Bundesarbeitsgericht
KSchG § 1 Abs. 2; GG Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1
Ein Arbeitnehmer ist regelmäßig nicht verpflichtet, im laufenden Arbeitsverhältnis routinemäßigen Blutuntersuchungen zur Klärung, ob er alkohol- oder drogenabhängig ist, zuzustimmen.

BAG, Urteil vom 12. 8. 1999 – 2 AZR 55/99 (lexetius.com/1999,1187)

[1] Tatbestand: Der 1958 geborene Kläger ist seit 1989 als bewaffneter ziviler Wachmann mit einem Bruttomonatsgehalt von zuletzt 3.900,00 DM bei den britischen Streitkräften in Bielefeld tätig. Auf das Arbeitsverhältnis finden nach Ziff. 41 des Arbeitsvertrages die Bestimmungen des Tarifvertrages für die Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (TV AL II) in der jeweils gültigen Fassung Anwendung. Nach § 4 Ziff. 4 TV AL II i. V. m. Anlage Z zu § 4 Ziff. 4 kann der Gesundheitszustand der Arbeitnehmer durch auf Kosten der Dienststelle durchzuführende ärztliche Untersuchungen überwacht werden. Nach einer vom Kläger unterzeichneten Stellenbeschreibung für bewaffnete Wachleute muß alljährlich ein von den Streitkräften bestimmter Arzt den für die Ausübung der Tätigkeit erforderlichen guten allgemeinen Gesundheitszustand des Klägers bestätigen. In der Stabsdienstordnung für die Britische Armee in Deutschland ist darüber hinaus geregelt, daß die ärztliche Untersuchung der bewaffneten zivilen Wachleute vor ihrer Einstellung vom TÜV durchgeführt wird und in jährlichem Abstand zu wiederholen ist.
[2] Die britischen Streitkräfte haben den TÜV Hannover/Sachsen-Anhalt e. V. mit der medizinisch-psychologischen Untersuchung der bewaffneten Wachleute beauftragt. Der Kläger stellte sich dort seit Beginn des Arbeitsverhältnisses jährlich zu einer Gesundheitsuntersuchung vor. Diese wurde ohne Blutentnahme durchgeführt. Die medizinisch-psychologische Untersuchungsstelle des TÜV sprach jeweils eine uneingeschränkte Empfehlung für den Einsatz des Klägers als bewaffneter Wachmann aus. Im Juni 1996 entschied die Oberste Dienstbehörde der Streitkräfte, die bisherige ärztliche Untersuchung sei um eine Überprüfung auf Alkohol- und Drogenabhängigkeit zu erweitern, und wies entsprechend den TÜV an. Die geforderte ärztliche Zusatzbegutachtung ist nur unter Entnahme einer Blutprobe möglich. Mit Schreiben vom 19. Juni 1996 unterrichtete die Zivilpersonalverwaltung der britischen Streitkräfte die Hauptbetriebsvertretung über die Erweiterung der jährlichen Gesundheitsuntersuchung um eine Blutuntersuchung zur Diagnose möglichen Alkohol- und Drogenmißbrauchs. Die Betriebsvertretungen aller Ebenen lehnten diese generelle Untersuchung aller bewaffneten Wachleute ab.
[3] Am 28. April 1997 stellte der Kläger sich der jährlichen medizinisch-psychologischen Untersuchung. Er verweigerte die Blutentnahme. Mit Schreiben vom 28. April 1997 informierte der TÜV die Arbeitgeberin von dem Abbruch der Untersuchung. Am 5. Mai 1997 wies der Dienststellenleiter den Kläger in einem persönlichen Gespräch auf die Unerlässlichkeit der Eignungsuntersuchung hin und riet ihm an, sich erneut beim TÜV zur Untersuchung vorzustellen. Dies lehnte der Kläger ab. Mit Schreiben vom 12. Mai 1997 leitete der Dienststellenleiter das Mitwirkungsverfahren der Betriebsvertretung ein mit dem Ziel, das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 30. September 1997 zu kündigen. Die Betriebsvertretung lehnte die Kündigung auch nach einer erneuten Erörterung ab und beantragte die Entscheidung durch die Mittelbehörde. Diese entschied, die Kündigung sei auszusprechen. Auch nach einer Erörterung zwischen dem Leiter der Obersten Dienstbehörde und der Hauptbetriebsvertretung am 18. September 1997 wurde die Hauptbetriebsvertretung informiert, der Kläger könne ohne Blutuntersuchung nicht für den Dienst unter Waffen eingesetzt werden. Der Kläger wurde nach einer Krankheit am 26. September 1997 nochmals befragt, ob er sich einer Gesundheitsuntersuchung unter Einbeziehung eines Alkohol- und Drogenscreenings unterziehen werde. Als er dies ablehnte, kündigten die Streitkräfte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 29. September 1997 ordentlich zum 31. Januar 1998 und stellten den Kläger sofort von der Arbeit frei.
