Bundesgerichtshof
UrhG § 3, § 23
Eine Fragensammlung, die als Arbeitskontrolle zu einem medizinischen Fachbuch dienen soll und sich dementsprechend sachlich und inhaltlich an dieses Fachbuch anlehnt, kann bei eigenschöpferischer Auswahl und Gestaltung der Fragen als – abhängige – Werkschöpfung urheberrechtsschutzfähig sein.

BGH, Urteil vom 27. 2. 1981 – I ZR 20/79 – Fragensammlung; OLG Karlsruhe (lexetius.com/1981,2)

[1] Tatbestand: Der Erstbeklagte ist Professor der Medizin und Verfasser eines vom Zweitbeklagten verlegten medizinischen Taschenbuchs "Der Körper des Menschen", das 1974 in 6. und 1976 in überarbeiteter und erweiterter 7. Auflage erschienen ist. Die 7. Auflage enthält als einen neuen Bestandteil eine "Arbeitskontrolle mittels Fragen"; diese "Arbeitskontrolle" besteht aus 1. 220 Fragen, die in der ärztlichen Fachsprache abgefaßt sind und zu deren Beantwortung auf die entsprechenden Seiten des Buches verwiesen wird. Die Idee dazu erhielt der Erstbeklagte vom Kläger, der ihm mit Schreiben vom 10. Oktober 1974 einen von ihm verfaßten Fragenkatalog zu dem genannten Taschenbuch mit der Bitte um Erlaubnis zur Veröffentlichung zugesandt hatte. Diesen Fragenkatalog hatte der Erstbeklagte mit Schreiben vom 23. Oktober 1974 mit Dank für die Anregung und der Ankündigung späterer erneuter Kontaktaufnahme an den Kläger zurückgesandt, ohne auf dessen Bitte einzugehen.
[2] Der Kläger behauptet, die in der 7. Auflage des Taschenbuchs "Der Körper des Menschen" enthaltene "Arbeitskontrolle mittels Fragen" sei ein Plagiat seines Fragenkatalogs, den er für eine eigenschöpferische individuelle Leistung hält, da er sich nach Zweck, äußerer Form und Formulierung von dem Buch des Erstbeklagten wesentlich unterscheide. Von den 1. 220 Fragen der "Arbeitskontrolle" stimmten 86 mit denen seines Fragenkatalogs wörtlich überein, 732 seien nur geringfügig im Wortlaut geändert und weitere 133 zielten lediglich auf einen anderen Schwerpunkt. Der Erstbeklagte habe von Anfang an vorsätzlich gehandelt, der Zweitbeklagte jedenfalls ab Erhalt seines, des Klägers, Schreiben vom 14. Oktober 1976 und bis dahin grob fahrlässig, da er sich nicht darüber vergewissert habe, ob dem Erstbeklagten das ausschließliche Recht zur Verwertung des Fragenkatalogs zustand, wozu im Hinblick auf die bei Professoren übliche Heranziehung wissenschaftlicher Mitarbeiter Anlaß bestanden hätte.
[3] Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und 1. den Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln verboten, den auf den Seiten 430 – 460 des vom Zweitbeklagten verlegten Buches des Erstbeklagten "Der Körper des Menschen", 7. Auflage, abgedruckten Fragenkatalog zu vervielfältigen oder zu verbreiten; 2. festgestellt, daß die Beklagten verpflichtet sind a) dem Kläger den Gewinn herauszugeben, den sie durch die Veröffentlichung des in Ziff 1 genannten Fragenkatalogs erzielt haben; b) dem Kläger wegen der Veröffentlichung des in Ziff 1 genannten Fragenkatalogs eine Entschädigung für den Nichtvermögensschaden zu zahlen; 3. die Beklagten verurteilt, dem Kläger über den durch die Veröffentlichung des in Ziff 1 genannten Fragenkatalogs erzielten Gewinn Rechnung zu legen.
