Bundesverwaltungsgericht
Ungehorsam; Verstoß gegen Zentrale Dienstvorschriften; Gehörschutz; Übungshandgranate; körperliche Unversehrtheit; treues Dienen; freiheitliche demokratische Grundordnung; böswillige Diensterschwerung; ehrverletzende Behandlung; Verletzung der Disziplin; Meinungsäußerungsfreiheit; Schmähkritik.
SG §§ 7, 8, 10 Abs. 6, § 11 Abs. 1, § 12 Satz 2, § 17 Abs. 1 und 2 Satz 1; WDO § 38 Abs. 1, § 58 Abs. 7; WStG §§ 19, 31; StGB § 185; GG Art. 5 Abs. 1, Art. 17a
1. Die Nichtbeachtung eines in einer vom Bundesverteidigungsminister erlassenen Zentralen Dienstvorschrift enthaltenen Verbots des Werfens einer Übungshandgranate in die Nähe von Soldaten, die keinen Gehörschutz tragen, verletzt die Gehorsamspflicht.
2. Zu den Voraussetzungen des strafbaren Ungehorsams nach § 19 Abs. 1 i. V. m. § 2 Nr. 3 WStG.
3. Zu den Voraussetzungen der Straftat einer böswilligen Erschwerung des Dienstes (§ 31 Abs. 1 Altern. 2 WStG)
4. Die dienstliche Pflicht von Soldaten zur Wahrung der Disziplin (§ 17 Abs. 1 SG) erfordert, dass sich der Soldat – in den vom geltenden Recht gezogenen Grenzen – in das militärische Gefüge selbstbeherrscht einordnet, sich nach Maßgabe der Gesetze und der festgelegten Unterstellungsverhältnisse unterordnet und die militärische Ordnung einhält, soweit sich aus dem geltenden Recht nichts anderes ergibt.
5. Ein Vorgesetzter, der vor ihm angetretene Untergebene verbal auf eine Stufe mit "Schwerverbrechern", "Mördern" und "Drogenjunkies" stellt, begeht eine strafbare Beleidigung (§ 185 StGB) und verletzt damit seine Pflicht zum treuen Dienen (§ 7 SG), zur Fürsorge (§ 10 Abs. 3 SG) und zur Zurückhaltung bei Äußerungen (§ 10 Abs. 6 SG), ohne sich dabei auf das Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit berufen zu können.
6. Ein Vorgesetzter, der als Angehöriger der Dienstgradgruppe der Feldwebel ihm unterstellten Mannschaftssoldaten, die sich an denselben Tisch wie er selbst setzen wollen, dies mit der Äußerung zu verwehren sucht, hier herrsche "Rassentrennung", verletzt seine dienstlichen Pflichten zur Fürsorge (§ 10 Abs. 3 SG), zur Zurückhaltung bei Äußerungen (§ 10 Abs. 6 SG), zur Kameradschaft (§ 12 Satz 2 SG) sowie zur Wahrung und Achtung seiner Vertrauenswürdigkeit im Dienst (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG).
7. Zur Bemessung der gerichtlichen Disziplinarmaßnahme bei Verletzung der Pflichten zum Gehorsam und zum treuen Dienen sowie bei ehrverletzender Behandlung.

BVerwG, Urteil vom 13. 3. 2008 – 2 WD 6.07; TDG Süd (lexetius.com/2008,2295)

[1] Der Soldat mit dem Dienstgrad eines Feldwebels musste sich wegen dreier Anschuldigungspunkte verantworten:
"1. Der Soldat hat am 11. November 2004 als im Rahmen der allgemeinen Grundausbildung eingesetzter Gruppenführer des I. Zuges der … auf dem Standortübungsplatz B. gegen 11. 00 Uhr eine entsicherte Übungshandgranate in Richtung der während einer Pause zusammenstehenden Rekruten seiner Gruppe geworfen oder gerollt, so dass diese etwa 3 bis 5 Meter vor den Rekruten detonierte, obwohl er wusste oder zumindest hätte wissen müssen, dass keiner der Soldaten einen Gehörschutz trug und dass das Werfen von Übungshandgranaten in die Nähe von Soldaten, die keinen Gehörschutz tragen, gemäß Ziffer (gemeint: Nr.) 1450 der Zentralen Dienstvorschrift (ZDv) 44/10 verboten ist.
2. Zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt am 11. November 2004 hat der Soldat die Rekruten des I. Zuges der … auf dem Standortübungsplatz B. antreten lassen und diese sinngemäß als schlimmer als eine Allgemeine Grundausbildung mit Schwerverbrechern, Mördern und Drogenjunkies bezeichnet.
3. Am 16. November 2004 hat der Soldat im Zeitraum zwischen 12. 00 Uhr und 12. 30 Uhr im Mannschaftsspeisesaal der G.-Kaserne in B. während der Einnahme der Mittagsverpflegung gegenüber fünf Mannschaftssoldaten … geäußert, dass zwischen Unteroffizieren und Mannschaftssoldaten eine 'Rassentrennung' bestehe."
[2] Das Truppendienstgericht sah die unter den Anschuldigungspunkten 1. und 2. erhobenen Vorwürfe als erwiesen an und verhängte gegen den Soldaten unter aus Rechtsgründen erfolgter Freistellung von Anschuldigungspunkt 3. eine Kürzung der Dienstbezüge in Höhe eines Zehntels für die Dauer von neun Monaten.
[3] Das Bundesverwaltungsgericht (2. Wehrdienstsenat) hat unter Zurückweisung der auf Freispruch gerichteten Berufung des Soldaten auf die zu dessen Ungunsten von der Wehrdisziplinaranwaltschaft eingelegte Berufung das angefochtene Urteil aufgehoben, den angeschuldigten Sachverhalt in allen drei Anschuldigungspunkten nach Beweisaufnahme für erwiesen erachtet und gegen den Soldaten wegen eines Dienstvergehens ein Beförderungsverbot für die Dauer von 18 Monaten verhängt.
Aus den Gründen: …
[4] 22 Die Berufung des Soldaten hat keinen Erfolg. Die Berufung der Wehrdisziplinaranwaltschaft ist dagegen in dem aus dem Tenor dieses Urteils ersichtlichen Umfang begründet. …
[5] 41 b) Disziplinarrechtliche Beurteilung
aa) Anschuldigungspunkt 1
(1) Mit dem am 11. November 2004 gegen 11. 00 Uhr erfolgten Werfen der Übungshandgranate in die unmittelbare Nähe der Rekruten seiner Gruppe verletzte der Soldat seine Gehorsamspflicht (§ 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 SG). Er missachtete einen – in der Anschuldigungsschrift konkret bezeichneten (vgl. zu den Anforderungen an die Bestimmtheit der Anschuldigungsschrift beim Vorwurf des Ungehorsams u. a Urteile vom 6. Mai 2003 BVerwG 2 WD 29.02 BVerwGE 118, 161 = Buchholz 235. 01 § 107 WDO 2002 Nr. 1, vom 18. September 2003 BVerwG 2 WD 3.03 BVerwGE 119, 76 = Buchholz 235. 01 § 38 WDO 2002 Nr. 11 = NZWehrr 2005, 122 und vom 21. Juni 2005 BVerwG 2 WD 12.04 BVerwGE 127, 302 [306 ff.] = EuGRZ 2005, 636 [641]) – Befehl, der für ihn verbindlich war, nämlich das in Nr. 1450 der ZDv 44/10 in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung vom 9. September 1987 (a. F.) ausgesprochene Verbot. Mit dieser Regelung, die vom damaligen Staatssekretär des Bundesministeriums der Verteidigung "in Vertretung" unterzeichnet und wirksam in Kraft gesetzt worden war, hatte der Bundesminister der Verteidigung als Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt (Art. 65a GG) und damit als Vorgesetzter des Soldaten (vgl. dazu u. a. Urteil vom 26. September 2006 BVerwG 2 WD 2.06 BVerwGE 127, 1 [23 ff.] = Buchholz 449 § 10 SG Nr. 55 = NZWehrr 2007, 79 m. w. N.) verbindlich angeordnet, dass Übungshandgranaten nicht in die Nähe von Soldaten geworfen werden dürfen, die keinen Gehörschutz tragen (Lärmbereich). Nr. 1011 Buchst. c ZDv 44/10 a. F. legte dabei einen Abstand von "bis 100 m" zwischen Detonationsort und dem Aufenthaltsort von in der Nähe befindlichen Soldaten fest, in dem Gehörschutz zu tragen war und der nicht unterschritten werden durfte. Diese Distanz wurde vom Soldaten bei dem Vorfall am 11. November 2004 nicht eingehalten.