[4] Der Kläger hält die Kündigung für unwirksam. Er hat geltend gemacht, die einseitige Arbeitgeberweisung, die Gesundheitsuntersuchung auf ein Alkohol- und Drogenscreening zu erweitern, sei mangels gesetzlicher Grundlage bzw. seiner Einwilligung unzulässig gewesen. Sie sei darüber hinaus mitbestimmungs- bzw. mitwirkungswidrig zustande gekommen. Er habe sie deshalb nicht befolgen müssen.
[5] Der Kläger hat beantragt festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 29. September 1997 nicht aufgelöst worden ist.
[6] Die Beklagte hat zur Stützung ihres Klageabweisungsantrags vorgetragen, verschiedene Vorfälle der jüngsten Vergangenheit in Großbritannien und in Deutschland hätten die Gefahr verdeutlicht, die von Alkohol- bzw. Drogengefährdeten ausgehe, wenn sie Zugang zu Waffen hätten. Die geforderte Routineuntersuchung sei deshalb auch ohne konkreten Anhaltspunkt für den Verdacht eines Alkohol- bzw. Drogenmißbrauchs zulässig. Den Streitkräften könne nicht zugemutet werden, etwa auf eine offensichtliche Trunkenheit eines bewaffneten Arbeitnehmers während des Dienstes und eine daraus folgende Gefahr des Waffenmißbrauchs zu warten. Gegenüber dem Rechtsgut der öffentlichen Sicherheit und der körperlichen Unversehrtheit unbeteiligter Dritter müsse das Recht des Klägers, einen Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit abzulehnen, zurücktreten. Die Streitkräfte hätten keine andere Möglichkeit zu einer Beschäftigung des Klägers. Eine Mitwirkung der Hauptbetriebsvertretung bei Erlaß der Verwaltungsanordnung habe stattgefunden.
[7] Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten blieb erfolglos. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
[8] Entscheidungsgründe: Die Revision ist unbegründet. Die Kündigung der Beklagten hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst.
[9] A. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Kündigung sei weder durch Gründe in der Person noch in dem Verhalten des Klägers sozial gerechtfertigt. Für die von den Streitkräften angeordnete Untersuchung fehle es an einer gesetzlichen, tarifvertraglichen bzw. vertraglichen Grundlage. Sie sei auch nicht durch eine Betriebsvereinbarung bzw. das Direktionsrecht des Arbeitgebers gedeckt. Die vorgebrachten Sicherheits- bzw. Zuverlässigkeitserwägungen könnten keinen routinemäßigen Eingriff in die individuellen Grundrechtspositionen der betroffenen Arbeitnehmer rechtfertigen.
[10] B. Dem folgt der Senat im Ergebnis und auch in weiten Teilen der Begründung. Die Kündigung der Beklagten ist sozial ungerechtfertigt (§ 1 Abs. 2 KSchG) und damit rechtsunwirksam; weder stellt es einen verhaltensbedingten Kündigungsgrund dar, daß der Kläger der routinemäßigen Blutuntersuchung nicht zugestimmt hat, noch ist ohne diese Untersuchung, wie die Beklagte geltend macht, mangels Eignung des Klägers für eine Tätigkeit als Wachmann ein personenbedingter Kündigungsgrund gegeben.
[11] I. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß je nach den Umständen eine verhaltensbedingte ordentliche Kündigung (ggf. sogar eine außerordentliche Kündigung) gerechtfertigt sein kann, wenn der Arbeitnehmer gegen seine Pflicht verstößt, an gesetzlich vorgeschriebenen oder sonst erforderlichen ärztlichen Untersuchungen nicht nur vor seiner Einstellung, sondern auch während der Dauer des Arbeitsverhältnisses mitzuwirken (Senatsurteile vom 6. November 1997 – 2 AZR 801/96 – AP Nr. 142 zu § 626 BGB und vom 23. Februar 1967 – 2 AZR 124/66 – AP Nr. 1 zu § 7 BAT; Bezani, Die krankheitsbedingte Kündigung, S. 72 f.). Der Kläger war jedoch nicht verpflichtet, sich der von den Streitkräften verlangten Blutuntersuchung zu unterziehen.
