Bundesverwaltungsgericht
Maßnahme; Information zur Sicherheitspolitik; politische Einflussnahme; politische Meinung; Beleidigung.
GG Art. 1 Abs. 1; SG § 6 Satz 1, § 15 Abs. 4; WBO § 17 Abs. 3; StGB § 185
1. Eine zentrale interne Information der Streitkräfte der Bundeswehr, die Darstellungen und Bewertungen aus der Sicht des Bundesministers der Verteidigung zur Sicherheitspolitik und Militärstrategie sowie zu Planungen der Bundeswehr enthält, stellt grundsätzlich keine durch den einzelnen Soldaten anfechtbare Maßnahme im Sinne des § 17 Abs. 3 Satz 1 WBO dar.
2. Zu Inhalt und Grenzen des Verbots der politischen Einflussnahme in § 15 Abs. 4 SG.
3. Der Schutz der persönlichen Ehre ist auch auf die Wahrung des Ansehens in der Öffentlichkeit sowie darauf gerichtet, nicht einer ehrverletzenden Kritik oder Äußerung ohne rechtfertigenden Grund ausgesetzt zu werden; namentlich dürfen Äußerungen nicht die Grenzen überschreiten, die das Strafrecht zum Schutz der persönlichen Ehre festlegt.

BVerwG, Beschluss vom 6. 4. 2005 – 1 WB 67.04 (lexetius.com/2005,1017)

[1] Der Antragsteller, Berufssoldat im Dienstgrad eines Majors, wendet sich gegen Äußerungen des Generalinspekteurs der Bundeswehr (GenInsp) in einer Informa-tionsveranstaltung über den aktuellen Stand und die Hintergründe der Weiterentwicklung der Streitkräfte. Er wertet diese Äußerungen als einseitige politische Einflussnahme gegenüber unterstellten Soldaten und beanstandet außerdem, er sei durch den GenInsp beleidigt worden.
[2] Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hatte keinen Erfolg.
[3] Gründe: Nach § 17 Abs. 1 WBO kann der Soldat die Wehrdienstgerichte anrufen, wenn seine Beschwerde eine Verletzung seiner Rechte oder eine Verletzung von Vorgesetztenpflichten ihm gegenüber zum Gegenstand hat, die im Zweiten Unterabschnitt des Ersten Abschnitts des Soldatengesetzes mit Ausnahme der §§ 24, 25, 30 und 31 geregelt sind. Daraus folgt, dass der Soldat nur solche Maßnahmen oder Unterlassungen (§ 17 Abs. 3 Satz 1 WBO) seiner militärischen Vorgesetzten einer gerichtlichen Prüfung unterziehen kann, die unmittelbar gegen ihn gerichtet sind oder die – obwohl an andere Soldaten gerichtet – in Form einer Rechtsverletzung und eines Pflichtenverstoßes in seine Rechtssphäre hineinwirken (stRspr.: grundlegend Beschlüsse vom 20. November 1975 – BVerwG 1 WB 104.73 und vom 6. September 1990 – BVerwG 1 WB 109.89 -). Der Begriff der Maßnahme im Sinne des § 17 Abs. 3 Satz 1 WBO setzt dabei eine dem öffentlichen Recht zugehörige Handlung eines Vorgesetzten oder einer Dienststelle der Bundeswehr voraus, die im Verhältnis der Über- und Unterordnung getroffen oder erbeten wird; dabei kommt es nicht darauf an, ob sie auch auf die Herbeiführung von Rechtswirkungen abzielt (Beschlüsse vom 25. März 1976 – BVerwG 1 WB 105.75 –, vom 12. November 1986 – BVerwG 1 WB 127.83, 97. 84 und vom 22. Dezember 2004 – BVerwG 1 WB 30.04). Als Maßnahmen sind danach – neben Befehlen und Weisungen – auch Äußerungen eines Vorgesetzten zu qualifizieren, die dieser im Über- und Unterordnungsverhältnis abgibt, sofern sie in die Rechtssphäre des Untergebenen hineinwirken (Beschlüsse vom 6. November 1991 – BVerwG 1 WB 42.91 –, vom 18. November 1997 – BVerwG 1 WB 46.97 und vom 22. Dezember 2004 – BVerwG 1 WB 30.04).
