Bundesgerichtshof
BGB § 199 Abs. 1 Nr. 2
Zu den Voraussetzungen der grob fahrlässigen Unkenntnis eines Patienten von den einen Schadensersatzanspruch wegen eines ärztlichen Behandlungsfehlers begründenden Umständen.
BGH, Urteil vom 10. 11. 2009 – VI ZR 247/08; OLG Bremen (lexetius.com/2009,3383)
[1] Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 10. November 2009 durch den Vorsitzenden Richter Galke, die Richterin Diederichsen, die Richter Pauge und Stöhr und die Richterin von Pentz für Recht erkannt:
[2] Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen vom 20. August 2008 aufgehoben.
[3] Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
[4] Tatbestand: Die Klägerin begehrt von der Beklagten zu 1 als Klinikträgerin und dem Beklagten zu 2 als behandelndem Arzt mit der im Jahre 2007 erhobenen Klage Ersatz materiellen und immateriellen Schadens wegen behaupteter Behandlungsfehler bei der Geburt ihres Kindes am 16. Mai 1998. Bei dieser Entbindung kam es infolge des Einsatzes einer Geburtszange zu einem Dammriss sowie einem Riss des unteren bis mittleren Vaginaldrittels. Die aufgrund dessen erforderlichen Nähte setzte der Beklagte zu 2. Die Klägerin macht geltend, durch fehlerhaftes ärztliches Vorgehen seien Vernarbungen im Vaginalbereich eingetreten, die seit der Entbindung schmerzhaft seien und unter denen sie bis heute leide. Dass ihre Beschwerden auf eine fehlerhafte Behandlung zurückzuführen seien, habe sie erst durch den Hinweis einer Gynäkologin am 23. Juni 2006 erfahren. Die Beklagten haben u. a. die Einrede der Verjährung erhoben.
[5] Die Klage hatte in den Tatsacheninstanzen keinen Erfolg. Mit ihrer vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.
[6] Entscheidungsgründe: I. Das Berufungsgericht ist der Auffassung, die Ansprüche der Klägerin seien verjährt. Zwar bestünden Bedenken gegen die Annahme des Landgerichts, dass Verjährung bereits im Jahr 2001 eingetreten sei, weil sich die Klägerin so behandeln lassen müsse, als habe sie bereits seit der Entbindung Kenntnis im Sinne von § 852 BGB a. F. gehabt, doch seien sowohl deliktische als auch vertragliche Ansprüche der Klägerin jedenfalls gemäß § 199 Abs. 1 BGB n. F. mit Ablauf des 31. Dezember 2004 verjährt. Die seit dem 1. Januar 2002 (Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 EGBGB) für den Beginn der Verjährung genügende grob fahrlässige Unkenntnis sei vorliegend deutlich vor dem 31. Dezember 2001 erfüllt. Grobe Fahrlässigkeit sei anzunehmen, wenn im Einzelfall einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt würden und – - das außer Acht gelassen werde, was jedem einleuchte. Hier sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin gleich nach der Behandlung im Krankenhaus unter erheblichen Schmerzen und Beschwerden gelitten habe, die ihr tägliches Leben in hohem Maße beeinträchtigten und mit denen sie ständig konfrontiert sei.
[7] Trotz zahlreicher ärztlicher Untersuchungen und Behandlungen habe sich keinerlei Besserung eingestellt; eine operative Beseitigung der Beschwerden im Hinblick auf die festgestellte Narbenbildung sei erwogen worden. Es sei offensichtlich gewesen, dass die von der Klägerin geschilderten Beschwerden auch nach einer schweren Geburt keineswegs dem normalen Verlauf entsprochen hätten. Deshalb hätte es unmittelbar auf der Hand gelegen, in den Jahren nach der Entbindung einem der behandelnden Ärzte wenigstens einmal die Frage zu stellen, ob möglicherweise bei der Behandlung im Krankenhaus irgendein Fehler unterlaufen sein könnte. Auch sei unklar geblieben, weshalb die Klägerin gerade aufgrund des Gesprächs mit der Gynäkologin im Jahr 2006 einen ärztlichen Behandlungsfehler in Betracht gezogen habe, denn diese habe gegenüber den der Klägerin bereits bekannten Tatsachen nichts wesentlich Neues beigesteuert, sondern ihr nur mitgeteilt, dass der fragliche Vaginalbereich hinsichtlich der Naht nicht gut aussehe und nicht in Ordnung sei.
