Bundesgerichtshof
InsO §§ 177, 189 Abs. 1, §§ 196, 197 Abs. 1
Eine nach Veröffentlichung und Niederlegung des Schlussverzeichnisses angemeldete Forderung nimmt an der Schlussverteilung nicht mehr teil.

BGH, Beschluss vom 22. 3. 2007 – IX ZB 8/05; LG Dortmund (lexetius.com/2007,615)

[1] Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Richter Dr. Ganter, Raebel, Dr. Kayser, Cierniak und Dr. Fischer am 22. März 2007 beschlossen:
[2] Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 9. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund vom 29. November 2004 wird auf Kosten der weiteren Beteiligten zu 1 zurückgewiesen.
[3] Der Wert des Verfahrens der Rechtsbeschwerde wird auf 30.000 € festgesetzt.
[4] Gründe: I. In dem am 1. Juli 1999 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin legte der Insolvenzverwalter am 11. Oktober 2001 den Schlussbericht vor. Er kam zu dem Ergebnis, dass die nicht nachrangigen Insolvenzgläubiger mit der vollen Befriedigung ihrer Forderungen und die nachrangigen mit einer Quote rechnen konnten. Mit der Anberaumung des Prüfungstermins (§ 176 InsO) auf den 28. Oktober 2002 forderte das Insolvenzgericht die nachrangigen Gläubiger auf, ihre Forderungen bis zum 5. Oktober 2002 beim Insolvenzverwalter anzumelden. Mehrere Gläubiger, darunter auch die weitere Beteiligte zu 1 (fortan: Gläubigerin), meldeten daraufhin nachrangige Forderungen an, die bis auf eine in dem anberaumten Termin geprüft werden konnten. Wegen der nicht prüfbaren Forderung fand am 11. November 2002 ein weiterer Prüfungstermin statt. Der Insolvenzverwalter erstellte auf dieser Grundlage das Verteilungsverzeichnis, welches er mit Begleitschreiben vom 21. November 2002 beim Insolvenzgericht einreichte. In dem Verzeichnis wurde die Gläubigerin mit einer nachrangigen Insolvenzforderung von knapp 17.000 € aufgeführt. Mit Beschluss vom 27. November 2002 stimmte das Insolvenzgericht der Schlussverteilung zu und bestimmte den Schlusstermin (§ 197 InsO) auf den 13. Januar 2003. Das Schlussverzeichnis wurde zur Einsicht ausgelegt.
[5] Die Gläubigerin hat mit Schreiben vom 5. Dezember 2002 eine weitere Forderung über 203.713,74 € zur Tabelle angemeldet. Im Schlusstermin hat sie nochmals eine Forderung über 20.451,68 € angemeldet. Beide Forderungen sind im Schlusstermin geprüft worden. Die schriftlich angemeldete Forderung ist in voller Höhe zur Tabelle festgestellt, die im Schlusstermin angemeldete Forderung vom Insolvenzverwalter bestritten worden. Das Ergebnis der Prüfung ist in die Insolvenztabelle eingetragen, das Schlussverzeichnis hingegen nicht geändert worden.
[6] Hiergegen hat die Gläubigerin im Schlusstermin Einwendungen erhoben, die das Insolvenzgericht zurückgewiesen hat. Die Gläubigerin hat gegen diesen Beschluss sofortige Beschwerde eingelegt, die ohne Erfolg geblieben ist. Mit ihrer Rechtsbeschwerde verfolgt sie das Begehren weiter, die im Verteilungsverfahren noch angemeldeten Forderungen in das Schlussverzeichnis aufzunehmen.
[7] II. 1. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO i. V. m. § 7 InsO statthaft. Der Entscheidung des Landgerichts liegt eine nach § 6 Abs. 1, § 197 Abs. 3, § 194 Abs. 2 Satz 2 InsO statthafte erste Beschwerde zugrunde. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zulässig, weil die Rechtsfrage, ob Forderungen, die der Gläubiger erst nach Zustimmung des Insolvenzgerichts zu der Schlussverteilung beim Insolvenzverwalter angemeldet hat, am Verteilungsverfahren noch teilnehmen, höchstrichterlich noch nicht geklärt ist.
[8] 2. Die Rechtsbeschwerde ist jedoch unbegründet. Das Beschwerdegericht hat die Zurückweisung der Einwendungen der Gläubigerin durch das Insolvenzgericht mit Recht bestätigt.