[4] Gegen dieses Urteil haben die Beklagten Berufung eingelegt und der Kläger unselbständige Anschlußberufung, mit welcher er den Antrag angekündigt hat, das Urteil des Landgerichts in Ziff 2 und 3 dahin abzuändern, daß zusätzlich die Verpflichtung der Beklagten festgestellt wird, dem Kläger nach seiner Wahl anstelle der Herausgabe des Gewinns eine angemessene Lizenzgebühr für die abhängige Benutzung seines Fragenkatalogs zu bezahlen, b) die Beklagten verurteilt werden, dem Kläger nach seiner Wahl anstelle der Rechnungslegung Auskunft zu erteilen über die Zahl der von dem in Ziff 1 genannten Werk des Erstbeklagten hergestellten und/oder veräußerten Exemplare.
[5] In der Berufungsinstanz haben sich die Beklagten verpflichtet 1. es zu unterlassen, den auf den Seiten 430 – 460 der 7. Auflage, des von dem Zweitbeklagten verlegten Buches des Erstbeklagten "Der Körper des Menschen" abgedruckten Fragenkatalog zu vervielfältigen oder zu verbreiten; 2. für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungsverpflichtung zu 1. eine angemessene, im Streitfall durch das Landgericht Mannheim festzusetzende Vertragsstrafe, hilfsweise eine Vertragsstrafe von DM 3. 000, – zu zahlen; und dem Kläger Auskunft dahin erteilt, daß von der 7. Auflage 91. 167 Exemplare der Verlagsausgabe und 45. 699 Exemplare der dtv-Lizenzausgabe verkauft worden seien.
[6] Der Kläger hat daraufhin den Rechtsstreit hinsichtlich des auf Unterlassung gerichteten Klageantrags und des Anschlußberufungsantrags auf Auskunftserteilung für in der Hauptsache erledigt erklärt.
[7] Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Aufhebung des Berufungsurteils und – soweit nicht die Hauptsache erledigt ist – die Berufung der Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil zurückzuweisen und nach seiner Anschlußberufung zu erkennen, hilfsweise die Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Die Beklagten beantragen die Zurückweisung der Revision.
[8] Entscheidungsgründe: I. Das Berufungsgericht ist der Auffassung, der vom Kläger verfaßte Fragenkatalog genieße mangels schöpferischer Eigentümlichkeit keinen Urheberrechtsschutz. Die vom Kläger an den Erstbeklagten herangetragene Idee, das Taschenbuch des Erstbeklagten mit einem Fragenkatalog zu versehen, sei als solche weder dem Urheberrechtsschutz noch dem wettbewerblichen Leistungsschutz zugänglich. Das Landgericht habe die urheberrechtliche Schutzfähigkeit des Fragenkatalogs des Klägers in seiner konkreten Gestaltung lediglich damit begründet, die Beklagten beanspruchten für den Fragenkatalog in der 7. Auflage des Buches des Erstbeklagten selbst Urheberrechtsschutz und stellten die zumindest gleichartige Qualität der Fragenkataloge des Klägers und des Erstbeklagten nicht in Abrede. Ersteres scheine das Landgericht aus dem Vorbehalt aller Rechte auf der Rückseite des Titelblattes des Buches des Erstbeklagten folgern zu wollen. Dabei übersehe es jedoch, daß sich dieser Vorbehalt nur auf das Werk des Erstbeklagten als Ganzes und nicht auch auf den Fragenkatalog als dessen Bestandteil beziehe. Wie sich aus dem Vortrag der Beklagten ergebe, hätten diese die wissenschaftliche und literarische Qualität des Fragenkatalogs des Klägers nicht bestritten, weil er sich an Disposition und Diktion des Buches des Erstbeklagten gehalten habe und von diesem abhängig im Sinn von § 23 UrhG sei. Die vom Landgericht angeführten Umstände reichten danach nicht aus, um die Schutzfähigkeit des Fragenkatalogs des Klägers zu begründen. Der Fragenkatalog des Klägers bestehe lediglich darin, daß in der Reihenfolge des Textes des Buches des Erstbeklagten