Bundessozialgericht
Arbeitslosengeld II – Unterkunft und Heizung – Neben- bzw Betriebskosten – Kabelanschlussgebühr – verfassungskonforme Auslegung
BSG, Urteil vom 19. 2. 2009 – B 4 AS 48/08 R (lexetius.com/2009,806)
[1] Tatbestand: Streitig ist die Gewährung höherer Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) nach dem SGB II im Zeitraum vom 1. 6. 2006 bis 31. 5. 2007, insbesondere unter Berücksichtigung von Aufwendungen für Kabelnutzung.
[2] Die Klägerin bezieht seit dem 1. 1. 2005 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Auf ihren Fortzahlungsantrag vom 9. 5. 2006 bewilligte die Beklagte für den Zeitraum vom 1. 6. bis 30. 11. 2006 ua Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 359,99 Euro monatlich (Kaltmiete 286,32 Euro, Fernsehgemeinschaftsantenne, Beleuchtung und Fahrstuhl 10,22 Euro, Wasser, Abwasser, Abfall 29 Euro sowie 40,68 Euro Heizkosten und Warmwasser minus 6,23 Euro für Warmwasserbereitung). Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin geltend, die Beklagte sei verpflichtet auch die monatlichen Aufwendungen für Kabelnutzung in Höhe von 17,90 Euro und Strom in Höhe von 35 Euro als Leistungen für Unterkunft und Heizung zu übernehmen. Zudem sei der Abzug von 6,23 Euro für die Warmwasserbereitung von den Heizkosten rechtswidrig. Die Beklagte wies diesen, wie auch die Widersprüche gegen Bescheide für Folgezeiträume zurück, bei denen die Beklagte der Sache nach ebenfalls so verfahren war und Kosten für die Kabelnutzung nicht berücksichtigt hatte (Widerspruchsbescheide vom 19. 2. 2007 [Bescheid vom 31. 5. 2006], 29. 3. 2007 [Bescheid vom 29. 11. 2006] und 4. 4. 2007 [Bescheid vom 5. 1. 2007]).
[3] Das SG hat – nach Verbindung der Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung (Leitaktenzeichen: S 14 AS 4343/06) – die Klagen abgewiesen (Urteil vom 8. 5. 2007). Das LSG hat die Berufung der Klägerin hiergegen zurückgewiesen (Beschluss vom 2. 10. 2007) und zur Begründung ausgeführt: Die Beklagte habe für den gesamten streitigen Zeitraum den Berechnungen der monatlichen Leistungen für Unterkunft eine zutreffende Kaltmiete sowie die tatsächlichen Kosten für Wasser, Abwasser, Abfall, Aufzug, Gemeinschaftsbeleuchtung und Gemeinschaftsantenne zu Grunde gelegt. Auch die Höhe des Anspruchs der Klägerin auf Übernahme der Heizkosten in der von der Beklagten jeweils bewilligten Höhe, abzüglich von 6,23 Euro monatlich für Warmwasserbereitung sei nicht zu beanstanden. Die Klägerin sei durch diesen Abzug nicht beschwert, denn aus den Heizkostenabrechnungen ergebe sich ein höherer monatlicher Abzugsbetrag (für 2006 – 7,05 Euro). Kosten für Haushaltsenergie seien keine Kosten der Unterkunft. Sie seien nach § 20 Abs 1 SGB II von der Regelleistung umfasst. Ein Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Nutzung des Kabelanschlusses bestehe nicht. Es handele sich insoweit nicht um unausweichliche Nebenkosten, denn der Klägerin sei es durch den Vermieter freigestellt worden, den vorhandenen Kabelanschluss zu nutzen. Die Klägerin habe auch die Möglichkeit gehabt, ihr Informationsbedürfnis durch Radio und Fernsehen über die vorhandene Gemeinschaftsantenne zu befriedigen. Aufwendungen hierfür seien von der Beklagten als Nebenkosten übernommen worden. Ein Eingriff in ihr Grundrecht auf Informationsfreiheit nach Art 5 Abs 1 Satz 1 GG sei daher nicht gegeben.
