer weiteren Geldstrafe rechtskräftig verurteilt worden.
[2] Im anschließenden gerichtlichen Disziplinarverfahren hat das Truppendienstgericht den früheren Soldaten wegen des Fahrens ohne Fahrerlaubnis (Anschuldigungspunkt 1), des unbefugten Tragens der Uniform und des Dienstgrades (Anschuldigungspunkt 2a) sowie wegen der wahrheitswidrigen Meldung über den Verlust seines Truppenausweises (Anschuldigungspunkt 2b. aa) bei gleichzeitiger Ausklammerung des unter Anschuldigungspunkt 2b. bb erhobenen Vorwurfs (befehlswidrige Nichtrückgabe eines "Sperrzonenausweises") um drei Dienstgrade in den Dienstgrad eines Unteroffiziers der Reserve herabgesetzt.
[3] Auf die Berufung des früheren Soldaten hat das Bundesverwaltungsgericht das Urteil aufgehoben und das Verfahren bei gleichzeitiger Feststellung, dass der frühere Soldat ein Dienstvergehen begangen hat, eingestellt.
Aus den Gründen: …
[4] 20 Der in Anschuldigungspunkt 2 b) bb) erhobene Vorwurf, der frühere Soldat habe den seinerzeit als gestohlen gemeldeten Sperrzonenausweis bei sich geführt, den "er mit seinem Ausscheiden aus der Bundeswehr gemäß Geschwaderbefehl … an den Dienstherrn hätte zurückgeben müssen und nicht behalten dürfen", ist nicht mehr Gegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens.
[5] 21 Denn die Truppendienstkammer hat gemäß § 107 Abs. 2 Satz 1 WDO diesen Vorwurf einer Pflichtverletzung mit Zustimmung der Wehrdisziplinaranwaltschaft mit der Begründung aus dem gerichtlichen Disziplinarverfahren ausgeklammert, er falle angesichts der zu den anderen Anschuldigungspunkten getroffenen Feststellungen für die Art und Höhe der zu verhängenden Disziplinarmaßnahme nicht entscheidungserheblich ins Gewicht.
[6] 22 Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine erneute Einbeziehung dieses Vorwurfs in das Disziplinarverfahren hat der Senat im Berufungsverfahren nicht als gegeben erachtet. Denn es ist nicht ersichtlich, dass die sich angesichts des Beschlusses des Truppendienstgerichts aus § 107 Abs. 2 Satz 2 WDO ergebende Sperre für eine Wiedereinbeziehung der vorgeworfenen Pflichtverletzung in das gerichtliche Disziplinarverfahren entfallen ist. Nur dann, wenn die vorgeworfene Pflichtverletzung für die Art und Höhe der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme aufgrund nachträglich eingetretener Umstände nunmehr voraussichtlich doch ins Gewicht fällt, könnte der Senat das unter diesem Anschuldigungspunkt dem früheren Soldaten zur Last gelegte Verhalten erneut in das gerichtliche Disziplinarverfahren einbeziehen. Fehlt es hieran, verbleibt es bei der vom Truppendienstgericht beschlossenen Ausklammerung. Dabei bedarf es keines diese von der Truppendienstkammer vorgenommene Ausklammerung ausdrücklich bestätigenden Beschlusses des Senats. Ein gerichtlicher Beschluss ist, wie sich aus dem Wortlaut der Norm und aus dem Regelungszusammenhang ergibt, nur dann erforderlich, wenn die Voraussetzungen des § 107 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 WDO erfüllt sind, d. h. wenn die Beschränkungsvoraussetzungen nachträglich entfallen sind.