[8] II. Das angefochtene Urteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
[9] 1. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht für die Zeit bis zum 31. Dezember 2001 die Verjährung nach Maßgabe der bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Vorschriften geprüft. Seine Beurteilung, die Klägerin habe nicht schon seit der Entbindung im Jahr 1998 positive Kenntnis von dem Schaden gehabt – - und müsse sich auch nicht so behandeln lassen, ist aufgrund der getroffenen Feststellungen aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden und wird von der Revision als ihr günstig hingenommen.
[10] a) Wie der erkennende Senat wiederholt ausgesprochen hat, kann die Kenntnis vom Schaden i. S. d. § 852 Abs. 1 BGB a. F. (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB n. F.) nicht schon dann bejaht werden, wenn dem Patienten lediglich der negative Ausgang der ärztlichen Behandlung bekannt ist (Senatsurteile vom 20. September 1983 – VI ZR 35/82 – VersR 1983, 1158, 1159; vom 23. April 1985 – VI ZR 207/83 – VersR 1985, 740, 741; vom 29. November 1994 – VI ZR 189/93 – VersR 1995, 659, 660 und vom 3. Februar 1998 – VI ZR 356/96 – VersR 1998, 634, 636). Denn das Ausbleiben des Erfolgs ärztlicher Maßnahmen kann in der Eigenart der Erkrankung oder in der Unzulänglichkeit ärztlicher Bemühungen seinen Grund haben. Deshalb gehört zur Kenntnis der den Anspruch begründenden Tatsachen das Wissen, dass sich in dem Misslingen der ärztlichen Tätigkeit das Behandlungs- und nicht das Krankheitsrisiko verwirklicht hat (Senatsurteil vom 23. April 1991 – VI ZR 161/90 – VersR 1991, 815, 816). Hierzu genügt es nicht schon, dass der Patient Einzelheiten des ärztlichen Tuns oder Unterlassens kennt, wie hier den Einsatz der Geburtszange, das Nähen des Risses oder das Unterlassen einer Sectio. Vielmehr muss ihm aus seiner Laiensicht der Stellenwert des ärztlichen Vorgehens für den Behandlungserfolg bewusst sein. Deshalb begann die Verjährungsfrist gemäß § 852 BGB a. F. nicht zu laufen, bevor nicht der Patient als medizinischer Laie Kenntnis von Tatsachen erlangt hatte, aus denen sich ergab, dass der Arzt von dem üblichen ärztlichen Vorgehen abgewichen war oder Maßnahmen nicht getroffen hatte, die nach ärztlichem Standard zur Vermeidung oder Beherrschung von Komplikationen erforderlich gewesen wären (st. Rspr., vgl. Senatsurteile vom 23. April 1985 – VI ZR 207/83 – aaO; vom 23. Februar 1988 – VI ZR 56/87 – NJW 1988, 1516, 1517 – insoweit in VersR 1988, 495 nicht abgedruckt; vom 23. April 1991 – VI ZR 161/90 – aaO; vom 29. November 1994 – VI ZR 189/93 – aaO; vom 3. Februar 1998 – VI ZR 356/96 – aaO und vom 31. Oktober 2000 – VI ZR 198/99 – VersR 2001, 108, 109 – insoweit in BGHZ 145, 358 nicht abgedruckt; BGH, Urteil vom 24. Juni 1999 – IX ZR 363/97 – VersR 1999, 1149, 1150). Diese Kenntnis ist erst vorhanden, wenn die dem Anspruchsteller bekannten Tatsachen ausreichen, um den Schluss auf ein schuldhaftes Fehlverhalten des Anspruchsgegners und auf die Ursache dieses Verhaltens für den Schaden bzw. die erforderliche Folgeoperation als naheliegend erscheinen zu lassen (Senatsurteile vom 27. Oktober 1970 – VI ZR 66/69 – VersR 1971, 154, 155; vom 3. Juni 1986 – VI ZR 210/85 – VersR 1986, 1080, 1081 und vom 23. Februar 1988 – VI ZR 56/87 – aaO). Denn nur dann wäre dem Geschädigten die Erhebung einer Schadensersatzklage, sei es auch nur in Form der Feststellungsklage, Erfolg versprechend, wenn auch nicht risikolos, möglich (st. Rspr., vgl. Senatsurteile vom 31. Januar 1995 – VI ZR 305/94 – VersR 1995, 551, 552 und vom 14. Oktober 2003 – VI ZR 379/02 – VersR 2004, 123 m. w. N.; BGH, Urteil vom 23. September 2008 – XI ZR 395/07 – NJW 2009, 587, 588). Dass die Klägerin hier von Umständen wusste, die die Haftpflicht begründeten, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt.