[6] 42 Entgegen der Auffassung der Truppendienstkammer stand die als mit Gehorsamsanspruch gegenüber militärischen Untergebenen erlassene Anordnung und damit als Befehl wirksame Dienstvorschrift Nr. 1450 ZDv 44/10 nicht im Widerspruch zu einzelnen Regelungen in der ZDv 3/17 und war deshalb auch nicht wegen unauflösbarer Widersprüchlichkeit unverbindlich (zur Unverbindlichkeit eines Befehls, der einem anderen Befehl inhaltlich widerspricht vgl. u. a. Urteil vom 21. Juni 2005 BVerwG 2 WD 12.04 BVerwGE 127, 302 – = Buchholz 236. 1 § 11 SG Nr. 1 – = EuGRZ 2005, 636). … (wird ausgeführt)
[7] 51 (2) Mit dem Werfen der Übungshandgranate in die unmittelbare Nähe der Rekruten seines Zuges verletzte der Soldat auch seine Pflicht zum treuen Dienen (§ 7 SG).
[8] 52 Die Verpflichtung zum treuen Dienen gebietet jedem Soldaten, seine dienstlichen Aufgaben und Pflichten gewissenhaft, sorgfältig und loyal gegenüber seinem Dienstherrn zur erfüllen. Das schließt ein, innerhalb und außerhalb des Dienstes mit den ihm zur Verfügung stehenden Kräften dazu beizutragen, dass die Streitkräfte der Bundeswehr ihre durch die Verfassung festgelegten Aufgaben ordnungsgemäß erfüllen können, sowie alles zu unterlassen, was diese bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben in unzulässiger Weise schwächen könnte. Zu der in § 7 SG normierten Pflicht zum "treuen Dienen" gehört insbesondere die Verpflichtung zur Loyalität gegenüber der geltenden Rechtsordnung, vor allem die Beachtung der Strafgesetze (Urteile vom 28. September 1990 BVerwG 2 WD 27.89 BVerwGE 86, 321 [326] = Buchholz 236. 1 § 8 SG Nr. 1 = NZWehrr 1991, 32, vom 28. Januar 2004 BVerwG 2 WD 13.03 BVerwGE 120, 105 [107] = Buchholz 236. 1 § 10 SG Nr. 53 = NZWehrr 2004, 169, vom 22. März 2006 BVerwG 2 WD 7.05 Buchholz 450. 2 § 107 WDO 2002 Nr. 2 – jeweils m. w. N. und Urteil vom 26. September 2006 BVerwG 2 WD 2.06 BVerwGE 127, 1 [22] = Buchholz 449 § 10 SG Nr. 55 = NZWehrr 2007, 79). Denn die Anforderungen an die insoweit von den Soldatinnen und Soldaten geforderte "Treue" (zum Dienstherrn Bundesrepublik Deutschland) werden in der rechtsstaatlichen parlamentarischen Demokratie des Grundgesetzes, in der – anders als in der absolutistischen oder konstitutionellen Monarchie – ein monarchischer "Souverän" als personelles Bezugsobjekt für die Treueverpflichtung nicht (mehr) zur Verfügung steht, in erster Linie durch den vom Volk, von dem gemäß Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG "alle Staatsgewalt" ausgeht, gewählten Gesetzgeber und innerhalb dieses Rahmens von der parlamentarisch verantwortlichen Exekutive festgelegt (Urteil vom 22. August 2007 BVerwG 2 WD 27.06 NVwZ-RR 2008, 259 [262]).
[9] 53 Mit seinem vorsätzlichen Ungehorsam gegenüber Nr. 1450 ZDv 44/10 (a. F.) beging der Soldat eine Straftat nach § 19 WStG.
[10] 54 Nach dieser Vorschrift wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bestraft, wer vorsätzlich einen Befehl nicht befolgt und dadurch wenigstens fahrlässig eine schwerwiegende Folge im Sinne von § 2 Nr. 3 WStG verursacht. Eine (durch vorsätzlichen Ungehorsam verursachte) "schwerwiegende Folge" ist nach der in dieser Vorschrift normierten Legaldefinition u. a. eine Gefahr für Leib oder Leben eines Menschen. Wie sich aus dem Wortlaut der Regelung ergibt, muss sich im Hinblick auf die Erfüllung des Tatbestandes die Gefahr nicht in Gestalt eines Schadens realisiert haben; ein konkreter Schaden muss nicht eingetreten sein. Bereits die Verursachung einer Gefahr, also eines Zustandes, in dem aufgrund tatsächlicher Umstände die Wahrscheinlichkeit im Sinne einer begründeten Besorgnis des Eintritts eines schädigenden Ereignisses für das geschützte Rechtsgut besteht, reicht zur Tatbestandserfüllung aus. Ob die Wahrscheinlichkeit zum Tatzeitpunkt bestanden hat, ist unter Berücksichtigung aller individuellen konkreten Umstände mittels einer "objektiv-nachträglichen Prognose" zu beurteilen (vgl. Schölz/Lingens, WStG, 4. Aufl. 2000, § 2 Rn. 53 m. w. N.; Fischer, StGB, 55. Aufl. 2008, § 34 Rn. 3 m. w. N.). Insbesondere aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift ergibt sich allerdings, dass es sich – wie es im Bericht des zuständigen Ausschusses des Deutschen Bundestages, der der weiteren Beratung und Verabschiedung der gesetzlichen Regelung zugrunde lag, heißt – um eine "vom Täter herbeigeführte konkrete, wirklich eingetretene Gefahr handeln muss" (vgl. Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht [16. Ausschuss] über die Entwürfe eines Wehrstrafgesetzes und eines Einführungsgesetzes zum Wehrstrafgesetz, BTDrucks 2/3295 – S. 2 – sowie die weiteren Nachweise bei Schölz/Lingens, a. a. O., § 2 Rn. 52).
[11] 55 Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Das Verhalten des Soldaten, entgegen dem in Nr. 1450 ZDv 44/10 (a. F.) in Verbindung mit dem Befehl des Kompaniechefs vom 15. September 2004 (Anlage 4, vierter Spiegelstrich) erlassenen Verbot eine Übungshandgranate in der unmittelbaren Nähe von Rekruten, die keinen Gehörschutz angelegt hatten, zur Explosion zu bringen, verursachte einen lauten Detonationsknall. Dadurch wurde genau die Gefahr konkret hervorgerufen und begründet, vor der der in Nr. 1450 ZDv 44/10 (a. F.) getroffene Befehl Soldaten gerade schützen sollte. Der Detonationsknall, dem die Rekruten in ihrer unmittelbaren Nähe ausgesetzt wurden, war kein fiktives oder abstraktes, sondern ein sehr reales Ereignis. Es veranlasste die Soldaten, die die heranfliegende Übungshandgranate in letzter Sekunde noch erkennen konnten, Deckung zu suchen, um sich zu schützen. Gerade um die übende Truppe und Unbeteiligte vor Unfällen zu schützen, ist vom Bundesminister der Verteidigung in Nr. 1450 ZDv 44/10 (a. F.) das Werfen von Übungshandgranaten in die (in Nr. 1011c ZDv 44/10 – näher definierte) Nähe von Soldaten, die keinen Gehörschutz tragen, verboten worden.