[9] a) Nach einer im Schrifttum überwiegend vertretenen Auffassung, der sich die Vorinstanzen angeschlossen haben, nimmt der Gläubiger, der seine Forderung erst nach Ablauf der Ausschlussfrist (§ 189 Abs. 1 InsO) und nach Zustimmung des Insolvenzgerichts zur Schlussverteilung (§ 196 Abs. 2 InsO) angemeldet hat, an der Schlussverteilung nicht mehr teil (vgl. Eckardt in Kölner Schrift, 2. Aufl. S. 758; Eickmann in Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch 3. Aufl. § 63 Rn. 49; HmbKomm-InsO/Preß/Henningsmeier, § 177 Rn. 3; HK-InsO/Irschlinger, 4. Aufl. § 177 Rn. 1; FK-InsO/Kießner, 4. Aufl. § 189 Rn. 25; MünchKomm-InsO/Nowak, § 177 Rn. 4; MünchKomm-InsO/Schmahl, §§ 27 bis 29 Rn. 53; K. Schmidt, Insolvenzgesetze 17. Aufl. § 162 KO Anm. 2; Uhlenbruck, InsO 12. Aufl. § 177 Rn. 5; Weis in Hess/Weis/Wienberg, InsO 2. Aufl. § 177 Rn. 12; Gerbers/Pape ZInsO 2006, 685, 687 f; Zimmer ZVI 2004, 269, 272 f; ebenso OLG Köln ZIP 1992, 949 f zur KO). Nach anderer Auffassung sind auch diese Forderungen, soweit sie im Schlusstermin geprüft und festgestellt sind, in das Verteilungsverzeichnis aufzunehmen, weil andernfalls der Gläubiger sogar im Restschuldbefreiungsverfahren von Leistungen ausgeschlossen bliebe (vgl. Tscheschke Rpfleger 1992, 96, 97, zur KO; zum Meinungsstand s. auch Pape in Kübler/Prütting, InsO § 177 Rn. 2 und Fn. 12).
[10] Eine dritte Auffassung erkennt den Standpunkt der überwiegend vertretenen Meinung zwar im Grundsatz an, will aber dem Gläubiger über § 197 Abs. 3 InsO mittelbar den Weg eröffnen, die Nichtberücksichtigung der Forderung im Wege der Einwendung gegen das Schlussverzeichnis geltend zu machen (Nerlich/Römermann/Westphal, InsO § 196 Rn. 24).
[11] b) Der Senat tritt dem im Schrifttum vorherrschenden Standpunkt bei, der in ähnlicher Weise schon zur Konkursordnung vertreten worden ist. Die von der Rechtsbeschwerde gegen ihn erhobenen Einwendungen greifen nicht durch.
[12] aa) Die Rechtsbeschwerde meint, die Notwendigkeit einer Einbeziehung nachträglich angemeldeter Forderungen in die Schlussverteilung ergebe sich aus dem Umstand, dass die Insolvenzordnung für die Anmeldung von Forderungen keine Ausschlussfristen vorsehe und der Ausschluss bestrittener Forderungen gemäß § 189 Abs. 3 InsO sich denknotwendig nur auf solche beziehen könne, die vor Fristablauf angemeldet und geprüft worden seien. Diese Sichtweise trifft nicht zu. Sie verkennt die Verfahrensabläufe im Anschluss an den allgemeinen Prüfungstermin und vernachlässigt die berechtigten Interessen der übrigen Insolvenzgläubiger.
[13] (1) Die Befriedigung der Insolvenzgläubiger gemäß §§ 174 ff InsO vollzieht sich in zwei Schritten, nämlich der Feststellung der Forderung (§§ 174 bis 186 InsO) und der Verteilung (§§ 187 bis 206 InsO). Beide Verfahrensabschnitte können sich allerdings überlappen, insbesondere wenn nachträgliche Anmeldungen (§ 177 InsO) die Anberaumung eines weiteren – besonderen – Prüfungstermins erforderlich machen (vgl. § 177 Abs. 2 InsO). Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn sich erst als Ergebnis des allgemeinen Prüfungstermins (§ 176 InsO) herausstellt, dass Mittel zur Befriedigung der nachrangigen Gläubiger zur Verfügung stehen und das Insolvenzgericht diese Gläubiger nunmehr gemäß § 174 Abs. 3 InsO zur Anmeldung ihrer Forderungen auffordert. Die Prüfung der nachträglichen Anmeldungen in einem besonderen Prüfungstermin kann in diesem Fall mit dem Schlusstermin verbunden werden (vgl. MünchKomm-InsO/Nowak, § 177 Rn. 6; BT-Drucks. 12/2443 S. 184). Wegen des möglichen Ausschlusses von der Schlussverteilung wird in der Literatur teilweise gefordert, von einer derartigen Verbindung nur ausnahmsweise Gebrauch zu machen (vgl. MünchKomm-InsO/Nowak, § 177 Rn. 6; Uhlenbruck, aaO § 177 Rn. 5). Diesen Bedenken hat der Insolvenzverwalter im Streitfall in der Weise Rechnung getragen, dass er das Verteilungsverzeichnis gemäß § 188 InsO erst im Anschluss an den besonderen Prüfungstermin vom 11. November 2002 erstellt hat.