[4] Eine zentrale, interne Information der Streitkräfte der Bundeswehr, die Darstellungen und Bewertungen aus der Sicht des Bundesministers der Verteidigung (BMVg) zur Sicherheitspolitik und Militärstrategie sowie zu Planungen der Bundeswehr enthält, stellt grundsätzlich keine durch den einzelnen Soldaten anfechtbare Maßnahme im Sinne des § 17 Abs. 3 Satz 1 WBO dar. Dies gilt jedenfalls dann, wenn in dieser Information – erfolge sie in Gestalt eines Leitfadens oder mündlich/persön-lich – die von der Bundesregierung und vom BMVg vertretene Verteidigungskonzeption, Sicherheitspolitik und Militärstrategie sachlich dargestellt und bewertet werden (Beschluss vom 6. September 1990 – BVerwG 1 WB 109.89 -). Eine derartige Information des BMVg oder eines in seinem Auftrag handelnden Vorgesetzten kann jedoch einer gerichtlichen Kontrolle als Maßnahme im Sinne des § 17 Abs. 3 Satz 1 WBO unterzogen werden, wenn und soweit durch konkrete gegenüber dem Untergebenen getroffene Äußerungen nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers eine Verletzung dessen eigener Rechte, namentlich der Fürsorgepflicht (§ 10 Abs. 3 SG), der Pflicht zur Kameradschaft (§ 12 Satz 1 SG) oder der Pflicht, als Vorgesetzter seine Untergebenen nicht für oder gegen eine politische Meinung zu beeinflussen (§ 15 Abs. 4 SG), möglich erscheint (vgl. dazu u. a. (Beschlüsse vom 17. Dezember 1975 – BVerwG 1 WB 112.74 und vom 6. September 1990 – BVerwG 1 WB 109.89 -).
[5] Unter Beachtung dieser Maßgaben ist der Antrag auf gerichtliche Entscheidung insoweit unzulässig, als der Antragsteller pauschal "das Verhalten des GenInsp" in der Veranstaltung am 25. März 2004 in der Zeit von 15. 00 Uhr bis 17. 00 Uhr angreift, die er als "insgesamt eine Werbeaktion" bezeichnet.
[6] In dem "Befehl zur Vorbereitung und Durchführung der Vortragsveranstaltung Generalinspekteur der Bundeswehr zur Weiterentwicklung der Bundeswehr" vom 18. März 2004, den der Chef des Stabes im Hinblick auf die Veranstaltung am 25. März 2004 erlassen hat, wird deren Konzeption dahin konkretisiert, die Führungskommandos, Ämter und Offizierschulen aller Teilstreitkräfte bzw. Organisationsbereiche durch den GenInsp persönlich über den aktuellen Stand und die Hintergründe der Weiterentwicklung der Streitkräfte zu informieren. Eine solche Unterrichtung durch den GenInsp über die von den zuständigen Verfassungsorganen bestimmten politischen Vorgaben für die Bundeswehr sowie über die daraus folgenden Entscheidungen u. a. über die (Um-) Organisation und (Um) Gliederung der Streitkräfte, ihre Ausstattung und Bewaffnung sowie ihre künftige (n) Verwendung (en) gehört innerhalb des durch die Verfassung und die Gesetze gezogenen Rahmens zu den Aufgaben des GenInsp. Nach den vom BMVg als Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt (Art. 65 a GG) getroffenen einschlägigen Organisationsentscheidungen (bis 20. Januar 2005 im sog. "Blankeneser Erlass" vom 21. März 1970, der durch die "Grundsätze für Aufgabenzuordnung, Organisation und Verfahren im Bereich der militärischen Spitzengliederung" vom 21. Januar 2005 abgelöst wurde) war der GenInsp zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der Informationsveranstaltung vom 25. März 2004 die "unmittelbar dem Minister nachgeordnete ministerielle Instanz für die Entwicklung und Realisierung der Gesamtkonzeption der militärischen Verteidigung sowie für die Erledigung aller Einzelvorgänge, die ihm und seinem Stab von der Leitung zugewiesen werden"; er war ferner u. a. "Gesamtverantwortlicher für die Bundeswehrplanung im Bundesministerium der Verteidigung" und "militärischer Berater des Ministers und der Bundesregierung". Zur Erfüllung seiner Aufgaben stand ihm nach dem genannten Erlass u. a. das "Inspektionsrecht", also das Recht zur unmittelbaren Unterrichtung und Information zu. Dieses beinhaltete auch, im Auftrag des Ministers gegenüber den Streitkräften als Generalinspekteur im eigenen Namen aufzutreten. Wenn der GenInsp in Wahrnehmung dieses Inspektionsrechts im Rahmen einer "Informationsreise" die im Befehl des Chefs des Stabes vom 18. März 2004 näher bezeichnete Vortragsveranstaltung durchführte, um das (Führungs-) Personal der angegebenen militärischen Stellen "über den aktuellen Stand und die Hintergründe der Weiterentwicklung der Streitkräfte zu informieren", kann dies vom Antragsteller rechtlich nicht beanstandet werden. (wird weiter ausgeführt)
[7] Keine andere Bewertung rechtfertigt der Umstand, dass der GenInsp die Informationsveranstaltung in seiner Stellungnahme auch als Gelegenheit bezeichnet hat, "einen möglichst breiten Kreis von militärischen Führungskräften und den entsprechenden Nachwuchs von der Sinnhaftigkeit des eingeleiteten Transformationsprozesses zu überzeugen". Der Vorgang des "Überzeugens" ist Teil der "Darstellung" und "Bewertung", die – wenn sie sachlich erfolgen – als solche noch nicht in individuelle Rechte des einzelnen Soldaten eingreifen können. Diese Darstellung und Bewertung müssen vielmehr auch von einem Soldaten hingenommen werden, der ihnen in der Sache nicht zustimmt (Beschluss vom 6. September 1990 – BVerwG 1 WB 109.89 -).