[12] 56 Es kam und kommt vorliegend nicht darauf an, welcher konkrete Schalldruck (Schalldruckpegel mit der Maßeinheit Dezibel – dB), welche Lautstärke (Lautstärkepegel mit der Maßeinheit Phon) und welche Lautheit (mit der Maßeinheit Sone) durch die Detonation der Übungshandgranate hier verursacht wurde, wofür neben der spezifischen Frequenz des Schalls die konkreten meteorologischen Verhältnisse und die Ausbreitungsbedingungen des Schalls sowie die individuelle Konstitution der Rezipienten von Bedeutung sein können. Denn gerade die durch den Detonationsknall von Übungshandgranaten typischerweise bewirkte konkrete Gefahrenlage für das menschliche Gehör und damit für die körperliche Unversehrtheit ("Leib") der betroffenen Soldaten sollte durch den in Nr. 1450 ZDv 44/10 (a. F.) gegebenen Befehl generell ausgeschlossen oder jedenfalls minimiert werden.
[13] 57 Bekanntermaßen liegt bei Lärm die Schmerzschwelle für Menschen je nach Frequenzzusammensetzung des Geräusches zwischen 120 dB und 140 dB. Ist das menschliche Gehör Schalldrücken im Bereich der Schmerzschwelle ausgesetzt, sind bleibende Hörschäden selbst bei nur kurzer Einwirkzeit möglich (vgl. u. a. www. umweltbundesamt. de/service/termine/2008/2_Tag-gegen-Laerm_ Faltblatt. pdf). Diese konkrete Gefahrenlage, also eine schwerwiegende Folge im Sinne von § 2 Nr. 3 WStG, wurde vom Soldaten – wie festgestellt – nicht nur fahrlässig, sondern bedingt vorsätzlich verursacht. Sein Verhalten kann nicht hinweggedacht werden, ohne dass der Gefahreneintritt entfiele.
[14] 58 Dagegen hat der Senat nicht feststellen können, dass der Soldat mit seinem Verhalten eine Straftat nach § 31 WStG begangen hat. Der Soldat war zum Tatzeitpunkt aufgrund seines Dienstgrades (§ 1 Abs. 5 SG a. F. i. V. m. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VorgV) und als eingesetzter Gruppenführer (§ 1 Abs. 5 SG a. F. i. V. m. § 1 Abs. 1 VorgV) Vorgesetzter der zu seiner Gruppe gehörenden Soldaten. Durch das – zudem außerhalb jedes Ausbildungszwecks – erfolgte Werfen der dann in unmittelbarer Nähe der Rekruten detonierten Übungshandgranate erschwerte er seinen Untergebenen den Dienst. Denn eine tatbestandsmäßige Diensterschwernis liegt vor, wenn der Täter dem Untergebenen den Dienst schwerer macht, als es die militärischen Notwendigkeiten erfordern. Damit werden insbesondere Fälle seelischer und körperlicher Einwirkungen erfasst, die wegen ihrer militärischen Sinnlosigkeit Schikane sind und als solche auch vom Untergebenen empfunden werden. (Schölz/Lingens, a. a. O. § 31 Rn. 7). Der Senat hat jedoch nicht festgestellt, dass der Soldat dabei böswillig gehandelt hat.
[15] 59 Böswillig handelt derjenige Vorgesetzte, dem es darauf ankommt, Untergebenen zu schaden (Schölz/Lingens, a. a. O. § 31 Rn. 8 m. w. N.). Es fehlt schon an hinreichenden Anhaltspunkten dafür, dass der Soldat seine Untergebenen gezielt durch Ausnutzung der Gehörschutzlosigkeit dahingehend schikanieren bzw. schädigen wollte, dass sie durch den nahen Detonationsknall Hörschäden (Schalltrauma, Tinnitus, Schwerhörigkeit o. Ä.) erleiden sollten. Vielmehr hat er sich unwiderlegt dahingehend eingelassen, er habe – einer Anregung seines Zugführers entsprechend – die aus seiner Sicht nicht mehr benötigte Übungshandgranate "entsorgen" und dabei am Werfen und der Detonation "Spaß" haben wollen.
[16] 60 (3) Mit seinem festgestellten Verhalten verletzte der Soldat auch seine Fürsorgepflicht als Vorgesetzter gegenüber Untergebenen (§ 10 Abs. 3 SG). … (wird ausgeführt)
[17] 64 (4) Der Soldat hat mit dem festgestellten Verhalten ferner seine Pflicht zur Kameradschaft (§ 12 Satz 2 SG) verletzt. … (wird ausgeführt)
[18] 65 (5) Durch sein Fehlverhalten verletzte der Soldat auch seine dienstliche Pflicht, Disziplin zu wahren (§ 17 Abs. 1 SG). Diese Pflicht erfordert, dass sich der Soldat – in den vom geltenden Recht gezogenen Grenzen – in das militärische Gefüge selbstbeherrscht einordnet, sich nach Maßgabe der Gesetze und der festgelegten Unterstellungsverhältnisse unterordnet und die militärische Ordnung einhält, soweit sich aus dem geltenden Recht nichts anderes ergibt. Untergebene sind nach § 17 Abs. 1 SG gehalten, die dienstliche Autorität ihrer Vorgesetzten ohne Rücksicht auf persönliche Sympathien oder Antipathien anzuerkennen und ihr Verhalten danach auszurichten (vgl. dazu u. a. Urteile vom 6. Juli 1976 BVerwG 2 WD 11.76 BVerwGE 53, 178 [181] = NZWehrr 1977, 9, vom 20. Mai 1981 BVerwG 2 WD 9.80 BVerwGE 73, 187 [192] und vom 22. August 2007 BVerwG 2 WD 27.06 –; Scherer/Alf, SG, 7. Aufl. 2003, § 17 Rn. 3). Während ein Ungehorsam (Verstoß gegen § 11 Abs. 1 SG) einen Verstoß gegen einen konkreten – verbindlichen – Befehl voraussetzt, der nach ständiger Rechtsprechung des Senats in der Anschuldigungsschrift konkret bezeichnet werden muss (vgl. dazu u. a Urteile vom 6. Mai 2003 BVerwG 2 WD 29.02 BVerwGE 118, 161 = Buchholz 235. 01 § 107 WDO 2002 Nr. 1 = NZWehrr 2004, 31, vom 18. September 2003 BVerwG 2 WD 3.03 BVerwGE 119, 76 = Buchholz 235. 01 § 38 WDO 2002 Nr. 11 = NZWehrr 2005, 122, vom 21. Juni 2005 BVerwG 2 WD 12.04 BVerwGE 127, 302 = EuGRZ 2005, 636 und vom 22. August 2007 a. a. O.), reicht es für einen Verstoß gegen § 17 Abs. 1 SG aus, dass der betreffende Soldat mit seinem Verhalten eine gegenüber Vorgesetzten bestehende Pflicht verletzt und dabei zu erkennen gibt, dass er sich, jedenfalls im konkreten Fall, der dienstlichen Autorität seines Vorgesetzten nicht selbstbeherrscht unterordnen will. Vorgesetzte sind nicht nur die unmittelbaren Vorgesetzten, sondern alle militärischen Vorgesetzten, insbesondere auch der Bundesminister der Verteidigung, dem nach Art. 65a GG die Befehls- und Kommandogewalt über die Bundeswehr zusteht, und in dessen Vertretung der zuständige Staatssekretär (vgl. dazu Beschluss vom 12. April 1978 BVerwG 2 WDB 24.77 BVerwGE 63, 37 = NZWehrr 1978, 141 und Urteil vom 26. September 2006 BVerwG 2 WD 2.06 BVerwGE 127, 1 [24] = Buchholz 449 § 10 SG Nr. 55 = NZWehrr 2007, 79 m. w. N.).
