Bundesarbeitsgericht
Tarifentgelterhöhung – Anrechnung auf tarifliche Ausgleichszulage und übertarifliche Zulage
BAG, Urteil vom 23. 9. 2009 – 5 AZR 973/08 (lexetius.com/2009,3472)
[1] 1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 21. Oktober 2008 – 3 Sa 343/08 – wird zurückgewiesen.
[2] 2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
[3] Tatbestand: Die Parteien streiten über Vergütungsansprüche.
[4] Der Kläger, Mitglied der IG-Metall, war zunächst bei der Y AG beschäftigt. Zwischen dem Betriebsrat und der Y AG wurde am 30. Mai 1994 eine Rahmenbetriebsvereinbarung über ein erfolgsorientiertes Arbeitszeit- und Einkommensmodell abgeschlossen. Diese enthielt auch eine Regelung über ein verstetigtes Monatseinkommen. Am 12. Dezember 1994 schlossen die Y AG und der Gesamtbetriebsrat eine Zusatzvereinbarung zur Rahmenbetriebsvereinbarung über die Einführung eines verstetigten Monatseinkommens. Danach setzte sich das Monatseinkommen aus gleichmäßigen Bestandteilen, wozu auch übertarifliche Zulagen gehörten (2. 1. 2 der Betriebsvereinbarung) und aus variablen Bestandteilen (leistungs- und arbeitszeitabhängig) zusammen.
[5] Das Arbeitsverhältnis ging 1998 aufgrund eines Betriebsinhaberwechsels auf die M GmbH und letztlich auf die Beklagte über. Seit dem 1. August 1998 gilt eine Betriebsvereinbarung über die Durchführung der Zahlung von Monatslohn. Nach Ziff. 6 der Betriebsvereinbarung wird der Lohn nach Tarifentgeltbestandteilen (Tarifgruppe und tarifliche Leistungszulage) und übertariflichen Entgeltbestandteilen (freiwillige Zulage) aufgebaut. 1999 trat die Beklagte aus dem Arbeitgeberverband aus. Sie gewährte Tarifentgelterhöhungen in den Folgejahren entsprechend den Tarifentgelterhöhungen der Metallindustrie wechselnd, zum Teil verspätet und auch geringer.
[6] Im Mai 2000 teilte die M GmbH dem Kläger die Zusammensetzung seines Monatslohns ab dem 1. Mai 2000 mit. Die Lohnmitteilung enthielt die Position: "Freiwillige Zulage *)".
[7] Die Fußnote zu dieser Position lautete:
"Bei übertariflichen Verdienstbestandteilen handelt es sich um freiwillige, jederzeit widerrufliche Leistungen, auf die auch bei wiederholter Gewährung kein Rechtsanspruch auf die Zukunft besteht. Diese Leistungen sind ganz oder teilweise auf tarifliche Veränderungen und tarifliche Umgruppierungen anrechenbar."
[8] Am 9. Juni 2000 kam im Betrieb folgende von der Personalreferentin unterschriebene Erklärung zum Aushang:
"Betrifft die Lohnmitteilungen zum 01. 05. 00.
Der Satz, unten auf den Lohnmitteilungen, bezüglich der 'freiwilligen Zulage', trifft für die gewerblichen Mitarbeiter die von der Y AG zu M übernommen wurden, nicht zu. …"
[9] Seit März 2004 gelten bei der Beklagten Haustarifverträge. Am 9. Dezember 2004 schloss die Beklagte mit der IG-Metall die Einführung des Entgeltrahmenabkommens (ERA-ETV Decoma) ab.
[10] § 5 ERA-ETV Decoma lautet:
"§ 5. Besitzstandsregelung *
(1) Aus Anlass der erstmaligen Anwendung des Entgeltrahmenabkommens darf nach Maßgabe der nachfolgenden Vorschriften für den einzelnen Beschäftigten keine Minderung seines bisherigen tariflichen Entgelts, bestehend aus tariflichem Grundlohn zuzüglich individueller Leistungszulage bzw. Akkordmehrverdienst oder Prämie oder tariflichem Gehalt zuzüglich individueller Leistungszulage, erfolgen. …
(4) Für den Fall, dass das bisherige tarifliche Entgelt … d. h.: Grundlohn zuzüglich
- Leistungszulage oder
- Prämienmehrverdienst oder
- Akkordmehrverdienst oder Grundgehalt zuzüglich Leistungszulage
… zum Stichtag der Ersteinführung des ERA das neue tarifliche ERA-Entgelt. … d. h.: Grundentgelt zuzüglich
- Leistungszulage oder
- Mehrverdienst nach Kennzahlenvergleich oder
- Zielerreichungszulage
- und Erschwerniszulage oder Zulage gem. § 5 Ziff. (2)
… überschreitet, erfolgt die Sicherung des Einkommens durch Ausweisung einer Entgeltdifferenz in dieser Höhe.