[11] b) Die getroffenen Feststellungen rechtfertigen auch nicht die Annahme, die Klägerin habe sich rechtsmissbräuchlich einer sich aufdrängenden Kenntnis verschlossen. Allerdings steht es nach der Rechtsprechung des Senats der vom Gesetz geforderten positiven Kenntnis gleich, wenn der Geschädigte diese Kenntnis nur deswegen nicht besitzt, weil er vor einer sich ihm ohne Weiteres anbietenden, gleichsam auf der Hand liegenden Erkenntnismöglichkeit, die weder besondere Kosten noch nennenswerte Mühe verursacht, die Augen verschlossen hat (st. Rspr., vgl. Senatsurteile vom 24. März 1987 – VI ZR 217/86 – VersR 1987, 820; vom 15. Dezember 1987 – VI ZR 285/86 – VersR 1988, 465, 466; vom 16. Mai 1989 – VI ZR 251/88 – VersR 1989, 914, 915; vom 10. April 1990 – VI ZR 288/89 – VersR 1990, 795, 796; vom 20. September 1994 – VI ZR 336/93 – NJW 1994, 3092, 3093; vom 29. November 1994 – VI ZR 189/93 – aaO; vom 31. Januar 1995 – VI ZR 305/94 – aaO; vom 6. März 2001 – VI ZR 30/00 – VersR 2001, 866, 867; vom 8. Oktober 2002 – VI ZR 182/01 – VersR 2003, 75, 76 und vom 14. Oktober 2003 – VI ZR 379/02 – aaO, S. 123 f.). Diese Rechtsprechung betrifft aber nur Fälle, in denen letztlich das Sichberufen auf die Unkenntnis als Förmelei erscheint, weil jeder andere in der Lage des Geschädigten unter denselben konkreten Umständen die Kenntnis gehabt hätte (vgl. Senatsurteile BGHZ 133, 192, 198 ff.; 150, 94, 97 f.; vom 5. Februar 1985 – VI ZR 61/83 – VersR 1985, 367, 368 f.; vom 16. Mai 1989 – VI ZR 251/88 – aaO; vom 6. Februar 1990 – VI ZR 75/89 – VersR 1990, 539; vom 20. September 1994 – VI ZR 336/93 – aaO; vom 16. Dezember 1997 – VI ZR 408/96 – VersR 1998, 378, 380; vom 17. November 1998 – VI ZR 32/97 – VersR 1999, 585, 587; vom 18. Januar 2000 – VI ZR 375/98 – VersR 2000, 503, 504; vom 12. Dezember 2000 – VI ZR 345/99 – VersR 2001, 381, 382; vom 6. März 2001 – VI ZR 30/00 – aaO; vom 8. Oktober 2002 – VI ZR 182/01 – VersR 2003, 75, 76 und vom 14. Oktober 2003 – VI ZR 379/02 – aaO). In diesem Fall gelten die maßgebenden Umstände in dem Augenblick als bekannt, in dem der Geschädigte auf die entsprechende Erkundigung hin die Kenntnis erhalten hätte (Senatsurteil vom 14. Oktober 2003 – VI ZR 379/02 – aaO m. w. N.). Ein Anwendungsfall dieser Rechtsprechung liegt jedoch insbesondere dann nicht vor, wenn der Geschädigte – wie hier – besondere Recherchen hinsichtlich der Schadensursache durchführen müsste. Allein aus den erheblichen Schadensfolgen musste die Klägerin nicht auf einen Behandlungsfehler schließen. Die möglicherweise schicksalhafte, ungünstige Narbenbildung weist nicht ohne Weiteres auf ein Fehlverhalten des behandelnden Arztes hin, denn die zugrunde liegende Verletzung (Dammriss) gehört nicht zu den vermeidbaren, unüblichen Verletzungen bei einer Entbindung (vgl. Senatsurteil vom 20. September 1983 – VI ZR 35/82 – aaO). Auch im Übrigen ist nach den getroffenen Feststellungen nicht ersichtlich, dass der Geburtsvorgang für die Klägerin einen Hinweis auf ein Verschulden des Beklagten zu 2 geboten hätte (vgl. Senatsurteile vom 18. Juni 1974 – VI ZR 106/72 – VersR 1974, 1082, 1083 und vom 23. April 1985 – VI ZR 207/83 – aaO).
