Bundesgerichtshof
BGB § 556a Abs. 1 Satz 2
a) Ist im Mietvertrag eine nach § 556a Abs. 1 Satz 2 BGB zulässige Betriebskostenabrechnung auf der Grundlage eines erfassten Verbrauchs vereinbart, kommt es für die inhaltliche Richtigkeit der Betriebskostenabrechnung allein darauf an, ob der tatsächliche Verbrauch zutreffend erfasst worden ist.
b) Beruhen die in die Betriebskostenabrechnung eingestellten Verbrauchswerte auf der Ablesung eines geeichten Messgeräts, spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass diese Werte den tatsächlichen Verbrauch richtig wiedergeben.
c) Den von einem nicht (mehr) geeichten Messgerät abgelesenen Verbrauchswerten kommt die Vermutung ihrer Richtigkeit nicht zu. In diesem Fall muss der Vermieter im Prozess die Richtigkeit der abgelesenen Werte zur Überzeugung des Tatrichters nachweisen.

BGH, Urteil vom 17. 11. 2010 – VIII ZR 112/10; LG Bautzen (lexetius.com/2010,6659)

[1] Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 17. November 2010 durch den Vorsitzenden Richter Ball, die Richterin Dr. Milger, die Richter Dr. Achilles und Dr. Schneider sowie die Richterin Dr. Fetzer für Recht erkannt:
[2] Die Revision der Kläger gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Bautzen vom 30. April 2010 wird zurückgewiesen.
[3] Die Kläger haben die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
[4] Tatbestand: Die Kläger waren vom 26. September 2004 bis 21. Februar 2008 Mieter einer Wohnung der Beklagten in B.. In § 3 Abs. 4 des Mietvertrages der Parteien vom 26. September 2004 ist unter anderem geregelt:
"Soweit Betriebskosten verbrauchs- oder verursachungsbezogen abgerechnet werden können, erfolgt die Betriebskostenabrechnung auf der Grundlage des erfassten Verbrauchs bzw. der erfassten Verursachung."
[5] Mit ihrer Klage haben die Kläger die Beklagten auf Rückzahlung der geleisteten Mietkaution nebst kapitalisierten Zinsen (760,85 €) sowie Rückzahlung von ihnen behaupteter Guthaben aus den Betriebskostenabrechnungen der Beklagten aus den Jahren 2006 (134,09 €) und 2007 (222,38 €), insgesamt 1.117,32 € in Anspruch genommen.
[6] Soweit es die Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2007 betrifft, haben die Kläger die von den Beklagten nach erfassten Verbrauch abgerechneten Wasserkosten als unzutreffend zurückgewiesen und ihrerseits eine Abrechnung nach Wohnfläche vorgenommen; danach stehe ihnen für das Jahr 2007 ein Guthaben in Höhe von 222,38 € zu. Der ihnen bereits vorprozessual mit Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 18. März 2008 übermittelte Prüfbericht einer staatlich anerkannten Prüfstelle für Messgeräte vom 28. Februar 2008, der die Einhaltung der Verkehrsfehlergrenzen des nicht (mehr) geeichten Zählers feststellte, ändert nach Auffassung der Kläger nichts an der Unzulässigkeit der Abrechnung nach erfasstem Verbrauch, da es allein darauf ankomme, dass das Messgerät im Ablesezeitraum nicht (mehr) geeicht gewesen sei. Die Beklagten sind hingegen der Meinung, ihnen stehe aufgrund zulässiger Abrechnung nach erfasstem Verbrauch eine aufrechenbare Nachzahlungsforderung für das Jahr 2007 in Höhe von 154,79 € zu.
[7] Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Beklagten verurteilt, an die Kläger 740,15 € nebst Zinsen hieraus zu bezahlen.
[8] Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstreben die Kläger die Abänderung des Berufungsurteils soweit das Berufungsgericht ein Guthaben der Kläger aus der Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2007 verneint und den Beklagten Nachzahlungsansprüche aus dieser Abrechnung in Höhe von 154,79 € zuerkannt hat.
[9] Entscheidungsgründe: Die Revision hat keinen Erfolg.
[10] I. In der Revisionsinstanz ist zwischen den Parteien nur noch im Streit, ob die Beklagten die Betriebskosten für den im Jahr 2007 angefallenen Wasserverbrauch zutreffend dadurch ermittelt haben, dass sie der Abrechnung die Messwerte eines bei Ablesung nicht geeichten Wasserzählers zugrunde gelegt haben.