Ein evtl. bestehender manteltarifvertraglicher Verdienstausgleich bleibt hiervon unberührt.
(5) Eine Entgeltdifferenz gem. Ziff. (4) in Höhe von
- bis zu 10 % des bisherigen tariflichen Entgeltes wird als Ausgleichszulage,
- eine in Einzelfällen darüber hinausgehende Differenz als Überschreiterzulage zuzüglich zum neuen tariflichen ERA-Entgelt gezahlt.
Die Überschreiterzulage nimmt an Tariferhöhungen teil. …
Die Ausgleichszulage nimmt nicht an Tariferhöhungen teil. Sie wird reduziert um die erste Erhöhung des Tarifentgelts in voller Höhe. Dies kann frühestens zwölf Monate nach der Mitteilung der Ersteingruppierung an den Beschäftigten durch den Arbeitgeber gem. § 3 Ziff. (10) erfolgen. Alle nachfolgenden Erhöhungen der Tarifentgelte werden bis auf 1 %-Punkt des tariflichen Erhöhungsprozentsatzes auf die verbliebene Ausgleichszulage angerechnet.
(6) Auf die Ausgleichszulage und die Überschreiterzulage werden in voller Höhe angerechnet:
- individuelle Erhöhungen des Grundentgeltanspruches zzgl. daraus resultierender Erhöhungen der Leistungszulage, des Mehrverdienstes bzw. der Zielerreichungszulage
- Erhöhungen der Erschwerniszulage …"
[11] Die Beklagte führte das ERA zum 1. Juli 2005 ein. Der Kläger wurde ersteingruppiert, erhielt die tarifliche Leistungszulage, eine Ausgleichszulage, eine Überschreiterzulage sowie – laut Lohnmitteilung – "eine freiwillige übertarifliche und auf Tariferhöhungen anrechenbare Zulage".
[12] Die Beklagte rechnete zum 1. Juni 2006 die Erhöhung der Tarifentgelte auf die tarifliche Ausgleichszulage an. Anlässlich der Tarifentgelterhöhung im Juni 2007 rechnete die Beklagte die tarifliche Einmalzahlung für April und Mai 2007 von jeweils 200,00 Euro gem. der Entgeltabrechnung für Juni 2007 auf die übertarifliche Zulage an. Ab Juni 2007 rechnete sie die Tarifentgelterhöhung zunächst auf die Ausgleichszulage und mit dem Restbetrag auf die freiwillige Zulage an.
[13] Mit der Klage macht der Kläger für die Zeit von April bis November 2007 die prozentuale Erhöhung des bisherigen Gesamtverdienstes einschließlich "sozialversicherungs- und steuerlicher Zuschläge" und sonstiger "Bruttovergütungsbestandteile" sowie die vollständige Auszahlung der Einmalzahlungen 2007 und der angerechneten Beträge geltend.
[14] Der Kläger hat gemeint, die Beklagte sei im Hinblick auf die Regelungen über das verstetigte Monatseinkommen verpflichtet, den monatlichen Gesamtverdienst effektiv zu erhöhen. Auch Anrechnungen seien deshalb unzulässig. Die Beklagte habe zudem mit dem Aushang vom 9. Juni 2000 auf eine Anrechnung verzichtet.