[4] Mit der vom Bundessozialgericht (BSG) zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II. Sie macht ausschließlich geltend, dass sie Anspruch auf höhere Leistungen für Unterkunft habe, da ihr ein Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Nutzung des Kabelanschlusses zustehe. Die Kabelnutzungsgebühren seien notwendige Folge des Kabelanschlusses, sodass sie als Kosten der Unterkunft angesehen werden müssten. Die Erstattung der Kosten für die Kabelnutzung folge zudem aus dem vom GG geschützten Recht auf Informationsbeschaffungsfreiheit (Art 5 GG). Verwehre man Hilfebedürftigen nach dem SGB II dieses Recht, werde zugleich gegen Art 3 Abs 1 GG und die allgemeine Handlungsfreiheit (Art 2 Abs 1 GG) verstoßen. Demnach seien der Klägerin im streitigen Zeitraum monatlich je 17,90 Euro an weiteren Leistungen nach § 22 SGB II zu erbringen.
[5] Die Klägerin beantragt, den Beschluss des Landessozialgericht Baden-Württemberg vom 2. Oktober 2007 und das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 8. Mai 2007 aufzuheben sowie die Bescheide der Beklagten vom 31. Mai 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Februar 2007 sowie vom 29. November 2006 in der Fassung des Bescheides vom 6. Dezember 2006, dieser in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. März 2007 und des Bescheides vom 5. Januar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. April 2007 sowie des Bescheides vom 5. Februar 2007 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin zusätzlich monatlich 17,90 Euro für die Nutzung des Kabelanschlusses im Zeitraum vom 1. Juni 2006 bis 31. Mai 2007 als Leistungen für Unterkunft, zuzüglich gesetzlicher Zinsen ab 9. November 2006 und ab 17. Mai 2007 aus jeweils 107,40 Euro zu zahlen.
[6] Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
[7] Sie hält die Ausführungen im Urteil des LSG für zutreffend.
[8] Entscheidungsgründe: Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet.
[9] Der Beschluss des LSG ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung im streitigen Zeitraum, insbesondere nicht um monatlich 17,90 Euro wegen Aufwendungen für die Kabelnutzung.
[10] Streitgegenstand des Revisionsverfahrens sind die Bescheide der Beklagten, soweit sie die Leistungsgewährung im Zeitraum vom 1. 6. 2006 bis 31. 5. 2007 betreffen. Soweit mit Folgebescheiden für anschließende Zeiträume weitere Leistungen zugesprochen worden sind, sind diese nicht nach § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden. Die Ausdehnung des Klagegegenstandes auf Bewilligungsbescheide für Folgezeiträume kommt beim Arbeitslosengeld II regelmäßig nicht in Betracht (s dazu näher Urteile des BSG vom 7. 11. 2006 – B 7b AS 14/06 R, BSGE 97, 242 = SozR 4—4200 § 20 Nr 1; 23. 11. 2006 – B 11b AS 1/06 R, BSGE 97, 265 = SozR 4—4200 § 20 Nr 3; 29. 3. 2007 – B 7b AS 4/06 R).
[11] Die Klägerin hat zudem den Streitgegenstand bereits im erstinstanzlichen Verfahren zulässig auf die Höhe der Kosten für Unterkunft und Heizung beschränkt. Zwar sind nach der Rechtsprechung des BSG bei einem Streit um höhere Leistungen grundsätzlich alle Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde und der Höhe nach zu prüfen. Ein Bescheid kann im Einzelfall jedoch gleichwohl mehrere abtrennbare Verfügungen enthalten. Um eine derartige abtrennbare Verfügung handelt es sich bei dem Betrag, der für die Kosten der Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II bewilligt worden ist (vgl hierzu im Einzelnen BSG Urteil vom 7. 11. 2006 – B 7b AS 8/06 R, BSGE 97, 217 = SozR 4—4200 § 22 Nr 1, jeweils RdNr 19, 22).