[19] 66 Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Indem der Soldat die Übungshandgranate – wie er in der Berufungshauptverhandlung vorgetragen und eingeräumt hat – zu deren "Entsorgung" und zum eigenen "Spaß" in die Nähe der ihm unterstellten Soldaten warf und zur Detonation brachte, obwohl ihm bewusst war, damit die geltenden Sicherheitsvorschriften zu missachten, handelte er – vorsätzlich – disziplinlos. Denn er ordnete sich nicht selbstbeherrscht der dienstlichen Autorität des zuständigen Vorgesetzten, der die insoweit einschlägige verbindliche Dienstvorschrift für den Umgang mit Übungshandgranaten erlassen hatte, unter, sondern gab seinen eigenen Wünschen ein höheres Gewicht. Offenkundig war ihm u. a. der Spaß, den ihm das – verbotswidrige – Werfen der Übungshandgranate in die insoweit ahnungslose Gruppe der ihm unterstellten Rekruten versprach, wichtiger als die strikte und selbstbeherrschte Einhaltung der einschlägigen Sicherheitsbestimmungen.
[20] 67 (6) Darüber hinaus verletzte der Soldat mit seinem von Anschuldigungspunkt 1 erfassten Verhalten auch seine Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten im Dienst (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG). … (wird ausgeführt)
[21] 68 bb) Anschuldigungspunkte 2 und 3
[22] (1) Mit seinem von Anschuldigungspunkt 2 erfassten Verhalten ("schlimmer als eine Allgemeine Grundausbildung mit Schwerverbrechern, Mördern und Drogenjunkies") beging der Soldat eine Beleidigung (§ 185 StGB) im dienstlichen Bereich und verstieß damit gegen seine Pflicht zum treuen Dienen (§ 7 Halbs. 1 SG), die die Pflicht zur Beachtung der Strafgesetze einschließt (Urteile vom 28. September 1990 BVerwG 2 WD 27.89 BVerwGE 86, 321 [326], vom 28. Januar 2004 BVerwG 2 WD 13.03 BVerwGE 120, 105 [107] = Buchholz 236. 1 § 10 SG Nr. 53 = NZWehrr 2004, 169, vom 22. März 2006 BVerwG 2 WD 7.05 Buchholz 450. 2 § 107 WDO 2002 Nr. 2 – jeweils m. w. N. und Urteil vom 26. September 2006 BVerwG 2 WD 2.06 BVerwGE 127, 1 [22] = Buchholz 449 § 10 SG Nr. 55 = NZWehrr 2007, 79).
[23] 69 Voraussetzung für die Verwirklichung des Straftatbestandes der Beleidigung (§ 185 StGB) ist der Angriff auf die Ehre eines anderen durch vorsätzliche Kundgabe der Missachtung oder Nichtachtung (Urteil vom 29. Juni 2006 BVerwG 2 WD 26.05 Buchholz 449 § 12 SG Nr. 20 = NZWehrr 2007, 32 m. w. N.; Fischer, StGB, 55. Aufl. 2008, a. a. O., § 185 Rn. 4). Eine negative wertende Äußerung über die Persönlichkeit ist nur dann eine Beleidigung, wenn der andere damit gerade in seiner Ehre, d. h. seinem sittlichen (moralischen), personalen oder sozialen Geltungswert getroffen wird (vgl. Urteil vom 29. Juni 2006 a. a. O. m. w. N.). Beleidigungsfähig kann dabei auch eine abgrenzbare Mehrheit von Personen sein. Der sittliche (moralische) Geltungswert wird einer Person abgesprochen, wenn ihr ein unsittliches oder rechtwidriges Verhalten vorgeworfen oder angesonnen wird oder wenn ihr sonst die moralische Integrität generell oder in einer bestimmten Richtung abgesprochen wird (z. B. "Dieb", "Verbrecher", "Charakterschwein"). Nicht ausreichend für eine Erfüllung des Tatbestandes des § 185 StGB sind bloße Unhöflichkeiten und Taktlosigkeiten, sofern sie nicht wegen ihrer besonders groben Form als Ausdruck der Missachtung des sittlichen, personalen oder sozialen Geltungsanspruchs erscheinen. Belästigungen, unpassende Scherze, Foppereien und Ähnliches stellen dagegen eine Beleidigung nur beim Hinzukommen besonderer Umstände dar, welche die Ansicht von der (sittlichen, personalen oder sozialen) Minderwertigkeit des Betroffenen ausdrücken. Allgemein gilt, dass es nicht Aufgabe des § 185 StGB ist, den Einzelnen vor bloßen Unhöflichkeiten, Ungehörigkeiten oder Taktlosigkeiten zu schützen. Vielmehr ist für das Vorliegen einer Beleidigung stets eine eindeutige Abwertung des Betroffenen erforderlich, was voraussetzt, dass diese jedenfalls ein gewisses Gewicht hat (Urteil vom 29. Juni 2006 a. a. O.).
[24] 70 Bei der Auslegung und Anwendung der in Rede stehenden Tatbestandsmerkmale ist stets die grundrechtliche Schutzwirkung des Art. 5 Abs. 1 GG zu beachten. Dies gilt auch bei Äußerungen von Soldaten im Dienst. Denn auch dann steht diesen das Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit zu. Nach § 6 Satz 1 SG hat ein Soldat die gleichen staatsbürgerlichen Rechte wie jeder andere Staatsbürger. Allerdings können gemäß § 6 Satz 2 SG seine Rechte im Rahmen der Erfordernisse des militärischen Dienstes durch seine gesetzlich begründeten Pflichten beschränkt werden, was durch die Spezialermächtigung des Art. 17a Abs. 1 GG für das Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit in verfassungskonformer Weise ermöglicht wird, wonach Gesetze über Wehrdienst u. a. bestimmen können, dass für die Angehörigen der Streitkräfte während der Zeit des Wehrdienstes das Grundrecht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 GG), eingeschränkt wird (vgl. dazu auch BVerfG, Beschluss vom 2. März 1977 – 2 BvR 1319/76BVerfGE 44, 197 = NJW 1977, 2205). Daraus ergibt sich, dass zunächst der Einfluss der Gewährleistung der grundrechtlichen Meinungsäußerungsfreiheit auf die Auslegung und Anwendung des § 185 StGB zu prüfen ist. Auf der Stufe der Anwendung von §§ 185 ff. StGB im Einzelfall verlangt Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine Gewichtung der Beeinträchtigung, die der persönlichen Ehre auf der einen und der Meinungsfreiheit auf der anderen Seite droht, bei der alle wesentlichen Umstände zu berücksichtigen sind (stRspr, vgl. BVerfG, Urteil vom 15. Januar 1958 – 1 BvR 400/51BVerfGE 7, 198 [212]). Das Ergebnis dieser Abwägung lässt sich wegen ihres Fallbezugs nicht generell und abstrakt bestimmen. Doch ist in der Rechtsprechung eine Reihe von Gesichtspunkten entwickelt worden, die Kriterien für die konkrete Abwägung vorgeben. So muss die Meinungsfreiheit stets zurücktreten, wenn die Äußerung die Menschenwürde eines anderen antastet. Denn die Menschenwürde als Wurzel und Bezugspunkt aller Grundrechte ist mit keinem Einzelgrundrecht abwägungsfähig (vgl. u. a. BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 1995 – 1 BvR 1476/91 u. a. – BVerfGE 93, 266 [293]). Da aber nicht nur einzelne, sondern sämtliche Grundrechte Konkretisierungen der Menschenwürde sind, bedarf es stets einer sorgfältigen Begründung, wenn angenommen werden soll, dass der Gebrauch eines Grundrechts auf die unantastbare Menschenwürde (Art. 1 GG) durchschlägt (ebd.). Desgleichen tritt bei herabsetzenden Äußerungen, die sich als Formalbeleidigung oder Schmähung darstellen, die Meinungsfreiheit regelmäßig hinter den Ehrenschutz zurück (vgl. u. a. BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 1995 a. a. O. [294] m. w. N.). Wegen seines die Meinungsfreiheit verdrängenden Effekts hat das Bundesverfassungsgericht den in der Fachgerichtsbarkeit entwickelten Begriff der Schmähkritik aber eng definiert. Danach macht auch eine überzogene oder gar ausfällige Kritik eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähung. Hinzutreten muss vielmehr, dass bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht. Sie muss jenseits auch polemischer und überspitzter Kritik in der persönlichen Herabsetzung bestehen (vgl. u. a. BVerfG, Beschlüsse vom 26. Juni 1990 – 1 BvR 1165/89BVerfGE 82, 272 [283 f.] und vom 1. August 2001 – 1 BvR 1906/97 – NJW 2001, 3619 = NStZ 2001, 640 sowie BVerwG, Urteil vom 29. Juni 2006 BVerwG 2 WD 26.05 a. a. O. m. w. N.). Bei einer überzogenen oder ausfälligen Äußerung muss mithin, soll eine Schmähkritik vorliegen, nach den konkreten Begleitumständen eine das sachliche Anliegen der Äußerung völlig in den Hintergrund drängende persönliche Kränkung erfolgt sein (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 26. Juni 1990 a. a. O. und vom 10. Oktober 1995 a. a. O. [294]; BVerwG, Urteil vom 29. Juni 2006 a. a. O.). Eine sogenannte Formalbeleidigung liegt dann vor, wenn das Vorhandensein einer Beleidigung aus der Form der Äußerung oder ihrer Verbreitung und aus den Umständen, unter welchen sie geschah, hervorgeht. Dies ist namentlich bei der Verwendung von groben oder vulgären Schimpfworten der Fall.
[25] 71 Vorliegend stellte die Äußerung des Soldaten eine Schmähkritik dar, sodass eine Abwägung ihrer Schutzbedürftigkeit mit der verfassungsrechtlichen Bedeutung des Grundrechts der Meinungsäußerung im Hinblick auf Art. 5 Abs. 2 GG ("Recht der Ehre") entfiel. Dabei hat der Senat offengelassen, ob in der vom Soldaten gewählten Formulierung bereits ein Angriff auf die Menschenwürde der Rekruten lag. Selbst wenn dies mit der Erwägung verneint werden könnte, dass der Soldat im konkreten Fall den vor ihm angetretenen Rekruten nicht das Lebensrecht als gleichwertige Persönlichkeiten in der staatlichen Gemeinschaft absprach und sie nicht als unterwertige Wesen behandelte (vgl. dazu allgemein BGH, Urteil vom 19. Januar 1989 – 1 StR 641/88BGHSt 36, 83 ff.), stand bei der Verwendung der Ausdrücke "Schwerverbrecher", "Mörder", "Drogenjunkies" nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache im Mittelpunkt, sondern die Diffamierung der direkt von ihm angesprochenen Personen. Dem Soldaten ging es, wie er in der Berufungshauptverhandlung ausgeführt hat, subjektiv um eine scharfe Kritik an den aus seiner Sicht unzureichenden Ausbildungsleistungen der Rekruten. Möglicherweise nahm er dabei Bezug auf eine – wie die ehrenamtlichen Richter dem Senat glaubhaft vermittelt haben – in der Bundeswehr mitunter anzutreffende Einschätzung über die verminderte Leistungsfähigkeit von Rekruten, die nicht (wie vornehmlich Abiturienten) zum Stichtag 1. Juli, sondern zum 1. Januar oder 1. Oktober eines Jahres zum Wehrdienst herangezogen werden. Es bedarf hier aber keiner näheren Prüfung und Entscheidung der Frage, ob die Kritik des Soldaten an den Ausbildungsleistungen der Rekruten seines Zuges in der Sache gerechtfertigt war oder nicht. Vielmehr geht es allein um die von ihm gewählte besonders herabsetzende Art und Weise seiner Kritik. Für einen Vergleich der Angesprochenen mit "Schwerverbrechern", "Mördern" und "Drogenjunkies" fehlte es an jedem sachlichen Anknüpfungspunkt. Auch der Soldat hat nicht behauptet, unter den von ihm kritisierten Rekruten seines Zuges bzw. der herangezogenen Vergleichsgruppe (n) ("wie eine Allgemeine Grundausbildung …") hätten sich Personen befunden, die schwere Straftaten oder gar Morde begangen hätten oder typischerweise begingen. Mit seiner Aussage, die vor ihm angetretenen und von ihm angesprochenen Soldaten des I. Zuges … seien "schlimmer als eine Allgemeine Grundausbildung mit Schwerverbrechern, Mördern und Drogenjunkies" würdigte er die angetretenen Rekruten in ihrem sittlichen Geltungswert in drastischer und durch nichts zu rechtfertigender Weise herab. Bei den angetretenen und direkt von ihm angesprochenen Rekruten handelte es sich um eine konkret bestimmte und abgrenzbare Personengruppe. Die Aussage musste und konnte unter den konkret gegebenen Umständen von einem objektiven Erklärungsempfänger nach ihrem objektiven Erklärungsgehalt nur dahin verstanden werden, dass der Soldat die Angesprochenen sinngemäß auf eine Stufe mit "Schwerverbrechern", "Mördern" und Drogenkriminellen ("Drogenjunkies") stellte. Ein – wie auch immer gearteter – Beitrag zur öffentlichen Meinungs- und Willensbildung in einer demokratischen Gesellschaft, der vom Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit besonders geschützt ist, war damit erkennbar nicht verbunden. Es ging ihm ersichtlich auch nicht – etwa in der Tradition des dem Schriftsteller Kurt Tucholsky zugeschriebenen Zitats "Soldaten sind Mörder" – um eine grundsätzliche polemisch-zugespitzte Kritik am Soldatenberuf und der dafür typischen Ausbildung im Umgang mit Tötungswaffen und zum Töten (vgl. dazu u. a. BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 1995 a. a. O.). Vielmehr kam es ihm erkennbar gerade auf eine drastische persönliche Herabsetzung und einen derben Angriff auf die Ehre der angetretenen Soldaten an, ohne dass ein in irgendeiner Weise nachvollziehbarer Zusammenhang zwischen den von ihm kritisierten Ausbildungsleistungen und dem in Vergleichsform erhobenen Vorwurf bestand, dass sie zu Vergleichsgruppen von Schwerverbrechern, Mördern oder Drogenjunkies gehörten.
[26] 72 An der Tatbestandsmäßigkeit seines Verhaltens ändert auch nichts, dass seine Äußerung – nach Rücknahme des erforderlichen Strafantrages – strafrechtlich nicht mehr verfolgt werden konnte.
[27] 73 Der Soldat handelte vorsätzlich. Denn er wusste, was er tat und wollte dies auch.
[28] 74 (2) Durch die von Anschuldigungspunkt 2 erfasste strafbare Verletzung der Ehre der ihm unterstellten Rekruten ("Schwerverbrecher", "Mörder", "Drogenjunkies") verstieß der Soldat auch gegen seine Fürsorgepflicht als Vorgesetzter (§ 10 Abs. 3 SG). Das bedarf keiner näheren Darlegung.
