Bundesgerichtshof
BNotO § 73; GG Art. 12, Art. 3
Die Notarkammer ist befugt, von ihren Mitgliedern ohne Differenzierung nach Beitragsbemessungsgrundlagen feste Beiträge zu erheben.

BGH, Beschluss vom 8. 7. 2002 – NotZ 25/01; OLG Frankfurt am Main (lexetius.com/2002,1025)

[1] Der Bundesgerichtshof, Senat für Notarsachen, hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. Rinne, die Richter Tropf und Dr. Kurzwelly sowie die Notare Dr. Lintz und Dr. Ebner am 8. Juli 2002 beschlossen:
[2] Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des 2. Senats für Notarsachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 7. September 2001 wird zurückgewiesen.
[3] Der Antragsteller hat die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen und die der Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.
[4] Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1788,50 Euro festgesetzt.
[5] Gründe: I. Der Antragsteller ist Anwaltsnotar und Mitglied der Antragsgegnerin. Diese hat den Antragsteller mit Bescheiden, zugegangen am 28. Februar und 13. März 2000, wegen des Notarkammerbeitrags für das Jahr 2000 in Höhe von 2.748 DM und wegen des Sonderbeitrags Vertrauensschadenfonds in Höhe von 750 DM in Anspruch genommen. Von dem Kammerbeitrag verbleiben der Antragsgegnerin 673,10 DM, der Rest wird an die Vertrauensschadenversicherung, die Gruppenanschlußversicherung, das Deutsche Notarinstitut, den Vertrauensschadenfonds, die Bundesnotarkammer, die Arbeitsgemeinschaft der Anwaltsnotarkammer und das Deutsche Anwaltsinstitut weitergeleitet. Gegen die Bescheide hat der Notar Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt. Er ist der Auffassung, die Bescheide verletzten die Grundsätze der Gleichheit und der Äquivalenz. Die von der Kammer praktizierte Erhebung fixer Beiträge ohne Differenzierung nach Beitragsbemessungsgrundlagen sei rechtswidrig. Er habe im Jahre 1998 nur 61 und 1999 nur 44 Urkundennummern verzeichnet, sein Geschäftsanfall habe mithin deutlich unter dem Durchschnitt gelegen.
[6] Das Oberlandesgericht hat den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die sofortige Beschwerde, der die Antragsgegnerin entgegentritt.
[7] II. Die gemäß § 111 Abs. 4 BNotO i. V. m. § 42 Abs. 4 BRAO zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet.
[8] 1. Die Beitragsbescheide entsprechen formell und materiell dem Gesetz.
[9] a) Sie finden ihre rechtliche Grundlage in § 73 Abs. 1 BNotO i. V. m. den als Satzung durch die Kammerversammlung der Antragsgegnerin beschlossenen Beitragsordnungen (JMBl. Hessen 1999, 239; 2000, 149). Formelle Mängel der Satzungsbeschlüsse oder der Beitragsbescheide werden nicht geltend gemacht und sind auch nicht ersichtlich.
[10] b) Die sachlichen Voraussetzungen des § 73 Abs. 1 BNotO sind eingehalten. Danach hat die Notarkammer das Recht, von den ihr angehörenden Notaren Beiträge zu erheben, soweit dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich ist. Die Antragsgegnerin hat die Beiträge aufgeschlüsselt, für die der Kammerbeitrag erhoben wird. Daß Teilbeträge davon nicht für die Aufgaben der Antragsgegnerin notwendig seien, die Beiträge die Kosten überstiegen oder anderweitig verwendet würden, ist vom Antragsteller nicht geltend gemacht worden.