[8] Die Grenze zwischen "überzeugen" und unzulässiger politischer Einflussnahme im Sinne des § 15 Abs. 4 SG wird im Einzelfall jedoch überschnitten, wenn dem einzelnen Soldaten eine bestimmte – politische – Meinung "aufgedrängt" wird. Eine solche nach § 17 Abs. 3 Satz 1 WBO rügefähige und der wehrdienstgerichtlichen Kontrolle zugängliche einseitige politische Einflussnahme liegt nach der Rechtsprechung des Senats dann vor, wenn für den durchschnittlichen Betrachter bei objektiver Würdigung erkennbar wird, dass der Soldat durch die Information des Vorgesetzten für oder gegen eine politische Meinung eingenommen werden soll (Beschlüsse vom 17. Dezember 1975 – BVerwG 1 WB 112.74 und vom 6. September 1990 BVerwG 1 WB 109.89 -).
[9] Als in diesem Sinne anfechtbare Maßnahmen können unter Beachtung der vorbezeichneten Rechtsprechung die Äußerungen des GenInsp qualifiziert werden, hinsichtlich deren der Antragsteller im Hinblick auf § 15 Abs. 4 SG geltend macht, aus seiner Sicht habe der GenInsp die Fortführung der "rechtswidrigen Hilfe" für die USA und die "Koalition der Willigen" befürwortet, u. a. die weitere Unterstützung der Kombattanten im Irak-Krieg gewünscht und geäußert: "Wir müssen so etwas anbieten, was die Briten mit den USA im Irak gemacht haben".
[10] Hinsichtlich dieser Äußerungen behauptet der Antragsteller der Sache nach eine einseitige politische Einflussnahme im Sinne des § 15 Abs. 4 SG, deren Vorliegen in der Begründetheit des Antrages zu prüfen ist.
[11] Zulässig ist der Antrag auch, soweit er die Aussagen des GenInsp betrifft, der Antragsteller sei "wohl der Klügste im Saal" und er habe "vielleicht ein Problem damit". Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats, dass ein Soldat Äußerungen eines Vorgesetzten im Sinne des § 17 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 WBO gerichtlich anfechten kann, wenn die Verletzung seiner Ehre und seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts in Betracht kommt (Beschlüsse vom 6. November 1991 – BVerwG 1 WB 42.91 –, vom 18. November 1997 – BVerwG 1 WB 46.97 –, vom 30. August 2001 – BVerwG 1 WB 27.01 –, vom 11. Dezember 2003 – BVerwG 1 WB 14.03 und vom 22. Dezember 2004 – BVerwG 1 WB 30.04). Der Antragsteller hat in einer der näheren Nachprüfung bedürfenden Weise dargetan, dass diese beiden Äußerungen des GenInsp geeignet sein könnten, ihn in seinen Persönlichkeitsrechten (§ 6 SG i. V. m. Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 1 GG) sowie in seinem in § 12 SG geschützten Recht auf Kameradschaft zu verletzen. (wird ausgeführt)
[12] Der danach teilweise zulässige Feststellungsantrag ist indessen unbegründet. …
[13] Die Vorschrift des § 15 Abs. 4 SG verbietet dem Vorgesetzten, seine dienstliche Stellung dazu zu benutzen, seine Untergebenen für oder gegen eine politische Meinung zu beeinflussen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18. Februar 1970 – 2 BvR 531/68 –; Scherer/Alff, Soldatengesetz, 7. Aufl., § 15 RNr. 20 m. w. N.). Gegen die Verpflichtung des Vorgesetzten aus § 15 Abs. 4 kann nur gezielt verstoßen werden; nach dem Sinn der gesetzlichen Formulierung ("darf nicht … beeinflussen") gibt es keine zufällige oder unbewusste Verletzung dieser Pflicht (Beschlüsse vom 29. Mai 1973 – BVerwG 1 WB 23.71 und vom 17. Dezember 1975 – BVerwG 1 WB 112.74 -). Eine in diesem Sinne gezielte einseitige politische Einflussnahme ist nach der oben bereits zitierten Rechtsprechung des Senats nur dann gegeben, wenn für den durchschnittlichen Betrachter bei objektiver Würdigung erkennbar wird, dass der Soldat durch die Information für oder gegen eine politische Meinung eingenommen werden soll (Beschluss vom 6. September 1990 – BVerwG 1 WB 109.89 -).