[7] 23 Diese Anforderungen sind vorliegend nicht erfüllt. Zwar könnten nachträglich eingetretene Umstände hinsichtlich der Beschränkungsvoraussetzungen darin gesehen werden, dass nach der Einlassung des früheren Soldaten in der Berufungshauptverhandlung der Anschuldigungspunkt 2 b) aa) (Truppenausweis) nicht nachgewiesen werden kann. Dafür entfällt aber der mit dem Anschuldigungspunkt 2 b) bb) (Sperrzonenausweis) erhobene Vorwurf aus Rechtsgründen. …
[8] 25 Der Geschwaderbefehl, der in Anschuldigungspunkt 2 b) bb) allein als vom früheren Soldaten missachteter Befehl (§ 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 SG) bezeichnet worden ist (vgl. zu den Anforderungen an die Bestimmtheit der Anschuldigungsschrift beim Vorwurf des Ungehorsams u. a Urteile vom 6. Mai 2003 – BVerwG 2 WD 29.02BVerwGE 118, 161 = Buchholz 235. 01 § 107 WDO 2002 Nr. 1 = NZWehrr 2004, 31, vom 18. September 2003 – BVerwG 2 WD 3.03BVerwGE 119, 76 = Buchholz 235. 01 § 38 WDO 2002 Nr. 11 = NZWehrr 2005, 122, vom 21. Juni 2005 – BVerwG 2 WD 12.04BVerwGE 127, 302 [306 ff.] = EuGRZ 2005, 636 [641] und vom 13. März 2008 BVerwG 2 WD 6.07 -), enthält keine u. a. an den früheren Soldaten gerichtete Anweisung zur Rückgabe seines Sperrzonenausweises bei Ausscheiden aus der Bundeswehr. … (wird ausgeführt)
[9] 26 … Unter diesen Umständen kommt jedenfalls eine Wiedereinbeziehung der nach § 107 Abs. 2 Satz 1 WDO ausgeklammerten Pflichtverletzung nicht in Betracht.
[10] 27 4. Disziplinarrechtliche Würdigung
Anschuldigungspunkt 1:
Das Fehlverhalten des früheren Soldaten erfolgte noch vor dem Ablauf seiner Dienstzeit, jedoch außer Dienst und außerhalb der dienstlichen Unterkünfte und Anlagen. Mit diesem außerdienstlichen Verhalten verletzte der frühere Soldat seine Achtungs- und Vertrauenswahrungspflicht im außerdienstlichen Bereich (§ 17 Abs. 2 Satz 2 SG), wobei er vorsätzlich handelte, da er wusste und wollte, was er tat. … (wird ausgeführt) …
[11] 31 Das – außerdienstliche – Fehlverhalten des früheren Soldaten verstieß allerdings nicht gegen § 7 SG.
[12] 32 Die Verpflichtung zum treuen Dienen gebietet jedem Soldaten, seine dienstlichen Aufgaben und Pflichten gewissenhaft, sorgfältig und loyal gegenüber seinem Dienstherrn zu erfüllen. Dies schließt insbesondere auch die Verpflichtung zur Loyalität gegenüber der geltenden Rechtsordnung, vor allem die Beachtung der Strafgesetze ein (vgl. Urteile vom 28. September 1990 BVerwG 2 WD 27.89 BVerwGE 86, 321 [326], vom 28. Januar 2004 BVerwG 2 WD 13.03 BVerwGE 120, 105 [107] und vom 26. September 2006 BVerwG 2 WD 2.06 BVerwGE 127, 1 = Buchholz 449 § 10 SG Nr. 55 = NZWehrr 2007, 79, jeweils m. w. N.). Allerdings stellt nicht jede Verletzung einer Rechtsvorschrift (z. B. ein einmaliges Missachten einer "roten Ampel") bereits eine Verletzung der Pflicht zum treuen Dienen dar. Es muss sich vielmehr um einen Rechtsverstoß von Gewicht handeln, der zudem in einem Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis steht (vgl. Urteil vom 24. April 2007 BVerwG 2 WD 9.06 BVerwGE 128, 319 [326] = Buchholz 449 § 10 SG Nr. 57). Die Vorschrift des § 7 SG kommt bei der Prüfung von Dienstpflichtverletzungen zudem nur insoweit zur Anwendung, als die in den §§ 8 ff. SG normierten Dienstpflichten für ihren jeweiligen Anwendungsbereich ihr nicht als speziellere Vorschrift vorgehen (vgl. u. a. Urteile vom 20. Mai 1981 BVerwG 2 WD 9.80 BVerwGE 73, 187 [191], vom 26. September 2006 a. a. O. jeweils m. w. N. und vom 22. August 2007 BVerwG 2 WD 27.06 BVerwGE 129, 181 = Buchholz 449 § 11 SG Nr. 2 = NZWehrr 2008, 76).