[29] 75 (3) Auch mit dem Gebrauch des Ausdrucks "Rassentrennung" (Anschuldigungspunkt 3) verletzte der Soldat seine Pflicht zur Fürsorge gegenüber Untergebenen. Durch seine Äußerung gab er seinen Untergebenen zu verstehen, dass er sie nicht für würdig hielt, im Mannschaftsspeisesaal an dem Tisch, an dem er sitzen und essen wollte, Platz zu nehmen. Er missachtete damit jedenfalls seine Pflicht, seinen Untergebenen das berechtigte Gefühl zu geben, von ihm nicht nur als Befehlsempfänger betrachtet, sondern in ihrer Ehre und Personenwürde geachtet und mit menschlicher Rücksichtnahme behandelt zu werden.
[30] 76 Der objektive Bedeutungsgehalt seiner Äußerung war insoweit nach den vom Senat getroffenen Feststellungen eindeutig.
[31] 77 Der objektive Bedeutungsgehalt des vom Soldaten gegenüber den Rekruten Geäußerten ist dabei nach dem Maßstab festzustellen, wie ein verständiger Dritter die Äußerung verstehen musste (Urteil vom 29. Juni 2006 BVerwG 2 WD 26.05 Buchholz 449 § 12 SG Nr. 20 = NZWehrr 2007, 32 m. w. N.; Fischer, StGB, 55. Aufl. 2008, § 185 Rn. 8). Dabei sind die gesamten Begleitumstände, in denen die Äußerung gemacht wurde, zu berücksichtigen, z. B. die Anschauung und Gebräuche der Beteiligten sowie die sprachliche und gesellschaftliche Ebene, auf der die Äußerung fiel (Urteil vom 29. Juni 2006 a. a. O., Fischer, a. a. O.).
[32] 78 Nach dem üblichen Sprachgebrauch bezeichnet der Begriff "Rassentrennung" (amerik./englisch "racial segregation"; südafrikanisch: "Apartheid" von apart "getrennt, einzeln, besonders") die rassistisch motivierte zwangsweise Trennung von als so genannten "Rassen" definierten Menschengruppen in allen oder bestimmten Bereichen des Lebens (vgl. dazu u. a. Wahrig, Deutsches Wörterbuch, Neuauflage 2000, S. 1024; David N. Addy, "Rassismus", in: U. Albrecht/H. Volger (Hrsg.), Lexikon der Internationalen Politik, 1997, S. 430; ders., in: Rassistische Diskriminierung, Internationale Verpflichtungen und nationale Herausforderungen für die Menschenrechtsarbeit in Deutschland,, 3. Aufl. 2005, S. 16 f.). In der Praxis dient die Rassentrennung, eine Form der Segregation, dazu, herrschenden sozialen Gruppen Privilegien zu sichern und gleichzeitig Unsicherheitsgefühle ihrer Mitglieder zu beruhigen. In Gesellschaften mit Rassentrennung existieren getrennte öffentliche Einrichtungen (z. B. öffentliche Verkehrsmittel, Gaststätten, Theater und insbesondere Schulen) für die Mitglieder der verschiedenen "Rassen", wobei die Einrichtungen für die herrschende Gruppe in aller Regel besser ausgestattet sind als diejenigen für die ausgegrenzten Gruppen. Nach Art. 2 und 3 des Internationalen Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung vom 7. März 1966, dem die Bundesrepublik Deutschland wirksam beigetreten ist (BGBl II 1969 S. 961), sind alle Vertragsstaaten völkerrechtlich verpflichtet, alle Praktiken von Segregation und Apartheid in ihren Hoheitsgebieten zu verhindern, zu verbieten und auszumerzen.
[33] 79 In einem solchen Sinn ist die Benutzung des Worts "Rassentrennung" durch den Soldaten ersichtlich nicht erfolgt. Die Äußerung ließ zwar erkennen, dass er den Mannschaftssoldaten auf Grund deren Zugehörigkeit zu einer niedrigeren Dienstgradgruppe einen geringeren Stellenwert innerhalb der Bundeswehr (und möglicherweise innerhalb der Gesellschaft) als sich selbst zumaß und dass er diese damit verbal diskriminierte. Sie knüpfte jedoch nicht an einer auf Merkmalen "der Rasse, der Hautfarbe, der Abstammung, dem nationalen Ursprung oder dem Volkstum beruhende (n) Unterscheidung" (vgl. Art. 1 des vorgenannten Übereinkommens) an.
[34] 80 Betrachtet man die festgestellten konkreten Begleitumstände seines Verhaltens unter Berücksichtigung der erkennbaren Anschauungen und Gebräuche der Beteiligten sowie der sprachlichen und gesellschaftlichen Ebene, auf der die Äußerung fiel, lässt es aus der Sicht eines verständigen Dritten nur den Schluss zu, dass er den Mannschaftssoldaten in überheblicher Weise vermitteln wollte, als "Unteroffizier" einer herausgehobenen Gruppe anzugehören, die über gewisse Privilegien gegenüber der unterstellten Gruppe der Mannschaftssoldaten verfüge, was einschließe, dass Mannschaftssoldaten sich selbst in einem Mannschaftsspeisesaal nicht ohne ausdrückliche Erlaubnis mit Unteroffizieren an einen gemeinsamen Tisch setzen dürften. Er unterstellte damit, dass ein Unteroffizier als Person "etwas Besseres" als ein Mannschaftssoldat sei. Mannschaftssoldaten hätten sich, selbst wenn sie sich in einem ihnen zugewiesen Mannschaftsspeisesaal befänden, den "höherwertigen" Unteroffizieren auch außerhalb dienstlicher Notwendigkeiten jederzeit unterzuordnen. Dem Soldaten kam es erkennbar darauf an, die Mannschaftssoldaten in ihrem Status herabzuwürdigen und ihnen in der konkreten Situation das Gefühl zu vermitteln, sie seien seiner nicht wert. Dementsprechend kritisierte der Soldat sofort heftig den damaligen Obergefreiten S., als dieser sich neben seine, des Soldaten, "Jacke" setzte. Die damit eindeutig verbundene Forderung an den Untergebenen, jederzeit auf "Insignien" Dienstgradhöherer zu achten und diesen unterwürfigen Respekt zu zollen, zeugen von einer dem demokratischen Rechtsstaat des Grundgesetzes fremden Missachtung der gleichen Ehre und Würde aller Bürgerinnen und Bürger.
[35] 81 Die Einlassung des Soldaten, die unmittelbare Gegenwart des Obergefreiten S. habe ihn gestört, weil er sich mit anderen Unteroffizieren über Themen habe unterhalten wollen, die für "andere Ohren" nicht bestimmt gewesen seien, hat der Senat als unwahre Schutzbehauptung gewertet. … (wird ausgeführt)
[36] 82 Auch im weiteren Verlauf des Essens unternahm der Soldat keinen Versuch, um seine Begriffswahl ("Rassentrennung"/" Rassenunterschied") zu relativieren oder sich dafür zu entschuldigen, um so eine gemeinsame Basis für eine vertrauensvolle und kameradschaftliche Zusammenarbeit mit seinen Kameraden wiederherzustellen. Im Gegenteil äußerte er beim Aufstehen, dass es für den Obergefreiten S. doch wohl eine Ehre gewesen sein müsse, neben ihm gesessen zu haben. Auch diese Äußerung wurde und konnte nicht als "witzig", sondern nur als persönlichkeitsabwertend und diskriminierend verstanden werden.