[12] 1. Eine gesetzliche Pflicht für den Kläger, sich einer Blutuntersuchung zur Klärung eines möglichen Alkohol- bzw. Drogenmißbrauchs zu unterziehen, bestand nicht, auch wenn man darauf abstellt, daß der Kläger während seiner Tätigkeit als Wachmann bewaffnet war. Das Waffengesetz enthält nicht die Verpflichtung, daß sich derjenige, der eine Waffe führen will, der routinemäßigen Untersuchung unterziehen muß, ob er trunksüchtig oder rauschmittelsüchtig ist. Die erforderliche Zuverlässigkeit wird vielmehr erst verneint beim tatsächlichen Vorliegen einer Trunksucht bzw. Rauschmittelsucht (§ 5 Abs. 2 Nr. 4 WaffG); erst beim Bekanntwerden von Tatsachen, die auf eine Trunksucht bzw. Rauschmittelsucht schließen lassen, kann die zuständige Behörde verlangen, daß der Antragsteller ein amts- oder fachärztliches Zeugnis über seine körperliche Eignung vorlegt (§ 5 Abs. 4 WaffG). Selbst wenn man die Unfallverhütungsvorschriften der gewerblichen Berufsgenossenschaften mitberücksichtigt, ergibt sich aus ihnen nichts anderes. Die VBG 68 für Wach- und Sicherungsdienste vom 1. Oktober 1990 enthält in § 5 lediglich ein allgemeines Verbot, während der Dienstzeit und innerhalb eines angemessenen Zeitraums vor dem jeweiligen Einsatz alkoholische Getränke zu sich zu nehmen. Die von den Streitkräften angeordnete Maßnahme zielt aber gerade nicht darauf, die Nüchternheit des Klägers beim Dienstantritt im Einzelfall zu kontrollieren, sie zielt vielmehr auf eine allgemeine Vorbeugemaßnahme.
[13] 2. Nach dem einschlägigen Tarifvertrag, dem Arbeitsvertrag der Parteien und aufgrund seiner Treuepflicht war der Kläger nur allgemein verpflichtet, die jährliche Gesundheitsuntersuchung zu dulden bzw. an ihr mitzuwirken. Eine konkrete Regelung über eine Blutuntersuchung fehlt.
[14] a) § 4 Ziff. 4 i. V. m. Anlage Z zu § 4 Ziff. 4 TVAL II bestimmt lediglich, der Gesundheitszustand der Arbeitnehmer könne durch ärztliche Untersuchungen auf Kosten der Beschäftigungsdienststelle überwacht werden. Der Kläger hat sich, worauf das Berufungsgericht zutreffend hinweist, jährlich einer derartigen Gesundheitsuntersuchung unterzogen, stets mit dem Ergebnis, er sei als Wachmann geeignet. Über den Umfang der nach § 4 Ziff. 4 TVAL II zulässigen Gesundheitsuntersuchungen enthält die Tarifnorm keine Regelung, nach der ohne nähere Anhaltspunkte für eine Trunk- oder Drogensucht eine Blutentnahme lediglich als vorsorgliche Untersuchung zulässig wäre.
[15] b) Nichts anderes gilt – auf eine Regelung durch Betriebsvereinbarung beruft sich die Beklagte in der Revisionsinstanz nicht mehr – hinsichtlich der arbeitsvertraglichen Regelung in Ziff. 4 c der Stellenbeschreibung, die hinsichtlich der Pflicht zur jährlichen Wiederholungsuntersuchung mit der Stabsdienstordnung für die Britische Armee in Deutschland (Teil IV – Einstellungen – 1. 041) übereinstimmt. Auch danach war der Kläger nur verpflichtet, sich jedes Jahr einer derartigen Untersuchung zu unterziehen, ohne daß damit konkret irgendeine Aussage über den Umfang und die Art und Weise der ärztlichen Untersuchung getroffen wäre.
