Bundesarbeitsgericht
Keine Rechtsbeschwerde in Wertfestsetzungsverfahren
Auch nach der zum 1. Januar 2002 in Kraft getretenen Änderung des Beschwerderechts (§§ 567 ff. ZPO n. F., § 78 Satz 1 und 2 ArbGG n. F.) ist eine Rechtsbeschwerde gegen einen Beschluß des Landesarbeitsgerichts in Wertfestsetzungsverfahren nicht statthaft.
BAG, Beschluss vom 17. 3. 2003 – 2 AZB 21/02 (lexetius.com/2003,490)
[1] Die Rechtsbeschwerde der Prozeßbevollmächtigten der Beklagten gegen den Beschluß des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 8. Mai 2002 – 2 Ta 45/02 – wird auf Kosten der Rechtsbeschwerdeführer als unzulässig verworfen.
[2] Verfahrenswert: 57,68 Euro
[3] Gründe: A. Die Beschwerdeführer sind die Prozeßbevollmächtigten der Beklagten. In einem von der Klägerin vor dem Arbeitsgericht Kiel geführten Rechtsstreit über die Wirksamkeit einer von der Beklagten erklärten ordentlichen Kündigung und die von der Klägerin für den Fall des Obsiegens mit ihrem Feststellungsantrag begehrte Weiterbeschäftigung haben die Parteien des Ausgangsrechtsstreits einen Abfindungsvergleich geschlossen. Auf Antrag der Prozeßbevollmächtigten der Beklagten hat das Arbeitsgericht den Streitwert für die Berechnung der Rechtsanwaltsgebühren nach § 25 GKG iVm. § 8, § 9 Abs. 2 BRAGO auf 904,98 Euro und für den Vergleich um weitere 551,66 Euro (für den Weiterbeschäftigungsantrag und für einen zugleich verglichenen Zeugnisanspruch) erhöht festgesetzt. Gegen den ihnen am 4. März 2002 zugestellten Beschluß haben die Prozeßbevollmächtigten der Beklagten am 4. April 2002 Beschwerde mit der Begründung eingelegt, bei Festsetzung des Streitwertes für die Prozeß- und Erörterungsgebühr sei der Weiterbeschäftigungsanspruch mit einem weiteren Bruttomonatsbetrag zu berücksichtigen.
[4] Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde der Prozeßbevollmächtigten der Beklagten zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung nach den § 78 Satz 2, § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen.
[5] B. Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig.
[6] Auch nach der zum 1. Januar 2002 in Kraft getretenen Änderung des Beschwerderechts (§ 567 ff. ZPO nF, § 78 Satz 1 und 2 ArbGG nF) ist eine Rechtsbeschwerde gegen einen Beschluß des Landesarbeitsgerichts in Wertfestsetzungsverfahren nicht statthaft.
[7] I. Gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 1 und 2 ZPO nF ist gegen einen Beschluß des Beschwerdegerichts die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder das Beschwerdegericht sie in dem Beschluß zugelassen hat. Unter welchen Voraussetzungen die Rechtsbeschwerde zuzulassen ist, läßt sich der Regelung in § 78 Satz 2 ArbGG mit dem Verweis auf die für die Zulassung der Revision geltenden Vorschrift des § 72 Abs. 2 ArbGG entnehmen. Danach ist das Rechtsmittel zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder eine Divergenz zu der Entscheidung bestimmter anderer Gerichte vorliegt.
[8] II. Die Neuregelung des § 78 Satz 2 ArbGG iVm. § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO eröffnet jedoch keine Rechtsbeschwerde bei der Festsetzung von Gegenstandswerten. Auf Grund der Regelungen in § 10 BRAGO, §§ 25, 5 GKG ist die Rechtsbeschwerde bei Streitwertbeschlüssen spezialgesetzlich ausgeschlossen und damit nicht statthaft. Die Neuregelungen der § 567 ff. ZPO nF, § 78 ArbGG nF erfassen nur die zivilprozessualen Beschwerden, nicht hingegen Beschwerden aus besonderen Rechtsbereichen mit speziellen Vorschriften (BT-Drucks. 14/4722 S 68; Musielak/Ball ZPO 3. Aufl. § 567 Rn. 20; Treber in Hannich/Meyer-Seitz ZPO Reform 2002 vor § 567 Rn. 3 f.; Bader NZA 2002, 121, 122). Sowohl § 5 Abs. 2 Satz 3 GKG als auch § 10 Abs. 3 Satz 2 BRAGO bestimmen, daß eine Beschwerde an einen obersten Gerichtshof des Bundes nicht stattfindet bzw. nicht zulässig ist. § 25 Abs. 3 GKG, dessen Satz 1 2. Halbsatz auf § 5 Abs. 2 Satz 3 GKG verweist, formuliert in seinem Satz 2 weiter, "die Beschwerde ist ausgeschlossen, wenn das Rechtsmittelgericht den Beschluß erlassen hat". Aus diesen spezialgesetzlichen Regelungen folgt, daß eine Rechtsbeschwerde für diesen Bereich generell ausgeschlossen sein sollte (GK-ArbGG/Wenzel § 78 Rn. 42; Bader NZA 2002, 121, 123; Kaiser DB 2002, 324, 326; Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte 15. Aufl. § 10 Rn. 13; Hartmann Kostengesetze 32. Aufl. § 25 GKG Rn. 74; § 5 GKG Rn. 34; aA ohne nähere Begründung Schmidt/Schwab/Wildschütz NZA 2001, 1217, 1226 f.; Holthaus/Koch RdA 2002, 140, 158). Dies gilt umso mehr, als sich der Gesetzgeber der Zivilprozeßreform gerade mit der Norm des § 10 Abs. 3 BRAGO näher auseinandergesetzt und gemeint hat, die Neuregelung in § 10 Abs. 3 Satz 5 BRAGO sei im Hinblick auf die Änderung der Zivilprozeßordnung folgerichtig. Dementsprechend sollte gegen die Entscheidung des Landgerichts über eine Beschwerde gegen die Festsetzung des Geschäftswerts die weitere Beschwerde zum Oberlandesgericht erhalten bleiben. Sieht der Gesetzgeber aber eine weitere Beschwerde an das Oberlandesgericht ausnahmsweise und ausdrücklich nur in diesem Fall vor, so wird daraus hinreichend erkennbar, daß in den anderen Fällen der Gegenstandswertfestsetzung ein weiteres Rechtsmittel nicht eröffnet werden sollte.
[9] III. Schließlich führt die ausdrückliche Zulassung der Rechtsbeschwerde im Beschluß des Landesarbeitsgerichts hier nicht zur Statthaftigkeit dieses Rechtsmittels.
[10] Ein gesetzlich nicht vorgesehenes Rechtsmittel wird grundsätzlich nicht allein dadurch zulässig, daß die untere Instanz das Rechtsmittel zuläßt und ein gesetzlich nicht vorgesehener Instanzenzug eröffnet wird (so zuletzt Senat 20. August 2002 – 2 AZB 16/02 – AP KSchG 1969 § 5 Nr. 14 = EzA KSchG § 5 Nr. 34; BGH 1. Oktober 2002 – IX ZB 271/02 – NJW 2003, 70; 8. Oktober 2002 – VI ZB 27/02 – NJW 2003, 211).