zu jedem dort behandelten Gegenstand an den Leser als Prüfling eine Frage gestellt oder eine Aufforderung gerichtet werde. Die Auswahl der Gegenstände, an die eine Frage oder eine Aufforderung geknüpft werde, erfolge dabei anhand der im Buchtext durch Fettdruck oder Kursivdruck hervorgehobenen Stichworte. Eine Auswahl nach Schwerpunkten für das Examen sei nicht getroffen, vielmehr solle anhand der Fragen und Aufforderungen der gesamte Buchinhalt rekapituliert werden. Auch die Zusammenfassung mehrerer Gegenstände in einer Frage und der Wechsel zwischen Frage und Aufforderung ließen kein wissenschaftliches oder literarisches Gestaltungsprinzip erkennen. Das Werk des Klägers stelle sich damit lediglich als ein an die textliche Reihenfolge des Buches angelehntes Stichwortverzeichnis in Frageform dar. Gegenüber einem alphabetischen Inhaltsverzeichnis weise es einerseits ein Mehr auf durch die Einkleidung der Stichworte in Frage oder Aufforderung, andererseits ein Weniger durch das Fehlen eines eigenen Ordnungsprinzips. Alphabetische Anordnungen von Stichworten seien jedoch ebensowenig eine schöpferische geistige Leistung wie die Formulierung von Fragen und Aufforderungen. In dem Fragenkatalog des Klägers könne daher auch keine schutzfähige Bearbeitung des Werkes des Erstbeklagten im Sinn von § 3 UrhG gesehen werden, es handele sich vielmehr um eine nicht schutzfähige "andere Umgestaltung" im Sinn von § 23 UrhG.
[9] Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg.
[10] II. Zu Unrecht beanstandet das Berufungsgericht an der Begründung des Landgerichts, dieses habe die Inanspruchnahme von Urheberrechtsschutz für den Fragenkatalog in der 7. Auflage des Werkes des Erstbeklagten nicht aus dem auf der Rückseite des Titelblatts dieses Werkes vermerkten Urheberrechtsvorbehalt folgern dürfen, weil sich dieser auf das Werk des Erstbeklagten als Ganzes und nicht auf den Fragenkatalog als dessen Bestandteil beziehe. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts hat das Landgericht einen solchen Schluß nicht gezogen; es hat sich vielmehr ersichtlich auf das vorprozessuale Anwaltsschreiben vom 10. November 1976 gestützt, in welchem sich die Zweitbeklagte gegenüber dem Kläger ausdrücklich darauf berufen hatte, der Fragenkatalog in der 7. Auflage des Werkes "Der Körper des Menschen" genieße als solcher zugunsten des Erstbeklagten "als persönliche geistige Schöpfung im Sinne des Urhebergesetzes" urheberrechtlichen Schutz (vgl GA Bd I 69, 70).
[11] Letztlich kann jedoch unentschieden bleiben, ob dem Berufungsgericht in seiner Beurteilung gefolgt werden kann, das Landgericht habe die Urheberrechtsschutzfähigkeit der Fragensammlung des Klägers insgesamt nicht zureichend begründet. Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnen jedenfalls die Erwägungen des Berufungsgerichts, mit denen es die Urheberrechtsschutzfähigkeit der Fragensammlung des Klägers verneint hat. Diesen Erwägungen liegt ersichtlich die Auffassung zugrunde, eine sachgebundene Fragensammlung der vorliegenden Art sei dem Urheberrechtsschutz schlechthin nicht zugänglich. Denn die Frage, ob "sein (des Klägers) Fragenkatalog urheberrechtlich geschützt ist", deretwegen das Berufungsgericht die Revision zugelassen hat (vgl BU S 9), kann rechtsgrundsätzliche Bedeutung nur dann gewinnen, wenn von vornherein davon ausgegangen wird, daß – wie es das Berufungsgericht ausdrückt – "die Formulierung von Fragen und Aufforderungen … ebensowenig eine schöpferische geistige Leistung" sein könne wie "die alphabetische Anordnung von Stichworten" (vgl BU S 8). Dem kann nicht beigetreten werden.