[12] Die Klägerin ist leistungsberechtigt nach dem SGB II und hat Anspruch auf Übernahme der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung durch die Beklagte (1.). Die Höhe der von der Beklagten in den angefochtenen Bescheiden bewilligten Leistungen nach § 22 SGB II ist rechtmäßig. Die Beklagte hat die Höhe der Leistungen für Unterkunft in den angefochtenen Bescheiden zutreffend bestimmt. Die von ihr zu Grunde gelegten Beträge für Kaltmiete und Nebenkosten, einschließlich Wasser, Abwasser, Fernsehgemeinschaftsantenne, Gemeinschaftsbeleuchtung und Fahrstuhl sowie Abfall sind nicht zu beanstanden (2.). Ein Anspruch auf Übernahme der von der Klägerin an den Kabelbetreiber entrichteten Gebühren für Kabelnutzung durch die Beklagte besteht nicht (3.). Die in § 2 Betriebskostenverordnung (BetrKV) aufgeführten Betriebskosten gehören (mit Ausnahme der Warmwasserbereitungskosten) ihrer Art nach zwar grundsätzlich zu den erstattungsfähigen Kosten der Unterkunft (a.). Vom Hilfebedürftigen kraft Mietvertrages zu tragende monatliche Grundgebühren für Breitbandkabelanschlüsse sind jedoch dann keine angemessenen KdU, wenn das Fernsehen bereits anderweitig technisch gewährleistet ist (b.). Ebenso wenig ist der Betrag, den die Beklagte monatlich für die Aufwendungen für Heizung bewilligt hat, zu Gunsten der Klägerin zu erhöhen. Zutreffend hat die Beklagte Kosten für die Warmwasserbereitung von den zu übernehmenden Heizkosten in Abzug gebracht (4.). Die Stromkosten sind nicht im Rahmen der Kosten für Unterkunft nach § 22 Abs 1 SGB II von der Beklagten zu tragen; Aufwendungen für Haushaltsenergie sind aus der Regelleistung nach § 20 SGB II zu begleichen (5.).
[13] 1. Die Klägerin ist nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) Berechtigte iS des § 7 Abs 1 SGB II. Sie ist insbesondere erwerbsfähig (§ 7 Abs 1 Nr 2 iVm § 8 Abs 1 SGB II) und hilfebedürftig (§ 7 Abs 1 Nr 3 SGB II iVm §§ 9 ff SGB II). Für den Bedarf der Klägerin sind neben dem in § 20 SGB II festgelegten und durch die Regelleistung abgedeckten ferner die von ihr geltend gemachten tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs 1 SGB II maßgeblich. Nach dessen Satz 1 werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Hinsichtlich der Angemessenheit der Wohnung an sich besteht für den hier zu beurteilenden Zeitraum kein Streit zwischen den Beteiligten und hat der Senat nach den Feststellungen des LSG auch keine durchgreifenden Bedenken (grundlegend zur Bestimmung der Angemessenheit der Wohnkosten BSG Urteil vom 7. 11. 2006 – B 7b AS 18/06 R, BSGE 97, 254 = SozR 4—4200 § 22 Nr 3; s auch BSG vom 19. 2. 2009 – B 4 AS 30/08 R).
[14] 2. Die Beklagte hat der Berechnung der von ihr bewilligten Leistungen für Unterkunft auch die tatsächlichen, sich aus dem Mietvertrag und den Abrechnungen mit den Stadtwerken P. ergebenden Kosten zu Grunde gelegt. Sie hat sowohl die Kaltmiete in Höhe von monatlich 286,32 Euro, als auch die mietvertraglich vereinbarten bzw von der Klägerin aufzubringenden Aufwendungen für Wasser, Abwasser, Abfall, Gemeinschaftsbeleuchtung, Fahrstuhl und Fernsehgemeinschaftsantenne in der im jeweiligen Monat zu zahlenden Höhe in vollem Umfang als angemessen bewertet. Anlass zu Beanstandungen insoweit sieht der Senat nicht.