[11] Die angegriffenen Beitragsordnungen und -bescheide verstoßen auch sonst nicht gegen beitragsrechtliche Grundsätze. Mitgliedsbeiträge zu den berufsständischen Kammern sind Beiträge im rechtlichen Sinne. Sie sollen den mit der Mitgliedschaft verbundenen besonderen Vorteil abgelten und müssen daher entsprechend diesem Nutzen bemessen werden. Das Äquivalenzprinzip gebietet, daß die Höhe des Beitrags nicht in einem Mißverhältnis zu dem Vorteil aus der Kammerzugehörigkeit stehen darf, den er abgelten soll (BVerwG NVwZ-RR 2002, 187, 188; NJW 1999, 2292, 2295. Der Normgeber kann hierbei pauschalieren und typisieren (BGHZ 140, 302, 304 f). Maßgebend ist deshalb für die Einhaltung des Äquivalenzprinzips nicht der individuell-konkret beim einzelnen Notar durch die Kammerzugehörigkeit eintretende meßbare Vorteil. Vielmehr ist der Vorteil entscheidend, der allen Kammerangehörigen durch die Tätigkeit der Notarkammer erwächst, weil die Kammer Aufwendungen für die Wahrung der Gesamtbelange des Berufsstandes hat (Senat BGHZ 112, 163, 169). Eine fehlende Äquivalenz zwischen der Beitragshöhe und dem allen kammerangehörigen Notaren erwachsenden Vorteil behauptet der Antragsteller nicht. Er macht vielmehr geltend, daß der von ihm selbst gezogene Nutzen nicht der Beitragshöhe entspreche. Hierzu ist im übrigen zu beachten, daß von dem Jahreskammerbeitrag für 2000 in Höhe von 2748 DM nach der vom Antragsteller nicht angegriffenen Aufschlüsselung der Antragsgegnerin 2047,90 DM nur durchlaufende Posten sind, die gar nicht bei letzterer verbleiben, sondern insofern reine Kosten pro Kammermitglied darstellen.
[12] 2. Auch Verfassungsrecht ist nicht verletzt.
[13] a) Die Erhebung von Kammerbeiträgen berührt die Berufsfreiheit der betroffenen Notare. Sie schränkt indessen die Berufswahl nicht ein (aa) und ist als Berufsausübungsregelung (Senat BGHZ 112, 163, 170; 85, 173, 179; BVerfG DNotZ 1983, 502) durch vernünftige Gründe des Gemeinwohls gedeckt (bb).
[14] aa) Eine Einschränkung der Berufswahl liegt nicht vor, da durch die Kammerbeiträge die Berufsausübung nicht schlechthin wirtschaftlich unmöglich gemacht wird (vgl. Senatsbeschluß BGHZ 112, aaO). Vorschriften über die Berufsausübung können nur dann wegen ihrer wirtschaftlichen Auswirkungen als Eingriff in die Freiheit der Berufswahl gedeutet werden, wenn die betroffenen Berufsangehörigen in aller Regel und nicht nur in Ausnahmefällen wirtschaftlich außer Stande gesetzt werden, den gewählten Beruf zur Grundlage ihrer Lebensführung zu machen (BVerfGE 13, 181, 187; 16, 147, 165; 31, 8, 29; 68, 155, 170 f; Senatsbeschlüsse BGHZ aaO; vom 16. Februar 1987 – NotZ 19/86BGHR BNotO § 71 Abs. 4 Nr. 1 Beitragsbemessung 2). Für das Berufsrecht der Notare bedeutet dies, daß eine Beitragsregelung nicht zugleich die Gewähr dafür bieten muß, den Bestand