Bundesarbeitsgericht
TVG §§ 2, 3; BGB §§ 42, 41; BetrVG § 50 BAG
Wird über das Vermögen eines Arbeitgeberverbandes der Konkurs eröffnet, so endet damit nicht ohne weiteres die normative Wirkung eines von dem Verband abgeschlossenen Tarifvertrags. Hierzu bedarf es – mangels sonstiger Beendigungstatbestände – vielmehr einer Kündigung, die vom Konkursverwalter ausgesprochen werden kann.

BAG, Beschluss vom 27. 6. 2000 – 1 ABR 31/99; LAG Berlin (lexetius.com/2000,3881)

[1] Gründe: A. Die Beteiligten streiten im Zusammenhang mit einer beabsichtigten Arbeitszeitregelung darüber, ob die Arbeitgeberin noch an tarifliche Bestimmungen gebunden ist, nachdem über das Vermögen des tarifschließenden Arbeitgeberverbandes der Konkurs eröffnet worden ist.
[2] Die Arbeitgeberin unterhält bundesweit zahlreiche Dienstleistungsbetriebe.
[3] Die hier gewählten Betriebsräte haben den Gesamtbetriebsrat (Antragsteller) mit der Durchführung des vorliegenden Verfahrens beauftragt. Die Betriebe fallen in den betrieblichen Geltungsbereich des Manteltarifvertrages für die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen und Auszubildenden in Betriebsküchen, Kasinos, Kantinen und sonstigen Verpflegungsbetrieben, abgeschlossen zwischen dem BVBG Bundesverband B e. V., Köln, und der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten, vom 1. Juli 1996 (im Folgenden: MTV). Dieser Tarifvertrag war erstmals ordentlich kündbar zum 31. Dezember 1999.
[4] Die Arbeitgeberin ist Mitglied des BVBG Bundesverband B e. V. und hat in der Vergangenheit auch dessen Tarifverträge – einschließlich des MTV – angewandt. Durch Beschluss des AG Frankfurt/M. vom 24. April 1998 wurde über das Vermögen des BVBG Bundesverband B e. V. der Konkurs eröffnet und eine Konkursverwalterin eingesetzt. Die Arbeitgeberin vertrat in der Folgezeit gegenüber dem Antragsteller die Auffassung, dass damit die Bindung an den MTV entfallen sei und dessen Regelungen nur noch kraft Nachwirkung anwendbar seien. Sie könne daher mit Mitarbeitern, die erst nach dem 24. April 1998 eingestellt würden, abweichende Vereinbarungen treffen. Im Rahmen von Verhandlungen über den Abschluss einer (Gesamt-) Betriebsvereinbarung zur Verteilung der Arbeitszeitverkürzung im Sinne von Nr. 3. 1. 2 Satz 4 MTV konnten sich die Beteiligten nicht darüber einigen, ob die Betriebsvereinbarung auch für die nach Konkurseröffnung eingestellten Arbeitnehmer gelten sollte. Da der Gesamtbetriebsrat einem Entwurf der Arbeitgeberin, nach dem diese Arbeitnehmer ausgeschlossen sein sollten, widersprach, riefen die Beteiligten die Einigungsstelle an; deren Verfahren ist noch nicht abgeschlossen.
[5] Der Gesamtbetriebsrat hat die Auffassung vertreten, die Konkurseröffnung allein habe noch nicht zur Beendigung der Tarifverträge und zum Wegfall der Tarifbindung der Arbeitgeberin geführt. Der Verband sei noch nicht aufgelöst worden, er befinde sich auch noch nicht in Liquidation.
[6] Nach den konkursrechtlichen Bestimmungen solle er entweder saniert oder liquidiert werden. Da der MTV nicht gekündigt sei, bestehe er fort.
[7] Er, der Gesamtbetriebsrat, habe ein rechtliches Interesse an der Klärung der Frage, ob auch hinsichtlich der nach dem 24. April 1998 eingestellten Arbeitnehmer eine Tarifbindung bestehe. Dies sei maßgebliche Vorfrage für die beabsichtigte Arbeitszeitregelung.
[8] Der Gesamtbetriebsrat hat zuletzt beantragt festzustellen, dass bei der Regelung von Arbeitszeit i. S. d. § 87 BetrVG die Bestimmung des § 3 MTV BVBG-NGG vom 1. Juli 1996 im Rahmen des allgemeinen räumlichen, fachlichen und persönlichen Geltungsbereichs des Tarifvertrages auch für die Arbeitnehmer zu beachten ist, die nach der Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen des BVBG nach dem 24. April 1998 eingestellt worden sind.