[13] 33 Ein "dienstlicher Zusammenhang", also eine Verbindung der vorliegenden außerdienstlichen Straftat des früheren Soldaten nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG (vorsätzliches Fahren ohne Fahrerlaubnis) vom 14. August 2004 mit der Dienstausübung oder dem Dienstablauf ist im vorliegenden Falle nicht ersichtlich, so dass ein Verstoß gegen § 7 SG ausscheidet. Bundeswehrsoldaten waren davon nicht betroffen. Durch die Straftat erfolgte weder eine Verletzung der Dienstleistungspflicht noch eine Beeinträchtigung des Dienstbetriebes. Dienstliche Rückwirkungen hatte das außerdienstliche Fehlverhalten lediglich im Hinblick auf die Schädigung des Ansehens sowie der persönlichen Integrität des früheren Soldaten. Diese Folgen und Auswirkungen eines außerdienstlichen Fehlverhaltens werden jedoch durch die insoweit speziellere Vorschrift des § 17 Abs. 2 Satz 2 SG erfasst.
[14] 34 Anschuldigungspunkt 2:
a) Das Tragen einer Uniform (graue Fliegerkombination der Bundesluftwaffe) mit den Schulterklappen eines Majors in der Bundespolizeiinspektion in L. war strafbar. Denn nach § 132a Abs. 1 Nr. 4 StGB wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wer unbefugt inländische Uniformen, Amtskleidung oder Amtsabzeichen trägt. Die Regelung in Abs. 1 Nr. 4 schützt – abweichend von Nr. 1 – nicht Bezeichnungen, sondern Uniformen, Amtskleidung und abzeichen, also durchweg äußere Kennzeichen (vgl. Fischer, StGB, 55. Aufl. 2008, § 132a Rn. 15 m. w. N.). Ihr Zweck besteht darin, die Allgemeinheit davor zu bewahren, dass Einzelne im Vertrauen darauf, eine bestimmte Person bekleide eine bestimmte Stellung, für sich selbst oder andere schädliche Handlungen vornehmen könnten (vgl. Dau, NZWehrr 1987, 133 [135] m. w. N.). …
[15] 36 Nach § 4a SG kann zwar Soldaten der Bundeswehr nach ihrem Ausscheiden aus dem Wehrdienst genehmigt werden, außerhalb eines Wehrdienstverhältnisses "die Uniform des Soldaten mit dem Abzeichen des Dienstgrades, den zu führen sie berechtigt sind, und mit der für ausgeschiedene Soldaten vorgesehenen Kennzeichnung zu tragen". Das Nähere regelt die gemäß § 4a Satz 2 SG erlassene Verordnung über die Berechtigung zum Tragen der Uniform außerhalb eines Wehrdienstverhältnisses (Uniformverordnung – UnifV) vom 14. Dezember 1999 (BGBl I 2000 S. 9). Weitere Einzelheiten sind in der "Anzugsordnung für die Soldaten der Bundeswehr" (ZDv 37/10) und in den "Bestimmungen zum Tragen der Uniform außerhalb eines Wehrdienstverhältnisses (Uniformbestimmungen)" vom 2. Februar 2000 (VMBl S. 55) festgelegt.