[14] Eine solche Beeinflussung liegt nicht erst vor, wenn eine derartige Wirkung tatsächlich erzielt worden ist; der Versuch reicht bereits aus. Eine unzulässige Einflussnahme ist auf vielfältige Weise möglich, gerade auch im Wege mündlicher oder schriftlicher Äußerungen (vgl. dazu u. a. Scherer/Alff, a. a. O.). Von dem Verbot des § 15 Abs. 4 SG werden allerdings Handlungen und Äußerungen eines Vorgesetzten nicht erfasst, mit denen dieser im Rahmen seiner dienstlichen Aufgaben dienstliche Vorgaben des BMVg oder der von ihm beauftragten Vorgesetzten innerhalb der von der Verfassung und den Gesetzen gezogenen Grenzen umsetzt. Dies ergibt sich – im Rahmen der auf den Regelungszusammenhang abstellenden systematischen Normauslegung – schon daraus, dass der BMVg kraft der ihm zustehenden Befehls- und Kommandogewalt (Art. 65 a GG) dazu berechtigt ist, in den genannten rechtlichen Grenzen seine (militär- und sicherheits) politischen Vorstellungen zu realisieren und insoweit in Verfolgung dieser politischen Konzeption auf militärische Untergebene einzuwirken. Untergebene sind nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SG gehalten, auf dieser Grundlage ihnen erteilten Befehlen zu gehorchen, soweit diese nicht ausnahmsweise (vgl. u. a. § 11 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 SG) unverbindlich sind; sie haben sie nach besten Kräften vollständig, gewissenhaft und unverzüglich auszuführen, auch wenn die Befehle ihrer politischen Meinung widersprechen und/oder wenn sie sich in ihrer politischen Meinung in Frage gestellt oder sonst dadurch beeinflusst sehen.
[15] Eine durch § 15 Abs. 4 SG verbotene Beeinflussung der politischen Meinung eines Untergebenen liegt jedoch dann vor, wenn es bei der Handlung oder Äußerung des Vorgesetzten nicht darum geht, einen nach der Verfassung und den Gesetzen zulässigen dienstlichen Zweck innerhalb des Rahmens des § 10 Abs. 4 SG zu erreichen, sondern um politische Werbung, Propaganda oder Indoktrination. Dies ist der Fall, wenn der jeweilige militärische Vorgesetzte mit seinen Äußerungen unter Ausnutzung seiner Stellung und/oder seiner Befugnisse – über die Vermittlung von Informationen und die damit notwendigerweise verbundenen Bewertungen hinaus – darauf abzielt, auf den Untergebenen in einer Weise einzuwirken, die diesem die Möglichkeit wesentlich erschwert oder gar nimmt, ungehindert und ohne Furcht vor persönlichen oder dienstlichen Nachteilen zu Form oder/und Inhalt der Äußerung (en) kritisch Stellung zu nehmen und sich eine eigene Meinung zu bilden. Dies folgt nicht zuletzt aus dem Zweck der Regelung. § 15 Abs. 4 SG will ersichtlich den besonderen Unrechtsgehalt erfassen, dass ein Soldat sein dienstliches Übergewicht als Vorgesetzter dazu einsetzt, um bestimmte politische Auffassungen – als ihm genehm – durchzusetzen oder als nicht genehm zu unterdrücken. Die Vorschrift schützt Untergebene in der Freiheit ihrer politischen Meinungs- und Willensbildung und in diesem Kontext vor politisch motiviertem Fehlgebrauch der dem Vorgesetzten anvertrauten Dienstgewalt.