[12] 2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts erlauben die getroffenen Feststellungen jedoch nicht die Annahme, dass die geltend gemachten Ansprüche gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB n. F. mit Ablauf des Jahres 2004 verjährt seien, weil die Unkenntnis der Klägerin von den den Anspruch begründenden Umständen auf grober Fahrlässigkeit beruhe.
[13] a) Zutreffend ist allerdings der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, dass sich die Verjährung der klägerischen Ansprüche gemäß Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB ab dem 1. Januar 2002 nach dem ab dann geltenden neuen Verjährungsrecht richtet, denn die nach dem Klagevorbringen im Jahr 1998 entstandenen Ansprüche waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht verjährt.
[14] Etwaige vertragliche Ansprüche unterlagen der 30-jährigen Verjährungsfrist des § 195 BGB a. F. Die Verjährung deliktischer Ansprüche hatte wegen fehlender Kenntnis der Klägerin im Sinne von § 852 BGB a. F. noch nicht begonnen.
[15] b) Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht die erhobenen Ansprüche einheitlich der dreijährigen Regelverjährung des § 195 BGB n. F. unterstellt und die Verjährungsfrist nach der Überleitungsvorschrift des Art. 229 § 6 Abs. 4 S. 1 EGBGB ab dem 1. Januar 2002 berechnet. Denn die neue Frist ist hinsichtlich des geltend gemachten vertraglichen Anspruchs kürzer als die alte Regelverjährung von 30 Jahren und eröffnet für die Verjährung deliktischer Ansprüche mit der Gleichstellung von Kenntnis und grob fahrlässiger Unkenntnis einen zusätzlichen Anwendungsfall. Zutreffend ist auch, dass bei Vorliegen der subjektiven Voraussetzungen von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB schon vor dem 1. Januar 2002 die neue Verjährungsfrist zum 31. Dezember 2004 abgelaufen wäre, mithin vertragliche und deliktische Ansprüche der Klägerin zu diesem Zeitpunkt verjähren konnten (vgl. BGHZ 171, 1, 7 ff.; BGH, Beschluss vom 19. März 2008 – III ZR 220/07 – VersR 2008, 1121; Urteile vom 8. Mai 2008 – VII ZR 106/07 – NJW 2008, 2427, 2428 und vom 3. Juni 2008 – XI ZR 319/06 – NJW 2008, 2576, 2578).
[16] c) Zu Unrecht nimmt das Berufungsgericht indessen an, dass grob fahrlässige Unkenntnis der Klägerin als subjektive Voraussetzung des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB vor dem 1. Januar 2002 vorgelegen habe.