[9] Die Arbeitgeberin hält den Antrag mangels Feststellungsinteresse für unzulässig. Die Prüfung einer entsprechenden Tarifbindung sei Aufgabe der Einigungsstelle im Rahmen der angestrebten Arbeitszeitregelung.
[10] Die im Einigungsstellenverfahren unterlegene Seite könne den Spruch angreifen und damit die Frage der fortbestehenden Tarifbindung einer gerichtlichen Entscheidung zuführen.
[11] Im Übrigen sei der Antrag aber auch unbegründet. Mit der Konkurseröffnung habe der Arbeitgeberverband seine Tariffähigkeit verloren. Der Manteltarifvertrag habe damit ohne weiteres geendet, die Normen wirkten lediglich nach. Hinsichtlich der neu eingestellten Arbeitnehmer sei sie nicht gehindert, abweichende Vereinbarungen zu treffen.
[12] Das Arbeitsgericht hat die erstinstanzlichen Anträge des Gesamtbetriebsrats als unzulässig abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat dem zweitinstanzlich zuletzt gestellten Antrag stattgegeben. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt die Arbeitgeberin weiterhin die Zurückweisung auch dieses Antrages.
[13] B. Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin war zurückzuweisen.
[14] Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Arbeitgeberin auch nach Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen des tarifschließenden Arbeitgeberverbandes noch an den streitigen Manteltarifvertrag gebunden ist. Die normative Wirkung dieses Tarifvertrages hat nicht mit der Konkurseröffnung ohne weiteres geendet.
[15] I. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht am Verfahren neben dem Gesamtbetriebsrat als Antragsteller nur die Arbeitgeberin beteiligt. Der Beteiligung weiterer Personen oder Stellen bedurfte es nicht. Das gilt auch hinsichtlich der betroffenen Einzelbetriebsräte. Sie haben den Gesamtbetriebsrat gem. § 50 Abs. 2 BetrVG mit der Wahrnehmung der hier streitigen Angelegenheit beauftragt. Wenn es auch nach wie vor (möglicherweise) um Rechte der Einzelbetriebsräte geht, ist die Beauftragung doch bei der verfahrensrechtlichen Geltendmachung dieser Rechte jedenfalls dann zu berücksichtigen, wenn sie sich – wie im vorliegenden Fall – ausdrücklich hierauf erstreckt.
[16] Beteiligt ist dann nur der beauftragte Gesamtbetriebsrat (generell Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, 3. Aufl., § 83 Rz. 53; Laux, Die Antrags- und Beteiligtenbefugnis im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren, S. 68; wohl auch Grunsky, ArbGG, 7. Aufl., § 83 Rz. 17c; a. A. Fitting/Kaiser/Heither/Engels, BetrVG, 20. Aufl., § 50 Rz. 52a; Behrens/Kramer, DB 1994, 95; offen gelassen BAG, 11. 11. 1998 – 4 ABR 40/97, AP BetrVG 1972 § 50 Nr. 18 m. Anm. Jacobs – siehe dort unter I 1 b = EzA BetrVG 1972 § 50 Nr. 16). Überträgt der Einzelbetriebsrat dem Gesamtbetriebsrat die Prozessführungsbefugnis, kann dieser im Sinne einer gewillkürten Prozessstandschaft die Rechte im eigenen Namen geltend machen (vgl. etwa Richardi, BetrVG, 7. Aufl., § 50 Rz. 39). Deshalb ist er auch in einer "eigenen" Rechtsposition betroffen und daher zu beteiligen. Für eine daneben erfolgende Beteiligung der Einzelbetriebsräte besteht kein Anlass. Nur dieses Ergebnis entspricht dem mit § 50 Abs. 2 BetrVG verfolgten Ziel, die Beauftragung des Gesamtbetriebsrats zu ermöglichen, wenn es zwar nicht i. S. d. § 50 Abs. 1 BetrVG um originär in seine Zuständigkeit fallende Aufgaben geht, seine Einschaltung aber den Einzelbetriebsräten als zweckmäßig erscheint (vgl. etwa Richardi, aaO, § 50 Rz. 37).
[17] II. Der Feststellungsantrag ist zulässig.