[15] 3. Die Klägerin hat jedoch keinen Anspruch auf Übernahme weiterer Nebenkosten im Rahmen des § 22 Abs 1 SGB II. Die Beklagte ist im konkreten Fall insbesondere nicht verpflichtet, die Aufwendungen, die durch die Zahlung von Kabelnutzungsgebühren entstehen, als Leistungen für Unterkunft zu erstatten.
[16] a) Zu den tatsächlichen Aufwendungen iS des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II gehören auch die Nebenkosten, jedoch grundsätzlich nur soweit es sich um die ihrer Art nach in § 2 BetrKV aufgeführten Betriebskosten handelt (vgl Knickrehm/Voelzke/Spellbrink, Leitfaden – Kosten der Unterkunft nach § 22 SGB II, S 31 f; eine Ausnahme gilt für Warmwasserbereitungskosten [siehe dazu BSG vom 27. 2. 2008 – B 14/11b AS 15/07 R, SozR 4—4200 § 22 Nr 5]). § 556 Abs 1 BGB iVm § 2 BetrKV (vom 25. 11. 2003) legen abschließend fest, welche Nebenkosten aus dem Mietobjekt vom Vermieter auf den Mieter umgelegt werden dürfen. Aus § 556 Abs 1 BGB folgt ferner, dass eine Vereinbarung der Umlage von Kosten, die nicht als Betriebskosten unter § 2 BetrKV fallen, unwirksam ist (vgl nur Weidenkaff in Palandt, BGB, 67. Aufl, 2008, § 556 RdNr 3 mwN). Hieraus folgt, dass sie grundsätzlich auch nicht auf den Grundsicherungsträger in Gestalt der Erbringung durch die steuerfinanzierten SGB II-Leistungen überwälzt werden dürfen. Die Beschränkung der grundsätzlich erstattungsfähigen Nebenkosten auf die in § 2 BetrKV genannten Posten ermöglicht es zudem, von einer Überprüfung der Rechtmäßigkeit eines jeden Mietvertrags abzusehen. Dieses entspricht auch den Anforderungen einer Massenverwaltung.
[17] Die Aufwendungen für einen Breitbandkabelanschluss unterfallen § 2 BetrKV. Sie erfüllen damit die oben aufgezeigte Grundvoraussetzung, um als Kosten der Unterkunft nach dem SGB II bewertet zu werden. Nach § 2 Nr 15 Buchst b BetrKV handelt es sich bei den durch den Kabelanschluss und die Kabelnutzung entstehenden Kosten um Betriebskosten iS des § 1 BetrKV, gleichgestellt dem Betrieb der Gemeinschafts-Antennenanlage (§ 2 Nr 15 Buchst a BetrKV). Nach § 2 Nr 15 Buchst b BetrKV sind Betriebskosten auch solche, die mit dem Betrieb der mit einem Breitbandkabelnetz verbundenen privaten Verteilanlage zusammenhängen, entsprechend § 2 Nr 15 Buchst a BetrKV (Fernsehgemeinschaftsantenne), ferner die laufenden monatlichen Grundgebühren für Breitbandkabelanschlüsse.