[37] 83 Damit verletzte der Soldat die Angesprochenen in ihrer Ehre als untergebene Soldaten. …
[38] 85 (4) Mit seinem von den Anschuldigungspunkten 2 und 3 erfassten Verhalten verletzte der Soldat zudem auch die Pflicht jedes Vorgesetzten, sich mit Äußerungen zurückzuhalten (§ 10 Abs. 6 SG)
[39] 86 – § 10 Abs. 6 SG erfasst nach seinem eindeutigen Wortlaut – uneingeschränkt – alle "Äußerungen" die geeignet sind, das Vertrauen in Vorgesetzte zu erschüttern. Auch ehrverletzende und diffamierende Äußerungen sind jedenfalls "Äußerungen", die gegen die Pflicht zur Zurückhaltung verstoßen (vgl. Urteile vom 9. Januar 2007 BVerwG 2 WD 20.05 BVerwGE 127, 293 = Buchholz 450. 2 § 38 WDO 2002 Nr. 20 = NZWehrr 2007, 167 und vom 24. April 2007 BVerwG 2 WD 9.06 BVerwGE 128, 319 = Buchholz 449 § 10 SG Nr. 57 m. w. N.), wobei allerdings die Schutzwirkungen des Art. 5 Abs. 1 GG zu beachten sind. Denn der Schutz der Meinungsfreiheit erfasst nicht nur den Inhalt, sondern auch die Modalitäten einer Äußerung (vgl. Urteile vom 9. Januar 2007 a. a. O. und vom 24. April 2007 a. a. O.; Grimm, NJW 1995, 1697 [1698, 1700] jeweils m. w. N.).
[40] 87 – § 10 Abs. 6 SG verpflichtet Offiziere und Unteroffiziere als Vorgesetzte, ihre Meinung unter Achtung der Rechte anderer besonnen, tolerant und sachlich zu vertreten (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 18. Februar 1970 – 2 BvR 531/68BVerfGE 28, 36 [47] m. w. N. und vom 10. Juli 1992 – 2 BvR 1802/91 – NZWehrr 1992, 205 [206 f.]; BVerwG, Beschluss vom 12. April 1978 BVerwG 2 WDB 24.77 BVerwGE 63, 37 [38 f.], Urteil vom 10. Oktober 1985 BVerwG 2 WD 19.85 BVerwGE 83, 60 [68]). Besonnenheit, Toleranz und Sachlichkeit sind für einen Vorgesetzten nach der vom Gesetzgeber getroffenen Regelungsentscheidung unerlässlich, um seine dienstlichen Aufgaben erfüllen und seinen Untergebenen im Sinne von § 10 Abs. 1 SG in Haltung und Pflichterfüllung Vorbild sein zu können. Dies kann im Einzelfall im Hinblick auf das Gebot der "Zurückhaltung" auch erfordern, dass der Soldat bei seiner Meinungsäußerung "im Rahmen der Erfordernisse des militärischen Dienstes" (§ 6 Satz 2 SG) von der Verwendung bestimmter Begriffe, die besonders emotionsgeladen sind und – selbst im Kontext ihrer Verwendung – zu erheblichen Missverständnissen und Fehlinterpretationen führen könnten, unter Umständen absehen muss (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Juli 1992 a. a. O. [207]). Allerdings dürfen bei der Auslegung und Anwendung der unbestimmten und daher konkretisierungsbedürftigen Tatbestandsmerkmale der Vorschrift ("… die Zurückhaltung zu wahren, die erforderlich ist, um das Vertrauen als Vorgesetzte zu erhalten") keine Vorgaben missachtet werden, die sich aus anderen Verfassungsvorschriften ergeben (BVerfG, Beschluss vom 10. Juli 1992 a. a. O. [207]).
[41] 88 Sein Verhalten, im Dienst die ihm unterstellten Rekruten in strafbarer Weise mit "Schwerverbrechern", "Mördern" und "Drogenjunkies" zu vergleichen (Anschuldigungspunkt 2), entsprach – was keiner näheren Darlegung bedarf – nicht dem in § 10 Abs. 6 SG normierten Gebot zur Besonnenheit, Toleranz und Sachlichkeit.
[42] 89 Gleiches gilt für seine von Anschuldigungspunkt 3 erfasste Äußerung, zwischen ihm und den angesprochenen Mannschaftssoldaten bestehe "Rassentrennung" bzw. ein "Rassenunterschied". Auch sie entsprach nicht dem in § 10 Abs. 6 SG normierten Gebot zur Besonnenheit, Toleranz und Sachlichkeit. Auch dies bedarf keiner näheren Darlegung.
[43] 90 (5) Ferner verstieß der Soldat mit seinen von den Anschuldigungspunkten 2 und 3 erfassten Äußerungen gegen seine Pflicht zur Kameradschaft (§ 12 Satz 2 SG). …
[44] 93 (6) Schließlich hat der Soldat mit seinem von den Anschuldigungspunkten 2 und 3 erfassten Verhalten auch gegen seine Pflicht zur Wahrung seiner Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit im Dienst (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG) verstoßen. Unerheblich ist dabei, ob ein Vertrauensverlust tatsächlich eintrat. Weil der Soldat seine Stellung als Vorgesetzter kannte und mit Wissen und Wollen, die Rekruten beleidigte (Anschuldigungspunkt 2) bzw. als unterwertig (Anschuldigungspunkt 3) behandelte, handelte er vorsätzlich.
[45] 94 (7) Dagegen hat der Senat in der von Anschuldigungspunkt 3 erfassten Äußerung ("Rassentrennung") keinen Verstoß gegen die Pflicht jedes Soldaten festzustellen vermocht, "die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes anzuerkennen und durch sein gesamtes Verhalten für ihre Erhaltung einzutreten" (§ 8 SG). Für eine solche Pflichtverletzung fehlt es an jedem Anhaltspunkt. Allein der – in den Grenzen von Art. 5 Abs. 2 und Art. 17a GG von der Meinungsäußerungsfreiheit geschützte – Gebrauch des Wortes "Rassentrennung", auch wenn er im Kontext eines diskriminierenden Umgangs mit Angehörigen verschiedener Laufbahngruppen der Bundeswehr erfolgte, ist ersichtlich nicht geeignet, einen Verstoß gegen die besondere Treuepflicht im Sinne des § 8 SG zu begründen. Der Senat hat – ebenso wie die Truppendienstkammer – nicht feststellen können, dass der Soldat mit seiner Äußerung ("Rassentrennung", "Rassenunterschied") nach ihrem objektiven Erklärungswert zum Ausdruck gebracht hat, er wolle die von Art. 79 Abs. 3 GG besonders geschützten "Grundsätze der Art. 1 und 20 GG" (vor allem Bindung aller staatlichen Gewalt an die im Grundgesetz konkretisierten Grund und Menschenrechte, Volkssouveränität, Mehrparteiensystem, Chancengleichheit für alle Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung der Opposition, Gewaltenteilung, Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber dem Parlament, Gesetzmäßigkeit von Regierung und Verwaltung, Unabhängigkeit der Gerichte; vgl. dazu u. a. Beschluss vom 18. November 2003 BVerwG 2 WDB 2.03 BVerwGE 119, 206 = Buchholz 236. 1 § 8 SG Nr. 5 m. w. N.) in verfassungswidriger Weise ändern oder bekämpfen. …
[46] 96 c) Die Truppendienstkammer hat, was die Wehrdisziplinaranwaltschaft mit der von ihr in vollem Umfang eingelegten Berufung zu Recht beanstandet hat, das von den Anschuldigungspunkten 1, 2 und 3 erfasste schuldhafte Fehlverhalten des Soldaten nicht in der gebotenen angemessenen und erforderlichen Weise geahndet. …
[47] 113 ff) Bei der danach gebotenen Gesamtwürdigung ist vor allem die Schwere des Dienstvergehens in Ansatz zu bringen. Dafür ist insbesondere maßgeblich, dass der Soldat nicht nur wegen Missachtung der Sicherheitsvorschrift der Nr. 1450 ZDv 44/10 (a. F.) gegen seine Gehorsamspflicht (§ 11 Abs. 1 SG) verstieß und damit ungehorsam war. Darüber hinaus hat er damit gleichzeitig die körperliche Integrität seiner ihm unterstellten Soldaten vorsätzlich gefährdet und dadurch eine Straftat nach § 19 WStG begangen. In seiner Rechtsprechung hat der Senat die Verletzung der Gehorsamspflicht – je nach Schwere des Verstoßes – mit einer Gehaltskürzung (Urteil vom 4. Juli 2001 BVerwG 2 WD 52.00 Buchholz 236. 1 § 10 SG Nr. 46 = NZWehrr 2002, 76), einem Beförderungsverbot (vgl. u. a. Urteile vom 7. Juli 1988 BVerwG 2 WD 6.88 BVerwGE 86, 30 = NZWehrr 1989, 37, vom 27. September 1989 BVerwG 2 WD 12.89 BVerwGE 86, 180 = NZWehrr 1990, 261 und vom 3. August 1994 BVerwG 2 WD 18.94 NZWehrr 1995, 211) und in schwerwiegenderen Fällen auch mit einer Dienstgradherabsetzung (Urteile vom 14. November 1991 BVerwG 2 WD 12.91 BVerwGE 93, 196 und vom 2. Juli 2003 BVerwG 2 WD 42.02 Buchholz 235. 01 § 38 WDO 2002 Nr. 7 = NZWehrr 2004, 31) geahndet. Allein aufgrund des Umstandes, dass die schuldhaften Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit dem verbotswidrigen Werfen der Übungshandgranate zu keiner konkreten Gesundheitsverletzung bei den betroffenen Rekruten führten und dass der Soldat nicht auf Grund eines vorgefertigten Planes, sondern – möglicherweise auch wegen des (schlechten) Vorbilds der anderen Gruppenführer – eher unüberlegt handelte, kann hier für diesen Teilkomplex noch ein Beförderungsverbot zum Ausgangspunkt der Zumessungserwägung genommen werden.
