Bundesverfassungsgericht
BVerfG, Beschluss vom 22. 3. 1999 – 2 BvR 398/99 (lexetius.com/1999,1245)
[1] In dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde des Herrn M … – Bevollmächtigte: Rechtsanwälte Reinald Imig und Kollegen, Schwanenwall 37, Dortmund – 1. unmittelbar gegen: a) den Beschluß des Oberlandesgerichts Hamm vom 19. Januar 1999 – 2 Ss 1453/98 –, b) das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 24. August 1998 – Ns 19 Js 498/97 –, c) das Urteil des Amtsgerichts Castrop-Rauxel vom 7. November 1997 – 5 Ds 19 Js 498/97 –, 2. mittelbar gegen § 183 Abs. 1 StGB hat die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch die Richterin Präsidentin Limbach und die Richter Winter, Hassemer gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 22. März 1999 einstimmig beschlossen:
[2] Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
[3] Gründe: Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, ob die in § 183 StGB enthaltene Strafdrohung verfassungsgemäß ist, obwohl sie sich nur gegen männliche Täter richtet. Sie hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
[4] Art. 3 Abs. 2 und 3 GG ist auf diese Bestimmung des Sexualstrafrechts nicht anwendbar (vgl. BVerfGE 6, 389 [423 f.]).
[5] Auch das Übermaßverbot des Art. 20 Abs. 3 GG wird durch die strafrechtliche Sanktionierung exhibitionistischer Handlungen nicht verletzt. Der Beschwerdeführer hat nicht dargelegt, daß der Gesetzgeber bei der Annahme, eine Strafdrohung gegen solche Handlungen sei geboten (BTDrucks VI/1552 S. 31; VI/3521 S. 53 ff.), den ihm zustehenden Beurteilungsspielraum (vgl. BVerfGE 90, 145 [173]) überschritten habe. Davon gehen auch Literatur und Rechtsprechung nicht aus (vgl. nur Laufhütte in: Leipziger Kommentar zum StGB, 11. Aufl., Vor § 174 Rn. 11). Soweit die Begründung des Gesetzes anhand empirischer Befunde von Teilen der Literatur kriminalpolitisch in Frage gestellt wird (zuletzt Sander, Zur Beurteilung exhibitionistischer Handlungen, 1996, S. 19 ff., 121 ff. und ders., ZRP 1997, S. 447 ff. m. w. N.), ist auch daraus kein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu entnehmen.
[6] Das in § 183 Abs. 1 StGB verwendete Tatbestandsmerkmal "belästigt" ist mit dem Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG vereinbar. Es ist jedenfalls, ähnlich wie die Beleidigung im Sinne des § 185 StGB (dazu BVerfGE 93, 266 [291 f.]), durch die Rechtsprechung der Fachgerichte mit Hilfe der üblichen Auslegungsmethoden näher konkretisiert worden (vgl. BGHR StGB § 183 Abs. 1 Belästigung 1). Für den Normadressaten ist das Risiko einer Bestrafung (vgl. Beschluß der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 10. September 1992 – 2 BvR 869/92 –, NJW 1993, S. 1911) bei Begehung exhibitionistischer Handlungen auch ohne weiteres erkennbar.
[7] Die Auslegung und Anwendung der Strafnorm durch die Gerichte des Ausgangsverfahrens ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden.
[8] Diese Entscheidung ist unanfechtbar.