[11] Das Berufungsgericht hat insoweit zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:
[12] Hinsichtlich der Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2007 stehe den Klägern bezüglich des Wasserverbrauchs kein Guthaben in Höhe von 222,38 € zu; vielmehr hätten die Beklagten aufgrund des im Abrechnungszeitraums angefallenen Wasserverbrauchs eine gegen die übrige Klageforderung aufrechenbare Nachzahlungsforderung in Höhe von 154,79 €. Die Messergebnisse des im Zeitpunkt der Ablesung unstreitig nicht (mehr) geeichten Wasserzählers hätten der Abrechnung zugrunde gelegt werden dürfen. Zwar sehe § 2 Abs. 1 in Verbindung mit § 25 Abs. 1 Nr. 1a EichG vor, dass Messgeräte, die im geschäftlichen Verkehr – wozu auch die Betriebskostenabrechnung in einem Mietverhältnis zähle – nur verwendet werden dürften, wenn sie geeicht seien; ein Verstoß dagegen sei nach § 19 Abs. 1 Nr. 3 EichG bußgeldbewehrt. Daraus könne jedoch entgegen einer verbreiteten Meinung in Instanzrechtsprechung und Literatur kein Beweismittelverwertungsverbot abgeleitet werden. Das Eichgesetz habe keine doppelte Strafsanktion im Blick, wenn es die Verwendung nicht (mehr) geeichter Messgeräte einer Bußgeldsanktion unterwerfe. Es sei nicht ersichtlich, dass die mit derartigen Geräten ermittelten Ergebnisse auch dann nicht verwertet werden dürften, wenn der Vermieter nachweise, dass das Gerät trotz der fehlenden Eichung korrekte Ergebnisse geliefert habe. Vielmehr bestehe folgende Rechtslage: Bei Verwendung eines geeichten Zählers werde vermutet, dass die korrekt abgelesenen Werte richtig erfasst worden seien. In diesem Fall trage der Mieter die Beweislast dafür, dass das Gerät (ausnahmsweise) aufgrund eines Defekts bei der Ablesung nicht funktioniert habe. Werde ein nicht geeichtes Gerät verwendet, habe der Vermieter darzulegen und zu beweisen, dass das Gerät bestimmungsgemäß funktioniert habe. Für diese Auffassung spreche auch, dass dem Zivilprozessrecht starre Beweisregeln fremd seien und grundsätzlich die freie Beweiswürdigung nach § 286 ZPO gelte.
[13] Gründe, bei deren Vorliegen ausnahmsweise Beweisverwertungsverbote angenommen würden, insbesondere Eingriffe in verfassungsrechtlich geschützte Persönlichkeitsrechte, lägen hier nicht vor. Selbst wenn man vertragliche Vereinbarungen, wonach "nach dem erfassten Verbrauch" abgerechnet werden solle, so auslegen wollte, dass damit nur der durch geeichte Geräte erfasste Verbrauch gemeint sei, ergebe sich nichts anderes; denn redliche Vertragsparteien hätten im gemeinsamen Interesse einer korrekten Verbrauchserfassung vereinbart, dass ein zutreffendes Messergebnis nicht an einem formalen Fehler scheitern solle.
[14] Im Streitfall hätten die Beklagten durch Vorlage eines von einer staatlich anerkannten Prüfstelle zeitnah zur Ablesung erstellten Messprotokolls nachgewiesen, dass sich die Ergebnisse des nicht (mehr) geeichten Wasserzählers innerhalb der Messtoleranzen hielten. Damit ergebe sich für den Streitfall eine aufrechenbare Nachzahlungsforderung der Beklagten für den Wasserverbrauch des Jahres 2007 in Höhe von 154,79 €.
[15] II. Diese Beurteilung des Berufungsgerichts hält rechtlicher Nachprüfung stand; die Revision ist daher zurückzuweisen. Zu Recht hat das Berufungsgericht die Verpflichtung der Kläger zur anteiligen Tragung der Kosten des Wasserverbrauchs des Jahres 2007 nicht daran scheitern lassen, dass der Wasserzähler im maßgeblichen Zeitraum nicht mehr geeicht war.