[17] aa) Die tatrichterliche Beurteilung, ob einer Partei der Vorwurf grober Fahrlässigkeit zu machen ist, ist mit der Revision allerdings nur beschränkt angreifbar. Der Nachprüfung unterliegt lediglich, ob der Tatrichter den Begriff der groben Fahrlässigkeit verkannt oder bei der Beurteilung des Verschuldensgrades wesentliche Umstände außer Betracht gelassen hat (st. Rspr.; vgl. Senatsurteile BGHZ 163, 351, 353; vom 8. Mai 1984 – VI ZR 296/82 – VersR 1984, 775, 776; vom 12. Januar 1988 – VI ZR 158/87 – VersR 1988, 474; vom 18. Oktober 1988 – VI ZR 15/88 – VersR 1989, 109; vom 30. Januar 2001 – VI ZR 49/00 – VersR 2001, 985; vom 10. Februar 2009 – VI ZR 28/08 – VersR 2009, 558, 561 und vom 17. Februar 2009 – VI ZR 86/08 – VersR 2009, 839). Dies ist hier der Fall.
[18] bb) Grobe Fahrlässigkeit setzt einen objektiv schweren und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus. Grob fahrlässige Unkenntnis liegt dann vor, wenn dem Gläubiger die Kenntnis fehlt, weil er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich grobem Maße verletzt und auch ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt oder das nicht beachtet hat, was jedem hätte einleuchten müssen (st. Rspr.; zuletzt vgl. Senatsurteile vom 10. Februar 2009 – VI ZR 28/08 – aaO und vom 17. Februar 2009 – VI ZR 86/08 – aaO, S. 840 m. w. N.; BGH, Urteile vom 23. September 2008 – XI ZR 253/07 – NJW-RR 2009, 544, 546 und vom 23. September 2008 – XI ZR 395/07 – aaO m. w. N.). Ihm muss persönlich ein schwerer Obliegenheitsverstoß in seiner eigenen Angelegenheit der Anspruchsverfolgung vorgeworfen werden können (Mansel, NJW 2002, 89, 91; vgl. Piekenbrock, Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 2001, S. 309, 325; Rebhahn, FS Welser, 2004, S. 849, 857).
[19] Dabei bezieht sich die grob fahrlässige Unkenntnis ebenso wie die Kenntnis auf Tatsachen, auf alle Merkmale der Anspruchsgrundlage und bei der Verschuldenshaftung auf das Vertretenmüssen des Schuldners, wobei es auf eine zutreffende rechtliche Würdigung nicht ankommt (BGH, Beschluss vom 19. März 2008 – III ZR 220/07 – aaO; Mansel, aaO, S. 92). Ausreichend ist, wenn dem Gläubiger aufgrund der ihm grob fahrlässig unbekannt gebliebenen Tatsachen zugemutet werden kann, zur Durchsetzung seiner Ansprüche gegen eine bestimmte Person aussichtsreich, wenn auch nicht risikolos Klage – sei es auch nur in Form einer Feststellungsklage – zu erheben (vgl. Senatsurteile vom 18. Januar 2000 – VI ZR 375/98 – aaO m. w. N. und vom 14. Oktober 2003 – VI ZR 379/02 – aaO m. w. N.; Mansel, aaO).