[18] 1. Der zuletzt gestellte Antrag ist dahin zu verstehen, dass es dem Gesamtbetriebsrat nur um die Klärung der Frage geht, ob die Arbeitgeberin kraft ihrer Verbandszugehörigkeit noch an den MTV gebunden ist. Nur für den Fall der Verneinung dieser Frage stellt sie hinsichtlich der angestrebten Arbeitszeitregelung die Anwendung des MTV auf die nach der Eröffnung des Konkursverfahrens eingestellten Arbeitnehmer in Abrede.
[19] Es geht also nicht darum, ob der Tarifvertrag auch dann zu beachten ist, wenn keine beiderseitige Tarifbindung besteht.
[20] 2. Mit diesem Inhalt ist der Antrag bestimmt genug. Für ihn besteht auch das erforderliche Feststellungsinteresse, § 256 ZPO. Nach ständiger Senatsrechtsprechung kann der Streit über Bestand und Inhalt eines Mitbestimmungsrechts im Wege des Feststellungsverfahrens geklärt werden.
[21] Um einen solchen Streit handelt es sich auch hier. Der Antrag ist nicht auf Erstattung eines abstrakten Rechtsgutachtens gerichtet. Die Beteiligten streiten über eine betriebliche Arbeitszeitregelung. Es geht im Kern um die Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit i. S. d. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG, nämlich der Regelung eines erforderlichen Zeitausgleichs bei tatsächlich gearbeiteten 40 Stunden wöchentlich und einer tariflichen wöchentlichen Arbeitszeit von 38, 5 Stunden. Für welche Arbeitnehmer ein solcher Ausgleich notwendig ist, hängt davon ab, welche wöchentliche Arbeitszeit maßgeblich ist.
[22] Die streitige Frage dient also der Klärung des Kreises der betroffenen Arbeitnehmer, für die eine mitbestimmungspflichtige Zeitausgleichsregelung erforderlich ist. Insofern betrifft sie den Umfang des Mitbestimmungsrechts.
[23] Es geht hingegen nicht um die Feststellung der Dauer der regelmäßigen Wochenarbeitszeit, die nach ständiger Senatsrechtsprechung vom Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG allerdings nicht erfasst ist (vgl. zuletzt etwa Senat, 29. 2. 2000 – 1 ABR 15/99). Die Frage ist zwischen den Betriebspartnern auch nach wie vor streitig.
[24] Das Landesarbeitsgericht ist zu Recht auch davon ausgegangen, dass das anhängige Einigungsstellenverfahren der Durchführung des Feststellungsverfahrens nicht entgegensteht. Die Zulässigkeit eines Vorabentscheidungsverfahrens bei umstrittenen Mitbestimmungsrechten entspricht ständiger Senatsrechtsprechung (vgl. etwa Senat, 26. 8. 1997 – 1 ABR 12/97, BAGE 86, 228 = ZIP 1998, 1412, 1413, zu B I 2 der Gründe, dazu EWiR 1998, 869 (Ehrich)).
[25] III. Der Antrag des Gesamtbetriebsrats ist begründet. Die Arbeitgeberin ist auch nach Konkurseröffnung über das Vermögen des tarifschließenden Arbeitgeberverbandes noch an den Manteltarifvertrag gebunden, da dieser seine normative Wirkung nicht mit Konkurseröffnung ohne weiteres verloren hat. Er ist auch gegenüber nach dem 24. April 1998 eingestellten Arbeitnehmern zu beachten.
[26] 1. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, mit der Konkurseröffnung sei es noch nicht zu einer Situation gekommen, in der die Tarifvertragsparteien "die Herrschaft über den Tarifvertrag verloren" hätten. Vielmehr sei ein Insolvenzverfahren durchzuführen, das nicht unbedingt die vollständige Liquidation des Vereins zur Folge haben müsse. Der Konkursverwalter habe unter dem Gesichtspunkt einer eventuellen Sanierung auch zu prüfen, ob er die vom Verein abgeschlossenen Tarifverträge kündige oder hiervon zunächst Abstand nehme. Es sei kein überzeugender Grund dafür erkennbar, dass ein Tarifvertrag im Falle einer Konkurseröffnung ohne eine solche Kündigung – wenn er nicht aus sonstigen Gründen, wie etwa infolge einer Befristung ablaufe – einem sofortigem Ende zugeführt werden müsse.
[27] Dem folgt der Senat im Ergebnis und im Wesentlichen auch in der Begründung.