[12] Ein Sprachwerk kann seine Prägung als individuelle geistige Schöpfung nicht nur durch die sich in der Sprachgestaltung ausdrückende Gedankenführung und Gedankenformung gewinnen, sondern auch durch die schöpferische Sammlung, Auswahl, Einteilung und Anordnung vorhandenen Stoffs (vgl zuletzt BGH GRUR 1980, 227, 230 r Sp – Monumenta Germaniae Historica). Unter Umständen kann auch ein bescheidenes Maß geistiger Tätigkeit genügen (BGH GRUR 1961, 85, 87 r Sp – "Pfiffikus-Dose"). Dies gilt vor allem für Werkgestaltungen in Form abhängiger Bearbeitungen (§ 3 UrhG), die sich der Natur der Sache nach eng an das fremde Original anlehnen müssen. Insbesondere bedarf es bei derartigen Werkgestaltungen, die nicht selten an der unteren Stufe der Urheberrechtsschutzfähigkeit liegen, stets einer sorgfältigen zusammenfassenden Beurteilung aller gestalterischen Elemente; die vom Berufungsgericht vorgenommene, nach Ordnungsprinzip und Gestaltungsprinzip aufgegliederte Prüfung läßt diese zusammenfassende Würdigung aller gestalterischen Elemente vermissen.
[13] Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß die abstrakte Idee des Klägers, das Buch des Erstbeklagten mit einem Fragenkatalog zur Arbeitskontrolle zu versehen, weder dem Urheberrechtsschutz noch dem wettbewerblichen Leistungsschutz zugänglich ist (vgl BGH GRUR 1959, 251 – "Einheitsfahrschein"; BGH GRUR 1977, 547, 550, 551 – "Kettenkerze"; BGH GRUR 1955, 598, 601 – "Werbeidee"). Das gilt auch für den wissenschaftlichen Inhalt der Fragensammlung, da die wissenschaftliche Lehre frei und jedermann zugänglich ist (vgl BGHZ 39, 306, 311 – "Rechenschieber; Urteil des Senats vom 21. November 1980 I ZR 106/78 – "Staatsexamensarbeit"). Urheberrechtsschutzfähig kann – wie das Berufungsgericht nicht verkennt – nur die konkrete Gestaltung, dh die Auswahl und Gliederung des Stoffs der Fragensammlung einerseits und die Formulierung der einzelnen Fragen andererseits sein. Das Berufungsgericht ist jedoch der Auffassung, im vorliegenden Fall sei für eine urheberrechtsschutzfähige schöpferische geistige Leistung deshalb kein Raum, weil "die Auswahl der Gegenstände, an die eine Frage oder Aufforderung geknüpft wird … anhand der im Buchtext durch Fettdruck oder Kursivdruck hervorgehobenen Stichworte" erfolge und sich auch "die Formulierung von Fragen und Aufforderungen" an diese "Stichworte" anlehne. Dieser Beurteilung kann nicht beigetreten werden. Mag auch das Ordnungsprinzip der Fragensammlung des Klägers durch Aufbau und Inhalt des Buches vorgegeben sein, so geht die Fragensammlung doch über eine bloß mechanische Zusammenstellung vorgegebener Fakten in Frageform hinaus. Bereits die Erstellung der Fragensammlung stellt eine Auswahl aus dem Inhalt des Grundwerks dar und zwar auch dann, wenn der Kläger keine "Auswahl nach Schwerpunkten für das Examen" getroffen, sondern sich die Aufgabe gestellt hat, den gesamten Buchinhalt zu rekapitulieren. Auch der Erstbeklagte hebt im Vorwort zum Fragenkatalog der 7. Auflage seines Werkes hervor (aaO S 429):
[14] "Die Auswahl der Fragen ist naturgemäß an das Urteil des Verfassers gebunden: Er fragt, was ihm wichtig erscheint oder was nach seiner Erfahrung oft falsch beantwortet wird …".