[16] Nach einer in der Instanzrechtsprechung und Teilen der Literatur vertretenen Meinung sind durch nicht (mehr) geeichte Messgeräte erfasste Verbrauchswerte allerdings nicht zur Feststellung des tatsächlichen Verbrauchs geeignet. Diese Auffassung stützt sich auf das in § 25 Abs. 1 Nr. 1a des Gesetzes über das Mess- und Eichwesen (Eichgesetz – EichG, Neufassung vom 23. März 1992, BGBl. I S. 711) normierte und durch § 19 Abs. 1 Nr. 3 EichG bußgeldbewehrte Verbot, im geschäftlichen Verkehr nicht (mehr) geeichte Messgeräte zu verwenden. Habe der Vermieter gegenüber dem Mieter die vertragliche Pflicht übernommen, zur Verbrauchserfassung geeignete Betriebskosten nach Verbrauch abzurechnen, handele der Vermieter im geschäftlichen Verkehr, denn darunter falle in Abgrenzung zu rein privatem, innerbetrieblichem oder amtlichem Handeln jede Tätigkeit zu Geschäftszwecken. Ermittle der Vermieter den Verbrauch anhand nicht (mehr) geeichter Messgeräte, verstoße er gegen ein den Verbraucher schützendes gesetzliches Verbot; die so ermittelten Werte seien zur Feststellung des tatsächlichen Verbrauchs deshalb ungeeignet (Bay- ObLG, WuM 2005, 479 f.; LG Saarbrücken, WuM 2005, 606; AG Löbau, WuM 2008, 486; AG Esslingen, WuM 2008, 301; Schmidt-Futterer/Langenberg, Mietrecht, 9. Aufl., § 556 BGB Rn. 116; Bierbaum, GE 2000, 848). Nach einer anderen Auffassung ist der Vermieter auch dann zur verbrauchsabhängigen Abrechnung berechtigt, wenn die Eichfrist für Wasserzähler abgelaufen ist, sofern er bereits bei der Abrechnung gegenüber dem Mieter durch Vorlage geeigneter Unterlagen nachweise, dass der Zähler den tatsächlichen Verbrauch dennoch zutreffend erfasst habe; ein späterer Nachweis im Prozess sei dem Vermieter hingegen verwehrt (AG Neubrandenburg, WuM 2010, 91). Eine noch weiter gehende Ansicht, der auch das Berufungsgericht folgt, sieht den Zweck des Verbots, nicht (mehr) geeichte Messgeräte im geschäftlichen Verkehr zu verwenden, darin, ein richtiges Messen zu gewährleisten. Dieser Zweck werde auch dann erfüllt, wenn sich feststellen lasse, dass die von einem Messgerät angezeigten Verbrauchswerte zutreffend seien, auch wenn das Gerät im Zeitpunkt der Ablesung nicht (mehr) geeicht sei (AG Spandau, GE 2007, 1127).
[17] Die letztere Auffassung verdient den Vorzug. Ist – wie im Streitfall in § 3 Abs. 4 des Mietvertrages – eine nach § 556a Abs. 1 Satz 2 BGB zulässige Betriebskostenabrechnung auf der Grundlage eines erfassten Verbrauchs vereinbart, kommt es für die inhaltliche Richtigkeit der Betriebskostenabrechnung allein darauf an, ob der tatsächliche Verbrauch zutreffend erfasst worden ist. Ob dies der Fall ist, hat der Tatrichter in freier Beweiswürdigung nach § 286 ZPO festzustellen. Es ist dabei grundsätzlich ohne Belang, auf welchem Weg die im Ergebnis zutreffenden Verbrauchswerte vom Vermieter ermittelt werden. Beruhen die in die Betriebskostenabrechnung eingestellten Verbrauchswerte auf der Ablesung eines geeichten Messgeräts, spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass diese Werte den tatsächlichen Verbrauch richtig wiedergeben; dem Mieter steht es jedoch offen, diese Vermutung durch die Führung eines Gegenbeweises zu entkräften. Den von einem nicht (mehr) geeichten Messgerät abgelesenen Werten kommt die Vermutung ihrer Richtigkeit dagegen nicht zu. In diesem Fall muss der Vermieter die Richtigkeit der abgelesenen Werte im Prozess zur Überzeugung des Tatrichters nachweisen. Dabei mag gegebenenfalls im Einzelfall der Vortrag geeigneter Grundlagen zur tatrichterlichen Schätzung nach § 287 ZPO genügen, wie etwa die Vorlage der Verbrauchswerte der letzten unbeanstandeten Abrechnungsperiode.
[18] Der Einwand der Revision, dieses Ergebnis sei für den Mieter schon deshalb nicht zumutbar, weil er im Abrechnungsprozess die Kostenlast trage, wenn dem Vermieter der Nachweis der Richtigkeit der abgelesenen Werte gelinge, geht bereits im Ansatz fehl, denn die prozessuale Kostentragungslast kann die materielle Rechtslage nicht beeinflussen; sie ist vielmehr deren Folge.
[19] 3. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist den Beklagten der Nachweis gelungen, dass der nicht (mehr) geeichte Wasserzähler den anteiligen Wasserverbrauch der Kläger richtig erfasst hat. Dass das Berufungsgericht bei dieser Beurteilung – dem Prüfbericht der staatlich anerkannten Prüfstelle für Messgeräte für Wasser vom 28. Februar 2008 folgend – darauf abgestellt hat, dass die so genannten Verkehrsfehlergrenzen, nicht dagegen die engeren Eichfehlergrenzen eingehalten sind, ist entgegen der Auffassung der Revision nicht zu beanstanden. Diese Vorgehensweise der Prüfstelle entsprach den Prüfvorgaben, denn nach dem auf der Rückseite des Prüfberichts abgedruckten "Beiblatt zum Prüfschein über eine Befundprüfung" sind bei "der Beurteilung der Richtigkeit … die Verkehrsfehlergrenzen anzuwenden".
[20] Den Beklagten steht daher für das Jahr 2007 eine Nachzahlungsforderung in Höhe von 154,79 € zu, mit der sie gegen den Klageanspruch wirksam aufgerechnet haben.