[28] 2. Mit der Konkurseröffnung hat der tarifschließende Arbeitgeberverband als eingetragener Verein gem. § 42 Abs. 1 BGB in der zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung am 24. April 1998 geltenden Fassung (zum 1. Januar 1999 wurde § 42 BGB neu gefasst) seine Rechtsfähigkeit verloren.
[29] Er hat damit aber nicht aufgehört zu existieren, sondern besteht jedenfalls bis zur vollständigen Verteilung seines Vermögens im Rahmen des (im vorliegenden Fall noch nicht abgeschlossenen) Konkursverfahrens oder – falls nach Abschluss des Verfahrens noch Aktivvermögen vorhanden ist – der anschließenden Liquidation fort. Seine Rechtsfähigkeit gilt dabei in entsprechender Anwendung des § 49 Abs. 2 BGB ebenfalls als fortbestehend, soweit der Abwicklungszweck dies erfordert. Mit dem Fortbestand des Vereins besteht auch die Mitgliedschaft der Mitglieder über die Konkurseröffnung hinaus fort (vgl. nur BGH, 11. 11. 1985 – II ZR 37/85, BGHZ 96, 253, 254 = ZIP 1986, 240, 241, dazu EWiR 1986, 113 (Medicus); MünchKomm-Reuter, BGB, 3. Aufl., § 42 Rz. 4; Soergel/Hadding, BGB, 12. Aufl., § 42 Rz. 7; Staudinger/Weick, BGB, 13. Aufl., § 42 Rz. 3 und Rz. 11).
[30] Nach der zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung geltenden Gesetzesfassung wurde also zwar zwischen dem Verlust der Rechtsfähigkeit durch Konkurseröffnung (§ 42 BGB) und der Auflösung des Vereins (§ 41 BGB) unterschieden.
[31] Die Rechtsfolgen waren jedoch in beiden Fällen im Wesentlichen dieselben (BGH ZIP 1986, 240), was nunmehr in der neuen Fassung des § 42 Abs. 1 BGB auch klargestellt ist.
[32] 3. Das Bundesarbeitsgericht hat sich mit den Folgen des Konkurses einer tarifschließenden Partei für den normativen Teil eines Tarifvertrages noch nicht befasst.
[33] Im Urteil vom 15. Oktober 1986 (4 AZR 289/85, BAGE 53, 179 = AP TVG § 3 Nr. 4 m. Anm. Wiedemann = SAE 1987, 201 m. Anm. v. Stebut = AR-Blattei Tarifvertrag III Entscheidung 4 m. Anm. Buchner) hat der Vierte Senat angenommen, mit der Auflösung einer Tarifvertragspartei entfalle grundsätzlich die Tarifgebundenheit der Mitglieder nach § 3 Abs. 1 TVG. Nach Ablauf der Tarifverträge gälten diese kraft Nachwirkung weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt würden.
[34] Die Tarifvertragspartei verliere in einem solchen Fall die Herrschaft über den Tarifvertrag. Ausdrücklich offen gelassen wurde, ob die angenommene Rechtsfolge unmittelbar mit der Auflösung der Tarifvertragspartei eintritt, also stets von einer fristlosen Lösung auszugehen ist, oder ob diese Wirkung erst nach Ende der normativen Wirkung des Tarifvertrages durch Befristung, Mindestbefristung oder Ablauf einer Kündigungsfrist eintritt. Im Streitfall hatte nämlich der sich auflösende Arbeitgeberverband seine Auflösung der Gewerkschaft als Tarifpartnerin mitgeteilt; hierin hat das Bundesarbeitsgericht eine wirksame ordentliche Kündigung gesehen (vgl. weiter BAG, 11. 11. 1970 – 4 AZR 522/69, BAGE 23, 46 = AP TVG § 2 Nr. 28 m. Anm. Wiedemann = SAE 1972, 107 m. Anm. Blomeyer = AR-Blattei Tarifvertrag II Entscheidung 8 m. Anm. Säcker; BAG, 28. 5. 1997 – 4 AZR 546/95, BAGE 86, 43; BAG, 28. 5. 1997 – 4 AZR 545/95, AP TVG § 4 Nachwirkung Nr. 27; BAG, 25. 9. 1990 – 3 AZR 266/89, BAGE 66, 71; siehe auch BFH, 25. 10. 1963 – VI 68/62 U, BFHE 77, 758; zur Übersicht über Entwicklung und Stand der Rechtsprechung und Literatur allgemein siehe nur Oetker, in: Wiedemann, TVG, 6. Aufl., § 2 Rz. 33 f.; Buchner, RdA 1997, 259).