[15] Der Kläger hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 904,71 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 517,45 Euro seit dem 1. Juli 2007 und aus weiteren 387,26 Euro seit dem 1. September 2007 zu zahlen,
2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 28,12 Euro netto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 4,72 Euro seit dem 1. Juli 2007 und aus weiteren 23,40 Euro brutto seit dem 1. September 2007 zu zahlen,
3. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 695,17 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 222,05 Euro seit dem 1. Oktober 2007, aus weiteren 196,88 Euro seit dem 1. November 2007 und aus weiteren 276,24 Euro brutto seit dem 1. Dezember 2007 zu zahlen,
4. die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 26,85 Euro netto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 8,51 Euro seit dem 1. Oktober 2007, aus weiteren 8,84 Euro brutto seit dem 1. November 2007 und aus weiteren 9,50 Euro seit dem 1. Dezember 2007 zu zahlen.
[16] Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
[17] Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
[18] Entscheidungsgründe: Die Revision des Klägers ist unbegründet. Er hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von Differenzvergütung für die Zeit von April bis November 2007.
[19] I. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erhöhung seines monatlichen effektiven Gesamtverdienstes für die Zeit von April bis November 2007. Ein solcher Anspruch folgt, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, weder aus einer betrieblichen Übung noch aus den Betriebsvereinbarungen über die Zahlung eines verstetigten Monatseinkommens. Dabei kann offenbleiben, ob die im Jahre 1994 bei der Betriebsveräußerin abgeschlossenen Betriebsvereinbarungen gem. § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB nach dem Übergang des Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte Inhalt des Arbeitsverhältnisses der Parteien oder durch die Betriebsvereinbarung vom 9. Juli 1998 abgelöst wurden. Diese Betriebsvereinbarungen regeln lediglich die Zusammensetzung des verstetigten Monatseinkommens und die Auszahlung dieses Einkommens, beispielsweise bei Urlaub und Arbeitsunfähigkeit. Weitergehende Zwecke sind nicht geregelt, insbesondere verpflichten die Betriebsvereinbarungen die Beklagte nicht zu Entgelterhöhungen.
[20] Damit war die Beklagte lediglich aufgrund von § 4 Abs. 1, § 3 Abs. 1 TVG verpflichtet, das tarifliche Entgelt zu zahlen. Dieser Verpflichtung ist sie sowohl hinsichtlich der Einmalzahlungen für April und Mai 2007 als auch hinsichtlich des in den Folgemonaten geschuldeten tariflichen Entgelts nachgekommen.
[21] II. Die Beklagte war gem. § 5 Abs. 5 ERA-ETV Decoma berechtigt, die Erhöhungen des Grundentgelts, der tariflichen Leistungszulage und der Überschreiterzulage auf die tarifliche Ausgleichszulage anzurechnen. Nach § 5 Abs. 5 ERA-ETV Decoma nimmt die Ausgleichszulage nicht an Tariferhöhungen teil und kann (erstmals) nach zwölf Monaten voll angerechnet werden. Alle nachfolgenden Erhöhungen der Tarifentgelte werden bis auf einen Prozentpunkt des tariflichen Erhöhungsprozentsatzes auf die verbliebene Ausgleichszulage angerechnet. Die Beklagte führte zum 1. Juli 2005 ERA ein. Sie durfte damit die Tarifentgelterhöhungen nach einem Jahr in voller Höhe und sodann bis auf einen Prozentpunkt auf die tarifliche Ausgleichszulage anrechnen. Diese Vorgaben hat die Beklagte beachtet.
[22] III. Die Anrechnung der nach Anwendung von § 5 Abs. 5 ERA-ETV Decoma verbleibenden Beträge der Tarifentgelterhöhung auf die übertarifliche Zulage des Klägers war wirksam. Dies gilt sowohl hinsichtlich der Anrechnung der Einmalzahlungen für April und Mai 2007 als auch der in den Folgemonaten geschuldeten Steigerungen der laufenden Tarifentgelte. Die übertarifliche Zulage stellte keinen Vergütungsbestandteil dar, den die Beklagte ungeschmälert neben dem jeweiligen Tariflohn zahlen musste.