[15] Demgemäß hat der Kläger auch nicht an alle im Buchtext durch Fettdruck oder Kursivdruck hervorgehobenen Stichworte Fragen geknüpft. Dies zeigt sich beispielhaft daran, daß seine Fragensammlung eine Anzahl von Fragen enthält, die im Fragenkatalog des Erstbeklagten nicht enthalten sind und umgekehrt.
[16] Zu eng ist auch die Ansicht des Berufungsgerichts, die Formulierung der einzelnen Fragen und Aufforderungen sei durch den Text des Originals, insbesondere die "im Buchtext durch Fettdruck oder Kursivdruck hervorgehobenen Stichworte" vorgegeben. Auch insoweit sei zunächst aus dem Vorwort des Erstbeklagten zum Fragenkatalog in der 7. Auflage seines Lehrwerkes zitiert (aaO S 429):
[17] "Während wir im Text des Taschenbuchs nach Möglichkeit die Fachausdrücke verdeutschen, um so das Lesen und Verstehen zu erleichtern, haben wir für die Fragen bewußt die Fachausdrücke gewählt. Es soll ja die Arbeitskontrolle mittels Fragen in erster Linie die Examensvorbereitung erleichtern. Dieser Anhang wird vor allem von Krankenschwestern und Studenten benützt werden, die im Umgang mit Ärzten die Fachsprache kennen müssen".
[18] Es besteht jedoch nicht nur die zitierte und vom Landgericht anhand konkreter Beispiele im einzelnen aufgezeigte, vom Kläger genutzte Möglichkeit, die Fragen in ein mehr laienhaftes oder ein mehr fachsprachlich-wissenschaftliches Sprachgewand zu kleiden und demgemäß bei der Formulierung der Fragen mehr auf das Erlernen von Fachausdrücken oder mehr auf Wissensinhalte abzustellen, sondern auch die vom Kläger genutzte Möglichkeit, aus didaktischen Gründen die Fragen mit mehr oder weniger großer Prägnanz zu fassen und mehr oder weniger auf die Antwort hinzulenken oder aus didaktischen Gründen – statt dem Prüfling Fragen zu stellen – ihn aufzufordern zB bestimmte Definitionen zu nennen oder Teile eines Organs aufzuzählen. Daß die Formulierung der einzelnen Fragen und Aufforderungen im einzelnen nicht durch den Buchtext des Werkes des Erstbeklagten vorgegeben ist, zeigt sich im übrigen auch daran, daß in der Fragensammlung des Klägers und im Fragenkatalog des Erstbeklagten unstreitig 133 Fragen enthalten sind, die zwar im Anknüpfungspunkt übereinstimmen, aber auf einen jeweils anderen Schwerpunkt abzielen.
[19] Eine zusammenfassende Würdigung der angeführten gestalterischen Elemente zeigt, daß es sich bei der Fragensammlung des Klägers nicht um eine bloß mechanische und routinemäßige Zusammenstellung vorgegebener Fakten in Frageform, sondern um eine Auswahl aus dem Werk des Erstbeklagten handelt, die neben einer Durchdringung des Inhalts des Lehrbuchs die Fähigkeit voraussetzt, zwischen Wichtigem und Unwichtigem zu unterscheiden, so daß sich die Fragensammlung im Ergebnis als eine Fortsetzung des Lehrwerks selbst darstellt. Für eine solche abhängige Werkgestaltung (§ 3 UrhG), bei welcher der urheberrechtliche Gestaltungsspielraum wegen der sachlich gebotenen Anlehnung an Gliederung und Formulierung des Originaltextes ohnehin eng ist, genügen die angeführten gestalterischen Elemente bei der gebotenen zusammenfassenden Würdigung insgesamt, um der Fragensammlung des Klägers eine für den Urheberrechtsschutz noch hinreichende schöpferische Eigentümlichkeit als Ergebnis geistiger Tätigkeit zuzusprechen. Das Berufungsurteil konnte deshalb keinen Bestand haben.