[35] 4. Die in der Entscheidung vom 15. Oktober 1986 (BAGE 53, 179) offen gelassene Frage, wann und wie der Tarifvertrag im Falle der Auflösung dies Verbandes endet, ist jedenfalls für den hier zu entscheidenden Fall des Konkurses dahin zu beantworten, dass dies nicht automatisch mit dem Zeitpunkt der Konkurseröffnung geschieht, sondern erst nach einer Kündigung bzw. nach Ablauf einer vereinbarten Befristung. Dabei bedarf es keiner Klärung, ob der Konkurs Grund für eine außerordentliche Kündigung bietet (siehe dazu etwa Oetker, aaO, § 2 Rz. 38). Der betroffene Arbeitgeberverband und die Konkursverwalterin haben bisher weder eine außerordentliche noch eine ordentliche Kündigung ausgesprochen.
[36] a) Wie oben (2) dargelegt, besteht der Verein auch nach Konkurseröffnung fort. Seine Rechtsfähigkeit gilt in analoger Anwendung von § 49 Abs. 2 BGB gleichfalls als fortbestehend, soweit der Abwicklungszweck dies erfordert (BGHZ 96, 253, 254 = ZIP 1986, 240, 241). Damit ist aber die Tarifvertragspartei noch nicht endgültig weggefallen, die Gefahr einer unbegrenzten Weitergeltung von Tarifverträgen mangels Beendigungsmöglichkeit besteht nicht. Es ist ein Organ vorhanden, das für den Verein handeln kann, nämlich der Konkursverwalter. Die Beschränkung der Rechtsfähigkeit auf den Abwicklungszweck steht der Annahme einer Kündigungsbefugnis hinsichtlich laufender Tarifverträge nicht entgegen. Zur Abwicklung des Vereins gehört generell die Abwicklung noch nicht beendeter Rechtsverhältnisse.
[37] Hierunter ist grundsätzlich auch das Tarifverhältnis einzuordnen.
[38] Es entspricht auch der überwiegenden Auffassung im vereinsrechtlichen wie im arbeitsrechtlichen Schrifttum, dass die ordnungsgemäße Abwicklung von Tarifverträgen noch im Rahmen des Liquidationszwecks liegt (vgl. aus dem vereinsrechtlichen Schrifttum etwa MünchKomm-Reuter, aaO, § 49 Rz. 8; Soergel/Hadding, aaO, § 49 Rz. 3; Staudinger/Weick, aaO, § 49 Rz. 4; aus dem arbeitsrechtlichen Schrifttum vgl. etwa Oetker, aaO, § 2 Rz. 35 f.; Kempen/Zachert, TVG, 3. Aufl., § 3 Rz. 39; Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht, S. 526 und 788; Blomeyer, SAE 1972, 109, 111; Buchner, RdA 1997, 259, 264; Däubler, NZA 1996, 225, 233; Kunze, RdA 1976, 31, 32; Reuter, JuS 1987, 666; v. Stebut, SAE 1987, 203 – alle m. w. N. insbes. auch zur älteren Literatur; a. A. wohl Schaub, BB 1995, 2003, 2004; ders., Arbeitsrechts-Handbuch, 9. Aufl., § 199 Rz. 46, 47; Koberski/Clasen/Menzel, TVG, Stand: 11/1999, § 2 Rz. 100a; Frölich, NZA 1992, 1105, 1108).
[39] Die Überlegungen zur Abwicklung nach Auflösung i. S. d. § 41 BGB gelten in gleicher Weise für die Abwicklung im Konkursverfahren, bei dem es sich nur um ein gesetzlich besonders geregeltes Liquidationsverfahren handelt (vgl. auch Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rz. 50). Gerade angesichts der vom Landesarbeitsgericht hervorgehobenen Möglichkeit einer Sanierung im Konkursverfahren besteht hier erst recht kein Anlass, bereits mit Konkurseröffnung von einem Wegfall jeglicher anderweitiger Beendigungsmöglichkeit der abgeschlossenen Tarifverträge und dem daraus resultierenden Bedürfnis auszugehen, den Tarifverträgen ohne weiteres die Wirkung abzusprechen.