[16] 37 Die in diesen Regelungen aufgestellten Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. …
[17] 38 Das Verhalten des früheren Soldaten verstieß ferner gegen § 132a Abs. 1 Nr. 1 StGB, der das unbefugte Führen u. a. einer inländischen Amts- oder Dienstbezeichnung unter Strafe stellt.
[18] 39 "Amtsbezeichnung" ist die gesetzlich, d. h. förmlich in einer Besoldungsordnung festgesetzte Bezeichnung für ein übertragbares öffentliches Amt. Sie ergibt sich aus der Ernennungsurkunde. Ihr entspricht bei Soldaten der Dienstgrad (§ 16 BBesG, vgl. Fischer, a. a. O. § 132a Rn. 5 m. w. N.). Die Tathandlung des Führens einer solchen Bezeichnung im Sinne des § 132a Abs. 1 Nr. 1 StGB ist erfüllt, wenn seitens des Betreffenden eine sich gegenüber der Umwelt äußernde aktive Inanspruchnahme des Dienstgrades für sich im sozialen Leben in einer Weise erfolgt, durch welche die Interessen der Allgemeinheit tangiert werden können (vgl. Fischer, a. a. O. § 132a Rn. 21 m. w. N.; Dau, NZWehrr 1987, 134 f).
[19] 40 Entscheidend für eine Strafbarkeit nach § 132a Abs. 1 Nr. 1 StGB ist mithin, ob sich der Täter durch die vorübergehende Inanspruchnahme der geschützten Berufsbezeichnung oder des Dienstgrades zu dem von ihm verfolgten Zweck der Allgemeinheit gegenüber als besonderes Vertrauen erheischende Person ausgegeben hat (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Mai 1982 – 3 StR 118/82 – BGHSt 31, 62 und BayObLG, Beschluss vom 29. Juni 1979 – RReg 2 St 125/79NJW 1979, 2359).
[20] 41 Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt. … (wird ausgeführt)
[21] 45 Die Strafbarkeit des nach Ausscheiden aus dem Wehrdienstverhältnis erfolgten Fehlverhaltens (unbefugtes Tragen der Fliegerkombination mit den Schulterklappen eines Majors) nach § 132a Abs. 1 Nr. 1 und 4 StGB rechtfertigt jedoch im vorliegenden Fall nicht die Schlussfolgerung, dass sich der frühere Soldat dadurch im Sinne des § 17 Abs. 3 SG für eine Wiederverwendung in seinem Dienstgrad Oberfeldwebel der Reserve insgesamt disqualifiziert hat.
[22] 46 Ein Verstoß gegen § 17 Abs. 3 SG setzt zunächst voraus, dass der betreffende Unteroffizier nach den für seine Wiederverwendung maßgeblichen Rechtsvorschriften erneut in ein Wehrdienstverhältnis berufen werden kann (vgl. dazu Beschluss vom 22. Mai 1995 BVerwG 2 WDB 4.95 BVerwGE 103, 237 = Buchholz 236. 1 § 53 SG Nr. 1 und Urteil vom 28. November 2007 BVerwG 2 WD 28.06 § 124 WDO 2002 Nr. 1]; Scherer/Alff, SG, 7. Aufl. 2003, § 17 Rn. 39). Denn anderenfalls käme eine Wiederverwendung, auf die die Vorschrift abstellt, nicht mehr in Betracht.
[23] 47 Dies war vorliegend der Fall. …
[24] 48 Das Verhalten des früheren Soldaten verletzte jedoch nicht seine in § 17 Abs. 3 SG normierte nachdienstliche Pflicht, der Achtung und dem Vertrauen gerecht zu werden, die für seine (mögliche) Wiederverwendung in seinem Dienstgrad erforderlich sind.