[16] c) Die Pflicht des Arbeitnehmers, beim Vorliegen eines berechtigten Interesses des Arbeitgebers eine ärztliche Untersuchung seines Gesundheitszustandes zu dulden, ist im übrigen auch ohne z. B. tarifliche Regelung anzunehmen und resultiert aus der allgemeinen Treuepflicht des Arbeitnehmers (Senatsurteil vom 6. November 1997, aaO). Bestehen etwa begründete Zweifel an der Tauglichkeit des Arbeitnehmers, den Anforderungen seines Arbeitsplatzes aus gesundheitlichen Gründen auf Dauer gerecht zu werden, so kann die dem Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer obliegende Fürsorgepflicht einen hinreichenden sachlichen Grund darstellen, ein amtsärztliches Gutachten über die Dienstfähigkeit des Arbeitnehmers einzuholen. Ein Arbeitnehmer, der die notwendige ärztliche Begutachtung über Gebühr erschwert oder unmöglich macht, verstößt gegen seine Treuepflicht (Senatsurteil vom 6. November 1997, aaO; vgl. Notz, Zulässigkeit und Grenzen ärztlicher Untersuchungen von Arbeitnehmern, S. 58 ff.).
[17] 3. Ist der Arbeitnehmer aufgrund einer tarifvertraglichen oder arbeitsvertraglichen Regelung oder der ihm obliegenden Treuepflicht grundsätzlich verpflichtet, sich – wie hier der Kläger – in gewissen Abständen einer Gesundheitsuntersuchung zu unterziehen, so bedeutet dies noch nicht, daß der Arzt ohne jede Einschränkung alle Untersuchungen vornehmen darf, die er oder der Arbeitgeber für sachdienlich halten. Das Interesse des Arbeitgebers an der geforderten Untersuchung ist vielmehr abzuwägen gegen das Interesse des Arbeitnehmers an der Wahrung seiner Intimsphäre und körperlichen Unversehrtheit.
[18] a) Eine ärztliche Untersuchung des Arbeitnehmers mit daran anschließender Offenbarung personenbezogener Daten durch den Arzt an den Arbeitgeber führt regelmäßig zu einem Eingriff in die Intimsphäre des Arbeitnehmers. Diese ist jedoch durch Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich geschützt. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt grundsätzlich vor der Erhebung und Weitergabe von Befunden über den Gesundheitszustand, die seelische Verfassung und den Charakter des Arbeitnehmers. Der Schutz ist um so intensiver, je näher die Daten der Intimsphäre des Betroffenen stehen (BVerfGE 89, 69, 82 f., m. w. N.). Ist die Untersuchung darüber hinaus – wie vorliegend – mit einer Blutentnahme verbunden, so liegt ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit vor, den zu dulden der Arbeitnehmer regelmäßig nicht verpflichtet ist (v. Hoyningen-Huene DB 1995, 142, 145). Daß der Arbeitnehmer nicht gezwungen werden kann und regelmäßig auch nicht gezwungen werden soll, sich einer Untersuchung zu unterziehen, die einen Eingriff in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht und/oder seine körperliche Unversehrtheit darstellt, mildert nicht die Schwere des Eingriffs, wenn der Arbeitgeber wie hier die Ablehnung der Untersuchung durch den Arbeitnehmer zum Anlaß einer Kündigung nimmt.
[19] b) Berücksichtigt man die verfassungsrechtlich geschützten Arbeitnehmerinteressen, so ist mit dem Landesarbeitsgericht und der einhelligen Meinung in der Literatur (Fecker, Rechte, Pflicht und Regelungsmöglichkeiten des privaten Arbeitgebers im Hinblick auf Alkoholkonsum von Arbeitnehmern, S. 260 ff.; Willemsen DB 1988, 2304, 2306; Künzl BB 1993, 1581; Keller NZA 1988, 561, 564; v. Hoyningen-Huene, aaO, S. 145) davon auszugehen, daß Routineuntersuchungen im laufenden Arbeitsverhältnis, die vorbeugend klären sollen, ob der Arbeitnehmer alkohol- bzw. drogenabhängig ist, regelmäßig unzulässig sind. Zwar hat der Arbeitgeber an sich ein berechtigtes Interesse, nur solche Arbeitnehmer zu beschäftigen, die nicht infolge Alkohol- bzw. Drogenmißbrauchs im Betrieb eine Gefahr für sich und andere darstellen. Dies gilt insbesondere, wenn der Arbeitnehmer wie der Kläger als Wachmann im Dienst eine Waffe führt. Dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers und dem dadurch gewährleisteten grundgesetzlichen Schutz vor der Erhebung und Weitergabe von Befunden über den Gesundheitszustand, die seelische Verfassung und den Charakter des Arbeitnehmers ist jedoch nur dann hinreichend Rechnung getragen, wenn die Begutachtung sich lediglich auf solche Umstände bezieht, die bei vernünftiger, lebensnaher Einschätzung die ernsthafte Besorgnis begründen, bei dem betreffenden Arbeitnehmer könne eine Alkohol- bzw. Drogenabhängigkeit vorliegen. Die Entscheidung des Arbeitgebers, die Begutachtung durch den Arzt auf eine mögliche Alkohol- bzw. Drogenabhängigkeit zu erstrecken, muß deshalb auf hinreichend sicheren tatsächlichen Feststellungen beruhen, die einen derartigen Eignungsmangel des Arbeitnehmers als naheliegend erscheinen lassen (vgl. BVerfGE 89, 69, 85 f. zu der Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens über die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen nach einmaligem Haschischkonsum des Betreffenden).