[20] III. 1. Einer Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht bedurfte es nicht. Zwar hat das Berufungsgericht die Frage, "inwieweit der Erstbeklagte bei der Bearbeitung seines eigenen Originals das Werk des Klägers mit benutzt hat" ausdrücklich offen gelassen. Die insoweit entscheidungserheblichen Tatsachen sind jedoch unstreitig. Die Beklagten haben nicht in Abrede gestellt, daß von insgesamt 1. 220 Fragen im Fragenkatalog der 7. Auflage des Werkes des Erstbeklagten 86 wörtlich mit Fragen aus der Fragensammlung des Klägers übereinstimmen und weitere 732 nur im Wortlaut geringfügig voneinander abweichen. Darüber hinaus bestreiten die Beklagten nicht, daß zusätzlich 133 Fragen im Anknüpfungspunkt übereinstimmen und lediglich auf einen anderen Schwerpunkt abzielen.
[21] Unstreitig ist schließlich, daß der Erstbeklagte vor der Abfassung des Fragenkatalogs für die 7. Auflage seines Lehrwerkes die Fragensammlung des Klägers kannte. Demgegenüber ist das Beweisangebot, die Ehefrau des Erstbeklagten könne bezeugen, daß dieser "während der Osterferien 1975 täglich an dem Fragenkatalog geschrieben" habe (GA Bd II Bl 55), unerheblich. Selbst wenn dem Erstbeklagten bei der Abfassung seines Fragenkatalogs eine Kopie der Fragensammlung des Klägers nicht vorgelegen haben sollte, so ist er doch bei der Gestaltung seines eigenen Fragenkatalogs ersichtlich von der ihm bekannten Fragensammlung des Klägers beeinflußt worden, wie die Übereinstimmungen zeigen. Die Beklagten machen demgegenüber geltend, die übereinstimmenden Formulierungen erklärten sich daraus, daß sie auf den "Formulierungen im Taschenbuch" beruhten, die "besonders präzise" seien (GA Bd I Bl 88). Wie sich jedoch aus den obigen Ausführungen zu Ziff II ergibt, sind die einzelnen Formulierungen der ausgewählten Fragen nicht durch den Text des Originalwerks derart vorgegeben, daß "jede andere Formulierung vernünftigerweise auszuscheiden hätte" wie es das Landgericht ausgedrückt und anhand von Beispielen belegt hat. Dabei mag dahinstehen, ob das Landgericht aus der übereinstimmenden chronologischen Anordnung einiger Fragen in beiden Fragenkatalogen, die beziehungslos außerhalb des textlichen Zusammenhangs der überarbeiteten 7. Auflage des Originalwerks des Erstbeklagten stehen, zu Recht eine Übernahme der Fragensammlung des Klägers durch den Erstbeklagten abgeleitet hat. Insoweit fällt auf, daß die Beklagten zunächst vortrugen, der Erstbeklagte habe den Fragenkatalog aufgrund der Korrekturbogen der 7. Auflage erarbeitet (GA Bd I Bl 87), sich später dahin berichtigten, die Abfassung des Fragenkatalogs sei aufgrund eines sogenannten durchschossenen Exemplars der 6. Auflage erfolgt (GA Bd I S 142), woraus sich die dem Aufbau der 6. Auflage entsprechende Reihenfolge der Fragen des vom Erstbeklagten erarbeiteten Fragenkatalogs ergebe, und im Berufungsrechtszug, nachdem das Landgericht die Behauptung als widerlegt angesehen hatte, bestimmte Fragen seien "anhand der 6. Auflage" entsprechend der "textlichen Gegebenheit erarbeitet" worden (vgl LG-Urteil S 9) schließlich vorgetragen haben, der Fragenkatalog des Erstbeklagten basiere "auf der 6. Auflage und den für die 7. Auflage vorgesehenen Korrekturen" (GA Bd II Bl 51).
[22] 2. Ohne Rechtsverstoß hat das Landgericht auch das Verschulden der Beklagten bejaht. Der Erstbeklagte kannte die Fragensammlung des Klägers; er mußte mit ihrer Urheberrechtsschutzfähigkeit rechnen. Die Zweitbeklagte hat nicht behauptet, daß sie vor der Drucklegung die Sachlage und Rechtslage geprüft (vgl dazu BGH GRUR 1959, 379, 382 – Gasparone) oder sich vor dem Abdruck des Fragenkatalogs in der 7. Auflage des in Rede stehenden Werks auch nur beim Erstbeklagten erkundigt habe, ob ihm insoweit das Urheberrecht zustehe.