[16] Diese rechtlichen Vorgaben müssen auch bei Informationsveranstaltungen beachtet werden, in denen Untergebene über die militär- und sicherheitspolitischen Konzepte der politischen und militärischen Führung der Streitkräfte sowie über die Inhalte und Auswirkungen der darauf gestützten militärischen Planungen informiert und von ihrer Notwendigkeit überzeugt werden sollen. Daher dürfen Untergebenen die vorzustellenden militär- und sicherheitspolitischen Konzepte sowie die darauf aufbauenden Planungen der politischen und militärischen Führung nicht in apodiktischer Form "aufgedrängt" werden. Mit diesem Erfordernis wäre es z. B. unvereinbar, wenn etwa bei Veranstaltungen, in denen im Wege der Überzeugungsbildung die Inhalte der Militär- und Sicherheitspolitik der politischen und militärischen Führung der Bundeswehr und ihre Notwendigkeit dargestellt werden, konkurrierende Konzepte einzelner im Deutschen Bundestag vertretener Parteien und Fraktionen in unsachlicher Weise herabgewürdigt würden. Ferner erfordert das in § 15 Abs. 4 SG für militärische Vorgesetzte normierte Verbot, Untergebene für oder gegen eine politische Meinung zu beeinflussen, anwesenden Soldaten als "Staatsbürgern in Uniform" in angemessenem Rahmen Gelegenheit zu geben, sich zu Wort zu melden und ggf. auch kritische Einwände zu erheben. An solche Wortmeldungen dürfen, sofern dabei die einschlägigen rechtlichen Grenzen nicht überschritten werden, keine Sanktionen geknüpft werden.
[17] Nach Maßgabe dieser rechtlichen Vorgaben sind die vom Antragsteller gerügten Äußerungen des GenInsp im Hinblick auf § 15 Abs. 4 SG nicht zu beanstanden. (wird ausgeführt)
[18] Zu den Rechten, deren Schutz ein Soldat gemäß § 6 Satz 1 SG in Anspruch nehmen kann, gehört der Schutz seiner persönlichen Ehre. Der Soldat kann danach verlangen, dass seine persönliche Ehre, sein Ansehen und sein Ruf als Bürger und Soldat geachtet und nicht geschädigt werden. Dieser Ehrenschutz, der dem Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zuzuordnen ist und seine Grundlage in der verfassungsrechtlich verbürgten Achtung der Menschenwürde und der freien Persönlichkeitsentfaltung findet (Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG), ist notwendig auch auf die Wahrung des Ansehens in der Öffentlichkeit gerichtet sowie darauf, nicht einer ehrverletzenden Kritik oder Äußerung ohne rechtfertigenden Grund ausgesetzt zu werden (vgl. Beschlüsse vom 23. April 1980 – BVerwG 1 WB 265.77 m. w. N. und vom 22. Dezember 2004 – BVerwG 1 WB 30.04).
[19] Namentlich dürfen Äußerungen nicht die Grenzen überschreiten, die das Strafrecht zum Schutz der persönlichen Ehre festlegt. Ein Angriff auf die persönliche Ehre im Sinne einer Beleidigung, vor der § 185 StGB schützen soll, liegt vor, wenn dem Betroffenen die eigene Missachtung oder Nichtachtung zum Ausdruck gebracht wird. Eine Kundgabe eigener Miss- oder Nichtachtung ist sowohl durch die Äußerung eines negativen Werturteils gegenüber dem Betroffenen selbst oder über diesen gegenüber Dritten als auch durch ehrenrührige Tatsachenbehauptungen gegenüber dem Betroffenen möglich. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.
[20] Für die Klärung der Frage, ob eine Äußerung einen ehrkränkenden Inhalt aufweist, muss zunächst der objektive Bedeutungsgehalt der Äußerung ermittelt werden. Ihr darf keine Bedeutung beigelegt werden, die sie objektiv nicht aufweist. Für den objektiven Bedeutungsgehalt einer Äußerung ist entsprechend der auch im öffentlichen Recht anwendbaren Auslegungsregel des § 133 BGB nicht der innere, sondern der in der Äußerung zum Ausdruck kommende erklärte Wille maßgeblich, wie er aus einem verobjektivierten Empfängerhorizont heraus unter Beachtung des sachlichen Kontextes der Äußerung verstanden werden muss (Beschlüsse vom 27. Februar 2003 – BVerwG 1 WB 51.02 –, vom 20. August 2003 – BVerwG 1 WB 3.03 und vom 12. Mai 2004 – BVerwG 1 WB 29.03 -).