[48] 114 Da aber das Dienstvergehen durch weitere Pflichtverletzungen, insbesondere die drastischen ehrverletzenden Äußerungen gegenüber den ihm unterstellten Soldaten geprägt ist, ist zu berücksichtigen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Senats bei einer durch einen Vorgesetzten begangenen ehrverletzenden und/oder entwürdigenden Behandlung Untergebener im Regelfall die Dienstgradherabsetzung um einen oder mehrere Dienstgrade, in schweren Fällen sogar die Höchstmaßnahme verwirkt ist (vgl. u. a. Urteil vom 9. Januar 2007 BVerwG 2 WD 20.05 BVerwGE 127, 293 = Buchholz 450. 2 § 38 WDO 2002 Nr. 20 = NZWehrr 2007, 167 m. w. N.). Dieser Maßstab gilt im Regelfall auch bei ehrverletzenden und/oder entwürdigenden Äußerungen. Eine weniger gravierende Disziplinarmaßnahme kommt lediglich bei leichteren Pflichtverletzungen oder bei Vorliegen besonderer Milderungsgründe in den Umständen der Tat in Betracht. Ausgangspunkt der Zumessungserwägung ist für diesen Teilkomplex demnach eine Dienstgradherabsetzung.
[49] 115 Im vorliegenden Falle wurden durch das Dienstvergehen keine Gesundheitsverletzungen oder sonstige nachhaltige Schäden bei den Opfern verursacht; zudem erfolgten die Pflichtverletzungen ohne eine böswillige oder gar menschenverachtende Zielrichtung.
[50] 116 Weiterhin hat der Senat zugunsten des Soldaten in Ansatz gebracht, dass dieser schon aufgrund der relativ langen Zeitdauer des gerichtlichen Disziplinarverfahrens bereits erhebliche dienstliche Nachteile im Hinblick auf seine berufliche Zukunft hinnehmen musste. Für die disziplinarrechtlichen Folgen seines Dienstvergehens trägt zwar letztlich der Soldat die Verantwortung (vgl. dazu u. a. Urteil vom 8. Juli 1998 BVerwG 2 WD 42.97 BVerwGE 113, 235 [240] = Buchholz 236. 1 § 7 SG Nr. 21). Bei der Bemessung von Art und Ausmaß der erforderlichen Pflichtenmahnung können und müssen dennoch die den Soldaten objektiv und subjektiv belastenden, bereits eingetretenen Auswirkungen bei der Maßnahmebemessung Berücksichtigung finden.
[51] 117 Im vorliegenden Fall besteht de facto zu Lasten des Soldaten seit dem Bekanntwerden seiner Pflichtverletzungen bereits ein mehrjähriges Beförderungsverbot. Die zu jenem Zeitpunkt schon vorbereitete Urkunde zur Beförderung des Soldaten zum Oberfeldwebel wurde dementsprechend nicht ausgehändigt.
[52] 118 Andererseits hat die relativ lange Dauer des gerichtlichen Disziplinarverfahrens dem Soldaten auch die Möglichkeit einer Nachbewährung eröffnet. Der Umstand, dass der Soldat diese Chance genutzt hat, ist zu seinen Gunsten bei der Maßnahmebemessung zu berücksichtigen.
[53] 119 Diese Gesichtspunkte rechtfertigten es im konkreten Fall bei einer wertenden Gesamtbetrachtung, von einer bei einer im Dienst begangenen Straftat und einer ehrverletzenden Behandlung von Untergebenen an sich gebotenen Dienstgradherabsetzung hier ausnahmsweise abzusehen und lediglich ein Beförderungsverbot im unteren bis mittleren Bereich als noch angemessene und ausreichende gerichtliche Disziplinarmaßnahme zu verhängen.
[54] 120 Auf ein solches Beförderungsverbot konnte allerdings insbesondere im Hinblick auf die offenkundig nach wie vor fehlende hinreichende Einsicht des Soldaten in sein schuldhaftes Fehlverhalten sowie aus generalpräventiven Gründen nicht verzichtet werden. Denn im militärischen Über und Unterordnungsverhältnis sind Untergebene – vor allem auch Rekruten während der Grundausbildung – besonders schutzbedürftig. Dies folgt schon daraus, dass Untergebene gegenüber den ihnen von Vorgesetzten erteilten Befehlen – unter Strafandrohung (vgl. §§ 19 ff. WStG) – gehorsamspflichtig sind, soweit ein erteilter Befehl im Einzelfall nicht unwirksam ist, und dass die dem Vorgesetzten zur Durchführung dienstlicher Aufgaben eingeräumten Befehlsbefugnisse zu rechtswidrigen Eingriffen in die Rechtssphäre von Untergebenen missbraucht werden können. Angesichts dieser besonderen Schutzbedürftigkeit von Untergebenen kommt der Fürsorgepflicht des Vorgesetzten besondere Bedeutung zu, zumal die körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) sowie die Ehre und die Würde jedes Menschen (Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 1 Abs. 1 GG) grundrechtlich besonders geschützt sind. Deshalb muss, auch aus generalpräventiven Gründen, jeder Anschein einer Bagatellisierung von Verstößen von Vorgesetzten gegen ihre gegenüber Untergebenen bestehende Pflicht zur Fürsorge sowie zur Kameradschaft vermieden werden, insbesondere wenn dabei – wie im vorliegenden Fall – sogar eine Straftat (§ 19 WStG) wegen Missachtung einer wichtigen Sicherheitsbestimmung begangen wurde.