[23] Die Feststellung des Landgerichts, es entspreche im vorliegenden Fall der Billigkeit, dem Kläger eine Entschädigung in Geld für den Nichtvermögensschaden zuzuerkennen, ist nicht zu beanstanden; die Beklagten haben insoweit nichts substantiiert vorgetragen.
[24] 3. a) Nachdem sich die Beklagten in der Berufungsinstanz strafbewehrt verpflichtet hatten, Vervielfältigung und Verbreitung des Fragenkatalogs der 7. Auflage des Werkes des Erstbeklagten zu unterlassen, hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht vom 8. November 1978 insoweit den Rechtsstreit für in der Hauptsache erledigt erklärt (GA Bd II Bl 117). Die Beklagten haben sich dieser Erledigungserklärung nicht angeschlossen, weil nach ihrer Auffassung die Klage von Anfang an unbegründet war. Die Hauptsacheerledigung war deshalb im Urteilstenor festzustellen (vgl BGHZ 37, 137, 142).
[25] b) Mit seiner unselbständigen Anschlußberufung vom 3. Oktober 1978 hatte der Kläger den Antrag angekündigt, die Beklagten zu verurteilen, ihm nach seiner Wahl anstelle der Rechnungslegung (Ziff 3 des Urteils des Landgerichts) Auskunft zu erteilen über die Zahl der von dem in Ziff 1 des Urteils des Landgerichts beschriebenen Werk des Erstbeklagten hergestellten und/oder veräußerten Exemplare. Nachdem die Beklagten die begehrte Auskunft erteilt hatten, hat der Kläger, ohne daß der Antrag zuvor in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht gestellt worden wäre, auch insoweit die Hauptsache für erledigt erklärt. Die Beklagten haben sich dieser Erledigungserklärung ebenfalls nicht angeschlossen, weil nach ihrer Ansicht die Klage von Beginn an nicht begründet war.
[26] Auch insoweit war die Erledigung der Hauptsache im Urteilstenor festzustellen, weil der Schriftsatz der Anschlußberufung des Klägers dem Prozeßvertreter der Beklagten vor der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht zugestellt (vgl GA Bd II Bl 115) und der mit dem Antrag geltend gemachte Anspruch damit gemäß §§ 261 Abs 2 2. Alternative, 253 Abs 2 Nr 2 ZPO rechtshängig geworden war, so daß verfahrensrechtlich eine Erledigung der Hauptsache eintreten konnte.
[27] c) Mit der Anschlußberufung hat der Kläger weiter die Feststellung begehrt, daß die Beklagten über die Herausgabe des Verletzergewinns (Ziff 2a des Urteils des Landgerichts) hinaus nach seiner Wahl verpflichtet sind, ihm eine angemessene Lizenzgebühr für die abhängige Benutzung des von ihm zu dem Werk des Erstbeklagten "Der Körper des Menschen" erarbeiteten Fragenkatalogs in der 7. überarbeiteten und erweiterten Auflage zu bezahlen (Antrag zu Ziff 3a der Anschlußberufung). Diesem Antrag war stattzugeben. Bei Urheberrechtsverletzungen kann der Verletzte seinen Schaden in dreierlei Weise berechnen: als konkreten Schaden einschließlich des entgangenen Gewinns (§§ 249, 252 BGB); als entgangene angemessene Lizenzgebühr; schließlich kann der Verletzergewinn herausverlangt werden. Der Verletzte kann von der einen zur anderen Berechnungsmethode übergehen; die bloße Feststellung der Schadensersatzpflicht nach einer Berechnungsmethode schließt die nach einer anderen nicht aus, solange der Ersatzanspruch nicht erfüllt ist (BGH GRUR 1974, 53, 54 – "Nebelscheinwerfer").