[25] 49 Bei der Beurteilung des Verhaltens eines ausgeschiedenen Unteroffiziers (mit oder ohne Portepee) kommt es dabei darauf an, ob dieses Verhalten objektiv geeignet ist, ihn für eine Wiederverwendung in seinem Dienstgrad zu disqualifizieren (vgl. Urteile vom 2. April 1974 BVerwG 2 WD 5.74 BVerwGE 46, 244 [249] = NZWehrr 1975, 69 und vom 28. November 2007 a. a. O.). Bei der Prüfung kann nach der Rechtsprechung des Senats dagegen nicht darauf abgestellt werden, ob – in einer Parallelwertung – bei einem aktiven Offizier oder Unteroffizier unter Berücksichtigung aller objektiven und subjektiven Tatmerkmale und der gesetzlichen Zumessungsgesichtspunkte eine Dienstgradherabsetzung im konkreten Fall geboten wäre. Vielmehr ist zu prüfen, ob bei einem entsprechenden Verhalten eines aktiven Offiziers oder Unteroffiziers nach Eigenart und Schwere der Tat die Dienstgradherabsetzung zum Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen zu machen wäre (vgl. Urteile vom 2. April 1974 a. a. O. und vom 28. November 2007 a. a. O.; Scherer/Alff, a. a. O. § 17 Rn. 40). Daran hält der Senat aus Gründen der Rechtssicherheit fest.
[26] 50 Nicht bei jeder Straftat, die ein aktiver Unteroffizier außerhalb des Dienstes und außerhalb dienstlicher Unterkünfte und Einrichtungen begeht, ist eine Dienstgradherabsetzung als gerichtliche Disziplinarmaßnahme zum Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen zu machen. Letzteres ist aber zwingende Voraussetzung dafür, dass das Verhalten eines früheren Soldaten nach dessen Ausscheiden aus dem Wehrdienstverhältnis nach § 17 Abs. 3 SG als Dienstvergehen "gilt".
[27] 51 So nimmt der Senat bei einem aktiven Soldaten, der eine Straftat nach § 145d StGB (strafbares Vortäuschen einer rechtswidrigen Tat) begangen hat, in ständiger Rechtsprechung regelmäßig ein Beförderungsverbot, nicht jedoch eine Dienstgradherabsetzung zum Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen (vgl. u. a. Urteil vom 13. November 2007 BVerwG 2 WD 20.06 Buchholz 450. 2 § 38 WDO Nr. 24).
[28] 52 Ferner stuft der Senat in ständiger Rechtsprechung die – außerdienstlich begangene – Straftat eines unerlaubten Entfernens vom Unfallort als Dienstvergehen ein, bei dem im Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen ebenfalls ein Beförderungsverbot, nicht jedoch eine Dienstgradherabsetzung in Betracht zu ziehen ist (Urteile vom 13. Mai 1986 BVerwG 2 WD 2.86 –, vom 15. November 1990 BVerwG 2 WD 34.90 BVerwGE 86, 357, vom 15. November 1990 BVerwG 2 WD 42.90 –, vom 27. Juni 1991 BVerwG 2 WD 23.91 BVerwGE 93, 119, vom 17. Januar 1992 BVerwG 2 WD 65.91 –, vom 26. Oktober 1993 BVerwG 2 WD 20.93 BVerwGE 103, 32 = NZWehrr 1994, 79, vom 6. Dezember 2000 BVerwG 2 WD 39.00 vom 16. Oktober 2002 BVerwG 2 WD 23.01, 32. 02 – BVerwGE 117, 117 = Buchholz 236. 1 § 13 SG Nr. 9 und vom 17. Oktober 2006 BVerwG 2 WD 21.05 -).