[23] 1. Ob eine Tariflohnerhöhung individualrechtlich auf eine übertarifliche Vergütung angerechnet werden kann, hängt von der zugrunde liegenden Vergütungsabrede ab. Haben die Arbeitsvertragsparteien dazu eine ausdrückliche Vereinbarung getroffen, gilt diese. Andernfalls ist aus den Umständen zu ermitteln, ob eine Befugnis zur Anrechnung besteht. Die Anrechnung ist grundsätzlich möglich, sofern dem Arbeitnehmer nicht vertraglich ein selbständiger Entgeltbestandteil neben dem jeweiligen Tarifentgelt zugesagt worden ist (Senat 27. August 2008 – 5 AZR 820/07 – AP BGB § 307 Nr. 36 = EzA TVG § 4 Tariflohnerhöhung Nr. 49; 1. März 2006 – 5 AZR 540/05 – mwN, AP TVG § 4 Übertariflicher Lohn und Tariflohnerhöhung Nr. 40 = EzA TVG § 4 Tariflohnerhöhung Nr. 47; BAG 30. Mai 2006 – 1 AZR 111/05 – Rn. 15 ff., BAGE 118, 211). Allein in der tatsächlichen Zahlung liegt keine vertragliche Abrede, die Zulage solle auch nach einer Tariflohnerhöhung als selbständiger Lohnbestandteil neben dem jeweiligen Tariflohn gezahlt werden. Das gilt auch, wenn die Zulage über einen längeren Zeitraum vorbehaltlos gezahlt und nicht mit Tariflohnerhöhungen verrechnet worden ist (BAG 31. Oktober 1995 – 1 AZR 276/95 – zu II 1 der Gründe, AP BetrVG 1972 § 87 Lohngestaltung Nr. 80 = EzA BetrVG 1972 § 87 Betriebliche Lohngestaltung Nr. 54). Eine neben dem Tarifentgelt gewährte übertarifliche Zulage greift künftigen Tariflohnerhöhungen vor. Für den Arbeitgeber ist regelmäßig nicht absehbar, ob er bei künftigen Tariflohnerhöhungen weiter in der Lage sein wird, eine bisher gewährte Zulage in unveränderter Höhe fortzuzahlen. Dies ist für den Arbeitnehmer erkennbar und Grundlage einer sog. freiwilligen übertariflichen Zulage. Der Anrechnungsvorbehalt ist demgemäß bereits mit der Vereinbarung einer übertariflichen Vergütung oder Zulage hinreichend klar ersichtlich. Erhöht sich die tarifliche Vergütung, entspricht die Zulässigkeit der Anrechnung regelmäßig dem Parteiwillen, weil sich die Gesamtvergütung nicht verringert (BAG 21. Januar 2003 – 1 AZR 125/02 – AP BetrVG 1972 § 87 Lohngestaltung Nr. 118 = EzA TVG § 4 Tariflohnerhöhung Nr. 41; 14. August 2001 – 1 AZR 744/00 – zu I 1 der Gründe, AP BetrVG 1972 § 77 Regelungsabrede Nr. 4 = EzA BetrVG 1972 § 88 Nr. 1). Dabei kommt es nicht darauf an, ob der übertarifliche Vergütungsbestandteil als freiwillig oder anrechenbar bezeichnet worden ist. Es reicht aus, dass das Gesamtentgelt übertariflich ist. Der in diesem enthaltene übertarifliche Vergütungsbestandteil hängt von der Höhe des Tarifentgelts ab und ist deshalb variabel. Er entspricht in seiner rechtlichen Bedeutung weder einer anrechenbaren noch einer anrechnungsfesten übertariflichen Zulage. Will der Arbeitnehmer geltend machen, das vertraglich vereinbarte Arbeitsentgelt setze sich in Wahrheit aus dem Tarifentgelt und einer anrechnungsfesten übertariflichen Zulage zusammen, hat er tatsächliche Umstände vorzutragen, die den Schluss auf eine solche Vereinbarung erlauben. Andernfalls kann die Erhöhung des Tarifentgelts nur dann zu einem effektiv erhöhten Zahlungsanspruch des Arbeitnehmers führen, wenn das Tarifentgelt das vereinbarte Entgelt übersteigt (Senat 9. November 2005 – 5 AZR 105/05 – zu II 3 a der Gründe mwN, AP TVG § 1 Tarifverträge: Metallindustrie Nr. 196 = EzA TVG § 4 Metallindustrie Nr. 132).
[24] 2. Im Streitfall war die übertarifliche Zulage nicht anrechnungsfest.