[14] (2) Aus fehlenden Ausschlussfristen in der Insolvenzordnung für die Anmeldung von Forderungen kann dagegen nicht abgeleitet werden, dass es Insolvenzgläubigern freisteht, mit ihren Forderungsanmeldungen zuzuwarten, bis auf der Grundlage der Ergebnisse des allgemeinen Prüfungstermins und eines etwa durchgeführten besonderen Prüfungstermins für nachträglich angemeldete Forderungen das Verteilungsverzeichnis erstellt ist (§ 188 Satz 1 InsO), dieses zur Einsicht ausgelegt war (§ 188 Satz 2 InsO) und das Insolvenzgericht der Schlussverteilung zugestimmt hat (§ 196 Abs. 2 InsO). Zwischen der Eintragung der Forderung in die Tabelle und ihrer Berücksichtigung bei der Schlussverteilung ist streng zu unterscheiden (vgl. Gerbers/Pape aaO S. 687). Nach Veröffentlichung der Schlussverteilung können Änderungen des Schlussverzeichnisses ausschließlich aufgrund der Regelungen der §§ 189 bis 193 InsO oder aber zur Berichtigung offensichtlicher Irrtümer oder Unrichtigkeiten vorgenommen werden. Diese Bestimmungen eröffnen keine Änderung des Schlussverzeichnisses aufgrund einer nachträglich eingegangenen Forderungsanmeldung. Eine entsprechende Anwendung der Frist der § 189 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Satz 3 InsO auf den "Nachweis der Anmeldung" ist abzulehnen. Die Veröffentlichung der Schlussverteilung und die Niederlegung des Schlussverzeichnisses sollen den Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit geben, nach Information über die anstehende Schlussverteilung Einsicht in das niedergelegte Schlussverzeichnis zu nehmen und hiernach zu entscheiden, ob sie am Schlusstermin teilnehmen, um gegebenenfalls Einwendungen gegen das Schlussverzeichnis zu erheben. Soll danach das im Zeitpunkt der Niederlegung fehlerfreie Schlussverzeichnis als Grundlage der Schlussverteilung grundsätzlich unverrückbar feststehen, verbieten Sinn und Zweck der §§ 187 f InsO eine analoge Anwendung der Regelungen der §§ 189 bis 191 InsO auf den vom Gesetzestext nicht erfassten Sachverhalt. Lässt der Insolvenzgläubiger – wie hier – ordnungsgemäß gesetzte und bekannt gemachte Anmeldungsfristen im Anschluss an den allgemeinen Prüfungstermin ungenutzt verstreichen, kann er deshalb nicht damit rechnen, dass seine noch nach dem besonderen Prüfungstermin angemeldeten Forderungen an der Schlussverteilung teilnehmen. Allein die Möglichkeit, im Schlusstermin noch Einwendungen vorzubringen, kann nicht dazu führen, dass Forderungen an der Verteilung teilnehmen, die im bisherigen Schlussverzeichnis nicht berücksichtigt waren.
[15] bb) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde hat das Insolvenzgericht auch keinen schutzwürdigen Vertrauenstatbestand dadurch geschaffen, dass der Schlusstermin zugleich zur Prüfung nachträglich angemeldeter Forderungen bestimmt worden ist. Auch insoweit ist zwischen der Eintragung der Forderung in die Tabelle und ihrer Berücksichtigung bei der Schlussverteilung zu unterscheiden. Die Aufnahme noch ungeprüfter, also auch von gegebenenfalls noch im Schlusstermin anzuerkennenden Forderungen in das Schlussverzeichnis ist nicht zulässig. Das zeitlich vor Eingang der hier zu beurteilenden Forderungsanmeldungen beim Insolvenzverwalter niedergelegte Schlussverzeichnis war und bleibt deshalb korrekt. Eine Abänderung des Verteilungsverzeichnisses als Grundlage für die nachfolgende Schlussverteilung ist von dem Insolvenzgericht zu keinem Zeitpunkt in Aussicht gestellt worden. Mehr als eine Aufnahme in die Insolvenztabelle konnte die Gläubigerin deshalb nicht mehr beanspruchen.