Bundesgerichtshof

BGH, Urteil vom 19. 12. 2014 – V ZR 324/13; LG Hamburg (lexetius.com/2014,5339)

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 19. Dezember 2014 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richterin Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und die Richter Dr. Czub, Dr. Kazele und Dr. Göbel für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg – Zivilkammer 32 – vom 12. Juli 2013 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
[1] Tatbestand: Die Klägerin ist die öffentlich-rechtliche Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, die durch Staatsvertrag der beiden Länder errichtet wurde. Sie verwaltet unter anderem die Schlösser Sanssouci in Potsdam und Charlottenburg in Berlin; ihr ist das Eigentum an den Grundstücken übertragen worden. Die Klägerin trägt vor, sie sei auch Eigentümerin des Inventars der Schlösser, zu dem Originale von Bildern alter Meister gehören.
[2] Die Beklagte fertigt und vertreibt Kunstdrucke u. a. mit Bildern alter Meister. Nach ihren Angaben stellt sie diese auf Anfrage unter Verwendung einer CD her, die hochauflösende Dateien von Fotos der Gemälde enthält. Einige dieser Fotos sind in den Schlössern aufgenommen worden, die im Eigentum der Klägerin stehen.
[3] Die Klägerin verlangte von der Beklagten, die kommerzielle Verwertung von Aufnahmen der von ihr verwalteten Kulturgüter einzustellen. Nachdem die Beklagte das unter Hinweis auf die Gemeinfreiheit der Kunstwerke abgelehnt hatte, forderte die Klägerin sie in einem anwaltlichen Abmahnschreiben auf, eine Unterlassungserklärung abzugeben, Auskunft über die Zahl der bis dahin hergestellten Reproduktionen der Kunstwerke zu geben, sich zur Vernichtung der noch in ihren Händen befindlichen Drucke und zur Zahlung von Schadensersatz zu verpflichten. Ferner verlangte die Klägerin von der Beklagten die Zahlung ihrer Anwaltskosten. Die Beklagte gab zwar die von der Klägerin verlangte Unterlassungserklärung ohne Anerkennung einer Rechtspflicht ab, weigerte sich aber, den weitergehenden Forderungen der Klägerin nachzukommen.
[4] Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung der im Zusammenhang mit der Abmahnung entstandenen Anwaltskosten von 1.580 € nebst Zinsen in Anspruch. Die Beklagte hat von der Klägerin im Wege der Widerklage den Ersatz ihrer Anwaltskosten in Höhe von 1.780,20 € nebst Zinsen für die Verteidigung gegen die nach ihrer Ansicht unberechtigte Abmahnung verlangt. Das Amtsgericht (dessen Urteil in MMR 2012, 836 veröffentlicht ist) hat die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Das Landgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit dieser verfolgt die Klägerin ihre Anträge auf Verurteilung der Beklagten zur Zahlung ihrer Anwaltskosten und auf Abweisung der Widerklage weiter. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.
[5] Entscheidungsgründe: I. Das Berufungsgericht (dessen Entscheidung in BeckRS 2013, 21503 veröffentlicht worden ist) meint, die Grundsätze in der Entscheidung des Senats (Urteil vom 17. Dezember 2010 – V ZR 45/10, NJW 2011, 749) zum Recht des Grundstückseigentümers, die Verwertung der ohne seine Zustimmung auf seinem Grundstück angefertigten Abbildungen seiner Gebäude und Gärten zu untersagen, seien auf Ablichtungen von Gemälden nicht übertragbar. Bei dem Fotografieren beweglicher Gegenstände fehle es an einer dem Betreten des Grundstücks vergleichbaren unmittelbaren Einwirkung auf die Sache. Die Sachherrschaft des Eigentümers an dem Gegenstand werde durch die Fotografie nicht beeinträchtigt. Das Werk als geistiges Gebilde sei dagegen keine Sache im Sinne des § 90 BGB und könne daher nicht Gegenstand des sachenrechtlichen Eigentums sein. Ob das Fotografieren des Originals gegen den Willen des Eigentümers sich als eine nach §§ 903, 1004 BGB abzuwehrende Einwirkung auf das Eigentum darstelle, könne dahinstehen, da die Klägerin der Beklagten dies nicht vorwerfe. Sie stelle lediglich in den Raum, dass die Fotografien unerlaubt angefertigt sein müssten. Wenn die Klägerin die Beeinträchtigung ihres Eigentums durch unerlaubtes Fotografieren zur Grundlage ihrer Ansprüche mache, müsse sie darlegen und im Streitfall beweisen, dass und wie die Einwirkung auf ihr Eigentum durch die Beklagte erfolgt sein soll. Das sei hier nicht geschehen.
[6] II. Das hält revisionsrechtlicher Überprüfung stand.