[40] b) Diese Lösung vermeidet unbefriedigende Folgen, die mit einem automatischen Wegfall der normativen Wirkung wirksam abgeschlossener Tarifverträge verbunden wären. Die Auflösung des Vereins bzw. die Eröffnung des Konkursverfahrens führt auch sonst nicht zum Wegfall bestehender Rechtsverhältnisse, sondern zwingt zu deren Abwicklung (vgl. auch Däubler, NZA 1996, 225, 233). Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass der beendete Tarifvertrag nach § 4 Abs. 5 TVG nachwirkt.
[41] Der nur noch nachwirkende Tarifvertrag kann durch anderweitige Abmachungen ersetzt werden, er verliert also gerade seine zwingende normative Wirkung; die Nachwirkung bietet daher nur einen beschränkten Schutz.
[42] Auch eine – nicht zu rechtfertigende – Differenzierung zwischen Verbands- und Firmentarifvertrag wird auf diese Weise vermieden. Für Letzteren wird allgemein angenommen, dass er durch die Konkurseröffnung über das Vermögen des Arbeitgebers/Tarifpartners noch nicht in seinem Bestand berührt wird (Löwisch/Rieble, aaO, § 2 Rz. 62; Koberski/Clasen/Menzel, aaO, § 2 Rz. 101; Kunze, RdA 1976, 31, 33). Der nunmehr die Arbeitgeberfunktion ausübende Konkursverwalter ist weiterhin an ihn gebunden, er kann ihn ggf. kündigen. Es wäre nicht nachzuvollziehen, warum ein Firmentarifvertrag trotz Konkurseröffnung normativ weitergilt, wenn ein Verbandstarifvertrag automatisch enden würde.
[43] Schließlich entspricht die Aufrechterhaltung der normativen Wirkung des Tarifvertrages auch dem in § 3 Abs. 3 TVG deutlich werdenden Rechtsgedanken.
[44] Danach bleibt eine einmal wirksam begründete Tarifgebundenheit bestehen, bis der Tarifvertrag endet. So bleibt der Arbeitgeber auch nach seinem Austritt aus dem Verband tarifgebunden. Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass Arbeitgeber nicht aus dem Verbandstarifvertrag fliehen (vgl. nur Löwisch/Rieble, aaO, § 3 Rz. 74; Oetker, aaO, § 3 Rz. 46). Der Fall der Verbandsauflösung wird zwar nicht von § 3 Abs. 3 TVG erfasst (BAGE 53, 179; für eine analoge Anwendung aber vor allem Däubler, Tarifvertragsrecht, 3. Aufl., Rz. 78 und Rz. 1521 f; ders., NZA 1996, 225, 233; wohl auch Kempen/Zachert, aaO, § 3 Rz. 39; "hilfsweise" für den Fall der Ablehnung der "verbandsrechtlichen" Lösung auch Buchner, RdA 1997, 259, 265, 266). Immerhin wird aus der Regelung der Wille des Gesetzgebers deutlich, dass ein einmal wirksam abgeschlossener Tarifvertrag möglichst seine normative Wirkung für den in ihm vorgesehenen Geltungszeitraum behalten soll. Die darin liegende Anerkennung der Autorität eines Tarifvertrages als normativer Regelung und die Unterbindung einer "Flucht" aus dem Tarifvertrag sind auch hier zu beachten. Wollte man die Bindung mit Auflösung oder Konkurseröffnung ohne weiteres entfallen lassen, könnte auf diese Weise ein Verbandstarifvertrag unterlaufen werden, indem die Mitglieder den Arbeitgeberverband auflösen oder durch entsprechende Vorgaben die Konkursreife herbeiführen.
[45] 5. Hat also die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen des BVBG Bundesverband B e. V. nicht zur automatischen Beendigung des Manteltarifvertrages geführt, so gilt dieser fort. Es ist kein Beendigungstatbestand festzustellen.
[46] Der Tarifvertrag war nicht befristet, sondern unbefristet, kündbar frühestens zum 31. Dezember 1999. Das Konkursverfahren ist noch nicht abgeschlossen. Eine Kündigung durch die Konkursverwalterin war im Zeitpunkt der mündlichen Anhörung vor dem Landesarbeitsgericht nicht erfolgt, wie das Landesarbeitsgericht ausdrücklich festgestellt hat. Sie ist auch bisher nicht von den Beteiligten angezeigt. Die Eröffnung des Konkursverfahrens als solche kann nicht als Kündigungserklärung gewertet werden.
[47] Damit besteht die Bindung der Arbeitgeberin an den Manteltarifvertrag über den 24. April 1998 hinaus fort und ist auch gegenüber den danach einzustellenden Arbeitnehmern zu beachten.