[29] 53 Auch bei strafbaren außerdienstlichen Verfehlungen eines Soldaten gegen Eigentum und Vermögen Dritter, soweit es sich bei dem Verletzten nicht um einen Bundeswehrsoldaten oder den Dienstherrn handelt, hat der Senat in seiner gefestigten Rechtsprechung (u. a. Urteile vom 26. Juni 1985 BVerwG 2 WD 5.85 BVerwGE 83, 28, vom 10. Juni 1987 BVerwG 2 WD 12.87 –, vom 14. März 1989 BVerwG 2 WD 41.88 BVerwGE 86, 133 = NZWehrr 1989, 209, vom 13. Juni 1989 BVerwG 2 WD 2.89 NZWehrr 1990, 77, vom 25. Oktober 1990 BVerwG 2 WD 26.90 –, vom 2. Dezember 1999 BVerwG 2 WD 42.99 Buchholz 236. 1 § 17 SG Nr. 29 = NZWehrr 2000, 253, vom 17. Februar 2000 BVerwG 2 WD 45.99 Buchholz 236. 1 § 7 SG Nr. 35 = NZWehrr 2001, 79 und vom 23. November 2005 BVerwG 2 WD 35.04 NZWehrr 2006, 125) im Regelfall eine laufbahnhemmende Maßnahme in Form eines Beförderungsverbots zum Ausgangspunkt seiner Zumessungserwägungen genommen.
[30] 54 Bei einem nach § 132a Abs. 1 Nr. 1 und 4 StGB strafbaren außerdienstlichen Fehlverhalten eines Soldaten ist im Regelfall ebenfalls ein Beförderungsverbot, gegebenenfalls verbunden mit einer Gehaltskürzung, zum Ausgangspunkt der Erwägungen für die Bemessung der angemessenen gerichtlichen Disziplinarmaßnahme zu nehmen. Zwar kann im Einzelfall insbesondere bei Vorliegen erschwerender Umstände (z. B. bei besonders schwerwiegenden Folgen des Fehlverhaltens für den Dienstbetrieb) oder bei unzureichender Aufarbeitung oder bei nach wie vor fehlender Einsicht des Soldaten in das Fehlverhalten auch eine schärfere gerichtliche Disziplinarmaßnahme, etwa eine Herabsetzung in einen niedrigeren Dienstgrad, zu verhängen sein. Nach der Überzeugung des Senats ist es jedoch nicht geboten, dass ein (aktiver) Soldat der Bundeswehr mit dem Dienstgrad eines Oberfeldwebels bei einem strafbaren Fehlverhalten der hier in Rede stehenden Art grundsätzlich degradiert werden muss.
[31] 55 Denn bei der Maßnahmebemessung ist von der von Verfassungs wegen (Art. 20 Abs. 1, Art. 103 Abs. 3 GG) allein zulässigen Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts auszugehen. Diese besteht ausschließlich darin, dazu beizutragen, einen ordnungsgemäßen Dienstbetrieb aufrechtzuerhalten und wiederherzustellen ("Wiederherstellung und Sicherung der Integrität, des Ansehens und der Disziplin der Bundeswehr", vgl. dazu BVerfG, Beschlüsse vom 2. Mai 1967 – 2 BvL 1/66BVerfGE 21, 391, [406] = NJW 1967, 1654, und vom 26. Mai 1970 – 1 BvR 668/68, 1 BvR 710/68, 1 BvR 337/69BVerfGE 28, 264 = NJW 1970, 1731; BVerwG, Urteile vom 2. Juli 1997 BVerwG 2 WD 12.97 BVerwGE 113, 108 = Buchholz 235. 0 § 34 WDO Nr. 33, vom 13. Juli 1999 BVerwG 2 WD 4.99 BVerwGE 113, 367 = Buchholz 236. 1 § 7 SG Nr. 30 = NZWehrr 2000, 162, vom 28. Oktober 2003 BVerwG 2 WD 8.03 DokBer 2004, 78 und vom 13. November 2007 a. a. O.). Dagegen geht es weder um eine (neben der strafrechtlichen Sanktionierung erneute) Bestrafung durch das Wehrdienstgericht noch gar um Vergeltung oder Sühne für ein begangenes Fehlverhalten. Für die Bestimmung des Ausgangspunktes der Zumessungserwägungen ist ferner auf die Regelung in § 58 Abs. 7 i. V. m. § 38 Abs. 1 WDO abzustellen. Danach sind bei der Bemessung von Art und Maß der Disziplinarmaßnahme Eigenart und Schwere des Dienstvergehens, seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des betreffenden Soldaten zu berücksichtigen, wobei in jedem Falle das – auch verfassungsrechtlich gewährleistete – Verhältnismäßigkeitsgebot zu beachten ist.