[18] Die Kosten für Kabelanschluss und -nutzung sind auch nicht deswegen von den Leistungen nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II auszunehmen, weil sie der Informationsbeschaffung, Bildung sowie Unterhaltung dienen und es dem Einzelnen ermöglichen, seine Umwelt zu erfahren sowie am kulturellen Leben teilzuhaben (vgl zum Schwarz-Weiß-Fernsehgerät BVerwG, Urteil vom 24. 2. 1994 – 5 C 34/91, BVerwGE 95, 145; zum gebrauchten Fernsehgerät vom 18. 12. 1997 – 5 C 7/95, BVerwGE 106, 99). Zwar sind derartige Bedürfnisse des täglichen Lebens regelmäßig von der Regelleistung abgedeckt (BVerwG, Urteil vom 28. 11. 2001 – 5 C 9/01, BVerwGE 115, 256; vgl hierzu auch Lang/Link ind Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 22 RdNr 23, die die Kosten für eine Satellitenschüssel dem Regelbedarf zuordnen; grundsätzlich zweifelnd, ob § 22 SGB II als Anspruchsgrundlage für die Übernahme von Kabelanschlussgebühren in Betracht kommt: Piepenstock in Juris-PK-SGB II, 2. Aufl 2007, § 22 RdNr 34). Dies gilt aber zumindest dann nicht, wenn Fernsehen und Radiohören von einer technischen, fest mit den Mietsachen verbundenen Vorrichtung abhängig sind und die Aufwendungen hierfür mietvertraglich begründet werden. In diesem Fall müssen sie – im Gegensatz zu Aufwendungen durch die GEZ und Stromkosten – vom Grundsicherungsträger als Bestandteil der Kosten der Unterkunft vom Grundsicherungsträger übernommen werden (s auch BVerwG, Urteil vom 28. 11. 2001 – 5 C 9/01, BVerwGE 115, 256). Verlagerte man die Kosten eines derartigen Fernseh- und Radiozugangs in die Regelleistung, müsste auch derjenige, der zwar mietvertraglich verpflichtet ist, die Aufwendungen für einen Breitbandkabelanschluss zu tragen, diese Form der Informationsbeschaffung jedoch nicht nutzen will, die Aufwendungen hierfür aus der Pauschale nach § 20 Abs 1 SGB II bestreiten (vgl hierzu BVerwG, Urteil vom 28. 11. 2001 – 5 C 9/01, BVerwGE 115, 256). Anders als der Kauf einer Tageszeitung wohnt der Finanzierung eines derartigen mietvertraglich unausweichlichem Fernseh- und Radiozugangs als einer Möglichkeit der Informationsbeschaffung und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben nicht das Element der Freiwilligkeit inne. Müsste der Hilfebedürftige, der aus der mietvertraglichen Verpflichtung keinen Nutzen zieht, die Aufwendungen hierfür aus der Regelleistung bestreiten, wäre er in seinem Recht auf freie Information iS des Art 5 Abs 1 Satz 1 GG beeinträchtigt. Ihm fehlten die für den Fernseh- und Radiozugang aufgewendeten Mittel, um eine andere Form der Informationsbeschaffung zu finanzieren. Aber auch umgekehrt, also für den Nutzer der Möglichkeiten des mit der Wohnung verbundenen Fernsehzugangs, gilt es seinem Recht auf die verfassungsrechtlich garantierte Informationsfreiheit (vgl hierzu BVerfG, Beschluss vom 9. 2. 1994 – 1 BvR 1687/92, BVerfGE 90, 27) Rechnung zu tragen. Fernsehen und Radiohören gehören heute zu den in allen Gesellschaftsschichten standardmäßig genutzten Informationsquellen. Rund 36 Mio Haushalte haben zu Hause Fernsehen, was einer Ausstattung von 95 % der Gesamtbevölkerung Deutschlands entspricht (vgl Information des Statistischen Bundesamtes, Institut für Forschung und Entwicklung in der Bundesstatistik, Pötzsch, Korth, Schnorr-Bäcker, Informationstechnologie in Haushalten – Ergebnisse einer Pilotstudie für das Jahr 2002, Wiesbaden 2003). Die Einrichtung eines Zugangs hierzu ist üblicher Wohnstandard, dem sich der Mieter in den seltensten Fällen entziehen kann und auf deren konkrete Kostenhöhe er auch keinen Einfluss hat. Sein Recht auf Informationsfreiheit drohte beeinträchtigt zu werden, wenn die Kosten für diese Art der Informationsbeschaffung zwar durch das Anmieten der Wohnung zwangsläufig entstünden, sie jedoch vom Grundsicherungsträger nicht als Unterkunftskosten übernommen würden.