von Zwergnotariaten zu sichern (Senatsbeschluß vom 4. Dezember 1989 – NotZ 4 – 15/89, BGHR BNotO § 71 Abs. 4 Nr. 1 Beitragsbemessung 3). Eine erdrosselnde Wirkung der Beitragserhebung für die Gesamtheit der Kammerangehörigen hat der Antragsteller nicht behauptet. Hierfür sind auch keine Anhaltspunkte vorhanden. Grundsätzlich ist im Bereich des Anwaltsnotariats nicht allein auf die Gewinne aus dem Notariat abzustellen. Bei Anwaltsnotaren müssen die Einnahmen und Ausgaben aus anwaltlicher Tätigkeit in die Beurteilung der Gesamtlasten einbezogen werden (Senat BGHZ 112, 163, 170; Beschl. v. 16. Februar 1987 aaO und v. 4. Dezember 1989 aaO). Dem steht die Entscheidung des Senats für Anwaltssachen vom 25. Januar 1999 (BGHZ 140, 302) nicht entgegen, wonach es einer Rechtsanwaltskammer versagt ist, Einnahmen von als Steuerberater zugelassenen Mitgliedern aus typisch steuerlicher Tätigkeit in gleicher Weise wie Einnahmen aus typisch anwaltlicher Tätigkeit als Bemessungsgrundlage zu berücksichtigen. Die rechtliche und tatsächliche Ausgangslage wich dort in wesentlichen Punkten von der vorliegenden Fallgestaltung ab. Der Beruf des Notars kann im Bereich des Anwaltsnotariats nur zusammen mit dem des Rechtsanwaltes ausgeübt werden, während der Beruf des Steuerberaters davon unabhängig ist. Der Kammerbeitrag der Anwaltskammer war, im Gegensatz zum Beitrag der Antragsgegnerin, vom Umsatz abhängig. Entscheidend ist auch der rechtlich verschiedene Ansatz. Der Anwaltssenat hat die Berücksichtigung von Umsätzen aus dem Steuerberaterberuf bei der Bemessung des Beitrags zur Anwaltskammer unter dem Blickwinkel des Äquivalenzprinzips gewürdigt; die Berücksichtigung hätte dazu geführt, daß dem Beitrag zur Rechtsanwaltskammer kein hinreichender Vorteil gegenübergestanden hätte. Hier geht es um die Frage, ob das nebenberuflich (§ 3 Abs. 2 BNotO) ausgeübte Notariat ergänzend zur Grundlage der Lebensführung gemacht werden kann. Dabei können die Einnahmen aus dem notwendig mit ihm verbundenen Hauptberuf bei einer auf die Gesamtheit der Berufsangehörigen abstellenden Betrachtungsweise mit einbezogen werden.
[15] bb) Als Berufsausübungsregelung werden die Beitragsordnungen der Antragsgegnerin Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG gerecht. Die Beitragspflicht, die die Antragsgegnerin ihren Mitgliedern auferlegt, ist durch übergeordnete Interessen gerechtfertigt. Sie dient der Aufgabenwahrnehmung, die ihr nach § 67 Abs. 1 BNotO obliegt, und damit dem Schutz der Grundlagen des freien Notariats, der Unparteilichkeit, der Integrität und der Unabhängigkeit der Amtsträger. Dies sind Gesichtspunkte des Gemeinwohls, die zur Einschränkung des Freiheitsrechtes nicht außer Verhältnis stehen und daher gerechtfertigt sind (vgl. Senat BGHZ 112, 163, 171; 85, 173, 179 f; BVerfG DNotZ 1983, 502).