[7] 1. Die Klage auf Erstattung der vorgerichtlichen Anwaltskosten ist von dem Berufungsgericht zu Recht abgewiesen worden. Zwar stünde der Klägerin in Anlehnung an die Rechtsprechung zu den Kosten einer Abmahnung (BGH, Urteil vom 15. Oktober 1969 – I ZR 3/68, BGHZ 52, 393, 399; Urteil vom 17. Juli 2008 – I ZR 219/05, NJW 2008, 3565 Rn. 34) ein Anspruch auf Aufwendungsersatz (§ 677, § 683 Satz 1, § 670 BGB) zu, wenn sie von der Beklagten nach § 1004 Abs. 1 BGB zu Recht verlangt hätte, die Verwertung von Abbildungen ihrer Sachen zu unterlassen. So verhält es sich aber nicht.
[8] a) Nach der Rechtsprechung des Senats stellen das ungenehmigte Fotografieren eines Gebäudes oder eines Gartens und die Verwertung solcher Fotografien eine nach § 1004 Abs. 1 BGB abwehrbare Eigentumsbeeinträchtigung dar, wenn nicht von allgemein zugänglichen Stellen, sondern von dem Grundstück aus fotografiert worden ist, auf dem sich Gebäude bzw. Garten befinden (Senat, Urteil vom 17. Dezember 2010 – V ZR 45/10, NJW 2011, 749, Rn. 8 ff; Urteil vom 1. März 2013 – V ZR 14/12, NJW 2013, 1809 Rn. 12 ff.). Da der Grundstückseigentümer darüber entscheidet, wer sein Grundstück betreten darf und zu welchen Bedingungen dies ermöglicht werden soll, gehört zum Zuweisungsgehalt des Eigentums auch das Recht, darüber zu entscheiden, wer die wirtschaftlichen Vorteile ziehen darf, die das Betreten des Grundstücks eröffnet (Senat, Urteil vom 1. März 2013 – V ZR 14/12, NJW 2013, 1809 Rn. 14; BGH, Urteil vom 20. September 1974 – I ZR 99/73, NJW 1975, 778).
[9] b) Ob diese Rechtsprechung auf bewegliche Sachen übertragen werden kann, bedarf hier keiner Entscheidung, weil jedenfalls die weiteren Voraussetzungen eines etwaigen Unterlassungsanspruchs nicht erfüllt sind.
[10] aa) Ein Anspruch der Klägerin aus § 1004 Abs. 1 BGB setzte voraus, dass Grundstück bzw. Gemälde zum Zeitpunkt der Anfertigung der Fotografien der Klägerin gehörten, sie nicht frei zugänglich waren und auch keine Erlaubnis zum Fotografieren erteilt worden war. Eine rechtswidrige Eigentumsverletzung kommt nämlich nur in Betracht, wenn die Fotografien unter Verletzung der dem Eigentümer zustehenden Befugnis entstanden sind, andere vom Zugang zur Sache oder von deren Anblick auszuschließen und ihnen damit die Möglichkeit der Ablichtung und deren Verwertung abzuschneiden oder zumindest zu erschweren (vgl. BGH, Urteil vom 13. Oktober 1965 – I ZR 111/63, BGHZ 44, 288, 295; Urteil vom 9. März 1989 – I ZR 54/87, NJW 1989, 2251, 2252).
[11] Insoweit fehlt es jedoch an ausreichendem Vortrag. Die Darlegungslast liegt nach allgemeinen Grundsätzen bei der Klägerin, da die rechtswidrige Eigentumsbeeinträchtigung zu den Tatbestandsmerkmalen des § 1004 Abs. 1 BGB gehört. Die Klägerin hat ausweislich des Berufungsurteils lediglich in den Raum gestellt, dass die Fotografien der Gemälde unerlaubt angefertigt sein müssten; wann, durch wen und auf welche Weise dies konkret erfolgt sein könnte, ist unklar geblieben. Auch der Hinweis der Klägerin, sie habe das "Durchfotografieren" zur Erstellung einer Bilddatenbank nicht gestattet, ist nicht weiterführend; denn hierdurch ist insbesondere nicht ausgeschlossen, dass die Aufnahmen zu einem Zeitpunkt entstanden sind, zu dem die Klägerin noch nicht Eigentümerin des Grundstücks bzw. der Gemälde war.
[12] bb) Ferner fehlt es an der Störereigenschaft der Beklagten und damit an der weiteren Voraussetzung für einen etwaigen Anspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB (vgl. dazu näher Senat, Urteil vom 17. Dezember 2010 – V ZR 44/10, NJW 2011, 753 Rn. 9 ff.). Da die Beklagte die Fotografien nicht selbst angefertigt hat, setzte ihre Inanspruchnahme als Störerin voraus, dass sie bei der Vervielfältigung der Fotos Prüfpflichten in Bezug auf eine Verletzung von Eigentumsrechten der Klägerin verletzt hätte (vgl. Senat, Urteil vom 17. Dezember 2010 – V ZR 44/10, aaO Rn. 15). Hierfür ist nichts ersichtlich.