[20] 4. Die Aufforderung der Streitkräfte, der Kläger solle sich der fraglichen Blutuntersuchung unterziehen, war danach unzulässig. Daß beim Kläger tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen eines irgendwie gearteten Alkohol- oder Drogenproblems vorlagen, haben die Streitkräfte zu keinem Zeitpunkt geltend gemacht; dem Kläger ist im Gegenteil in dem schon langjährig bestehenden Arbeitsverhältnis stets die volle gesundheitliche Eignung als Wachmann attestiert worden.
[21] 5. Einer unzulässigen Aufforderung, sich einer Blutentnahme zu unterziehen, durfte sich der Kläger widersetzen, ohne seine Verhaltenspflichten aus dem Arbeitsverhältnis zu verletzen (vgl. § 612 a BGB, § 84 Abs. 3 BetrVG).
[22] II. Auch ein personenbedingter Kündigungsgrund liegt nicht vor. Die bloße Weigerung des Klägers, der geforderten Blutuntersuchung zuzustimmen, bietet keinen hinreichenden Anhaltspunkt für seine mangelnde Eignung als Wachmann, die eine personenbedingte Kündigung sachlich rechtfertigen könnte.
[23] 1. Konkrete Tatsachen, die darauf schließen lassen könnten, der Kläger sei wegen irgendwelcher Alkohol- oder Drogenprobleme für eine Tätigkeit als bewaffneter Wachmann nicht geeignet, sind – wie bereits dargelegt – nicht vorgetragen. Die von den Streitkräften geäußerten Sicherheitsbedenken reichen als personenbedingter Kündigungsgrund nicht aus, weil sie nicht durch greifbare Tatsachen untermauert sind (vgl. Senatsurteil vom 26. Oktober 1978 – 2 AZR 24/77 – AP Nr. 1 zu § 1 KSchG 1969 Sicherheitsbedenken).
[24] 2. Auch die Entscheidung der Streitkräfte, nur bewaffnete Wachleute einzusetzen, die durch eine Blutuntersuchung beim TÜV auf Alkohol- bzw. Drogenmißbrauch untersucht sind, stellt keinen ausreichenden personenbedingten Grund dar, dem Kläger zu kündigen. Zwar unterliegt es unternehmerischem Ermessen, das Anforderungsprofil für einen Arbeitsplatz festzulegen (Senatsurteil vom 7. November 1996 – 2 AZR 811/95 – AP Nr. 82 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung). Dies bedeutet jedoch nicht, daß der Arbeitgeber in einem bestehenden Arbeitsverhältnis nachträglich Eignungsanforderungen an den Arbeitnehmer stellen darf, die rechtlich unzulässig sind. Jedenfalls verstößt eine Kündigung, die der Arbeitgeber ausspricht, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise sein Recht auf Ablehnung einer unzulässigen körperlichen Untersuchung ausgeübt hat, gegen das Maßregelungsverbot des § 612 a BGB und ist damit rechtsunwirksam.
[25] III. Es kann nach alledem dahinstehen, ob die generelle Anordnung der Blutentnahme zur Alkohol- bzw. Drogenuntersuchung dem Mitbestimmungsrecht des Personalrats unterlag und welche Folgen sich ggf. aus der fehlenden Zustimmung des Personalrats zu der Maßnahme ergeben.