[32] 56 Bei einem außergerichtlichen Fehlverhalten der hier in Rede stehenden Art sind deshalb bei der Bestimmung des Ausgangspunktes der Zumessungserwägungen typisierend zunächst die bereits eingetretenen konkreten Auswirkungen der Pflichtverletzung (en) auf den Dienstbetrieb der Bundeswehr in den Blick zu nehmen. Zudem sind im Hinblick auf die generalpräventive Funktion des Wehrdisziplinarrechts auch die erkennbar zu erwartenden Auswirkungen einer disziplinarrechtlichen Würdigung und Ahndung des Fehlverhaltens auf das Rechtsbewusstsein anderer Soldaten und der Bundeswehr insgesamt zu berücksichtigen.
[33] 57 Bei einer solchen typisierenden Betrachtung des hier in Rede stehenden, von Anschuldigungspunkt 2 a) erfassten strafbaren außerdienstlichen Fehlverhaltens des früheren Soldaten sind konkrete Auswirkungen auf den Dienstbetrieb der Bundeswehr nicht festzustellen. In der früheren Einheit des früheren Soldaten und auch sonst in der Bundeswehr (außerhalb der dienstlich damit unmittelbar befassten Feldjäger und Soldaten) ist das in der Bundespolizeiinspektion in L. erfolgte und allein vom früheren Soldaten zu verantwortende unbefugte Tragen der Fliegerkombination mit den Schulterklappen eines Majors nicht bekannt geworden. …
[34] 58 Es lässt sich auch nicht feststellen, dass das in Rede stehende Fehlverhalten des früheren Soldaten am Tattag darauf gerichtet war oder dass er damit gar Erfolg hatte, durch das unbefugte Tragen der Uniform mit den Schulterklappen eines Majors die Art der Dienstausübung durch die Bediensteten der Bundespolizeiinspektion in L. zu beeinflussen. … Dem früheren Soldaten hat zudem nicht widerlegt werden können, dass er die Fliegerkombination mit den Schulterklappen eines Majors in der Bundespolizeiinspektion in L. nur deshalb trug, weil er es für zu aufwändig gehalten und es deshalb aus Nachlässigkeit versäumt habe, diese Kleidung, die er zuvor bereits auf einer Baustelle seiner Immobilie getragen habe, vor der Fahrt zum Bahnhof oder jedenfalls vor dem Aufsuchen der Bundespolizeiinspektion zu wechseln oder zumindest die Schulterklappen abzunehmen.
[35] 59 Auch spätere oder künftige negative Auswirkungen auf den Dienstbetrieb der Bundeswehr lassen sich nicht feststellen. … Solche Auswirkungen sind bei typisierender Betrachtung auch dann nicht zu befürchten, wenn bei einer von einem Soldaten begangenen und vom zuständigen Strafgericht bereits rechtskräftig geahndeten Straftat der vorliegenden Art zusätzlich keine Herabsetzung des betreffenden Soldaten in einen niedrigeren Dienstgrad, sondern ein Beförderungsverbot längerer Dauer, gegebenenfalls verbunden mit einer erheblichen Kürzung der Dienstbezüge, zum Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen gemacht wird.