[19] Daraus folgt aber zugleich, dass tatsächliche Aufwendungen für umlagefähige Betriebskosten – auch die Kosten für einen Kabelanschluss und die Anschlussnutzungsgebühren – grundsätzlich nur dann erstattungsfähig sind, wenn die Verpflichtung zur Zahlung durch den Mietvertrag begründet worden ist (BSG, Urteile vom 19. 3. 2008 – B 11b AS 31/06 R und vom 15. 4. 2008 – B 14/7b AS 58/06 R; s hierzu auch Berlit in LPK-SGB II, 2. Aufl 2007, § 22 RdNr 19; Kalhorn in Hauck/Noftz, SGB II, Stand VII/07, § 22 RdNr 13; Lang/Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 22 RdNr 22, 23; Piepenstock in Juris-PK-SGB II, 2. Aufl 2007, § 22 RdNr 32, 34). Übernimmt der Hilfebedürftige die Kosten "freiwillig", etwa um einen bestimmten "besseren" Standard zu erhalten, handelt es sich nicht um Kosten der Unterkunft iS von § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II. Nur die Aufwendungen, die mit der Unterkunft rechtlich und tatsächlich verknüpft sind, sind auch als Leistungen nach § 22 SGB II zu erbringen (vgl zur Garage als zusätzlichem Ausstattungsmerkmal BSG, Urteil vom 7. 11. 2008 – B 7b AS 10/06 R, BSGE 97, 231 = SozR 4—4200 § 22 Nr 2 RdNr 28; s zum Kabelanschluss auch BVerwG, Urteil vom 28. 11. 2001 – 5 C 9/01, BVerwGE 115, 256; vgl auch Knickrehm/Voelzke/Spellbrink, aaO, S 32 f).
[20] Nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) hat der Vermieter der Klägerin den Mietern die Nutzung des Breitbandkabelanschlusses freigestellt. Entsprechende Nebenkosten fallen demnach im konkreten Fall zwar an und die Übernahme dieser Kosten ist auch grundsätzlich mietvertraglich vereinbart. Die Aufwendungen werden jedoch nur dann fällig, wenn der Kabelanschluss auf Grund eines freiwilligen Entschlusses des Mieters tatsächlich genutzt wird. Inwieweit diese "Freiwilligkeit" auch dann zum Ausschluss von Leistungen für KdU führt, wenn der vorhandene Kabelanschluss der einzige technische Zugang zum Fernsehen ist, und der Vermieter jeden anderen Anschluss untersagt, brauchte der Senat nicht zu entscheiden (Übernahme als Unterkunftskosten nur dann, wenn Kabelanschlussgebühren nicht zur Disposition des Hilfebedürftigen stehen, s Kalhorn in Hauck/Noftz, SGB II, Stand VII/2007, § 22 RdNr 13; so auch Lang/Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 22 RdNr 23). Im vorliegenden Fall scheitert die Übernahme der Kabelnutzungsgebühren als Leistungen für Unterkunft nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II zumindest an der mangelnden Angemessenheit der geltend gemachten Aufwendungen (dazu b).
[21] b) Vom Hilfebedürftigen kraft Mietvertrages zu tragende monatliche Grundgebühren für Breitbandkabelanschlüsse sind dann nicht als angemessene KdU vom Grundsicherungsträger zu übernehmen, wenn der Fernsehempfang bereits anderweitig technisch gewährleistet ist.