[16] b) Auch ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG liegt nicht vor. Der weitgehenden Gestaltungsfreiheit der Antragsgegnerin bei der Regelung der Beitragspflicht wird durch den allgemeinen Gleichheitssatz erst dort eine Grenze gesetzt, wo die gleiche oder ungleiche Behandlung von Sachverhalten nicht mehr mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise vereinbar ist, wo also ein einleuchtender Grund für eine Gleichbehandlung oder Ungleichbehandlung fehlt und diese daher willkürlich wäre. Die Entscheidung darüber, ob die tatsächlichen Ungleichheiten im jeweiligen Zusammenhang so bedeutsam sind, daß sie bei der Regelung beachtet werden müssen, hat in erster Linie das normsetzende Organ, hier die Antragsgegnerin als Satzungsgeberin, zu entscheiden. Die Gerichte haben nur die Einhaltung der durch das Willkürverbot gezogenen äußersten Grenze nachzuprüfen, nicht aber, ob der Satzungsgeber im Einzelfall die jeweils zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung gefunden hat (vgl. Senatsbeschlüsse vom 16. Februar 1987 aaO = DNotZ 1988, 131; BGHZ 112, 163, 173; BVerfGE 1, 264, 275 f; 3, 225, 240; 13, 181, 202; 13, 225, 228; 31, 119, 130 und 134). Hier bestehen sachlich einleuchtende Gründe für die Antragsgegnerin, grundsätzlich alle Kammermitglieder mit dem gleichen Beitrag zu belasten. Die Antragsgegnerin darf davon ausgehen, daß die Mitgliedschaft in der Notarkammer allen Notaren wesentlich gleiche Vorteile bietet. Die Vorteile, die aus der Wahrnehmung der in § 67 Abs. 1 BNotO umschriebenen allgemeinen Aufgaben der Notarkammer für die Gesamtheit der Mitglieder erwachsen, entziehen sich einer Quantifizierung und lassen sich nur schwer in unterschiedlicher Weise den einzelnen Mitgliedern zuordnen. Die Vertretung der berufsständischen Interessen aller Kammermitglieder, das Wachen über deren Ehre und Ansehen, die Unterstützung der Aufsichtsbehörden bei ihrer Tätigkeit, die Pflege des Notariatsrechts sowie die Sorge für eine gewissenhafte und lautere Berufsausübung kommen allen Mitgliedern zugute, ohne daß sich Unterschiede nach der Größe der Notariate überzeugend nachweisen ließen. Aber auch der Versicherungsschutz, den die Notarkammer für alle Mitglieder in Ergänzung zu deren eigener Berufshaftpflichtversicherung zu vermitteln hat, läßt sich ohne Willkür allen Mitgliedern in gleicher Weise zurechnen. Der Abschluß der ergänzenden Versicherungsverträge ist der Notarkammer im gemeinsamen berufsständischen Interesse aller Notare zur Pflichtaufgabe gemacht worden, um einen ausreichenden Schutz der Rechtsuchenden vor Schäden zu gewährleisten, die durch Amtspflichtverletzungen von Notaren verursacht werden. Das aus der Einzelhaftpflichtversicherung nach § 19 a BNotO, der Gruppenanschluß- und Vertrauensschadenversicherung nach § 67 Abs. 3 Nr. 3 BNotO sowie dem Vertrauensschadenfonds der Notarkammern bestehende Gesamtsystem soll für geschädigte Rechtsuchende den Vermögensschutz sicherstellen, den bei Amtspflichtverletzungen anderer Amtsträger die Staatshaftung (Art. 34 GG) begründet. Von daher sind die Versicherungsverträge nach § 67 Abs. 3 Nr. 3 BNotO nicht in erster Linie nach dem Schutz zu bewerten, den sie den einzelnen Notaren bieten, sondern als Maßnahme zugunsten geschädigter Rechtsuchender im gemeinsamen Interesse aller Kammermitglieder zu betrachten. Daß umsatzstärkere Notariate gegebenenfalls ein größeres Schadenspotential darstellen können als umsatzschwächere, mußte die Antragsgegnerin angesichts gleicher Deckungssummen und grundsätzlich gleicher Prämien für alle Notare nicht als einen nach dem Gleichheitsgrundatz bedeutsamen Unterschied ansehen. Dies gilt umso mehr, als sich für den Bereich vorsätzlicher Amtspflichtverletzungen, den die Vertrauensschadenversicherung abdeckt, nicht einmal überzeugend darlegen läßt, daß das Schadensrisiko für große Notariate erheblicher sei als für kleine. Danach erscheint die Festsetzung eines für alle Mitglieder der Notarkammer gleichen Jahresbeitrages sachlich vertretbar (vgl. Senatsbeschluß vom 16. Februar 1987 aaO).