[20] cc) Nach gefestigter Rechtsprechung besteht für den Gläubiger keine generelle Obliegenheit, im Interesse des Schädigers an einem möglichst frühzeitigen Beginn der Verjährungsfrist Initiative zur Klärung von Schadenshergang oder Person des Schädigers zu entfalten (zu § 852 BGB a. F.: vgl. Senatsurteile BGHZ 133, 192, 199; vom 6. Februar 1990 – VI ZR 75/89 – aaO; vom 29. November 1994 – VI ZR 189/93 – aaO; vom 31. Januar 1995 – VI ZR 305/94 – aaO; vom 18. Januar 2000 – VI ZR 375/98 – aaO m. w. N. und vom – - 6. März 2001 – VI ZR 30/00 – aaO). Daran hat sich durch die Neuregelung des Verjährungsrechts in § 199 BGB nichts geändert (BGH, Urteil vom 16. September 2005 – V ZR 242/04 – WM 2006, 49, 50; OLG Saarbrücken, OLG-Report 2008, 817, 818 f.; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 6. Aufl., Rn. D 8; Erman/Schmidt-Räntsch, BGB, 12. Aufl., § 199, Rn. 20; Münch-KommBGB/Grothe, 5. Aufl., § 199, Rn. 28; Wendtland, in: Haas/Medicus/Schäfer/Wendtland, Das neue Schuldrecht, 2002, Kapitel 2, Rn. 17 f.; Rohlfing, MDR 2006, 721, 723). Diese Rechtslage entspricht der Regelung in § 932 Abs. 2 BGB, die ebenso wie § 199 Abs. 1 BGB an die grob fahrlässige Unkenntnis einer Partei anknüpft (vgl. BGH, Urteile vom 22. Juni 1966 – VIII ZR 141/64 – NJW 1966, 1959, 1960; vom 1. Juli 1987 – VIII ZR 331/86 – NJW-RR 1987, 1456, 1457 und vom 9. Oktober 1991 – VIII ZR 19/91 – NJW 1992, 310).
[21] Für die Frage, unter welchen Voraussetzungen der Gläubiger zur Vermeidung der groben Fahrlässigkeit zu einer aktiven Ermittlung gehalten ist, kommt es vielmehr auf die Umstände des Einzelfalls an. Das Unterlassen einer Nachfrage ist ebenso wie in den Fällen des § 932 Abs. 2 BGB auch nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB nur dann als grob fahrlässig einzustufen, wenn weitere Umstände hinzutreten, die das Unterlassen aus der Sicht eines verständigen und auf seine Interessen bedachten Geschädigten als unverständlich erscheinen lassen. Für den Gläubiger müssen konkrete Anhaltspunkte für das Bestehen eines Anspruchs ersichtlich sein und sich ihm der Verdacht einer möglichen Schädigung aufdrängen (zu § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB: vgl. BGH, Urteil vom 23. September 2008 – XI ZR 253/07 – aaO; OLG Köln, GRUR-RR 2003, 187, 188; OLG Celle, OLG-Report 2009, 422 f.; Erman/Schmidt-Räntsch, aaO; Palandt/Heinrichs, BGB, 68. Aufl., § 199, Rn. 36; vgl. Staudinger/Greger, BGB [2007], § 199, Rn. 54 f.; vgl. Bäune/Dahn, MedR 2004, 645, 653; Geiß/Greiner, aaO; zu § 932 Abs. 2 BGB: BGHZ 77, 274, 277; BGH, Urteile vom 22. Juni – - 1966 – VIII ZR 141/64 – aaO; vom 1. Juli 1987 – VIII ZR 331/86 – aaO; vom 9. Oktober 1991 – VIII ZR 19/91 – aaO und vom 13. April 1994 – II ZR 196/93 – NJW 1994, 2022, 2023; vgl. Otto, Die Bestimmung des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB, Diss. [2006], S. 229; Soergel/Henssler, BGB, 13. Aufl., § 932, Rn. 23).
[22] In Arzthaftungssachen ist bei der Prüfung, ob grobe Fahrlässigkeit vorliegt, zugunsten des Patienten zu berücksichtigen, dass dieser nicht ohne Weiteres aus einer Verletzungshandlung, die zu einem Schaden geführt hat, auf einen schuldhaften Behandlungs- oder Aufklärungsfehler zu schließen braucht.
[23] Deshalb führt allein der negative Ausgang einer Behandlung ohne weitere sich aufdrängende Anhaltspunkte für ein behandlungsfehlerhaftes Geschehen nicht dazu, dass der Patient zur Vermeidung der Verjährung seiner Ansprüche Initiative zur Aufklärung des Behandlungsgeschehens entfalten müsste (vgl. Münch-KommBGB/Grothe, aaO, Rn. 30, 39; vgl. Bäune/Dahn, aaO). Denn das Ausbleiben des Erfolgs ärztlicher Maßnahmen muss nicht in der Unzulänglichkeit ärztlicher Bemühungen seinen Grund haben, sondern kann schicksalhaft und auf die Eigenart der Erkrankung zurückzuführen sein (vgl. Senatsurteile vom 20. September 1983 – VI ZR 35/82 – aaO; vom 23. April 1985 – VI ZR 207/83 – aaO; vom 29. November 1994 – VI ZR 189/93 – aaO und vom 3. Februar 1998 – VI ZR 356/96 – aaO).