[36] 60 Fehlt es damit im vorliegenden Fall bereits an der Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 17 Abs. 3 SG, kann offen bleiben, ob der frühere Soldat, wovon die Truppendienstkammer im angefochtenen Urteil – ohne Begründung – ausgegangen ist, nach seinem Ausscheiden aus dem Wehrdienst im Sinne des § 23 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 SG durch unwürdiges Verhalten nicht der Achtung und dem Vertrauen gerecht geworden ist, die "für seine Wiederverwendung als Vorgesetzter" erforderlich sind. Denn ohne eine Pflichtverletzung nach § 17 Abs. 3 SG kann eine Handlungsweise eines früheren Soldaten nicht als fiktives Dienstvergehen ("gilt als …") gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 SG eingestuft werden. …
[37] 63 5. Maßnahmebemessung …
[38] 77 Die auf der Grundlage dieser Feststellungen vorzunehmende Gesamtwürdigung des Dienstvergehens ergibt, dass eine der beiden für Soldaten der Reserve nach § 58 Abs. 3 WDO allein zulässigen gerichtlichen Disziplinarmaßnahmen (Dienstgradherabsetzung oder Aberkennung des Dienstgrades) nicht in Betracht kommt.
[39] 78 Bei einer erstmaligen außerdienstlichen Straftat in Gestalt eines Fahrens ohne Fahrerlaubnis ist nach der ständigen Rechtsprechung des Senats eine Dienstgradherabsetzung in aller Regel nicht geboten. Zwar stellt das Fahren ohne Fahrerlaubnis für sich allein die dienstliche Zuverlässigkeit eines Vorgesetzten in Frage. Denn die Nichtbeachtung verkehrsrechtlicher Vorschriften, die zum Schutze der Allgemeinheit erlassen sind, lassen zwangsläufig Rückschlüsse auf eine mangelnde charakterliche Qualifikation zu. Ein Vorgesetzter, der verpflichtet ist, in Haltung und Pflichterfüllung ein Beispiel zu geben (§ 10 Abs. 1 SG), zieht dadurch sein Verantwortungsbewusstsein und seine Autorität erheblich in Zweifel. Dies gilt auch dann, wenn es sich um außerdienstliches Fehlverhalten handelt (vgl. Urteile vom 23. Juni 1992 BVerwG 2 WD 16.92 und vom 11. März 1999 BVerwG 2 WD 29.98 Buchholz 236. 1 § 17 SG Nr. 26). Als angemessene gerichtliche Disziplinarmaßnahme kommt dafür jedoch eine Gehaltskürzung oder allenfalls ein Beförderungsverbot in Betracht (vgl. u. a. Urteile vom 21. Februar 1990 BVerwG 2 WD 43.89, vom 15. November 1990 BVerwG 2 WD 34.90 BVerwGE 86, 357 und vom 30. Januar 1991 BVerwG 2 WD 33.90 -). Soweit der Senat in seinem Urteil vom 11. März 1999 bei einem außerdienstlichen Fahren ohne Fahrerlaubnis die Herabsetzung eines Unteroffiziers in den Dienstgrad eines Hauptgefreiten als angemessene Disziplinarmaßnahme angesehen hat, ist zu berücksichtigen, dass der in jenem Verfahren verurteilte Soldat mehrfach ohne Fahrerlaubnis gefahren war. Hinzu kam noch das Fahren im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss.
[40] 79 Da somit hinsichtlich des von Anschuldigungspunkt 1 erfassten Fehlverhaltens die Verhängung einer der nach § 58 Abs. 3 WDO bei Soldaten der Reserve allein in Betracht kommenden Disziplinarmaßnahmen ausscheidet, ist das Verfahren gemäß § 123 Satz 3 i. V. m. § 108 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 WDO ("wenn … eine Disziplinarmaßnahme nicht zulässig ist") bei gleichzeitiger Feststellung, dass der frühere Soldat ein Dienstvergehen begangen hat, einzustellen (vgl. Urteil vom 12. Februar 1988 BVerwG 2 WD 55.87 –; Dau, WDO, 4. Aufl. 2002, § 108 Rn. 8).