[22] So liegt der Fall hier. Der Vermieter hat den Mietern über den Kabelanschluss hinaus einen Zugang zum Fernsehen durch eine Gemeinschaftsantenne verschafft. Dieser Zugang ist zudem als Teil der Betriebskosten auf die Mieter umgelegt. Die Aufwendungen hierfür sind von der Beklagten als Leistungen nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II übernommen und der Anspruch der Klägerin auf Übernahme dieser Nebenkosten als Teil der Kosten der Unterkunft damit von der Beklagten erfüllt worden. Eine darüber hinausgehende Erstattung von Kosten, die ebenfalls dafür aufgewendet werden, Fernsehen und Radiohören zu gewährleisten, ist nicht angemessen iS von § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II. Durch die Leistungen nach § 22 SGB II soll die Erhaltung eines einfachen Standards erreicht werden (vgl BSG vom 7. 11. 2006 – B 7b AS 18/06 R, BSGE 97, 254 = SozR 4—4200 § 22 Nr 3). Dieser Rahmen wird jedoch überschritten, wenn doppelte Leistungen erbracht werden sollen, nur weil mit der weiteren Leistung ein höherer Standard bewirkt werden kann.
[23] Art 5 Abs 1 Satz 1 GG wird nicht dadurch verletzt, dass die Beklagte über die Finanzierung der Fernsehgemeinschaftsantenne hinaus nicht auch noch zur Erstattung der Kabelnutzungskosten als Leistungen für Unterkunft verpflichtet ist. Es fehlt insoweit bereits an einer Beeinträchtigung des Rechts der Klägerin, sich ungehindert aus allgemein zugänglichen Quellen zu unterrichten. Art 5 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 2 GG schützt die Informationsfreiheit. Sie gibt jedem das Recht zu entscheiden, aus welchen allgemein zugänglichen Quellen er sich unterrichten möchte (BVerfG Beschluss vom 9. 2. 1994 – 1 BvR 1687/92, BVerfGE 90, 27). Die Übernahme "nur" der Aufwendungen für die Gemeinschaftsantenne beeinträchtigt die Klägerin jedoch nicht in ihrem Recht, frei jede beliebige Informationsquelle zu nutzen und zu entscheiden, ob sie sich neben der letztendlich von der Beklagten über die Kosten der Unterkunft finanzierten Möglichkeit ihr Informationsbedürfnis durch Radio und Fernsehen zu decken, weitere Informationsquellen erschließen will. Soweit sie sich durch die mangelnde Finanzierung des Bedürfnisses einer größeren Programmvielfalt oder besseren Sendequalität durch Nichtübernahme der Kabelnutzungsgebühren als Leistungen für Unterkunft beeinträchtigt sieht, verkennt sie, dass es nicht Aufgabe der Leistungen für Unterkunft ist, derartige Bedürfnisse zu decken.
[24] 4. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf höhere Leistungen für Heizung. Die Beklagte hat entsprechend der Rechtsprechung des 14. Senats des BSG (BSG Urteil vom 27. 2. 2008 – B 14/11b AS 15/07 R, SozR 4—4200 § 22 Nr 5) von den tatsächlich von der Klägerin aufzuwendenden Heizkosten zu Recht Kosten der Warmwasserbereitung in Abzug gebracht. Letztere sind Bestandteil der Regelleistung und daher mit der Leistung nach § 20 SGB II bereits abgegolten. Im Gegensatz zur Auffassung der Klägerin war von dieser Rechtslage auch bereits vor der gesetzlichen Klarstellung durch Ergänzung des § 20 Abs 1 SGB II um den Bedarf "Haushaltsenergie" durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20. 7. 2006 (BGBl I, 1706) auszugehen. In Höhe des Anteils, mit dem über die Regelleistung der Bedarf für Kosten der Warmwasserversorgung gedeckt wird, würde der Hilfebedürftige doppelt Leistungen erhalten, gewährte der Grundsicherungsträger ihm zusätzlich die Kosten der Heizung in vollem Umfang (vgl hierzu ausführlich: Knickrehm/Voelzke/Spellbrink, aaO, S 35 ff). Die Höhe des in Abzug zu bringenden Betrags hat der 14. Senat (ihm folgend das BMAS, s Rundschreiben vom 4. 8. 2008 – II b 5 – 29101/1) auf Grundlage einer hier zu erbringenden Regelleistung in Höhe von 345 Euro (Viertes Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003, BGBl I 2954; Erhöhung der Regelleistung erst zum 1. 7. 2007, also außerhalb des hier streitigen Zeitraums durch Bekanntmachung nach § 20 Abs 4 SGB II, BGBl I 2007, 1139) mit 6,22 Euro bestimmt (s Einzelheiten BSG Urteil vom 27. 2. 2008 – B 14/11b AS 15/07 R, SozR 4—4200 § 22 Nr 5 und Knickrehm/Voelzke/Spellbrink, aaO, S 37). Soweit die Beklagte im streitigen Zeitraum monatlich einen Betrag von 6,23 Euro in Abzug gebracht hat, führt dieses gleichwohl nicht zu einem um 0,01 Euro höheren monatlichen Leistungsanspruch der Klägerin. Die Beklagte hat im konkreten Fall mit diesem Betrag einen zu niedrigen Abzug von den Heizkosten vorgenommen; die Klägerin hat zu hohe Leistungen für Heizung erhalten.