[21] Der GenInsp hat mit seiner Äußerung, der Antragsteller habe mit der von ihm geäußerten Ansicht zur Rechtslage im US-Irak-Krieg wohl "ein Problem", weder ein beleidigendes Werturteil abgegeben noch eine ehrenrührige Tatsachenbehauptung aufgestellt. Denn er hat weder den sittlich-moralischen noch den personalen oder sozialen Geltungsanspruch (vgl. hierzu: Lenckner in: Schönke/Schröder, StGB, 26. Aufl. 2001, § 185 RNr. 2 m. w. N.) des Antragstellers in Zweifel gezogen oder gar diesem abgesprochen. Gegenteiliges wäre hinsichtlich des sittlich-moralischen Geltungsanspruches nur dann der Fall, wenn dem Antragsteller ein unsittliches oder rechtswidriges Verhalten vorgeworfen oder angesonnen oder wenn ihm sonst moralische Integrität generell oder in einer bestimmten Richtung abgesprochen worden wäre. Davon kann hier ersichtlich keine Rede sein. Auch der Antragsteller macht dies nicht geltend.
[22] Der personale Geltungswert des Antragstellers ist mit der in Rede stehenden Äußerung des GenInsp ebenfalls nicht in Zweifel gezogen oder gar negiert worden. Denn der Antragsteller ist nicht mit dem Vorwurf elementarer menschlicher Unzulänglichkeiten oder Schwächen konfrontiert worden, um ihn als menschliches Wesen abzuwerten und damit zu missachten. Schließlich ist der Antragsteller auch nicht in seinem sozialen Geltungswert getroffen worden. Dies wäre nur dann geschehen, wenn ihm die Fähigkeit abgesprochen worden wäre, seinen Beruf oder sonstige von ihm übernommene soziale Aufgaben oder Rollen wahrzunehmen (vgl. hierzu Lenckner in: Schönke/Schröder, a. a. O., RNr. 2 m. w. N.). Davon kann hier ersichtlich nicht die Rede sein, weil der GenInsp gegenüber dem Antragsteller und den anderen Teilnehmern der Veranstaltung lediglich seine Einschätzung zum Ausdruck gebracht hat, der Antragsteller werde angesichts der von ihm eingenommenen Haltung zur Rechtslage (des US-Irak-Krieges) "ein Problem", also ein Interpretationsproblem oder Klärungsbedarf haben. Dabei blieb freilich ungesagt und damit offen, welcher Art dieses "Problem" nach seiner Einschätzung sei und welche Folgerungen sich daraus ergeben könnten. Die Fähigkeit des Antragstellers zur Wahrnehmung seines Berufes als Soldat oder anderer sozialer Aufgaben oder Rollen ist ihm damit schon deshalb nicht abgesprochen worden, weil die Frage der fachlichen oder persönlichen Kompetenz zur Lösung des "Problems" in der Veranstaltung am 25. März 2004 nicht thematisiert wurde.
[23] Auch sonst ist eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Antragstellers nicht ersichtlich. Dieses umfasst den Schutz vor Äußerungen, die geeignet sind, sich abträglich auf das Bild der Person in der Öffentlichkeit auszuwirken (vgl. u. a. BVerfG, Beschluss vom 14. Juli 2004 – 1 BvR 263/03 – m. w. N.). Derartige Äußerungen gefährden die von Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistete freie Entfaltung der Persönlichkeit, weil sie das Ansehen des Einzelnen schmälern, seine sozialen Kontakte schwächen und infolgedessen sein Selbstwertgefühl untergraben können. Allerdings reicht der Schutz dieses Grundrechts nicht so weit, dass es dem Einzelnen einen Anspruch darauf verliehe, in der Öffentlichkeit nur so dargestellt zu werden, wie er sich selbst sieht oder von anderen gesehen werden möchte (stRspr. des BVerfG, u. a. Beschluss vom 10. November 1998 – 1 BvR 1531/96 -). Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist zudem nicht schrankenlos gewährt, sondern findet seine Schranken in allgemeinen Gesetzen. …