[25] a) Aus den betrieblichen Regelungen über die Zahlung eines verstetigten Monatseinkommens folgt entgegen der Auffassung des Klägers keine Anrechnungsfestigkeit des übertariflichen Entgeltbestandteils. Die Betriebsvereinbarungen lassen an keiner Stelle erkennen, dass individuelle übertarifliche Entgeltbestandteile anrechnungsfest sein sollen. Ein verstetigtes Monatseinkommen ändert nichts daran, dass sich dieses aus tariflichen und freiwilligen übertariflichen Entgeltbestandteilen zusammensetzen kann.
[26] b) Entgegen der Auffassung der Revision hat die Beklagte mit dem Aushang vom 9. Juni 2000 nicht im Wege der Gesamtzusage den gewerblichen Arbeitnehmern, deren Arbeitsverhältnisse von der Y AG auf die M GmbH übergegangen waren, eine übertarifliche Zulage vertraglich als selbständigen Entgeltbestandteil neben dem jeweiligen Tarifentgelt zugesagt. Weder die im Mai 2000 erfolgte Mitteilung über die Zusammensetzung des Gehalts noch der Hinweis im Aushang vom 9. Juni 2000 stellten eine Willenserklärung dar, mit der die Beklagte den Inhalt des Arbeitsvertrags abändern wollte.
[27] aa) Trotz fehlenden Erklärungsbewusstseins liegt eine rechtsgeschäftliche Willenserklärung vor, wenn der Erklärende bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen und vermeiden können, dass seine Äußerung nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte als Willenserklärung aufgefasst werden durfte, und wenn der Empfänger sie auch tatsächlich so verstanden hat (vgl. nur BGH 2. November 1989 – IX 197/88 – mwN, BGHZ 109, 171, 177).
[28] bb) Hiernach konnte und durfte der Kläger weder aus der Gehaltsmitteilung noch aus dem nachfolgenden Aushang schließen, die Beklagte wolle damit den Inhalt des Arbeitsvertrags hinsichtlich der Anrechenbarkeit der übertariflichen Zulage ändern. Beide Mitteilungen stellten sich für die Adressaten erkennbar nicht als Äußerungen der Beklagten zur Neugestaltung der Vertragslage dar.
[29] Eine Mitteilung über die Zusammensetzung des Gehalts dient in der Regel allein dem Mitteilungs- und Erläuterungszweck. Ein Wille, eine Rechtswirkung herbeizuführen, ist einer solchen Mitteilung regelmäßig nicht zu entnehmen. Im Streitfall wollte die Beklagte mit den Gehaltsmitteilungen erkennbar keine Vertragsänderung herbeiführen. Dies folgt insbesondere aus dem Umstand, dass sie den Arbeitnehmern entsprechende Vorgänge, wie beispielsweise Höhergruppierungen oder die Reduzierung der Arbeitszeit, in gesonderten Schreiben mitteilte und um deren Zustimmung bat. Soweit die Beklagte im Streitfall auf die Anrechenbarkeit der übertariflichen Zulage hinwies, war dieser Hinweis angesichts der oben dargestellten Rechtslage ohnehin nur deklaratorisch.
[30] Auch der im Zusammenhang mit dem Inhalt und dem Zweck der Gehaltsmitteilung zu wertende Aushang vom 9. Juni 2000 hatte keinen rechtsgeschäftlichen Erklärungswert. Hierbei handelte es sich lediglich um eine Erläuterung der bestehenden Rechtslage ohne erkennbaren Willen, diese zu gestalten. Es gab für die Erklärungsempfänger keinen Grund zu der Annahme, die Beklagte wolle die Rechtslage dahingehend ändern, dass sie die übertarifliche Zulage, die bis dahin lediglich einen anrechenbaren Entgeltbestandteil darstellte, zukünftig als selbständigen und damit anrechnungsfesten Entgeltbestandteil gewähren wolle.
[31] 3. Aus den unter III. 2. dargestellten Gründen war die Beklagte auch berechtigt, die tariflichen Einmalzahlungen für April und Mai 2007 auf die übertarifliche Zulage anzurechnen. Diese bestimmten Entgeltzahlungsperioden zurechenbaren Einmalzahlungen stellten pauschale Tarifentgelterhöhungen dar (vgl. Senat 27. August 2008 – 5 AZR 820/07 – AP BGB § 307 Nr. 36 = EzA TVG § 4 Tariflohnerhöhung Nr. 49).