[25] Sind nämlich – wie nach den Feststellungen des LSG hier der Fall – technische Vorrichtungen vorhanden, mit denen die Kosten für Warmwasserbereitung separat erfasst werden können, sind die tatsächlichen Kosten hierfür von den Heizkosten in Abzug zu bringen. Dahinter steht die Überlegung, dass dann, wenn die konkrete Erfassung der Kosten der Warmwasserbereitung möglich ist, es in der Hand des Hilfebedürftigen liegt, seinen Warmwasserverbrauch zu steuern bzw zu versuchen, mit dem ihm durch die Regelleistung zur Verfügung gestellten Rahmen auszukommen (BSG Urteil vom 27. 2. 2008 – B 14/11b AS 15/07 R, SozR 4—4200 § 22 Nr 5; vgl auch Knickrehm/Voelzke/Spellbrink, Leitfaden – Kosten der Unterkunft, 2009, S 36). Nach den bindenden Feststellungen des LSG lagen die von der Klägerin aufzuwendenden Beträge für Warmwasser mit 8, 41 bzw 7,05 Euro über dem von der Beklagten jeweils abgezogenen von monatlich 6,23 Euro.
[26] Auch wenn die Klägerin damit auf Grund der angefochtenen Bescheide mehr an Leistungen erhalten hat, als sie rechtmäßig hätte beanspruchen können, diese Bescheide also materiell-rechtlich rechtswidrig waren, folgt hieraus nicht, dass die Bescheide durch den erkennenden Senat zu Lasten der Klägerin zu ändern wären. Der Änderung steht insoweit das Verbot der reformatio in peius entgegen.
[27] 5. Ebenso wie die Kosten für Warmwasserbereitung Bestandteil der Regelleistung sind, müssen auch die Kosten für Strom, sofern er nicht zur Erzeugung von Heizenergie genutzt wird, aus der maßgeblichen Regelleistung gedeckt werden. Die Klägerin hat daher keinen Anspruch auf Erhöhung der Leistungen für Unterkunft um ihre Aufwendungen für Haushaltsstrom. Nach dem Wortlaut des § 20 Abs 1 SGB II (idF des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20. 7. 2006, BGBl I, 1706) umfasst die Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts auch Aufwendungen für Haushaltsenergie. Mit der Ergänzung des § 20 Abs 1 SGB II um den Bedarf "Haushaltsenergie" ist keine inhaltliche Änderung des Umfangs der Regelleistung erfolgt – die Ergänzung ist lediglich zur Klarstellung vorgenommen worden, sodass auch für die Zeit vor dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende am 1. 8. 2006 Stromkosten nicht über Leistungen nach § 22 SGB II zu erbringen waren (BSG Urteil vom 27. 2. 2008 – B 14/11b AS 15/07 R, SozR 4—4200 § 22 Nr 5).