[24] dd) Mit diesen Grundsätzen steht die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Klägerin habe ohne grobe Fahrlässigkeit deutlich vor dem 31. Dezember 2001 Kenntnis im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB erlangen müssen, nicht in Einklang. Zwar hätte die Klägerin vor diesem Zeitpunkt Erkundigungen wegen eines etwaigen Fehlverhaltens der Beklagten einholen können. Das Unterlassen einer solchen Nachfrage ist aber nur dann als grob fahrlässig einzustufen, wenn weitere Umstände hinzutreten, die dieses Verhalten aus der Sicht eines verständigen und auf seine Interessen bedachten Patienten als unverständlich erscheinen lassen (vgl. BGH, Urteil vom 16. September 2005 – V ZR 242/04 – aaO; vgl. Staudinger/Greger, aaO, Rn. 55 f.). Hier musste sich der Klägerin ein behandlungsfehlerhaftes Verhalten der Beklagten nach den Umständen des Falles bis zu dem Gespräch mit der Gynäkologin im Jahr 2006 nicht aufdrängen. Zwar litt die Klägerin nach eigenen Angaben seit der Entbindung unter erheblichen Beschwerden, die ihre Lebensführung stark einschränkten und deren operative Beseitigungsmöglichkeit von ihr mit Ärzten besprochen wurde. Eine schmerzhafte Narbenbildung kann aber ebenso wie ein bei der Entbindung eingetretener Dammriss schicksalhaft sein und gibt einem verständigen, auf seine Interessen bedachten Patienten nicht ohne Weiteres Veranlassung, wegen eines Behandlungsfehlers nachzuforschen. Welche konkreten Umstände abgesehen vom negativen Ausgang der ärztlichen Behandlung der Klägerin Veranlassung hätten geben sollen, wegen eines Behandlungsfehlers nachzufragen, hat das Berufungsgericht nicht aufgezeigt.
[25] ee) Hat die Klägerin erstmals in dem Gespräch mit ihrer Gynäkologin am 23. Juni 2006 einen Hinweis darauf erhalten, dass eine falsch gesetzte Naht die Ursache ihrer Beschwerden sein könnte, waren die geltend gemachten Ansprüche bei Klageerhebung im Juli 2007 noch nicht verjährt.
[26] d) Im Übrigen ist weder festgestellt noch vorgetragen, dass eine etwaige Nachfrage der Klägerin vor dem 1. Januar 2002 Klarheit über die Ursache ihrer Beschwerden gebracht hätte, um ihr die Möglichkeit zu geben, aussichtsreich, wenn auch nicht risikolos Klage – sei es auch nur in Form einer Feststellungsklage – zu erheben (vgl. BGH, Urteil vom 23. September 2008 – XI ZR 253/07 – aaO; vgl. BGH, Urteil vom 23. September 2008 – XI ZR 395/07 – aaO; Mansel, aaO, S. 91 f.; Bäune/Dahn, aaO; Winkhart, Arzthaftungsrecht, 2. Aufl., S. 858 f., 882 f.; Otto, aaO, S. 274; Palandt/Heinrichs, aaO, § 199, Rn. 37; anders Erman/Schmidt-Räntsch, aaO).
[27] III. Das angefochtene Urteil ist deshalb aufzuheben. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), damit dieses die erforderlichen Feststellungen nachholen kann. Dabei wird es auch dem Vorbringen der Klägerin nachzugehen haben, sie habe erst nach dem 23. Juni 2006 erfahren, dass der Beklagte zu 2 behandlungsfehlerhaft von einer Sectio abgesehen habe.