[13] Einer Verletzung von Prüfpflichten steht bereits entgegen, dass die Beklagte Fotovorlagen von gemeinfreien, mehrere Jahrhunderte alten Kunstwerken erworben hat, von denen zahlreiche Ablichtungen und Reproduktionen existieren, die teilweise bereits lange vor der Gründung der Klägerin (und deren nachfolgenden Eigentumserwerb an den Schlössern und den darin befindlichen Gemälden) entstanden sind. Derjenige, der auf dem Markt Fotos und Reproduktionen solcher Kunstwerke erwirbt, muss grundsätzlich nicht davon ausgehen, dass diese unter Verletzung der Rechte ihrer jetzigen Eigentümer angefertigt worden sind. Bei dem von der Beklagten verwendeten Fotomaterial kommt hinzu, dass dessen Herstellung in der Regel die Zustimmung des Eigentümers der Räume erfordert, in dem sich die Kunstwerke befinden, da die Anfertigung der hochauflösenden Fotovorlagen nur unmittelbar vor dem Kunstwerk mit einem besonderen fototechnischen Aufwand möglich ist. Insoweit ist von der Revisionserwiderung zutreffend bemerkt worden, dass die Beklagte bei dem Erwerb keinen Anlass zu der Annahme hatte, dass das für die Anfertigung von Kunstdrucken erworbene Fotomaterial ohne die erforderliche Zustimmung der Eigentümer hergestellt worden sein könnte.
[14] Ob Gewerbetreibende, die mit Kunstwerken handeln oder diese reproduzieren, eine erweiterte Prüfungs- und gegebenenfalls eine Nachfragepflicht bei der Klägerin trifft, wenn sie neues, offensichtlich auf den Grundstücken der Klägerin aufgenommenes Fotomaterial verbreiten oder vervielfältigen, bedarf hier keiner Entscheidung, da nicht festgestellt ist, dass es sich bei den Fotografien, die die Beklagte nach ihrem Vortrag verwendet hat, um solches Material handelt; die Revision verweist auch nicht auf entsprechenden Vortrag.
[15] 2. Der Widerklage ist zu Recht stattgegeben worden. Der Beklagten steht ein Anspruch auf Ersatz ihrer außergerichtlichen Anwaltskosten aus § 823 Abs. 1 BGB zu.
[16] a) Die unbegründete Abmahnung stellt einen Eingriff in das nach § 823 Abs. 1 BGB geschützte Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des zu Unrecht Abgemahnten dar (vgl. zu unbegründeten Verwarnung aus Schutzrechten: BGH, Urteil vom 15. Juli 2005 – GSZ 1/04, BGHZ 164, 1, 2; Urteil vom 12. Juli 2011 – X ZR 56/09, GRuR 2011, 995 Rn. 28). Die unberechtigte Aufforderung zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung unter Hinweis auf ein tatsächlich nicht bestehendes Recht verpflichtet zum Schadensersatz, wenn der Abmahnende schuldhaft das Fehlen seiner Berechtigung nicht erkennt, wofür einfache Fahrlässigkeit genügt (BGH, Urteil vom 15. Juli 2005 – GSZ 1/04, BGHZ 164, 1, 10).
[17] b) Die Klägerin hat schuldhaft gehandelt, indem sie die Beklagte auf Unterlassung der Verbreitung von Ablichtungen ihrer Gemälde in Anspruch genommen hat, ohne darzulegen, dass diese unter Verletzung ihrer Eigentumsrechte angefertigt worden sind. Dass dies eine Voraussetzung des Abwehranspruchs aus dem Eigentum ist, hätte die Klägerin erkennen müssen, nachdem der Senat in den von ihr zitierten Entscheidungen hervorgehoben hat, dass aus dem Eigentum an der Sache kein Recht an deren Bild folgt (Urteil vom 1. März 2013 – V ZR 14/12, NJW 2013, 1809 Rn. 15) und dass der aus dem Eigentum folgende Anspruch auf Unterlassung der gewerblichen Verwertung eines Fotos der eigenen Sache die Unrechtmäßigkeit von deren Ablichtung voraussetzt (Urteil vom 17. Dezember 2010 – V ZR 45/10, NJW 2011, 749 Rn. 15).
[18] c) Dass die Beklagte die Beauftragung eines Rechtsanwalts angesichts des Inhalts des Abmahnschreibens für erforderlich halten durfte, steht außer Zweifel und wird durch die Klägerin auch nicht in Abrede gestellt.
[19] IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.